Zusammenfassung
Die Auslösung eines endogenen Syndroms oder einer schon vorhandenen pathologischen psychischen Reaktionsweise durch einen exogenen Faktor steht in Beziehung zu der Hirnreaktion gegenüber dem Angriff des schädigenden Faktors; sie ist nicht direkt von der Lokalisation dieses Faktors im Gehirn, der Entwicklung eines Hirnprozesses oder direkter Läsionen des Gehirns abhängig, da auch ohne all diese eine Psychose entstehen kann.
Die exogenen Reaktionsformen entstehen auf Grund wiederholter Hirnreaktionen gegenüber einem und demselben oder verschiedenen mehrmals das Gehirn angreifenden exogenen Faktoren. Sie sind also nicht jedem Gehirn bereitstehende Reaktionsweisen, sondern Reaktionsweisen, die erst nach wiederholten Angriffen entstanden sind. Beispiele aus der Literatur, so z.B. die Boxerpsychosen und die Boxerdemenz unterstützen diese Auffassung. Die Zahl der Wiederholungen der Hirnreaktionen hat eine größere Bedeutung als ihre Schwere. Subklinische Reaktionen, scheinen wichtiger dafür zu sein.
Charakteristisch für die exogenen Reaktionsformen scheint eine erschwerte Reversibilität zu sein, welche bis zu Irreversibilität gehen kann. In dieser Hinsicht sind sie grundsätzlich von den unmittelbar mit dem Angriff in Beziehung stehenden Reaktionen, so z. B. dem Rauschzustand bei Intoxikationen, zu unterscheiden.
Sowohl im Erscheinen wie auch was den Verlauf und den Ausgang der Psychose bestimmen, spielen der Zustand des ganzen Organismus und seine Reaktionen eine entscheidende Rolle. Rein cerebrale Krankheiten, sofern sie zu einer genügenden Anzahl von Reaktionen führen, rufen gewöhnlich subakute oder chronische Zustände hervor. Bei den akuten Syndromen ist eine zu der cerebralen Schädigung hinzukommende allgemeine Körperreaktion vielfach ausschlaggebend. Der Unterschied zwischen symptomatischen und an Hirnkrankheiten anknüpfenden Psychosen ist ein relativer. Bei den ersten beschränkt sich die Beteiligung des Gehirns hauptsächlich auf die Reaktion, während greifbare Veränderungen fehlen und die körperliche Krankheit ganz in den Vordergrund rückt. Beispiele aus der Literatur über Psychosen bei Endokrinopathien unterstützen diese Auffassung.
Der spezielle und gesonderte Angriff des Gehirns schafft die Möglichkeit einer Inkongruenz, bei der Entwicklung des pathologischen Hirnund Körperzustandes, und ebenfalls für das Auftreten von psychischen Krankheiten von Bedeutung ist.
Literatur
Anastasopoulos, G.:Zur Auslösung endogener Phasen von exogenen Faktoren. Athener Neurol.-Psychiat. Gesellschaft 11, 6 (1946).
Anastasopoulos, G.:Die Pathogenese der organischen psychischen Krankheiten. Mschr. Psychiat. Neurol. 114, 91–104 (1947).
Anastasopoulos, G.: Zum Wesen der Wahnbildungen. Delirante Bilder mit Körperhalluzinationen bei progressiver Paralyse. Wien. Z. Nervenheilk. II, 142–163 (1949).
Anastasopoulos, G.: La participation, du facteur exogène dans la révelation des syndromes psychotiques préformés. Z. Neuro-path. Psichiat. 60, 1634–1643 (1960) (Russisch).
Baker, J. P., and J. D. Farley: Toxic Psychosis following atropine Eye-Drops. Brit. med. J. II, 1390–1392 (1958).
Bay, E., u. P. Seibert: Zur Pathophysiologie der traumatischen Psychosen. Nervenarzt 22, 52–55 (1951).
Bergleiter, R., u. E. Jockl: zit. nach Grahmann u. Ule.
Bleuler, M.: Endokrinologische Psychiatrie. Leipzig: G. Thieme 1954.
Brandenburg, W., u. J. Hallervorden: Dementia pugilistica mit anatomischen Befund. Arch. path. Anat. 325, 680–709 (1954).
Braun, H., u. H-J. Eicke: Symptomatische Psychosen bei Stickstofflostbehandlung einer Lymphogranulomatose. Nervenarzt 26, 71–78 (1955).
Britmann, H. M.: I know what it means to be Punchdrunk. St. Eve. Post. 227, 30 (1955).
Broser, F., u. W. Gottwald: Symptomatische Psychosen bei Magersucht. Nervenarzt 26, 10–20 (1955).
