1 Einführung

Kontextsensitive, intelligente Assistenzsysteme werden zunehmend auch am Arbeitsplatz eingesetzt. Um sich automatisch bzw. autonom an dynamische Situationen und individuelle Bedürfnisse anpassen zu können, benötigen diese Systeme Daten über die soziotechnische Arbeitsumgebung, d. h. Arbeitsprozesse und -produkte sowie über die Beschäftigten selbst. Eine Vielzahl an Sensoren, Kameras und Telematik erzeugt dabei umfassende Datenmengen, die neben der Unterstützung der Beschäftigten auch zu Analysen im Rahmen des Qualitätsmanagements und für unternehmerische Entscheidungen genutzt werden können. Die Daten können zudem zur Überwachung und damit zur Arbeits‑, Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Beschäftigten herangezogen werden (z. B. Roth und Siepmann 2016). Viele dieser umfassenden, unstrukturierten Massendaten (Big Data) beziehen sich auf die Beschäftigten selbst. Entsprechende Analysen und Algorithmen ermöglichen die Erstellung lückenloser (Bewegungs‑)Profile, die am Ende als unintendierte Nebenfolge zu einem „gläsernen Beschäftigten“ führen (Däubler 2015). Selbst wenn Daten nicht gezielt zu Überwachungszwecken erhoben werden, sind sie die Folge neuartiger Arbeitsassistenzsysteme im Kontext von Big Data oder Data Mining (Möller 2015). Moderne Formen von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) fordern daher insbesondere das Datenschutzrecht heraus (Hilgendorf und Seidel 2016; Roßnagel et al. 2012). Repräsentative betriebliche Daten zeigen, dass Datenschutzaspekte in Betriebsvereinbarungen sehr oft thematisiert werden (Baumann und Maschke 2016). Demnach gaben rund 64 % der befragten Betriebsrätinnen und Betriebsräte an, dass in ihrem Betrieb eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz ausgehandelt wurde. Dabei entstehen bei den Beschäftigten neben ethischen und datenschutzrechtlichen Bedenken auch „Ängste vor Totalüberwachung und dem Verlust von Privatsphäre und Freiheit […]“ (BMAS 2017, S. 65). Laut Ergebnissen der Repräsentativumfrage des DGB-Index „Gute Arbeit“ (2016) fürchten 46 % der Beschäftigten einen Anstieg der Überwachung ihrer Person bzw. der eigenen Arbeitsleistung durch Digitalisierung.

Hier stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Überwachung auf die Arbeitsleistung, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden bzw. die Arbeitszufriedenheit und -motivation der Beschäftigten hat. Diese Frage steht im Fokus dieses Reviews. Zu Beginn wird daher der Begriff der Überwachung abgegrenzt (Abschn. 1.1 Begriffsklärung) und der Bezug zur Fragestellung des Reviews (Abschn. 1.2 Fragestellung). Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung beginnt der analytische Teil des Reviews (Abschn. 2 Methode und Abschn. 3 Ergebnisse), der den Forschungsstand zu möglichen Auswirkungen und Gestaltungsoptionen der Überwachungswirkung neuer Technologien auf die Beschäftigten wiedergibt und diesen quantitativ und qualitativ umfassend zu beschreiben versucht. Die Auswirkungen einer potentiellen elektronischen Überwachung auf Beschäftigte beziehen sich auf eine Reihe von Outcome-Variablen. Dazu zählen Leistung, Stress, psychische und physische Belastung bzw. Beanspruchung, wahrgenommene Kontrolle, Motivation, Zufriedenheit, Vertrauen, Commitment, Organizational Citizenship Behavior (OCB), Counterproductive Work Behavior (CWB), wahrgenommene Privatsphäre sowie affektive Reaktionen. Abschließend erfolgt die Diskussion der Ergebnisse, dabei werden methodische Schwachstellen und zukünftige Entwicklungen berücksichtigt, um daraus den Forschungsbedarf hinsichtlich der digitalen Überwachung im Wandel der Arbeitswelt abzuleiten und Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren.

1.1 Begriffsklärungen

Durch die Zunahme von Digitalisierung und Automatisierung entstehen neue Formen der Überwachung. Dies sorgt zum einen quantitativ für eine allgemeine Zunahme an Überwachungsmöglichkeiten durch die weitere Verbreitung kontextsensitiver Assistenzsysteme. Auf der anderen Seite verändert sich die Überwachung durch neue Technologien auch qualitativ, da neue Überwachungsformen z. B. durch moderne Sensortechnik erschlossen werden. Zudem ergibt sich auch aus der umfassenden Verknüpfung der unterschiedlichen Datenquellen durch Algorithmen und Mustererkennung eine neue Dimension potentieller Überwachung. Unabhängig von den Überwachungstechnologien stellt sich jedoch zunächst die Frage, was Organisationen und Führungskräfte veranlasst, ihre Beschäftigten zu überwachen. Die Notwendigkeit der Kontrolle von Arbeitskraft und -leistung ist seit Beginn der Erwerbsarbeit der zentrale Beweggrund für die Überwachung und wurde zu einem Grundprinzip abhängiger Beschäftigung (Reichardt 2016). Organisationen und Führungskräfte haben allerdings unterschiedliche Absichten beim Einsatz von Überwachung. Zwei zentrale Ziele sind Kontrolle und Fürsorge (Sewell 2012; Sewell und Barker 2006; Sewell et al. 2012; Watkins Allen et al. 2007). Im Rahmen der Kontrolle soll zunächst die Datensicherheit relevanter schützenswerter Inhalte des Unternehmens sichergestellt werden, damit Interna und Geschäftsgeheimnisse nicht an unbefugte Dritte gelangen (Hugl 2013; Introna 2000). Ein weiterer Teilaspekt ist deviantes Verhalten, z. B. das Problem übermäßiger privater Internetnutzung am Arbeitsplatz (cyberloafing), das ebenfalls ein wichtiges Motiv für die elektronische Überwachung von Beschäftigten darstellt (Henle et al. 2009; Lim 2002). Hier erlaubt es die moderne Technologie in Echtzeit Hinweise auf die Leistung und Performanz von Einzelmitarbeitern, Bereichen und Prozessen zu erhalten (Rosenblat et al. 2014). Überwachung ist aber auch ein wichtiger Bestandteil der Fürsorge des Arbeitgebers für seine Beschäftigten im Hinblick auf die Arbeitssicherheit und Gesundheit der Beschäftigten (Podgórski et al. 2017). Beispiele elektronischer Überwachung sind physiologische Parameter oder Bewegungsdaten zur Detektion von Stress oder ergonomischen Fehlbelastungen (Garcia-Ceja et al. 2016; Moran et al. 2013; Nath et al. 2017). Dies kann über Smartphones, Wearables (Smart Watches, Fitness Tracker) bzw. intelligente Schutzkleidung erfolgen (Teucke et al. 2017). Im Rahmen dieser Überwachungsform versucht der Arbeitgeber, schädigende Belastungen und Beanspruchungen zu erkennen und kompensierende oder beseitigende Maßnahmen einzuleiten.

