Skip to main content
Log in

Psychopathologie der cerebralorganisch bedingten Zeitsinnesstörungen

  • Published:
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

In kurzer psychopathologischer Begriffsklärung werden zunächst die Weisen zeitlichen Erlebens geschieden in die zeitliche Orientierung, die Zeitordnung des Gedächtnisses und den eigentlichen Zeitsinn. Unter letzterem wird im weitesten Sinne lediglich das präsentische Erleben der Zeit und des Tempos verstanden.

Aus verschiedenen Beobachtungen, u. a. von Gross und Ehrenwald, und aus Tierversuchen wird die Existenz eines primitiven Zeitsinnes, der in der Tiefenperson verankert ist und durch das Erlebnis der Bewußtseinasktivität und der Vorstellungsfülle nur verfälscht wird, als gesichert angenommen. Erst eingepaßt in die Form eines zeitlichen Ordnungs- und Maßgefüges, das vom Bewußtsein und vom Gedächtnis zur Verfügung gestellt wird, kommt jedoch der primitive Zeitsinn als Zeiterfassen zur bewußten Perzeption. Es wird deshalb geschieden zwischen dem Zeitsinn im engeren Sinne, der der Tiefenperson angehört, und dem „gnostischen“ Zeiterfassen als bewußtem Erleben des präsentischen Zeitverlaufs.

Als zweite Quelle zeitlicher Erlebnisordnung wird das im allgemeinen konstante Zeitmaß wahrgenommener Bewegungen angesehen, wobei der psychische Moment als Ursache des zeitlichen Wahrnehmungsrasters angesehen wird.

Im psychopathologischen Bereich ergeben sich daraus 4 verschiedene Störmöglichkeiten. Die erste betrifft eine Veränderung des bewußten Zeiterlebens durch hochgradige Störungen der Bewußtseinsaktivität usw. und ist in verschiedenen Krankheitsbildern, so bei der endogenen Depression (E. Straus, v. Gebsattel u. a.) enthalten.

Die zweite Möglichkeit, eine Störung im Aufbau des zeitlichen Ordnungssystems zur bewußten Erfassung des Zeitsinnes ist verwirklicht bei den frontalen und den agnostischen Zeitsinnesstörungen. Bei den frontalen kommt es durch die Stirnhirnabulie nicht zum Aufbau der Sukzession und eines, die Dimension der Zukunft mit umfassenden Ordnungsschemas, während dies bei den agnostischen Störungen zwar vorhanden ist, aber nicht oder nur verzerrt zur Perzeption kommt.

Zu den originären Zeitsinnesstörungen zählen dann drittens das Zeitraffer- und Zeitlupenphänomen, eine bereits von Hoff u. Pötzl beschriebene, anfallsweise Veränderung des wahrgenommenen Tempos, die nach unserer Auffassung auf einer Veränderung des Moments beruhen soll. Es wird auf der gleichen Basis auch eine kurze Theorie der Tempowahrnehmung gegeben.

Eine Alteration des primitiven Zeitsinnes als vierte Möglichkeit kommt in den diencephalen Zeitsinnesstörungen zum Ausdruck, die gleichfalls meist anfallsweise verlaufen und als Achsensymptom eine primäre Veränderung der inneren Ablaufgröße, des inneren Tempos und der reinen Dauer zeigen. Zum Unterschied von den Parietooccipitalsymptomen wird der Name „Zeitdehnungs- und Zeitbeschleunigungsphänomen“ für sie vorgeschlagen.

Die Probleme werden an eigenen Fällen erläutert.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literatur

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Häfner, H. Psychopathologie der cerebralorganisch bedingten Zeitsinnesstörungen. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 190, 530–545 (1953). https://doi.org/10.1007/BF00340278

Download citation

  • Received:

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF00340278

Navigation