Zusammenfassung
Bei 36 Kaninchen wurde unter aseptischen Kautelen und Antibioticaschutz in Äthernarkose das Halsmark zwischen C V und C VI durchtrennt. Die Tiere wurden vom 4. Tage ab nach der Operation durch 5 Einzelinjektionen gegen Hühnereiweiß bzw. Hammelserum sensibilisiert.
Von 13 Tieren, die den Eingriff mindestens 25 Tage überlebt hatten und nach diesem Zeitraum auf den Erfolg der Sensibilisierung getestet wurden, erwiesen sich 12 Kaninchen durch ihren Antikörpertiter, eine positive Schultz-Dalesche Reaktion am isolierten Dünndarmsegment, eine anaphylaktische Vasoconstriction am isolierten durchströmten Ohrgefäßpräparat oder durch den normal auslösbaren akuten anaphylaktischen Schock des Gesamttieres als eindeutig sensibilisiert.
Entgegen alten Literaturangaben wird also eine Antikörperbildung durch die Halsmarkdurchschneidung nicht unterbunden.
Eine geringfügige quantitative Verminderung der Antikörperproduktion gegenüber der normalen Kontrolltiere läßt sich durch den nach der Halsmarkdurchschneidung stark reduzierten Allgemeinzustand bei veränderter Kreislaufregulation und aufgehobener Temperaturregulation erklären.
Der akute anaphylaktische Schock ist in seiner Symptomatologie durch die Halsmarkdurchschneidung nicht zu beeinflussen.
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Engelhardt, G., Hahn, G. Die Bedeutungslosigkeit der Halsmarkdurchschneidung für die Antikörperbildung und den anaphylaktischen Schock. Naunyn-Schmiedebergs Archiv f\:ur Experimentelle Pathologie und Pharmakologie 237, 438–446 (1959). https://doi.org/10.1007/BF00244537
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