Der vorliegende Beitrag fokussiert die elektronische Überwachung, bei der digitale, kontextsensitive Systeme genutzt werden, um die Leistung und das Verhalten von Beschäftigten zu erfassen. Durch die Einführung und Verbreitung des Personal Computers nahm die Möglichkeit elektronischer, computergestützter Überwachung am Arbeitsplatz seit den 1980er Jahren kontinuierlich zu (Alge und Hansen 2014). Im Arbeitskontext beschreibt der Begriff der „Überwachung“ die Beobachtung, Kontrolle bzw. Aufzeichnung der Arbeitsleistung, des Verhaltens oder die Erfassung individueller persönlicher Merkmale der Beschäftigten (Ball 2010; Cascio und Montealegre 2016; Jensen und Raver 2012). Die Überwachung der Arbeitsleistung umfasst die Aufzeichnung von Leistungsdaten, insbesondere quantitativer Natur (z. B. Tastaturanschläge pro Zeiteinheit) aber auch qualitativer Art (z. B. Inhalt von Telefongesprächen im Callcenter). Die Überwachung des Verhaltens beinhaltet alle nach außen beobachtbaren Bewegungen und Äußerungen Beschäftigten, z. B. durch Bewegungsdaten (GPS-Positionsüberwachung) oder Videoüberwachung. Die Überwachung individueller persönlicher Merkmale zeigt sich z. B. in Untersuchungen zum Gesundheitszustand oder zur Anfälligkeit für Krankheiten (z. B. durch genetische Testverfahren), in psychologischen Messungen (z. B. Persönlichkeitstests) oder bei Drogenscreenings. Im Gegensatz zur Arbeitsleistung und zum Verhalten können diese Merkmale selten kontinuierlich (d. h. in Echtzeit) erfasst werden. Diese werden zumeist vor bzw. bei der Einstellung im Rahmen der Personalauswahl erhoben. Im Kontext elektronischer Überwachung spielen individuelle Merkmale eine untergeordnete Rolle. Hier sind insbesondere Arbeitsleistung und Verhalten von Bedeutung, da diese Aspekte durch kontextsensitive Assistenzsysteme kontinuierlich erhoben werden können.

Die genannten Überwachungsbeispiele unterscheiden sich deutlich darin, wie stark sie die Arbeitstätigkeit durchdringen. Dieser Aspekt wird auch Pervasivität (pervasiveness) genannt und bemisst, wie stark die Überwachung die Arbeitsaufgabe und die Beschäftigten durchdringt. Nach Grant und Higgins (1991a) können vier Dimensionen der Pervasivität unterschieden werden (s. Abb. 1). Zunächst wird die Überwachungsebene charakterisiert, d. h. wer überwacht wird (Überwachungsobjekt). Hierunter ist der personale Auflösungsgrad der Überwachung zu verstehen. Er reicht von einer relativ groben personalen Auflösung (Überwachung der gesamten Abteilung bzw. Organisationseinheit, wenig pervasiv) bis hin zu einer hochauflösenden Überwachung einer bzw. eines einzelnen Beschäftigten (sehr pervasiv). Zeitliche Aspekte adressieren die Regelmäßigkeit und Häufigkeit, der Überwachung von selten (wenig pervasiv) bis permanent (sehr pervasiv). Unregelmäßige Überwachung (stichprobenartig) oder eine Unklarheit darüber, ob überwacht wird, sind ähnlich pervasiv, da hier aus Sicht der Beschäftigten permanent das Gefühl der Überwachung präsent ist (Däubler 2015). Die Empfängerseite beschreibt die überwachende Instanz selbst (Überwachungssubjekt). Hier ist denkbar, dass nur die Beschäftigten selbst die Überwachung als Leistungsrückmeldung nutzen (wenig pervasiv). Alternativ können auch Vorgesetzte das System zur Leistungsüberwachung, -kontrolle und -steuerung einsetzen. In einigen Fällen kann auch Personal zur Überwachung vorgesehen sein, dass die Daten analysiert, auswertet und in kritischen Situationen eingreift. Möglich ist auch eine Rückmeldung der Überwachungsdaten an alle Beschäftigten des Unternehmens oder sogar an Dritte, beispielsweise Kundinnen und Kunden (sehr pervasiv). Als viertes werden die Aufgabenaspekte unterschieden. Liefert die Überwachung nur die Ergebnisse einer einzelnen Arbeitstätigkeit oder einem Teilprozess der Tätigkeit, so wird sie als weniger pervasiv angesehen. Sie kann aber auch sämtliche Arbeitsaufgaben bzw. den gesamten Tätigkeitsprozess überwachen. Es ist mitunter möglich, dass ein Überwachungssystem den Beschäftigten die Aufgaben zuweist und die Erfüllung beaufsichtigt. Das erhöht die Kontrolle, schränkt gleichzeitig die Autonomie der Beschäftigten weiter ein und stellt eine hohe Pervasivität des Systems dar.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Dimensionen der Pervasivität elektronischer Überwachung. (Modifiziert nach Grant und Higgins 1989)

Dimensions of perasiveness of electronic monitoring. (Based on Grant und Higgins 1989)

1.2 Fragestellung des Reviews

Das vorliegende Review soll den möglichen Einfluss der Überwachung durch kontextsensitive Assistenzsysteme aus vorhandenen Primärquellen ableiten. Die Forschung zu kontextsensitiven Assistenzsystemen hat bislang noch keine empirischen Untersuchungen zur Auswirkung einer möglichen Überwachungsfunktion auf die Beschäftigten durchgeführt. Die wissenschaftliche Debatte fußt bislang ausschließlich auf rechtlichen Auseinandersetzung (z. B. Kopp und Sokoll 2015; Krause 2017; Roßnagel et al. 2017) oder eher beiläufigen theoretischen Überlegungen (Zimmermann 2017). Daher bezieht sich das Review vornehmlich auf das Forschungsfeld elektronischer Überwachung am Arbeitsplatz, indem bereits eine Vielzahl verschiedener Aspekte systematisch erforscht wurde (Alge und Hansen 2014).

