Über die Morphogenese der Lungenveränderungen bei der Sauerstoffvergiftung

Zusammenfassung

1. Die histologischen Veränderungen der Lunge bei den verschiedenen Formen der Sauerstoffvergiftung beruhen in ihrer Gesamtheit auf einer primären Störung des Kapillarkreislaufes und einer Kapillarschädigung. Die Veränderungen bestehen in starker Erweiterung und Blutfüllung der Kapillaren, Verdickung und Hyalinisierung der Kapillarwände, vorwiegend an den konvexen Bögen der Kapillarschlingen, Austritt von Exsudat jeder Form und intrakapillären Agglutinationsthrombosen.

2. Auch die hyalinen Bandbildungen an den Wandungen der Alveolen, Alveolargänge und Bronchioli resp. bei der Sauerstoffvergiftung, die bislang als Quellungsnekrosen der Alveolarwand bzw. als Auflagerungen von Exsudat angesehen wurden, sind auf diese primäre Kapillarschädigung zurückzuführen. Sie entstehen durch intrakapilläre Agglutinationsthrombose mit anschließender Hyalinisierung des thrombosierten Kapillarinhalts. Für das Zustandekommen der Spätveränderungen ist eine sekundäre Anschichtung von Ödemeiweiß an die veränderten Kapillaren anzunehmen.

3. Die den morphologischen Veränderungen zugrunde liegende Störung des Kapillarkreislaufes und die Kapillarschädigung kann auf verschiedenen Wegen zustande kommen. Darauf weist das Vorkommen der gleichen Veränderungen bei Phosgen-, Nitrosegasvergiftung und Grippe hin, für die nach dem morphologischen Bild die gleiche Kapillarschädigung als Ausgangspunkt der späteren Veränderungen angenommen werden muß.

4. Diese Veränderungen sind für Schädigungen charakteristisch, die einerseits derartige Durchblutungsstörungen setzen, andererseits vom Alveolarlumen her in besonderer Weise auf die Kapillaren einwirken.

5. Sowohl die Gesamtheit der histologischen Veränderungen, als auch einzelne ihrer Komponenten können im Sinne einer Erschwerung des intrapulmonalen Gasaustausches, einer „Pneumonose“, wirksam werden.