Zusammenfassung
Zum besseren Verständnis der traumatischen Entstehungsmöglichkeit eines posttraumatischen Parkinson-Syndroms werden die Mechanismen besprochen, die die Substantia nigra primär durch Kontusionsblutungen und sekundär durch von Gefäßkompression hervorgerufene Zirkulationsstörungen schädigen können.
Kontusionen der Subst. n. kommen so gut wie ausschließlich nur bei Fall oder Aufprall des Kopfes auf Stirn- oder Scheitelgegend oberhalb der Höhe des Corpus callosum vor. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß stumpfe Gewalteinwirkung durch Schlag auf den ruhenden, beweglichen Kopf, außer wenn sie zu einer tiefen Hirnwunde führt, diesen primären Schaden hervorrufen kann.
Sekundäre, zirkulationsbedingte Schäden der Subst. n. können einseitig oder beidseitig auftreten und alle Grade und Intensität einer Nekrose haben. Bei einseitigem, raumbeengendem Prozeß oberhalb des Tentoriums ist es häufig die kontralaterale Subst. n., die durch Verschiebung des Mittelhirns gegen den kontralateralen Rand des Tentoriums geschädigt wird. Bei beidseitiger Einklemmung des Mittelhirns auf Grund eines beidseitigen Vorliegens von raumbeengenden Prozessen oder auch allein durch eine ödematöse Schwellung beider Großhirnhemisphären ist der Schaden häufig doppelseitig.
Zusätzlich wird ein Fall von posttraumatischem Parkinson-Syndrom klinisch und anatomisch geschildert und analysiert.
Aus allen Befunden und Überlegungen wird die Schlußfolgerung gezogen, daß bei einem in der Einleitung klinisch geschilderten Fall die Diagnose eines posttraumatischen Parkinson-Syndroms berechtigt erscheint.
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Meinem Lehrer und väterlichen Freund, Herrn Professor Dr. H. Spatz, in Dankbarkeit und Verehrung zu seinem 75. Geburtstag gewidmet.
Mit 17 Textabbildungen
Mit Unterstützung durch die Biophysics Division, Directorate of Medical Research, U.S. Army Chemical Research and Development Laboratories, und durch Grant NB-04483 des Institute for Neurological Diseases and Blindness, National Institutes of Health.
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Lindenberg, R. Die Schädigungsmechanismen der Substantia nigra bei Hirntraumen und das Problem des posttraumatischen Parkinsonismus. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde 185, 637–663 (1964). https://doi.org/10.1007/BF00243646
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