Zunächst stellt sich die Frage, welchen Einfluss elektronische Überwachungssysteme am Arbeitsplatz auf die relevanten Outcome-Variablen haben. Zu berücksichtigen sind/Dazu gehören etwa Leistung, subjektives Stresserleben, Beanspruchung, wahrgenommene Kontrolle, Motivation, Zufriedenheit, Vertrauen, Commitment, Organizational Citizenship Behavior (OCB), Counterproductive Work Behavior (CWB), positiver und negativer Affekt sowie emotionale Dissonanz. Leistung wird operationalisiert als der Erfüllungsgrad der Leistungserfüllung bei Arbeitsaufgaben. Hierbei sind sowohl quantitative Aspekte (Schnelligkeit, Effektivität, Effizienz) sowie qualitative Aspekte (Genauigkeit, Gründlichkeit, Kreativität) zu berücksichtigen. Sozialpsychologische Theorien gehen davon aus, dass die Beobachtung leistungssteigernde Auswirkungen haben kann (z. B. Social Facilitation Theory, vgl. Aiello und Douthitt 2001). Beanspruchung wird als die von den Personen subjektiv wahrgenommene Auswirkung einer einwirkenden Belastung gesehen. Es wird davon ausgegangen, dass die Beobachtung bei der Arbeitstätigkeit als zusätzliche Belastung auf Beschäftigte einwirkt und zu entsprechenden Stressreaktionen führt, die sich sowohl subjektiv (Stresserleben) als auch physiologisch zeigen (z. B. Carayon‐Sainfort 1992). Die wahrgenommene Kontrolle beschreibt, inwieweit Beschäftigte das Gefühl haben, auf die Erledigung ihrer Arbeitsaufgabe Einfluss nehmen zu können. Ein hohes Ausmaß an Kontrolle bedeutet, dass die Beschäftigten das Arbeitstempo, die Arbeitszeiten, die Arbeitsmethoden oder sogar die einzelnen Tätigkeitsbestandteile frei wählen können (Spector 1986). Bisherige Annahmen gehen davon aus, dass Überwachung – wenn sie als Zwang erlebt wird – die wahrgenommene Freiheit und Kontrolle über die eigene Arbeitstätigkeit einschränken kann (Douthitt und Aiello 2001). Arbeitsmotivation wird im Folgenden als der Antrieb von Beschäftigten beschrieben, eine Arbeitsaufgabe zu erledigen und willentlich eine gute Leistung zu verfolgen, um die Ziele der Organisation zu erreichen; Arbeitszufriedenheit wird allgemein als die Einstellung der Beschäftigten zu ihrer Arbeitstätigkeit (Nerdinger 2014). Eine hohe Zufriedenheit umfasst eine positive Einstellung, die aus der Erfüllung der Erwartung an die Arbeitsbedingungen resultiert. In der Überwachungsliteratur wird häufig davon ausgegangen, dass Arbeitsmotivation und -zufriedenheit durch Überwachung gemindert werden (Bartels und Nordstrom 2012). Vertrauen wird als der subjektive Glaube bzw. die individuelle Überzeugung charakterisiert, dass eine Person oder Organisation sich nicht zum eigenen Nachteil verhält. Da Überwachung häufig ein Grund für mangelndes Vertrauen sein kann („Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“), wird hier eine negative Beziehung erwartet (Schoorman et al. 2015). Commitment umfasst die Selbstverpflichtung, Identifikation und darauf aufbauend einer Verbundenheit der Beschäftigten mit der Organisation und derer Ziele (Meyer und Allen 1991). Verhaltensweisen, die im Review berücksichtigt werden sind das Organizational Citizenship Behavior (OCB) und das Counterproductive Work Behavior (CWB). Unter OCB werden der Organisation dienliche Verhaltensweisen subsummiert, die ein Beschäftigter zeigt, ohne dass er dazu verpflichtet wäre (Niehoff und Moorman 1993). Analog zum bürgerschaftlichem Engagement werden hier freiwillige und altruistische Verhaltensweisen der Beschäftigten zum Wohle der Organisation verstanden. Im Gegensatz hierzu charakterisiert CWB ein Verhalten, das auf sich zum Nachteil der Organisation, Organisationsmitglieder oder Kunden auswirkt (Fox et al. 2001). Hierzu zählen z. B. Normverstöße und deviantes Verhalten (Diebstähle, Arbeitsverweigerung, Absentismus, Sabotage) sowie Vandalismus oder Aggression gegen Kollegen bzw. Vorgesetzte (Mobbing). Bei einer negativen Wahrnehmung von Überwachung wird angenommen, dass OCB abnimmt und CWB zunimmt (Martin et al. 2016; O’Donnell et al. 2013). Damit geht ein her, dass Überwachung mit einer negativen Affektivität assoziiert ist. Affektivität stellt die gefühlsmäßige Reaktion auf innere und äußere Einflüsse dar, die sich durch ein charakteristisches Erleben und ggf. eine physiologische Reaktion und eine spezifische Verhaltenstendenz (z. B. Ablehnung oder Annäherung) äußert (Scherer 2005). Bei Überwachung wird eher erwartet, dass dies zu einer ablehnenden Haltung und negativen Emotionen führt, zum einen als Angst vor Überwachung aber auch zu Ärger bzw. Wut im Hinblick auf die Überwachung (Becker und Marique 2014). Gerade im Dienstleistungsbereich und beim Kundenkontakt kann Überwachung zu einer Dissonanz zwischen der erlebten (inneren) Emotion und gezeigten (äußeren) Emotion führen. Die durch Kundenorientierung erwartete und nach außen gezeigte Emotion kann zur Unterdrückung von inneren Emotionen führen (Surface Acting), was sich langfristig negativ auf Beschäftigte auswirkt (Schulz und Schöllgen 2017). Die Überwachung, z. B. in Call Centern, kann dazu führen, dass Surface Acting gehäuft auftritt (Rothe et al. 2011).

Die zweite Fragestellung befasst sich mit der Akzeptanz bzw. Reaktion auf elektronische Überwachung am Arbeitsplatz. Im Review werden eine Reihe potentieller Moderatorvariablen untersucht, welche die Wirkung der Überwachung auf die Outcome-Variablen bedingen. Hier sind beispielsweise die Kontrollierbarkeit und die Pervasivität der Überwachung von Bedeutung (z. B. Douthitt und Aiello 2001). Außerdem sollen die Bedingungen der Einführung neuer Systemen mit Überwachungsmöglichkeiten berücksichtigt werden (z. B. Alge 2001). Hier werden die Information und die Partizipation der betroffenen Beschäftigten berücksichtigt.

Aus den Erkenntnissen der Studien zur elektronischen Überwachung sollen abschließend konkrete Gestaltungsempfehlungen für kontextsensitive Assistenzsysteme mit Überwachungsmöglichkeiten abgeleitet werden. Außerdem soll das Review Forschungslücken offenlegen, sowohl methodischer als auch inhaltlicher Natur. Dazu werden auch zukünftige Entwicklungen und Trends der Arbeitswelt mit den Ergebnissen des Reviews abgeglichen.

2 Methodik

Das Review fasst empirische Studien zu den Auswirkungen elektronischer Überwachung am Arbeitsplatz zusammen. Die Suchstrategie für das vorliegende Review orientiert sich an dem Leitfaden für Scoping Reviews des Projektteams „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2014). Die Suche beschränkt sich hauptsächlich auf die Jahrgänge 1984 bis 2017, da in diesem Zeitraum elektronische Überwachung durch die zunehmende Digitalisierung am Arbeitsplatz möglich war und untersucht wurde (Alge und Hansen 2014). Alle Beschäftigungsfelder werden berücksichtigt. Sämtliche Veröffentlichungen beziehen sich auf den Beschäftigungskontext bzw. konkrete arbeitsnahe Tätigkeiten. Die Suche erfolgt in den Datenbanken PubMed, EBSCO (PsycARTICLES, PsycINFO, PSYNDEX) und Web of Science. Zudem werden einschlägige Literaturreviews durchsucht. In allen Quellen wird über Datenbanken sowohl vorwärts als auch rückwärts nach weiteren Quellen gesucht. Die Suchstrings und Trefferzahlen finden sich im Anhang (s. Tab. 3). Insgesamt können so 6435 Primärquellen identifiziert werden. Nach Prüfung auf Duplikate sind noch 5662 Primärquellen enthalten. Diese werden zunächst auf Ebene von Titel und Abstract geprüft. Insgesamt werden so 79 Primärquellen für das Review herausgefiltert. Da einzelne Primärquellen mehrere Studien umfassen, basiert das Review insgesamt auf K = 85 empirischen Einzelstudien mit insgesamt N = 25.283 Befragten. Eine Übersicht aller Primärquellen befindet sich im Anhang (s. Tab. 2).

