Zusammenfassung
An 95 untersuchten Arbeitern eines sächsischen Fluorwerkes wird festgestellt, daß durch chronische berufliche Fluoreinwirkung bei einem Teil von länger beschäftigten Arbeitern nicht nur die charakteristische Osteosklerose — Fluorose bestimmter Knochen, Bänder und Muskelansätze —, sondern auch ein isoliertes Krankheitsbild am Zahnsystem hervorgerufen wird. In einer Reihe von Fällen wird eine Schädigung des Parodonts in Gestalt einer Dysparodontie beobachtet, die nach mehrjähriger Fluor-Intoxikation zum Zahnverlust führt. Quantitative chemische Analysen zeigen, daß der Fluorgehalt der Zähne von Fluorarbeitern deutlich erhöht ist (4—14fache Menge des Normalen) und mit steigender Zahl der Berufsjahre zunimmt. Eine Sprenkelung der Zähne („mottled teeth“, Dentalfluorose) wird nicht gefunden, jedoch eine durch Korrosion der oberflächlichen Schmelzschichten bedingte Säurenekrose.
Die bekannte carieshemmende Wirkung des Fluors läßt sich auch am Zahnsystem der Fluorarbeiter nachweisen, obwohl das Element hier erst lange nach Abschluß der Mineralisationsperiode der Zähne einwirkt. In vielen Fällen kann eine Vagotonie der Speicheldrüsen festgestellt werden, so daß die resultierende herabgesetzte Viscosität und erhöhte Sekretionsgeschwindigkeit des Speichels für die geringe Cariesanfälligkeit mitverantwortlich sein dürften.
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Herbst, H. Schädigungen des Zahnsystems durch chronische berufliche Fluoreinwirkung. Arch. Gewerbepath. 16, 2–12 (1957). https://doi.org/10.1007/BF00318013
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