Critchley, McD.: Medical aspects of Boxing, particularly from a neurological Standpoint. Brit. med. J. I, 357–362 (1957).
Delank, H. W., u. H. Fiebrand: Symptomatische Psychosen bei chemotherapeutisch behandelten (Siliko-)Tuberkulosen. Arch. Psychiat. Nervenkr. 197, 619–634 (1958).
Denny-Brown, D.: Cerebral concussion. Physiol. Rev. 25, 296–325 (1945).
Ederle, W.: Allergie und Nervensystem. Stuttgart 1947.
Ewald, G.: zit. nach F. Broser u. W. Gottwald.
Fleck, U.: Symptomatische Psychosen (1941–1957). Fortschr. Neurol. Psychiat. 28, 1–72 (1960).
Fournier, I. C. M., J. J. Ravera, D. S. Murguia, F. Rawak u. A. Terra: Akute Psychosen bei Myxödem. Med. Klin. 48, 357–369 (1953).
Geller, W.: Paranoide Psychose nach Boxschädigung. Nervenarzt 24, 69–71 (1953).
Gerard: zit. nach H.—J. Weitbrecht.
Grahmann, H., u. G. Ule: Beitrag zur Kenntnis der chronischen cerebralen Krankheitsbilder bei Boxern (dementia pugilistica und traumatische Boxerencephalopathie) Psychiat. et Neurol. (Basel) 134, 261–283 (1957).
Grosch, H.: Encephalopathie nach Trauma und Dystrophie mit dem histopathologischen Befund der Alzheimerschen Krankheit. Dtsch. Z. Nervenheilk. 179, 217–231 (1959).
Hallervorden, J.: Hirnerschütterung und Thixotropie. Zbl. Neurochir. 6, 37–42 (1951).
Hallervorden, J., u. G. Quadbeck: Die Hirnerschütterung und ihre Wirkung auf das Gehirn. Dtsch. med. Wschr. 82, 124–134 (1957).
Huber, G.: Die Antihistaminpsychose und die Folge der allergisch bedingten Funktionsstörungen des Zentralnervensystems nach Arzneimitteln. Nervenarzt 23, 283–287 (1952).
Huber, G.: Psychosen bei späterworbenen Hypothyreoidismus und Hypoparathyreoidismus. Nervenarzt 27, 44–47 (1956).
La Cava: zit. nach H. Grahmann u. G. Ule.
Lyketsos, G.: Ein Beitrag zum Studium der spontanen Subarachnoidalblutungen. Inaug.-Dissertation. Athen 1947.
Neubürger, K. T., D. W. Sinton and J. Denst: Cerebelar Atrophy associated with Boxing. A.M.A. Arch. Psychiat. Neurol. 81, 403–408 (1959).
Pampus, F.: Elektroencephalographische Befunde bei wiederholten Kopfverletzungen (Serienuntersuchungen von Boxern vor und nach dem Kampf). Mschr. Ünfallheilk. 59 / Suppl. 52, 144–149 (1956).
Pampus, F., u. W. Grote: Elektroencephalographische und klinische Befunde bei Boxern und ihre Bedeutung für die Pathophysiologie der traumatischen Hirnschädigungen. Arch. Psychiat. Nervenkr. 194, 152–178 (1956).
Pampus, F., u. N. Müller: Über einen Todesfall nach Boxkampf. Dtsch. Z. Nervenheilk. 174, 177–188 (1955/56).
Sarradon, P.: zit. nach F. Broser u. W. Gottwald.
Scheid, W.: Die sogenannten symptomatischen Psychosen, ihre Stellung im System der Psychiatrie und ihre psychopathologische Erscheinungen. Fortschr. Neurol. Psychiat. 28, 131–134 (1960).
Schwarzenbehg, S., u. D. Willerson: zit. nach G. Huber.
Stockert, F. G. v.: Pathogenese exogener Zustandsbilder. Nervenarzt 21, 56–58 (1950).
Walter, K.: Über manisch-depressive Psychosen nach stumpfem Hirntrauma (Beitrag zur Provokation endogener Psychosen). Nervenarzt 24, 493–498 (1953).
Walter-Büel, H.: Die Dibenaminpsychosen. Mschr. Psychiat. Neurol. 118, 129–160 (1949).
Walter-Büel, H.: Die Psychiatrie der Hirngeschwülste. Wien: Springer 1951.
Weitbrecht, H.-J.: Depressive Syndrome bei exogenen Psychosen und die Bedeutung exogener Faktoren. Wiss. Z. Univ. Halle, VII/3, 387–392 (1958).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Anastasopoulos, G.K. Zur Pathogenese exogener Psychosen. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 202, 527–539 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00342113
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF00342113