Verlauf und prognose beruflicher hämatologischer strahlenschäden

Zusammenfassung

Unter 992 beruflich strahlenexponierten Personen, die in der Klinik für Berufskrankheiten in Prag langjährig verfolgt warden, wurden bei 50 unter ihnen Veränderungen der Leukocytenzahl beobachtet, die dem Einfluß ionisierender Strahlung zugeschrieben warden. Mit Ausnahme eines Falles, bei dem sich eine Leukocytose entwickelte, handelte es sich stets um inkonstante Leukopenien, bei denen normale und leukopenische Werte im Blutbild wechselten. Es warden keine morphologischen Veränderungen der Leukocyten oder Veränderungen der Erythrocyten und Thrombocyten nachgewiesen. Die Blutbildveränderungen sind in der Mehrzahl der Fälle unerwartet (ohne vorherigen Trend zur Zellzahlverminderung) entstanden, durchschnittlich nach 9,8jähriger Arbeit mit ionisierenden Strahlen. Nach dem Arbeitsplatzwechsel oder nach Besserung der arbeitshygienischen Verhältnisse hat sich die Leukopenie meist gebessert oder ist verschwunden, in einem Drittel der Fälle ist sie unverändert geblieben, bei niemandem aber haben sich die hämatologischen Befunde verschlechtert (Beobachtungszeit durchschnittlich 8 Jahre nach der Anerkennung der Blutbildschädigung). Ich bin deshalb der Meinung, daß die Prognose der strahlenbedingten Leukopenie gutartig ist und daß diese Veränderungen keine absolute Kontraindikation für die Arbeit mit ionisierenden Strahlen vorstellen.

Das Sternalpunktat hat nur in Einzelfällen leichte Abweichungen gezeigt, meist nur mäßige Verminderung des Zellreichtums im Knochenmarkspunktat. Bei der Untersuchung der Knochenmarksfunktion mittels bakterieller Pyrogene bei 13 Personen war der Anstieg der Neutrophilen nur bei 2 Personen niedriger als in der Kontrollgruppe.

Untersuchung der Beweglichkeit der Leukocyten, ihrer osmotischen Resistenz und einiger cytochemischer Reaktionen (Polysaccharide, Lipide, Ribonucleinsäure, Peroxydase, alkalische Phosphatase) und der durchschnittlichen Zahl der Nucleolen der Lymphocyten hat keine Abweichungen von der Norm gezeigt, im Unterschied zu Kranken mit Panmyelopathien, bei denen verminderte Beweglichkeit und osmotische Resistenz und höhere Aktivität der alkalischen Phosphatase der Leukocyten und höhere Zahl der Nucleolen in den Lymphocyten festgestellt wurden.

Der gutartige Verlauf der strahlenbedingten Leukopenie (wobei betont wird, daß es sich stets nur um eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose handelt, da Abweichungen der Leukocytenzahl im Rahmen der physiologischen Schwankungen oder durch andere Einflüsse bedingt sein können) und Ergebnisse der obengenannten Hilfsmethoden erlauben uns, sie mit anderen Cytopenien zu vergleichen. Bei niemandem hat die schwankende Leukopenie den Charakter einer Panmyelopathie gehabt, und wir vermuten, daß sie eher durch Störung der Regulation der Leukocytenverteilung als durch Knochenmarkshemmung verursacht sein könnte. Es wind allerdings angenommen, daß höhere Strahlenbelastung, als der die beobachteten Personen ausgesetzt wurden, auch ernstere hämatologische Schäden hervorruft.