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Reine Agraphie und konstruktive Apraxie als Ausdruck einer Leitungsstörung

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Zusammenfassung

Ein hirnpathologischer Krankheitsfall wird mit einer Leitungsstörung erklärt. Die grundsätzliche Berechtigung dazu ergibt sich aus der Tatsache der Balkenapraxie.

Nach Abklingen der akuten Krankheitserscheinungen bot unsere Kranke ohne wesentliche Sprach- oder Lesestörung eine Agraphie, wobei das einfache Kopieren von Buchstaben ebenfalls betroffen war. Dazu kam eine schwere konstruktive Störung, die wieder das Nachlegen und Nachzeichnen ebenso betraf wie das Spontanzeichnen. Der Nachweis dafür, daß für das Konstruieren ebenso wie für das Schreiben nur ein Ausfall im Bereich des Handelns, nicht des Erkennens vorlag, konnte einmal dadurch erbracht werden, daß Hab sämtliche Figuren, die sie nicht nachlegen oder nachzeichnen konnte, sicher erkannte und bei verschiedenen auch schon leichteste Unterschiede anzugeben wußte, zum andern aber daraus, daß sie in eigenartigen „suchenden Bewegungen“ immer von neuem dem Ziel zustrebte, das sie gnostisch vor Augen hatte, aber handelnd nicht finden konnte.

Zur Erklärung der Störung wurde angenommen, daß das optische Gebiet vom haptisch-räumlichen abgetrennt sei, daß also eine Leitungsstörung vorliege. Diese Auffassung bestätigte sich dadurch, daß die Verbindung auch rückläufig unterbrochen war. Wenn mit einem Arm der Kranken durch passive Bewegungen einfache Figuren geformt wurden, konnten diese von ihr nicht erkannt werden, weil jetzt die Übertragung ins Optische, die erst das Bild der Figuren vermittelt hätte, ausblieb. Ähnlich war es der Kranken unmöglich, Figuren zu erkennen, die auf ihre Haut geschrieben wurden, obwohl keine Sensibilitätsstörung bestand. Am eindruekvollsten waren die Ergebnisse bei Prüfung der Stereognosie. Während Hab die ihr geläufigen Gegenstände ohne jedes Zögern rechts wie links richtig benannte, versagte sie, wenn sie zum richtigen Erkennen erst ein optisches Bild der getasteten Gegenstände hätte machen müssen. Als ihr Möbel und Geschirr aus einer Puppenküche in die eine oder auch beide Hände gegeben wurden, erkannte sie kaum einen Gegenstand. Wegen der ungewöhnlichen Größe waren ihr die Gegenstände für den Tastbefund nicht mehr geläufig; ein optisches Bild konnte sie sich aus dem Tastbefund aber nicht mehr bilden. Es hätte ihr das Erkennen sofort ermöglicht, denn während die Größe der Dinge im Tastbefund konstant ist, wechselt sie im optischen Bild je nach der Entfernung des Gegenstandes vom Auge.

Meine Darstellung war rein klinisch. Die Beweisführung wird sich noch erheblich festigen, wenn ich auf die Frage der anatomischen Verhältnisse genauer eingehe. Dabei muß ich aber auch die in der Literatur beschriebenen Fälle ins Auge fassen und gehe daher in einer eigenen Arbeit darauf ein.

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Leonhard, K. Reine Agraphie und konstruktive Apraxie als Ausdruck einer Leitungsstörung. Archiv fü Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 188, 471–503 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00352640

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