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Zur Frage der familiären Syringomyelie

Klinisch-anatomische Untersuchungen über „familiäre neuro-vasculäre Dystrophie der Extremitäten“

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Zusammenfassung

  1. 1.

    Es wird der klinische und pathologisch-anatomische Befund einer 32jährigen Frau mitgeteilt, die ebenso wie deren Vater und jüngere Schwester das Erscheinungsbild einer bisher selten in der Literatur beschriebenen Heredodegeneration zeigt. Bei diesem Krankheitsbild finden sich intrafamiliär variierend sensible und trophische Störungen vorwiegend im Bereich der unteren Extremitäten, seltener auch der Hände. Wegen der meist dissoziierten Form der Empfindungsstörung wurde dieses Syndrom bisher vorwiegend als familiäre Syringomyelie aufgefaßt. Bereits bei der klinischen Betrachtung waren aber schon früher Zweifel an der Berechtigung der Zuordnung zur genuinen Syringomyelie aufgetreten, wobei vor allem das Stationärbleiben der neurologischen Ausfallserscheinungen in auffallendem Gegensatz stand zu der Pfogredienz der typischen Syringomyelie. Die Schwierigkeit der Klassifizierung dieses Krankheitsbildes zeigt sich auch darin, daß ähnliche Fälle teils zu den vasomotorisch-trophischen Erkrankungen, teils zum „myelodysplastischen Syndrom“ zugeordnet wurden.

  2. 2.

    Durch den hier mitgeteilten Fall, der, soweit uns bekannt, erstmals eine anatomische Unterlage für das bisher nur klinisch beschriebene Syndrom darstellt, konnte eine Syringomyelie ausgeschlossen werden. Statt dessen fanden sich histologisch zahlreiche dysontogenetische Störungen im Bereich des Zentralorgans, wobei besonders dem Nachweis von Gefäßanomalien (Teleangiektasien, kleine Capillarhämangiome) für das vorliegende Krankheitsbild vermehrte Bedeutung beigemessen wird. Diese Bedeutung wird noch hervorgehoben durch den Nachweis frischer Blutungen in der Umgebung der veränderten Gefäße. Diese waren vorwiegend im Bereich von L5 und S1 lokalisiert. In diesem Bereich fand sich auch eine Tigrolyse von Nervenzellen der dorsolateralen Gruppe des Vorderhorns, die als Folge der sich in der Peripherie abspielenden Prozesse gedeutet wird.

  3. 3.

    Auch im Bereich der trophischen Störungen an den unteren Extremitäten standen Gefäßveränderungen im Vordergrund. Diese bestanden in einem Wandumbau der kleinen Arterien mit Wucherung sämtlicher Wandschichten bis zum vollständigen Verschluß. In einzelnen Gefäßen wurden rekanalisierte Thromben gefunden. Die gleichen Gefäßveränderungen waren im Perineurium der Nerven nachzuweisen. Die Nervenfaserbündel waren diskontinuierlich entmarkt, mit Wucherung Schwannscher Zellen. Haut und Muskulatur zeigten atrophische und hypertrophische Veränderungen nebeneinander. Am Knochen (Metatarsale II) bestand Restzustand nach Fraktur. Die Gewebsveränderungen waren ebenso wie die der Gefäße und Nerven auf ganz umschriebene Abschnitte des Fußes beschränkt, sie können am ehesten als dystrophische bezeichnet werden.

  4. 4.

    Nach dem klinischen und anatomischen Befund läßt sich der beschriebene Fall weder in die Gruppe der bekannten vasomotorischtrophischen Erkrankungen, noch in den Rahmen der familiären Syringomyelie einordnen. Durch die Abgrenzung dieses und ähnlicher familiärer Syndrome von der erblichen echten Syringomyelie wird die Zahl der dorthin gerechneten familiären Beobachtungen deutlich vermindert. Zu dem Formenkreis des „myelodysplastischen Syndroms“ hat unser Fall die meisten Beziehungen. Innerhalb dieses klinisch und besonders auch anatomisch nicht genau abgegrenzten Krankheitsbegriffes stellt aber das hier beschriebene Krankheitsbild eine wohlcharakterisierte Form heredofamiliärer Erkrankung dar. Auf Grund der charakteristischen klinischen und anatomischen Befunde ist diese Krankheitsgruppe am ehesten als „familiäre neuro-vasculäre Dystrophie der Extremitäten“ zu bezeichnen.

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Jugmenn, H., Krücke, W. & Wadulla, H. Zur Frage der familiären Syringomyelie. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 182, 153–176 (1949). https://doi.org/10.1007/BF00352761

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