Das Review beinhaltet eine random effects Meta-Analyse (nach Hedges und Olkin 1985). Aufgrund der großen Heterogenität der Daten und der vielen korrelativen Studien bzw. Mischung korrelativer und (quasi-)experimenteller Designs erscheint die Nutzung der Effektstärke r (Korrelationskoeffizient nach Breavis und Pearson) sinnvoll. Der Vorteil von r liegt vor allem in der guten Transformierbarkeit. Für die Umrechnung anderer Effektstärken (Cohens d, ηp2, Odds Ratios, f, f2) existieren jeweils Berechnungsregeln (Cohen 1988; Ferguson 1959; Rosenthal 1994). Aus multiplen Regressionsmodellen ohne Korrelationsmatrix ist die Transformation von (standardisierten) Beta-Koeffizienten (B) in r ebenfalls möglich (Peterson und Brown 2005). Im Vergleich zu Cohens d kann die Effektstärke auch ohne Schätzung der Stichprobenvarianz angegeben werden, da sich die Varianz des Korrelationskoeffizienten und die notwendige Standardisierung von r (Fishers Z-Transformation, rz) durch die Stichprobengröße realisieren lässt. Außerdem ist der Korrelationskoeffizient relativ intuitiv interpretierbar. Nach Cohen (1988) beschreibt eine Korrelation 0,10 ≤ r < 0,30 einen schwachen, 0,30 ≤ r < 0,50 einen mittleren und r ≥ 0,50 einen starken Effekt. Die Analyse wurde mit dem R‑Statistikpaket meta und der Funktion metacor (Meta-Analyse für Korrelationskoeffizienten) durchgeführt (Schwarzer 2017, Version 4.8-2). Für alle Studien wird dabei, falls möglich, die Effektstärke r aus den Primärquellen extrahiert bzw. aus den Angaben in der Quelle errechnet. Bei mindestens zwei Effektstärken werden die Effekte meta-analytisch als Gesamteffekt rges gemittelt. Fehlt die Angabe von Effektstärken bzw. ist eine Berechnung nicht möglich, so werden die Ergebnisse gesondert aufgenommen (deskriptiv). Gleiches gilt für qualitative Studien und Befunde.

3 Ergebnisse

3.1 Deskriptive Ergebnisse

Die Primärquellen wurden in den Jahren 1988 bis 2016 veröffentlicht (Median = 2002). Ein Großteil betrachtet verschiedene Berufszweige und Tätigkeiten im Rahmen von Erwerbstätigenbefragungen (27 %). Teilweise wurden auch ausschließlich Büro- oder Bildschirmarbeit betrachtet (34 %), hierbei insbesondere Callcenter-Tätigkeiten (15 %). Die Mehrzahl (96 %) der Studien war quantitativ, davon wurden 56 % mit Fragebögen und 44 % als Labor- oder Feldexperimente durchgeführt. Einzelne Fragebogenstudien (7 %) nutzten eine experimentelle Manipulation der Überwachung. Die Studiendesigns waren daher zu 4 % qualitativ, zu 45 % experimentell, zu 8 % quasi-experimentell und zu 44 % korrelativ.

Alle Ergebnisse sind in Tab. 1 und Abb. 2 zusammengefasst. Quantitative Ergebnisse ohne Angabe oder die Möglichkeit der Berechnung einer Effektstärke waren nicht Teil der Meta-Analyse und sind lediglich deskriptiv aufgeführt. Quantitative Ergebnisse wurden nach ihrer Effektstärke (Größe und Richtung von r) unterteilt, qualitative und deskriptive Befunde ausschließlich nach der Richtung des berichteten Ergebnisses. Außerdem erfolgte eine Differenzierung hinsichtlich der Studiendesigns.

Tab. 1 Table 1 Zusammenfassung der Befunde der Studien, Anzahl quantitativer Effekte bzw. deskriptiver und qualitativer Befunde für Outcome-Variablen in Abhängigkeit vom StudiendesignSummary of studies, effect sizes and qualitative results for outcome variables, separated into study designs
Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Zusammenfassung der mittleren Effekte aller quantitativen Studien nach Outcome-Variablen

Summary of total effect sizes of quantitative studies for all outcome variables

3.2 Zusammenhänge von Überwachung mit Outcome-Variablen

Alle Untersuchungen zur Auswirkung von Überwachung auf Leistung nutzen experimentelle Designs. Die Befunde sind sehr heterogen, es werden sowohl negative als auch positive Einflüsse auf die Leistung berichtet. Es zeigt sich, dass quantitative Aspekte häufig zunehmen, qualitative Aspekte der Leistung hingegen eher abnehmen (Huston et al. 1993; Nebeker und Tatum 1993). Der Aufgabentyp scheint hingegen nicht entscheidend zu sein. Für motorische Aufgaben lassen sich leistungssteigernde (z. B. O’Donnell et al. 2013) und leistungsmindernde (z. B. Becker und Marique 2014) Effekte finden. Auch Routinetätigkeiten im Büro werden bei Überwachung besser erledigt (z. B. Brewer 1995) oder zeigen keine signifikanten Effekte (z. B. Kolb und Aiello 1996). Insgesamt liegt daher ein nicht-signifikanter Gesamteffekt vor, rges = 0,14. Die Heterogenität der Effekte spricht dafür, dass einige Moderatorvariablen berücksichtigt werden müssen, z. B. die Aufgabenschwierigkeit (Mallo et al. 2007) oder die individuelle Motivation der Beschäftigten (Arnaud und Chandon 2013).

Beim subjektiven Stresserleben deutet die Mehrzahl der Effekte eine stresssteigernde Wirkung von Überwachung an (s. Tab. 1). Die größten Effekte, aber auch eine hohe Heterogenität, zeigen experimentelle Studien. Insgesamt liegen hauptsächlich kleine und mittlere Effekte vor. Es ergibt sich daher ein kleiner positiver Gesamteffekt, rges = 0,19. Die Ergebnisse weisen z. B. Indizien für erhöhten Blutdruck (Henderson et al. 1998) bzw. eine erhöhte Burnout-Symptomatik vor (Castanheira und Chambel 2010). Für subjektive Beanspruchung weisen die Befunde auf einen mittleren beanspruchungssteigernden Effekt hin, rges = 0,34. Fünf der acht positiven Befunde sind jedoch quasi-experimenteller Natur und vier Befunde berichten (deskriptiv) keinen Effekt. Die Effekte zeigen sich sowohl für physische als auch psychische Beanspruchung (Rogers et al. 1990; Smith et al. 1992). In einer mehrtägigen Laboruntersuchung deutet sich zudem an, dass sich diese Effekte häufig erst nach längerer Interaktion mit dem Arbeitssystem zeigen (Schleifer et al. 1996).

Die Überwachung führt in allen berichteten Studien zu einem Verlust der wahrgenommenen Kontrolle (s. Tab. 1). Bei korrelativen Befunden war der Effekt deutlich höher im Vergleich zu quasi-experimentellen Befunden. Der Gesamteffekt ist eher kleiner Natur, rges = −0,24. Die Studien zeigen, dass sowohl die wahrgenommene Kontrolle im Hinblick auf die eigene Tätigkeit, als auch auf das technische Arbeitssystem durch Überwachung reduziert wird (Day et al. 2012). Auch die selbst-eingeschätzte Autonomie am Arbeitsplatz ist bei Überwachung geringer (Sprigg und Jackson 2006). Insgesamt fehlt eine experimentelle Untersuchung von wahrgenommener Kontrolle.

Für die (Arbeits‑)Motivation kann aufgrund einer dünnen Befundlage und großen Heterogenität der Ergebnisse keine eindeutige Aussage gemacht werden, rges = −0,08. Einzelne Ergebnisse berichten eine Steigerung der Motivation bei Einzelüberwachung (Aiello und Kolb 1995). Elektronische Überwachung scheint insgesamt mit einer Reduktion von (Arbeits‑)Zufriedenheit assoziiert zu sein, dies berichten verschiedene Studien in unterschiedlichen Kontexten (Holman et al. 2002; Jeske und Santuzzi 2015; Nebeker und Tatum 1993). Es zeigte sich ein kleiner, negativer Effekt, rges = −0,16. Ähnliche Befunde liegen für das Commitment vor, allerdings begründet sich der mittlere Effekt lediglich auf zwei korrelativen Studien, rges = −0,39. Hier zeigt sich, dass insbesondere eine hohe Intensität von Überwachung das Commitment reduziert (Chang et al. 2015).

