Zusammenfassung
Es wird versucht, Ursachen und Bedeutung der erstmals von Romeis (1926) beschriebenen jahreszyklischen Strukturveränderungen an den Epithelkörperchen (EK) von Anuren zu klären.
70 geschlechtsreife Grasfrösche (Rana temporaria), 14 erstjährige Grasfrösche, 12 Larven von Rana temporaria und 16 Krallenfrösche (Xenopus laevis) wurden zu verschiedenen Jahreszeiten Temperaturen von 4° C ausgesetzt. 27 weitere Grasfrösche wurden im Winter bis zu 5 Wochen bei 18° C gehalten. 30 Grasfrösche und 33 Erdkröten (Bufo vulgaris) wurden im Frühjahr bzw. im Sommer mit Calcium oder Phosphat und, zur Kontrolle, mit Natrium-Chlorid belastet.
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1.
Längere Einwirkung von niedrigen Temperaturen (um 4° C) ruft Organveränderungen hervor, die den jahreszyklischen Veränderungen entsprechen. Sie bilden sich innerhalb von 10–20 Tagen vollständig zurück, wenn die Tiere nach dem Versuch höheren Temperaturen ausgesetzt sind.
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2.
Die Veränderungen entstehen durch Vakuolisierung der EK-Zellen. Da die Vakuolen offenbar stets intracellulär liegen, bleibt der geschlossene Bau des EK-Parenchyms erhalten. Man sollte daher nicht von der Ausbildung eines epithelialen Reticulums sprechen.
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3.
Bei Larven und erstjährigen Grasfröschen betreffen die Veränderungen alle EK-Zellen. Sie führen daher zu einer Umwandlung des ganzen, nur aus aktiven Elementen bestehenden Organs. Bei geschlechtsreifen Tieren treten sie nur in den peripheren Organanteilen auf, wo sich die aktiven Elemente befinden. Die zentralen Parenchymanteile mit ihren inaktiven Zellen bleiben unverändert.
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4.
Die Veränderungen treten bei allen Larven und erstjährigen Fröschen an sämtlichen EK auf. Da sie sich aber nur bei einer gewissen Anzahl der geschlechtsreifen Tiere ausbildeten, wird die Einwirkung von niedriger Temperatur nicht als die einzige Ursache für ihre Entstehung angesehen. Weitere Faktoren (Involution der EK und Funktionszustand jeweils zu Beginn des Versuches) werden erörtert. Geschlechtsunterschiede bleiben ohne Einfluß auf die Entstehung der Veränderungen.
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5.
Als Inhalt der in histologischen Schnitten optisch leeren Vakuolen wird eine Lösung des niedermolekularen Parathormons angenommen.
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6.
Längerer Aufenthalt von Winterfröschen bei einer Temperatur von 18° C führt zu einer Aktivitätssteigerung der EK. Auch hier können in einzelnen Zellen Vakuolen auftreten, die den obenerwähnten morphologisch gleichen.
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7.
Phosphat-Zufuhr bewirkt — möglicherweise nur über eine Senkung des Calcium-Spiegels — eine Aktivierung der EK. Die Umwandlung ruhender EK-Zellen in tätige und das Auftreten von Mitosen sind ihre morphologischen Kennzeichen.
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8.
Calcium-Zufuhr führt zu einer Drosselung der EK-Tätigkeit: Die Organe bestehen vorwiegend aus inaktiven Elementen; Mitosen fehlen.
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9.
An sämtlichen EK zweier mit Calcium belasteten Kröten traten Veränderungen auf, die den jahreszyklischen ähneln. Es findet sich eine dichte Anhäufung vakuolisierter Zellen im Organzentrum, während die Organperipherie von inaktiven, nichtvakuolisierten Elementen eingenommen wird. Eine Deutung dieser Befunde scheint uns nur möglich auf der Grundlage der in Teil I erörterten Hypothese über den Anpassungsmechanismus der EK-Zelle an die von ihr geforderte Leistung.
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10.
Die Untersuchungen zeigen, daß die EK von Anuren äußerst wandlungsfähige Organe sind und Belastungen verschiedener Art mit für sie spezifischen Strukturveränderungen beantworten.
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v. Brehm, H. Experimentelle Studie zur Frage der jahreszyklischen Veränderungen. Zeitschrift für Zellforschung 61, 725–741 (1963). https://doi.org/10.1007/BF00342621
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF00342621