Zusammenfassung
Die morphologischen und funktionellen Veränderungen des einzelnen Schnürrings während der „spontan“ ablaufenden Zerstörung und während des starken und schwachen Elektrotonus wurden gleichzeitig registriert. Folgende Zusammenhänge wurden festgestellt:
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1.
Die nach langdauernden Experimenten auftretende morphologische Schädigung des Schnürrings besteht entweder im Überflieβen des Myelins über den Spaltraum hinweg in das benachbarte Internodium, oder im Zurückweichen aus Markkegeln und Segmentenden. Beide Formen werden von den gleichen Veränderungen des Aktionspotentials (AP) begleitet. Geringste morphologische Veränderungen beeinträchtigen bereits die Funktion, erkennbar am abweichenden Verlauf des AP. Dagegen bleibt die phasische Aktivität des Schnürrings auch nach weitgehender Zerstörung seiner normalen morphologischen Beschaffenheit erhalten.
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2.
Anelektrotonus bewirkt eine Erweiterung des Spaltraums, Katelektrotonus eine Verschmälerung. Beides entsteht durch Myelinwanderung zur Kathode. Der Erfahrung, daß die Funktion eines geschädigten Schnürrings durch Anelektrotonus verbessert werden kann, entspricht folgende Beobachtung an spontan, durch Überfließen des Myelins geschädigten Schnürringen: ein einseitig am überfließenden Internodium angelegter Anelektrotonus bewirkt eine Rückwanderung des Myelins und eine Wiederherstellung des normalen mikroskopischen Bildes.
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3.
Überschreitet der Elektrotonus ein ΔV mvon 80–100 mV, so bricht das Ruhepotential zusammen und die Aktivität erlischt. Gleichzeitig wird die normale Anordnung der nodalen Strukturen durch stark beschleunigte Myelinverschiebungen irreversibel zerstört. Die Geschwindigkeit der Myelinwanderung bleibt auch nach dem Funktionsverlust von der Höhe der angelegten Spannung, die Richtung von der Polarität abhängig. Die Ursachen dieser elektrokinetischen Vorgänge werden diskutiert.
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Die Untersuchungen wurden durchgeführt mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Meinem „alten“ Chef, Herrn Prof. Stämpfli, der mit Rat und Anregungen nie geizig war und bei der technischen Ausführung jederzeit seine Hilfe zur Verfügung stellte, verdanke ich den größten Anteil an meinen Arbeiten.
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Müller-Mohnssen, H. Strukturveränderungen des Ranvierschen Schnürrings während des Elektrotonus und während der funktionellen Zerstörung. Zeitschrift für Zellforschung 54, 468–498 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00340450
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