Auf der Verhaltensebene treten keine systematischen Zusammenhänge hervor. Sowohl beim OCB (rges = −0,08) als auch beim CWB (rges = 0,14) liegen zu wenige bzw. widersprüchliche Befunde vor. Keine Effekte finden sich insbesondere in Selbstberichten (Jensen und Raver 2012) und einer Befragung von Führungskräften (Niehoff und Moorman 1993). Vereinzelt wird von einem hohen Ausmaß an CWB bei hoher Überwachungsintensität berichtet (Martin et al. 2016). Allerdings wird auch berichtet, dass CWB durch Überwachung als negative Konsequenz reduziert werden kann (de Vries und van Gelder 2015). Wellen et al. (2009) fanden jeweils positive Korrelationen von Überwachung mit der Tendenz zur Untergrabung des Vorgesetzten, Kritik an der Organisation und Arbeiten mit reduzierter Anstrengung.

Für das Vertrauen bestehen lediglich negative Befunde (qualitativ und quantitativ). Quantitativ zeigt sich aufgrund der dünnen Befundlage ein mittlerer, nicht-signifikanter Effekt, rges = −0,37. Wird die Intensität der Überwachung als zu hoch wahrgenommen, so hat dies negative Auswirkung auf das Vertrauen (Jensen und Raver 2012). Qualitativ zeigen sich aber deutlich negative Auswirkungen auf das organisationale Vertrauen und das Betriebsklima (z. B. Stanton und Stam 2003).

Bei den affektiven Outcomes lässt sich für positive Affekte kein belastbarer Gesamteffekt berichten, rges = 0,07. Überwachung scheint jedoch mit einem negativen affektiven Befinden einherzugehen, rges = 0,24. Wichtige Affekte, die bei Überwachung gehäuft auftreten, sind Angst, Sorge, Anspannung und depressive Verstimmung (Holman et al. 2002; Rogers et al. 1990; Smith et al. 1992). Diese Affekte beziehen sich zumeist auf ein Unwohlsein im Hinblick auf die Bewertung durch die elektronische Überwachung (Brewer und Ridgway 1998). Außerdem lassen sich Frustration und Wut bzw. Aggressivität beobachten, die vornehmlich im Kontrollverlust und Konkurrenzdruck durch elektronische Überwachung begründet sind (Greenberg und Barling 1999). Allerdings basiert der mittlere Effekt für negative Affekte hauptsächlich auf korrelativen bzw. quasi-experimentellen Ergebnissen. Auch ein kleiner signifikanter Zusammenhang mit emotionaler Dissonanz vervollständigt dieses Bild, rges = 0,22. Überwachung führt demzufolge zu mehr Surface Acting, emotionaler Dissonanz und emotionaler Erschöpfung (Castanheira und Chambel 2010; Holman et al. 2002). Dieses Ergebnis ist jedoch nur bedingt belastbar bzw. verallgemeinerbar, da es sich nur auf korrelative Studien mit Beschäftigten in Callcentern stützt.

3.3 Moderatoren und Gestaltungshinweise

Viele Studien beschreiben nicht allein den bivariaten Zusammenhang zwischen Überwachung und den Outcome-Variablen, sondern modellieren zusätzlich Interaktionen mit weiteren Einflussfaktoren. Viele dieser moderierenden Variablen stellen entscheidende Gestaltungsmerkmale elektronischer Überwachung dar. Diese komplexen moderierenden Zusammenhänge sind hier im Einzelnen nicht darstellbar und sollen daher im Folgenden überblickshaft beschrieben werden.

Ein wesentlicher Gestaltungsaspekt ist die Überwachungsebene (vgl. Abb. 1). Die Befunde legen nahe, dass eine elektronische Einzelüberwachung sich eher negativ auswirkt und mit negativen Reaktionen der Beschäftigten einhergeht. Bei einer höheren Überwachungsebene (Abteilung, Organisation) wird die Pervasivität der Überwachung reduziert und die Akzeptanz gesteigert (Grant und Higgins 1991b). Allerdings wirkt sich Einzelüberwachung vordergründig positiv auf die Leistung aus (Social Facilitation Theorie), da die individuelle Verantwortung für die Leistung erhöht wird und häufig die Motivation steigt, eine bessere Leistung zu erzielen (Aiello und Kolb 1995; Brewer 1995). Einzeln überwachte Personen zeigen teilweise auch eine größere Zufriedenheit als in der Gruppe Überwachte (Jeske und Santuzzi 2015). Allerdings liegt in vielen Studien im Schnitt auch ein höheres Stresslevel bei einzeln überwachten Beschäftigten vor, was aus arbeitswissenschaftlicher Sicht deutlich gegen einen Einsatz von Einzelüberwachung spricht (Aiello und Kolb 1995; Ayyagari et al. 2011).

Die Ankündigung der Überwachungswirkung im Vorfeld ein wichtiger Faktor für Akzeptanz und eine positive Einstellung in Bezug auf die elektronische Überwachung. Sie steigert das Vertrauen (Alder et al. 2006; McNall und Roch 2009) und die empfundene gerechte Behandlung der Beschäftigten (Hovorka-Mead et al. 2002). Bei einer Umgestaltungsmaßnahme sollte immer im Vorfeld eine Information der Beschäftigten erfolgen (Stanton und Julian 2002). So trivial und selbstverständlich dieser Hinweis ist, so zeigen viele Beispiele, dass die Überwachungswirkung von Technologien nicht immer offen kommuniziert wird (Däubler 2015; Watkins Allen et al. 2007). Wenn die Einführung der Überwachung geheim, d. h. ohne das Wissen der Beschäftigten erfolgt, so ist dies nicht nur juristisch fragwürdig, sondern auch aus Sicht der Akzeptanz die schlechteste Lösung. Überwachungssysteme sollten bei der Einführung und später im Einsatz transparent kommunizieren, wenn bzw. wann sie Daten über Beschäftigte erfassen, verarbeiten oder weiterleiten (Chalykoff und Kochan 1989). Die Daten sollten den Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Das steigert die Zufriedenheit mit den Systemen (Stanton und Julian 2002; Wells et al. 2007), erhöht die Wertschätzung der Beschäftigten für Organisation (Hovorka-Mead et al. 2002), reduziert Angst und negative Affekte (Holman et al. 2002) und sorgt letztlich für eine größere Akzeptanz (Grant und Higgins 1991b). Nicht nur auch im Vorfeld, auch während der Nutzung sollten die Systeme eine hohe Vorhersagbarkeit der Überwachung ermöglichen und Unsicherheit über ihre Aktivität reduzieren. Dies gilt insbesondere für nicht-kontinuierliche Überwachungssysteme (Jeske und Santuzzi 2015).

