Zusammenfassung
Der Beitrag nimmt am Schweizer Fallbeispiel den Professionalisierungsbedarf von generalistischen Lehrpersonen der Schuleingangsstufe und ihre vielfachlich angelegte Ausbildung in den Blick. Er beleuchtet Herausforderungen im Kontext einer fachwissenschaftlich/fachdidaktisch geprägten Hochschulausbildung und einer nicht in erster Linie fachlich konstituierten Unterrichtspraxis, in der aber dennoch eine Heranführung an ein fachliches Normensystem stattfindet. Wie erläutert wird, steht die Professionalisierung für diese Stufe zum einen im Spannungsfeld von teils divergenten fachkulturellen Denk- und Verhaltensweisen, zum anderen ist sie mit der Anforderung verbunden, dass Lehrpersonen ihre fachbezogenen Kompetenzen in einen an der kindlichen Lebenswelt orientierten Unterricht übersetzen.
Abstract
By means of a Swiss example, this contribution focuses on the need for professionalisation of generalist lower elementary school teachers and on their multi-subject training. It sheds light on challenges in the context of their subject-oriented teacher training and their not primarily subject-oriented teaching practice, in which they introduce children to subject-specific normative systems nonetheless. It is discussed that, on the one hand, the professionalisation of this teaching level finds itself in an area of conflict between partly divergent subject-specific ways of thinking and acting, and that, on the other hand, it has to meet the requirement that teachers translate their subject-specific competencies into a teaching practice that corresponds to the children’s life experiences.
Notes
Wir verwenden Schuleingangsstufe als Überbegriff für die ersten vier Jahre eines insgesamt elfjährigen obligatorischen Unterrichts. Die in der Schweiz am weitesten verbreitete Organisationsform für die Schuleingangsstufe umfasst den zweijährigen obligatorischen Kindergarten und die ersten zwei Jahre der Primarschule. Es gibt auch Modelle, welche die ersten vier Jahre zur so genannten Basisstufe zusammenfassen. Diese Modelle haben sich nicht großflächig durchgesetzt (vgl. Criblez 2015, S. 62), trotzdem wurden die damit verfolgten Ziele teilweise mit anderen Mitteln erreicht (vgl. ebd., S. 77). Weiter existieren vereinzelt Modelle mit einjährigem und nichtobligatorischem Kindergarten.
Die Schulfächer und Stundentafeln sind in der Schweiz Sache der oft kleinräumigen Kantone, weshalb sowohl die sprachregionalen Lehrpläne als auch die Pädagogischen Hochschulen in der Regel mit einer eigenen Fachbereichssystematik operieren, welche den Schulfächern weitgehend, aber nicht ganz entsprechen. So umfasst etwa der deutschschweizerische Lehrplan 21 die sechs Fachbereiche „Sprachen“, „Mathematik“, „Natur, Mensch, Gesellschaft“, „Gestalten“, „Musik“ sowie „Bewegung und Sport“ (alle: D‑EDK 2016, Grundlagen S. 3 f.). In aller Regel entspricht dabei jedem Fachbereich eines Lehrplans/einer Hochschule eine variable Anzahl Schulfächer (z. B. Fachbereich Gestalten: Schulfächer Technisches Gestalten, Textiles Gestalten, Bildnerisches Gestalten usw.).
Die entwicklungsorientierten Zugänge sind: Körper, Gesundheit und Motorik; Wahrnehmung; Zeitliche Orientierung; Räumliche Orientierung; Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten; Fantasie und Kreativität; Lernen und Reflexion; Sprache und Kommunikation; Eigenständigkeit und soziales Handeln (vgl. D‑EDK 2016, Grundlagen S. 26).
Die dort vorgeschlagenen Pole heißen – in zwei Dimensionen angeordnet – „freies“ und „instruiertes Tätigsein“; „fachspezifische“ und „fachübergreifende Orientierung“ (Streit et al. 2014, S. 20).
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Burren, S., Lüscher, M. & Künzli David, C. Professionalisierung von Generalist/innen? Spannungsfelder einer fachlich strukturierten Hochschulausbildung und einer vorfachlich angelegten Unterrichtspraxis von Lehrpersonen in der Schuleingangsstufe. ZfG 11, 301–314 (2018). https://doi.org/10.1007/s42278-018-0023-3
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