Zusammenfassung
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1.
Es wird über Untersuchungen mit dem Phasenkontrastmikroskop an frischen, überlebenden Epithelzellen von Rinder- und Kalbslinsen berichtet. Sowohl normale, unbehandelte Epithelien als durch Aufenthalt in verschiedenen Medien veränderte werden in ihrem morphologischen Verhalten beschrieben.
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2.
Beim Vergleich der vorliegenden Beobachtungen mit den vorwiegend an fixiertem Material gewonnenen Ergebnissen anderer Autoren bestätigt die Phasenkontrastuntersuchung die Zusammensetzung des Epithels aus weniger dichtstehenden peripheren Zellen sowie deren Anordnung zu meridionalen Reihen in Äquatornähe. Die Zell- und Kerngrößen entsprechen etwa den bisher angegebenen Maßen. Die bekannten Zellfortsätze lassen sich im Phasenkontrastbild gut beobachten; sie werden jedoch nicht als echte Interzellularbrücken aufgefaßt. Übereinstimmend mit den bisherigen Darstellungen erweist sich das Kernchromatin als sehr zart, das Vorkommen von 1–2 (großen) Kernkörperchen als ziemlich regelmäßig.
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3.
Abweichend von der bisherigen Ansicht stellt sich im Phasenkontrastmikroskop die Form der frischen Zellen als sehr unterschiedlich und ohne typische Regelmäßigkeit dar. Das Vorkommen eindeutig sternförmiger Zellen als besonderer Zelltyp kann im frischen Präparat nicht beobachtet werden. Deutliche Zellmembranen sind im ganz frischen, unvorbehandelten Epithel nicht zu finden. Erst unter unphysiologischen Bedingungen (hypotonische Lösungen, manche Fixantien) werden Zellbegrenzungen, vorwiegend unregelmäßig polygonaler Form, sichtbar. Die verfolgbare Ausbildung der Zellmembranen aus „Plasmaverdichtungszonen“ wird beschrieben; sie ist offensichtlich von Milieuänderungen abhängig, erscheint bis zu einem gewissen Grade reversibel und wird daher auf eine Sol-Gel-Umwandlung des Plasmas bezogen. Ein eigentliches Zellsyncytium ist jedoch nicht anzunehmen, vielmehr dürfte die Zellmembran im submikroskopischen Bereich zu suchen sein. Abweichend von den bisherigen Angaben zeigt sich das zarte Chromatin des frischen Zellkernes nicht als Netz, sondern stets als ein zarter über den Kern ausgebreiteter Schleier. Die Mitochondrien der Linsenepithelien stellen sich — entgegen einigen Literaturangaben — als vorwiegend rund und körnchenartig, kaum aber stäbchenförmig dar. Tonofibrillen läßt das Phasenkontrastbild nicht erkennen.
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4.
Ergänzend zu den bisherigen Kenntnissen über die Morphologie des Linsenepithels kann mit dem Phasenkontrastmikroskop festgestellt werden, daß im frischen Präparat intraepitheliale faserähnliche Elemente nicht regelmäßig und auch nicht typisch, sondern nur gelegentlich und ganz spärlich vertreten sind. Die zuweilen sichtbaren strang- bis faserähnlichen Verbindungen zwischen den Zellen werden als ausgezogene- und aneinander haftende Plasmaausläufer gedeutet. Der Zusammenschluß der Zellen geschieht offenbar durch das innige Ineinandergreifen der in mehreren Ebenen gelegenen Zellfortsätze. Das Kernverhalten in verschieden konzentrierten Kochsalzlösungen wird beschrieben, wobei insbesondere die Kernauflösung in molarer Kochsalzlösung von Interesse ist. Die beachtliche Kernkörperchengröße sowie das gelegentliche Vorkommen von 3–4 echten Nukleolen spricht für eine rege Zellaktivität. Grobe Stoffwechselprodukte innerhalb des Zellplasmas sind mit dem Phasenkontrastverfahren nicht sicher nachzuweisen. Unter Zugrundelegung der methodischen Angaben von zollinger sowie durch die Anwendung der Vitalfärbung mit Janusgrün erweisen sich die zahlreichen granulären Elemente des Cytoplasmas als Mitochondrien, deren Verhalten unter verschiedenen Versuchsbedingungen beschrieben wird. Der Golgi-Apparat läßt sich mit dem Phasenkontrastverfahren nicht darstellen.
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Herrn Doz. Dr. Langer bin ich für mannigfache Hilfe bei der Ausführung der Arbeit zu Dank verpflichtet.
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Böke, W. Untersuchungen des Linsenepithels mit dem Phasenkontrastmikroskop. Z. f. Zellforschung. 38, 428–454 (1953). https://doi.org/10.1007/BF00319357
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