Eine gute Begründung für bzw. eine hohe wahrgenommene Nützlichkeit des elektronischen Überwachungssystems sind ebenfalls hilfreich und steigert die Kontrollwahrnehmung der Beschäftigten (Holman et al. 2002; Zweig und Webster 2002, 2003). Wenn Beschäftigte einen persönlichen Vorteil in der Überwachung sehen (z. B. hilfreiches Feedback) und eher die Sorge um das Wohl der Belegschaft im Vordergrund steht, dann ist die Akzeptanz seitens der Beschäftigten größer, als wenn Zwang und Kontrolle erwartet werden (McNall und Roch 2009; Sarpong und Rees 2014; Stanton und Weiss 2000). Es zeigt sich, dass ein höheres Ausmaß an Überwachung häufig mit höherer Trainingsaktivität einhergeht (Castanheira und Chambel 2010). Es sollten aber nicht „falsche Gründe“ vorangestellt werden, um Kontrollsysteme und Bespitzelung der Beschäftigten zu rechtfertigen.

Für die Gestaltung des Feedbacks durch das überwachende System gibt es ebenfalls Befunde, die dafür sprechen, dass die Rückmeldung zu größerer Zufriedenheit führt, wenn sie persönlich (z. B. durch Vorgesetzte) und nicht computergestützt erfolgt (Alder und Ambrose 2005a). Viele Beschäftigte bewerten Überwachung im Sinne einer Rückmeldung ihrer Leistung positiv (Callaghan und Thompson 2002), sowohl an sie selbst auch an die Führungskräfte (Stanton und Weiss 2000). Leistungsrückmeldungen stoßen auf größere Akzeptanz bei konstruktiven und hilfreichen Formulierungen (Alder und Ambrose 2005a; Moorman und Wells 2003). Bei positiven und unmittelbaren Rückmeldungen ist die Zufriedenheit mit der Arbeit (McNall und Roch 2009) und mit der Überwachung ebenfalls höher (Chalykoff und Kochan 1989).

Sinnvoll ist auch die Partizipation bei der Ausgestaltung der Systeme (Westin 1992), wenn Beschäftigte zuvor befragt werden, welche Aspekte ihrer Tätigkeiten sie als sinnvoll erachten bzw. welche entscheidenden Aspekte nicht erfasst werden sollten. Gründe hierfür können zum einen der Datensparsamkeit geschuldet sein – nur weil Aspekte erhoben werden können, muss dies nicht zwangsläufig so geschehen. Andererseits können auch ethische Gründe, wie z. B. die Verletzung der Privatsphäre oder die hohe Sensibilität der Daten, gegen die Erfassung sprechen. Ein Verstoß gegen diese Forderung reduziert die Arbeitszufriedenheit und -motivation (Holman et al. 2002), die wahrgenommene Gerechtigkeit (Douthitt und Aiello 2001) bzw. Akzeptanz (Holman 2002) und wirken sich dadurch negativ auf das Betriebsklima aus (Westin 1992). Die Wünsche der Beschäftigten sollten dabei berücksichtigt werden und ggf. Widersprüche durch Kompromisse bei der Gestaltung technischer Systeme adressiert werden.

Technische Systeme mit überwachenden Eigenschaften reduzieren zumeist die Kontrollierbarkeit über die eigene Tätigkeit. Durch die Erfassung von Leistung und Verhalten wird der Handlungsspielraum der Beschäftigten eingeschränkt. Um diese negative Wirkung abzufedern, kann den Beschäftigten Kontrolle über das System gegeben werden. Die größte Kontrolle entsteht sicherlich durch die Möglichkeit, das System (zeitweise) abzuschalten (Aiello und Svec 1993; Stanton und Barnes-Farrell 1996). Derartige Systeme schneiden im Mittel besser ab, als Systeme, die dies nicht zulassen, z. B. bei der Zufriedenheit (Douthitt und Aiello 2001). Weitere Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten über die elektronischen Überwachungssysteme sind Verzögerungsmechanismen, bei denen Beschäftigte die Daten gegenprüfen und korrigieren können bzw. das Verschicken der Infos vom System verzögern können (Stanton und Barnes-Farrell 1996). Durch diese Gestaltungsoption wird mehr Akzeptanz hervorgerufen als bei einer starren Vorgabe durch Überwachung (Spitzmüller und Stanton 2006). Auch die Verletzung der Privatsphäre wird im Schnitt geringer eingeschätzt (McNall und Stanton 2011; Zweig und Webster 2002, 2003).

Einzelne Studien verglichen quasi-experimentell überwachte und nicht überwachte Beschäftigte und verglichen deren Eigenschaften bzw. die Charakteristika derer Tätigkeiten (Rogers et al. 1990; Smith et al. 1992; Sprigg und Jackson 2006; Visser und Rothmann 2008). Es zeigt sich, dass überwachte Beschäftigte sich von nicht-überwachten Beschäftigten auf einer Reihe von Dimensionen unterscheiden. Überwachte Beschäftigte verfügen über geringere Handlungs‑, Entscheidungs- und Methodenspielräume, eine geringe Aufgabenvariation, geringere Qualifikationsanforderungen, geringere Rollenklarheit und mehr Rollenkonflikte, mehr Emotionsarbeitsanteile sowie häufigeren Kundenkontakte. Diese Merkmalskonfiguration stellt eine wichtige Drittvariable dar, die insbesondere bei quasi-experimentellen Vergleichen überwachter und nicht-überwachter Beschäftigter eine Überschätzung der Überwachungswirkung evoziert.

4 Diskussion

Das Review adressiert die Frage wie sich eine potentielle Überwachung auf Beschäftigte auswirkt. Die Studienlage deutet auf unterschiedliche Zusammenhänge von Überwachung und den verschiedenen Outcome-Variablen hin. Für viele der Variablen zeigt sich ein negativer Einfluss der Überwachung, bei andere Variablen weisen heterogene Befunde auf. Es zeigt sich auch, dass an vielen Stellen eine sehr dünne Befundlage vorliegt, da sich nur wenige Studien mit der Wirkung von Überwachung beschäftigt haben und diese teilweise eher schwache Ansätze verfolgen, wie z. B. korrelative oder quasi-experimentelle Designs.

4.1 Deskriptive Befunde

Aus der Beschreibung der Quellenlage geht hervor, dass ein Großteil der Untersuchungen im Rahmen der Büro- und Dienstleistungsarbeit durchgeführt wurden, bzw. unterschiedliche Berufszweige vermischt wurden. Der Dienstleistungssektor ist daher für die Forschung zur Überwachung interessant, da hier ein breites Ausmaß an Überwachungstechniken eingesetzt wird (Sarpong und Rees 2014). Der Fokus auf Dienstleistungs- bzw. Callcenter-Tätigkeiten entstammt der Debatte über die negativen Folgen emotionaler Arbeit im Kundenkontakt bei gleichzeitiger Überwachung und Vorgabe von Leistungen (Rothe et al. 2011). Gerade die Kombination bzw. Kumulation potentiell beeinträchtigender Arbeitsbedingungen neben der Überwachung rückt die Tätigkeit im Callcenter immer wieder in den Fokus von Arbeitsschutz und arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen (Schulz und Schöllgen 2017; Schweizer 2010). Es zeigt sich, dass zum einen Bereiche der elektronischen Datenverarbeitung am PC im Rahmen von Büro- oder Bildschirmarbeit bzw. Callcenter-Tätigkeiten untersucht werden. Bei genauer Betrachtung sind dies primär Dienstleistungs- und Bürotätigkeiten. In diesen Tätigkeitsfeldern ergaben sich durch Digitalisierung und den Einzug des (Personal) Computers in das Büro neue Möglichkeiten einer viel detaillierteren Überwachung als zuvor, was für ein großes Forschungsinteresse insbesondere zum Ende der Achtziger- bis Beginn der Neunzigerjahre führte. Die Überwachung industrieller Arbeit steht bislang wenig im Fokus von Untersuchungen. Vermutlich ist dies der Tatsache geschuldet, dass Überwachung im industriellen Kontext seit Anbeginn der industriellen Revolution durch ein hohes Ausmaß an Standardisierungs- und Rationalisierungsbestrebungen ein immanenter Bestandteil der Arbeitstätigkeiten geworden ist. Derartige Tätigkeiten sind häufig monotoner (geringer Tätigkeitsspielraum, höheres Ausmaß an Taktarbeit, hohe Repetitionen) und leichter zu überwachen (Caplan et al. 1975). Aber auch hier ändert sich durch die vierte industrielle Revolution zukünftig die Qualität der Überwachungspotentiale zusehends. Durch die Verschmelzung von digitaler und physischer Arbeitswelt liefert der Arbeitsprozess der Industrie 4.0 vermehrt auch Daten, die eine Rundumüberwachung ermöglichen (Zimmermann 2017). Inwieweit der Mensch Überwacher oder Überwachter ist hängt aber primär davon ab, wie sich seine Rolle im Arbeitssystem 4.0 ausgestalten wird. Hierfür stellt sich die Frage, ob es zu einer (De‑)Qualifizierung bzw. zu einer Polarisierung der Qualifikationsniveaus der Arbeitskraft des Menschen durch die zunehmende Vernetzung und Automatisierung kommen wird (Hirsch-Kreinsen 2016).

