Zusammenfassung
Unter der Fragestellung, ob die Epilepsien Heranwachsender und Erwachsener im Vergleich zu den kindlichen Epilepsien mangels genauer Anamnese häufiger als kryptogen oder genuin diagnostiziert werden, wurden die Anamnesen von 733 gesicherten epileptischen Kindern den genau erhobenen Vorgeschichten von 273 unausgelesenen Schulkindern gegenübergestellt. Die Epileptiker wurden in zwei Gruppen mit und ohne familiärer Belastung unterteilt. Dabei ergab sich durchweg eine Häufung schädigender Ereignisse in der frühkindlichen Vorgeschichte, insbesondere Schwangerschaftsschädigungen, bei beiden Epileptikergruppen gegenüber der Kontrollgruppe. Die Häufigkeiten von Schädeldysplasien und nicht herdgebundene EEG-Veränderungen, die gegenläufige Tendenz zeigten, wie die Häufigkeitsverteilung pathologischneurologischer Befunde, könnten ebenfalls auf eine Frühschwangerschaf tsstörung hinweisen, die sich leicht in den leeren Anamnesen „kryptogener“ oder „genuiner“ Epileptiker verbergen können. Es wird die mögliche Bedeutung solcher Frühschwangerschaftsschädigungen im Rahmen der Epilepsieursachen besprochen, die wie die erbliche epileptische Anlage ein Faktor in der Ursachenkette der Epilepsien ist, im Sinne einer Pleogenese. Die Annahme einer genuinen Epilepsie als eigenes Krankheitsbild wird durch diese Betrachtungsweise nicht gestützt, sondern eher noch weiter in Frage gestellt.
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Auszugsweise vorgetragen anläßlich der Jahrestagung der Deutschen Sektion der internationalen Liga gegen die Epilepsie am 16.10.1964 in Bonn.
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Lempp, R. Schwangerschaftsschädigung und Epilepsie. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 206, 630–640 (1965). https://doi.org/10.1007/BF00342360
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