Zusammenfassung
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1.
Der bekannten enchondralen Verknöcherung wird eine diaphysäre chondrale Osteogenese gegenübergestellt. Die enchondrale Verknöcherung setzt eine Vorbereitung im Knorpel in der Form der Säulen- bzw. Ballenanordnung der Zellen voraus. Durch Eröffnung der Knorpelhöhlen entsteht ein Röhrensystem, das von den zellosen Knorpelresten gebildet wird. Diese Knorpelgrundsubstanz wird von Knochen überzogen. In einer bestimmten Entfernung von der Eröffnungszone treten Riesenzellen auf, die zum großen Teil als sog. Brückenbauer Balken verbinden und sich durch holoplasmatische Differenzierung im Knochen umwandeln.
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2.
Die diaphysäre chondrale Osteogenese ist mit der Markraumbildung vergesellschaftet. Die mit Zellen versehenen Knorpelteile legen sich in der Diaphyse dem periostalen Knochen an. Durch Osteoblasten des Markraumes wird der Knorpel von Knochen überzogen. Gleichzeitig wird die Umgebung der Knorpelzellhöhlen — Knorpelkapsel und Knorpelhof — in Knochen umgewandelt. Die Knorpelzellhöhlen enthalten Knorpelzellen oder Zellen, die in ihrer Gestalt den Osteoblasten des Markraumes gleichen. Die Osteogenese schreitet vom Markraum auf den periostalen Knochen hin fort.
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3.
Aus einer Knorpelschicht zwischen chondral-diaphysärem und periostalem Knochen entsteht die perienchondrale Grenzlinie. Die Zellen dieser Schicht werden durch Knochenbildung erschöpft. Der Rest der Interzellularsubstanz stellt die perienchondrale Grenzlinie dar, die bis nach der Geburt zu beobachten ist.
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4.
In dem diaphysär chondral gebildeten Knochen treten wie im periostalen Knochengewebe Granula auf, die durch Versilberung, Färbung mit Eisenhämatoxylin und Polarisation darzustellen sind. Diese Granula sind um Gefäße und Markräume dichter gelagert. Auf dieses Gewebestadium folgt sofort jenes, in dem das Knochengewebe aus Faserfilzbezirken und lamellären Strukturen, überwiegend Osteonen, aufgebaut ist.
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5.
Während dieser Reifung des Knochengewebes werden in den zwickelförmigen Knorpelresten die Kollagenfasern demaskiert und in das Knochengewebe aufgenommen.
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6.
Die Markraumvergrößerung unter Erhaltung der perienchondralen Grenzlinie, das Vorhandensein von Knorpelresten im chondral gebildeten Knochen bis nach der Geburt und die Ausreifung des Knochengewebes mit Erscheinen lamellärer Strukturen und Faserfilzbezirken lassen eine Nachprüfung unserer Vorstellungen von der Entstehung des Markraumes wünschenswert erscheinen.
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7.
In der Schaftwand des Femur unterhalb des Trochanter minor erfolgt eine direkte Umbildung des Knorpelgewebes zu Knochengewebe, wobei die rundlichen Knorpelzellen zu flachen Osteozyten werden und die Interzellularsubstanz eine färberisch nachweisbare Veränderung erfährt, bei der in ihr Granula auftreten.
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Knese, K.H. Die diaphysäre chondrale Osteogenese bis zur Geburt. Zeitschrift für Zellforschung 47, 80–113 (1957). https://doi.org/10.1007/BF00340006
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