Zusammenfassung
Die Vergleichsuntersuchung an 170 therapieresistenten und 200 nicht therapieresistenten Anstaltsepileptikern ergibt, daß bei der erhöhten Krampfbereitschaft therapieresistenter Patienten ein statistisch nicht sicher zu erfassender hereditärer Faktor mitbeteiligt ist.
Das Anfallsleiden hatte bei therapieresistenten Epileptikern etwas häufiger als bei nicht therapieresistenten Patienten bereits im 1. Lebensjahr eingesetzt. Patienten mit Demenz finden sich unter therapieresistenten Epileptikern signifikant häufiger als unter nicht therapieresistenten Kranken. Die grand mal-Epilepsie tritt bei therapieresistenten Epileptikern signifikant seltener, ein Anfallsleiden mit psychomotorischen Anfällen signifikant häufiger als bei anderen Epileptikern auf.
Die neurologischen und pneumencephalographischen Befunde, sowie die tageszeitlich gebundene Verlaufsform ließen keine besonderen Unterschiede zwischen therapieresistenten und nicht therapieresistenten Epileptikern erkennen. Die Lokalisation des im EEG nachweisbaren Herdbefundes scheint keine Bedeutung für die Prognose des Leidens zu haben.
Insgesamt zeigten sich im EEG von therapieresistenten Epileptikern häufiger als im Hirnstrombild von nicht therapieresistenten Patienten Spitzenpotentiale und eine schwere Allgemeinveränderung; jedoch fand sich bei Gegenüberstellung der vergleichbaren, gleich nach einem Anfall aufgenommenen Hirnstrombilder kein deutlicher Unterschied zwischen beiden Gruppen. Hingegen war der Herdbefund im EEG bei therapieresistenten Epileptikern häufiger als bei nicht therapieresistenten Patienten durch Spitzenpotentiale gekennzeichnet.
Im EEG therapieresistenter Epileptiker fiel eine Vielgestaltigkeit der Spitzenpotentiale auf: neben sharp waves traten spikes and waves verschiedener Frequenz oder Einzelspikes auf, oder alle Formen von Spitzenpotentialen waren in einem Hirnstrombild vorhanden. Es ist möglich, daß die Polymorphie des Hirnstrombildes ein Kennzeichen für ein therapeutisch schwer zu beeinflussendes Anfallsleiden bildet.
Ehemals therapieresistente Epileptiker waren nach einer Umstellung der Medikation auf andere Arzneimittel signifikant häufiger anfallsfrei geworden als Patienten mit einer geringer ausgeprägten Krampfbereitschaft. Bei letzteren hatte eine Erhöhung der ursprünglichen medikamentösen Dosis meist genügt, um sie anfallsfrei zu machen. Die individuelle, auf die betreffende Anfallsform ausgerichtete Behandlung scheint bei den therapieresistenten Epileptikern noch mehr als bei Patienten mit einer geringeren Anfallsbereitschaft der wichtigste therapeutische Faktor zu sein.
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Die Arbeit wurde mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt.
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v. Hedenström, I., Schorsch, G. Über therapieresistente Epileptiker. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 204, 579–588 (1963). https://doi.org/10.1007/BF00352712
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