4.2 Zusammenhänge von Überwachung mit Outcome-Variablen

Der Überblick zeigt, dass elektronische Überwachung größtenteils mit negativen Auswirkungen auf das subjektive Empfinden (z. B. Stress, Beanspruchung, Kontrolle, Zufriedenheit, Commitment, negativer Affekt) verbunden war. Beobachtbares Verhalten (Leistung, OCB, CWB) bzw. Motivation zeigten hingegen inkohärente und widersprüchliche Ergebnisse. Das Befundmuster deutet daraufhin, dass Überwachung, je nach Motivlage und Leistungsanforderungen, sich unterschiedlich auswirkte. Dies deutet auf weitere Moderatorvariablen hin, z. B. die Aufgabenschwierigkeit. Bei einfachen Aufgaben steigert Überwachung die Leistung, wo hingegen bei schwierigen Aufgaben die Leistung gemindert wurde (z. B. Mallo et al. 2007). Durch elektronische Überwachung wurden überwachten Tätigkeitsanteilen zudem eine höhere Priorität und damit mehr Ressourcen zugeordnet als nicht-überwachten Tätigkeiten (Larson und Callahan 1990). Das führt dazu, dass die Leistung in den überwachten Tätigkeiten zum Teil auch höher war. Häufig führt Überwachung dazu, dass der Fokus auf quantitative Leistungsaspekte gesetzt als auf die Arbeitsqualität (Grant und Higgins 1989). Überwachung kann außerdem leistungssteigernd und motivierend sein, wenn sie als wertvolles Feedback wahrgenommen wird (Larson und Callahan 1990) und nicht als Droh- oder Bestrafungsinstrument (Griffith 1993). Überwachung wirkt zum Teil aber auch motivierend und leistungssteigernd auf Personen, da die Beobachtung durch Dritte zu einer höheren Leistungsmotivation bzw. Ressourcenmobilisation beitragen kann (vgl. Social Facilitation Theory, Aiello und Douthitt 2001). Andererseits wirkt Überwachung auch frustrierend und damit motivationshinderlich, vor allem wenn sie als ungerecht oder fehlerhaft wahrgenommen wird (Alder und Ambrose 2005b). Entscheidend hierfür sind unterschiedliche Anreize intrinsischer und extrinsischer Motivation bei den Beschäftigten (vgl. Arnaud und Chandon 2013). Die Wahrnehmung der Überwachung durch die Beschäftigten, deren Einstellungen und Erwartungen sind demzufolge nicht zu unterschätzende Einflussgrößen (Alge und Hansen 2014).

Beim Stresserleben bzw. subjektiver Beanspruchung zeigten sich heterogene, im Mittel aber eher nachteilige Effekte. Eine engmaschige Überwachung ist allgemein mit Stress assoziiert (Lu 2005) und elektronische Überwachung kann hierzu führen, da Vorgesetzte oder Überwachungspersonen nicht mehr physisch präsent sein müssen. Hier kann auch das Gefühl einer permanenten Kontrolle entstehen, da häufig nicht nachvollziehbar ist, ob ein kontextsensitives System gerade tatsächlich überwacht oder nicht. Diese Unsicherheit kann zusätzlichen Stress auslösen (Smith und Carayon 1995). Zudem ändert die Überwachung die Tätigkeit, da sie die Anforderungen an die Aufgabe steigen lässt und den Einfluss bzw. die Kontrolle auf die Erledigung der Aufgabe reduziert (Carayon 1993). Hier zeigen sich durchweg negative Effekte. Im Sinne des Job Demands-Resources (JD-R) Modells hat die Kombination langfristig negative Konsequenzen auf die psychische Gesundheit (Day et al. 2010). Die negativen Auswirkungen von Überwachung auf Kontrolle zeigen sich auch bei den negativen Effekten für die wahrgenommene Kontrolle. Überwachung reduziert die Autonomie der Beschäftigten und die Wahrnehmung der Kontrolle über Technologie, Arbeitstätigkeit und Handlungsspielräume (Day et al. 2012). Die Einführung von neuen Kontrollmöglichkeiten stellt eine Möglichkeit dar, die Belastung und den Stress durch die Überwachung abzufedern (Amick und Smith 1992). Stress äußert sich auch durch erhöhte negative Affekte. Insbesondere Angst vor der Überwachung, depressive Verstimmung werden berichtet, aber auch Aggression, Wut und Frustration (Greenberg und Barling 1999; Watson et al. 2013). In Dienstleistungs- und Servicebereichen verstärkt Überwachung zudem die emotionale Dissonanz der Beschäftigten im Kundenkontakt (Holman 2002; Holman et al. 2002).

Beim Verhalten zeigten sich keine substantiellen Auswirkungen von Überwachung. In der Literatur werden hierzu zwei zugrundeliegende Mechanismen diskutiert. Ist Überwachung negativ konnotiert, so besteht bei den überwachten Beschäftigten vermehrt die Tendenz, organisationsschädlich zu agieren (CWB) bzw. sich seltener organisationsförderlich zu verhalten (OCB). Eine entscheidende Mediatorvariable scheint die Aggressivität darzustellen. Einzelne Studien zeigen, dass Überwachung die Aggressivitätsneigung gegenüber Kollegen, aber vor allem gegenüber Vorgesetzten erhöht (Greenberg und Barling 1999). Andererseits steigt durch Überwachung auch die Gefahr, dass negatives Verhalten entdeckt und sanktioniert wird (z. B. Martin et al. 2016). Das führt dazu, dass negatives, organisationsschädliches Verhalten seltener gezeigt wird. Dies spiegelt sich auch im Betriebsklima wieder, welches sich durch die Einführung von Überwachung ändern kann (z. B. Stanton und Stam 2003). Eine wesentliche Einflussvariable ist hier das Vertrauen in der Organisation. Gemäß der Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ bilden Vertrauen und Kontrolle bzw. Überwachung Gegensätze. Dort wo Organisation, Führungskräfte und Beschäftigte sich Vertrauen entgegenbringen, wird gezielt auf Überwachung bzw. Kontrolle verzichtet (Schoorman et al. 2015). Da elektronische Überwachung von vielen Beschäftigten primär als Kontrollmedium gesehen wird, reduziert es im Umkehrschluss das Vertrauen in die Führungskräfte bzw. die Organisation (Holland et al. 2015; Liao und Chun 2016). Auch das Commitment zur Organisation hängt hiermit zusammen (Visser und Rothmann 2008).

