Zusammenfassung
An Hand von Jod-Tracer-Messung bei 235 Geisteskranken und Bestimmung von klinischem Zustand, Verlauf und Therapieprognose bei 97 schizophrenen Patienten konnten folgende Relationen zwischen Schilddrüsenfunktion und Schizophrenie nachgewiesen werden:
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1.
Unter Schizophrenen neigen Frauen häufiger zu Schilddrüsenfunktionsstörungen als Männer.
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2.
Der pyknische Habitus zeigt die stärkste, der athletische die geringste Tendenz zu Schilddrüsenfunktionsstörungen.
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3.
Zwischen Jod-Tracer-Befunden und Alter der Patienten besteht eine deutliche Relation.
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4.
Von den schizophrenen Untergruppen neigen die Katatonen in besonderem Maß zu Schilddrüsenüberfunktionen, die Paranoiden zu Schilddrüsenunterfunktionen.
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5.
Die Dauer seit dem ersten Beginn der Erkrankung ist ohne Einfluß auf die Schilddrüsenfunktion. Unter den nur kurz hospitalisierten Patienten finden sich jedoch in gehäuftem Maße Fälle mit Schilddrüsenüberfunktion.
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6.
Zwischen der Verlaufsform der Psychose und dem Funktionsniveau der Schilddrüse besteht ein direktes Verhältnis. Je höher die Schilddrüsenaktivität, desto größer ist der Prozentsatz der wellenförmig verlaufenden, zu Spontanremissionen neigenden Psychosen.
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7.
Zwischen schizophrenem Endzustand und Schilddrüsenfunktion läßt sich ein Zusammenhang nicht sicher nachweisen.
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8.
Unter den akut einsetzenden Psychosen finden sich solche mit Schilddrüsenüberfunktion in gehäuftem Maße.
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9.
Die Reaktivität des Patienten gegenüber neuroplegischer Medikation — weniger gegenüber Schocktherapie — ist teilweise abhängig vom Funktionsniveau der Schilddrüse. Hohes Funktionsniveau entspricht meist einer guten Therapieprognose.
Literatur
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Herrn Professor Bleuler, Professor Stoll, Doktor Beack und Doktor Kind bin ich. für ihre Hilfe und Unterstützung zu großem Dank verpflichtet. Diese Arbeit basiert teilweis auf den von Professor Stoll erarbeiteten wissenschaftlichen Unterlagen. Für die großzügige Überlassung seines Materials darf ich ihm an dieser Stelle nochmals danken.
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von Brauchitsch, H. Die Beziehungen zwischen Schilddrüsenfunktion, Verlaufsform und Therapieprognose bei der Schizophrenie. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 202, 331–345 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00353564
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