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Das Elektrencephalogramm beim Hirntumor

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Zusammenfassung

  1. 1.

    Die Arbeit hat die Untersuchung der Hirnaktion bei intrakraniellen Tumoren zum Ziel. Die Überprüfung von 72 supratentoriellen Geschwülsten ergab, daß das Elektrencephalogramm erheblich variieren kann: Nur bei etwa einem Viertel des Materials beschränkten sich die Störungen im Bild der Hirnpotentiale (Deltawellen, in Einzelfällen herdförmige Reduktion oder Aktivierung des Alpharhythmus) ungefähr auf das Gebiet über dem Blastom. Relativ groß war die Zahl der Fälle mit Veränderungen des EEG. über der gesamten tumortragenden Hemisphäre; aber auch annähernd seitengleiche oder gar völlig bilateral symmetrische Ausbildung der trägen Schwankungen über der gesamten Schädelkonvexität wurde mehrfach beobachtet. Schließlich bot das EEG. von 6 Geschwülsten (darunter 3 parasagittale Meningeome) keine greifbaren Abwegigkeiten.

  2. 2.

    Für die Entstehung der mannigfaltigen hirnelektrischen. Bilder sind wahrscheinlich eine Reihe von. Faktoren maßgebend. Wir vermuten, daß durch die mit der Raumbeengung verbundene Durchblutungsminderung in der Hirnrinde bestimmte, mit elektrischen Erscheinungen verknüpfte Stoffwechselvorgänge in wechselnder Intensität und Extensität gestört werden. Die nicht seltene Ausbreitung der EEG.-Veränderungen über eine ganze Hemisphäre dürfte mit der Tatsache zusammenhängen, daß auch die Hirnschwellung oft nicht auf die Umgebung des Tumors lokalisiert bleibt, sondern sich über die ganze gleichseitige Hirnhälfte ausbreitet. Bsidseitige, über der gesamten Konvexität ableitbare Deltäwellen hängen darüber hinaus vermutlich von der Beeinträchtigung der diencephalen Schlaf-Wachregulationszentren ab.

  3. 3.

    Auf Veränderungen der Hirnaktion auf der Tumorgegenseite wird kurz hingewiesen.

  4. 4.

    Eine Untersuchung der Beziehung zwischen EEG. und Papillenbefund — der als grober Maßstab für die Stärke der Hirnschwellung eingesetzt wurde — ergab, daß Tumoren mit Stauungspapille (57 Fälle) durchweg im EEG Deltawellen erkennen ließen; nur 3 Fälle machten hier eine Ausnahme. Häufiger ist dagegen das Zusammentreffen von normalem Fundus mit Deltawellen, eine Symptomenverbindung, die darauf hindeutet, daß im Rahmen der beginnenden Dekompensation des endokraniellen Kreislaufs unter Umständen die Durchblufrungsdrosselung in der Rinde eher zu Abwandlungen des EEG. führt, als daß auf Grund der Behinderung des venösen Abflusses im Mark — entsprechend der Theorie von Tönnis — die Hirnschwellung sich entwickeln oder bis zum Opticus vordringen könnte.

  5. 5.

    Die Annahme, daß die Veränderungen der Hirnaktion nur indirekt mit dem Tumor zusammenhängen, bestätigte sich bei der Untersuchung topographischer Verhältnisse. Die Distanz der Tumöroberfläche zur Rinde ist für die Entwicklung pathologischer Potentiale ohne Bedeutung; auch tief subcortical oder gar im Stammgangliengebiet gelegene Geschwülste können ausgedehnte EEG.-Störungen im Gefolge haben; andererseits bleibt bisweilen bei oberflächennah lokalisierten Neubildungen die Hirnaktion intakt. Auch die Größe des Blastoms ist aus dem hirnelektrischen Bild nicht abzuschätzen.

  6. 6.

    Über die Geschwulstart gibt das EEG. keine Aufschlüsse; lediglich langsam wachsende Tumoren des Fronto- Zentralgebiets scheinen relativ charakteristische Abwandlungen des Berger-Rhythmus mit sich zu bringen.

  7. 7.

    Bei Tumoren der hinteren Schädelgrube sind lokale Störungen der Hirnaktion nur ausnahmsweise nachweisbar; wohl aber kommen — offenbar infolge einer durch den Hydrocephalus internus occlusus bedingten Schädigung der diencephalen Zentren der Wach-Schlafregulierung oder der Rinde — seitengleiche Deltawellen im Bereich der Konvexität vor.

  8. 8.

    Zwischen EEG. und Liquorbefund scheint insofern eine gewisse Korrelation zu bestehen als bei Geschwülsten mit fehlenden oder geringen Abwegigkeiten in der Hirnaktion der Liquor in der Regel von normaler Beschaffenheit zu sein pflegt. Diskrepanzen zwischen EEG. und Zusammensetzung der Cerebrospinalflüssigkeit erklären sich vermutlich damit, daß für die letztere der Zustand der Plexus- und Meningealgefäße entscheidend ist, der nicht immer dem Verhalten der Rindehdurchblutung parallel läuft, von welcher das EEG. abzuhängen scheint.

  9. 9.

    Im letzten Abschnitt werden praktisch diagnostische Gesichtspunkte berührt; so wird auf die Differentialdiagnose zwischen supra- und infratentoriell gelegenen Tumoren, auf die Verwendung des EEG. für die Lokalisation von Großhirngeschwülsten und in der Differentialdiagnose zwischen Tumor- und raumfordernden Prozessen anderer Art eingegangen. Es wird betont, daß das EEG. allein grundsätzlich keine Diagnose liefern kann, sondern nur eine die klinischen Daten abrundende und ergänzende Methode darstellt; die Zahl der Fälle, bei denen es den entscheidenden diagnostischen Baustein liefert, ist aber durchaus nicht gering. Das EEG. kann auch zur Lösung von Problemen der allgemeinen Tumorpathologie beitragen.

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Herrn Prof. Dr. Gottfried Ewald zum 60. Geburtstag gewidmet.

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Duensing, F. Das Elektrencephalogramm beim Hirntumor. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 182, 51–96 (1949). https://doi.org/10.1007/BF00352758

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