Zusammenfassung
Wollte man die mannigfaltigen Bilder, unter denen uns die Alterspsychosen entgegentreten, nur unter dem Leitbegriff der Demenz rubrizieren, so würde das eine Verstümmelung ihrer Ätiologie und Symptomatik bedeuten. Allein dadurch ist es möglich, ihre Vielgestaltigkeit plastisch darzustellen, indem man alle an der Gestaltung der Symptomatik beteiligten Kausalfäden, die sich aus konstitutionellen, charakterologischen und organischen Ursachen ableiten lassen, beleuchtet, diese selbständig und gleichberechtigt nebeneinander aufzeigt und nach ihrer Herkunft, ihrer Wertigkeit, ihren eigenen Gesetzen deutet. Wir gelangen damit von der Kraepelinschen eindimensionalen zur mehrdimensionalen Diagnostik, die Kretschmer bereits vor rund 30 Jahren entwickelt hat und die eine Fortentwicklung unserer psychiatrischen Diagnostik darstellt. Für die Beurteilung ist es von besonderer Bedeutung, welcher von den einzelnen Faktoren im augenblicklichen Symptombild mehr das aktive oder mehr das ruhende Element ist. Wie in den Krisenzeiten der Pubertät, kann unter den besonderen physiologischen Bedingungen des Seniums — dort infolge der endokrinen Umstimmung, hier unter der Wirkung des Hirnabbaues — eine Erschütterung des endogenen Untergrundes des Persönlichkeitsaufbaues erfolgen, die eine Entgleisung psychischer Funktionen in konstitutionell und charakterologisch präformierten Bahnen zur Folge hat. Diese Vorgänge nur an einer einzigen diagnostischen Skala zu messen, würde eine willkürliche Abstrahierung wesentlicher, am Aufbau der Symptomatik beteiligter Ursachen bedeuten.
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Ernst Kretschmer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres gewidmet.
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Hirschmann, J. Über den mehrdimensionalen Aufbau der Alterspsychosen. Archiv. f. Psychiatrie 181, 306–318 (1949). https://doi.org/10.1007/BF00340262
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