Wirkungsbedingungen einer Toleranzsteigerung bei wiederholter Einatmung von Lungenödem erzeugenden Reizgasen

Zusammenfassung

Vorbehandlung mit geringen Dosen lungengängiger Reizgase schützt bei nachfolgender Einatmung vor der Wirkung mehrfach tödlicher Dosen, das toxische Lungenödem bildet sich nicht oder nur abgeschwächt aus. Am Beispiel des Stickstoffdioxyds werden die Kriterien des Schutzphänomens untersucht. Nach einmaliger 6 Std-Vorbehandlung mit 40 ppm NO₂ baut sich der Schutz erst im Verlaufe von 24 Std auf, erreicht in 2–5 Tagen sein Maximum und ist nach 10 Tagen weitgehend geschwunden. Reste sind bis zu 40 Tagen nachweisbar. Der Schutz ist gebunden an eine histologisch und gravimetrisch verfolgte ödematösentzündliche Reaktion des Alveolarseptums, deren zeitlicher Ablauf dem der Stärke des Schutzes parallel geht.

Wiederholte Vorbehandlung mit gleicher Dosis in Abständen von jeweils 4 Tagen verstärkt den Schutz nicht, er wird dann sogar deutlich geringer gefunden als nach einmaliger Vorbehandlung. Sukzessive Steigerung der NO₂-Konzentration bei 6 Std-Begasung in 4 Tagesabständen unterhält aber den Schutz und steigert schließlich die LC 50 bis zum 5–6fachen des Normalwertes.

Bestimmend für das Ausmaß des Schutzes ist die Vorbehandlungsdosis (Produkt aus Konzentration und Einwirkungszeit), nicht die Dauer der Gaseinatmung. Ein statistisch signifikanter Schutz ist noch nach 6 Std-Vorbehandlung mit 2,5 ppm NO₂, der Hälfte des MAK-Wertes, nachweisbar; dabei liefert die Überlebenszeit nach tödlicher Vergiftung einen genaueren Maßstab als die Bestimmung des Lungenödems nach subletaler Vergiftung. Die Toleranzsteigerung ist das empfindlichste der bisher bekannten Kriterien für die Wirkung geringer Konzentrationen von tief in der Lunge angreifenden Reizstoffen und sollte deshalb in die toxikologische Prüfung von neuen Stoffen dieser Art einbezogen werden.