4.3 Moderatoren und Gestaltungshinweise

Eine weitere Erkenntnis ist die Moderation durch Einflussfaktoren, die eine negative Wirkung abfedern bzw. intensivieren können. Da die Ergebnisse des Reviews größtenteils auf korrelativen, quasiexperimentellen Studien basieren, sollten aus den Ergebnissen nur Empfehlungen bzw. Hinweise für den Umgang mit kontextsensitiven Assistenzsystemen mit Überwachungswirkung hergeleitet werden. Die Arbeitsgestaltungsmaßnahmen sind nicht gezielt erforscht und ihre Wirkung ist somit nicht gesichert nachgewiesen (vgl. Richtlinien für Reviews der BAuA 2014). Hierbei sind Überwachungsebene, Ankündigung und Aufklärung, Kontrollmöglichkeiten und -einflüsse bzw. Partizipation von übergeordneter Bedeutung. Diese Variablen sollten insbesondere bei der Einführung von Systemen mit Überwachungswirkung berücksichtigt werden. Der entscheidende Punkt ist, dass Überwachung als „gerecht“ empfunden werden sollte, damit sie akzeptiert wird (Ein weiteres Problem stellt der Befund dar, dass sich überwachte und nicht-überwachte Beschäftigte in einer Vielzahl von Tätigkeitsmerkmalen unterscheiden). Die Einführung von Überwachung kann als Restrukturierung bzw. Change-Prozess verstanden werden. An dieser Stelle spielen organisationale Bedingungen, wie z. B. das Klima oder die Kultur in Teams und Organisationen eine wichtige Rolle (Aiello und Svec 1993). Hier sollten vermehrt kontrollierte Feldstudien durchgeführt werden, die bei der Einführung kontextsensitiver Assistenzsysteme mit Überwachungsfunktion die organisationalen Rahmenbedingungen mit berücksichtigen.

4.4 Methodische Schwachstellen und kritische Reflexion

Den wohlmöglich größten Schwachpunkt stellt die Unausgewogenheit und Heterogenität der Studienlage dar. So mussten die unterschiedlichsten Studienformen (Laborexperiment, Feldexperiment, korrelative und quasiexperimentelle bzw. faktorielle Umfragen) miteinbezogen werden. Auch qualitative Ergebnisse wurden berücksichtigt, um ein möglichst hohes Maß an Informationen bündeln zu können. Dies führt zum einen zu einem umfassenden Überblick, zum anderen aber auch zu einer geringen Vergleichbarkeit der Studien in der Meta-Analyse bzw. bei der qualitativen Zusammenschau der Befunde (Sharpe 1997). Die einbezogenen Studien unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf die genannten Branchen, sondern auch im Hinblick auf die Tätigkeiten. In Laborstudien wurden viele verschiedene Tätigkeiten miteinander verglichen, wie z. B. Dateneingaben aber auch sensumotorische Aufgaben. Diese Unterschiede erschweren die Vergleichbarkeit der Studien stark erzeugen eine erhöhte Heterogenität der Effekte. Auch die Überwachungsformen sind vielfältig, sowohl was die Qualität angeht (Videoüberwachung, Überwachung von Telefongesprächen, etc.) als auch die Pervasivität (Überwachung von (Teil‑)Aufgaben oder Komplettüberwachung). Die Wahrnehmung der Überwachung spielt aber eine wichtige Rolle und verschiedene Modalitäten bzw. Aspekte, die Gegenstand der Überwachung waren, führten auch zu unterschiedlichen Einschätzungen der Überwachung (z. B. Galletta und Grant 1995).

Beim Forschungsdesign finden sich auffallend viele rein korrelative Fragebogenstudien bzw. quasi-experimentelle Untersuchungsdesigns. Hier besteht lediglich die Möglichkeit, korrelative Zusammenhänge zu berichten. Laborexperimentelle Studien haben zudem den Nachteil einer geringen ökologischen bzw. externen Validität der Ergebnisse. Die Überwachung hat im experimentellen Kontext keinerlei negative Konsequenzen und ist abhängig von der jeweiligen Motivlage der Befragten. Hier mangelt es im gesamten Forschungsfeld noch an belastbaren (Gestaltungs‑)Aussagen zu Langzeiteffekten von Überwachung (Ludwig und Goomas 2009). Der Forschungsstand ermöglichte nur vereinzelt Aussagen über langfristige Effekte, da die meisten Studien kurzzeitige Experimente bzw. querschnittlich erhobene Momentanzustände von Beschäftigten. Langfristige Auswirkungen, wie z. B. Gewöhnungseffekte oder Dauerbelastung durch Überwachung, werden nur unzureichend berücksichtigt (Bartels und Nordstrom 2012; Rietzschel et al. 2014). Zudem stammen die meisten der erhobenen Einflussgrößen aus Selbstberichten, die entsprechend subjektiv eingefärbt sind. Es ist zudem ungewiss, wie sich die dadurch entstandenen Fehler auf die gefundenen Zusammenhangseffekte auswirken und ob beispielsweise die Tendenz zu konsistenten Antworten einen Einfluss auf die Zusammenhänge ausübt. In den meisten Studien wurde Überwachung isoliert betrachtet, was eine monokausale Interpretation der Effekte nahelegt. Es sind jedoch eine Reihe weiterer Arbeitsbedingungsfaktoren (z. B. Tätigkeitsspielraum, orts- und zeitbedingte Arbeitsflexibilität, Organisationskultur, betriebliche Rahmenbedingungen) denkbar, die einen weiteren Einfluss ausüben können bzw. in Interaktion mit Überwachung stehen.

4.5 Zukünftige Entwicklungen und Forschungsdesiderata

Zukünftige Entwicklungen, wie z. B. Gesundheitsförderungs- oder Präventionsprogramme im betrieblichen Kontext werden in den USA bereits unter Datenschutz- bzw. Diskriminierungsaspekten kritisch diskutiert (Ajunwa et al. 2017). Zum einen ist unklar, inwieweit die Teilnahme an den Programmen freiwillig erfolgen kann, insbesondere dann, wenn finanzielle Belohnungen mit einer Teilnahme assoziiert sind. Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit die sensitiven Daten von den Unternehmen genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Zunahme des Einsatzes von Fitness-Trackern und Apps im Arbeitskontext, die es Betrieben ermöglicht, Informationen über die Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten, wie z. B. körperliche Aktivität und Schlafqualität (Nield 2014). Des Weiteren ergeben sich Möglichkeiten der verstärkten Diskriminierung bei Übergewicht oder von Rauchern, die durch diese Applikationen benachteiligt werden (Ajunwa et al. 2017).

Ein weiteres Forschungsfeld ergibt sich durch Applikationen, die Produktivität erfassen (Ajunwa et al. 2017). Viele dieser Applikationen sind auf den digitalen Endgeräten der Beschäftigten installiert und zeichnen auch über die Arbeitszeit hinaus Aktivitäten auf. Auch wenn derartige Geräte vornehmlich noch nicht in Deutschland eingesetzt werden, so stellt sich im Zeitalter der Globalisierung die Frage, wann derartige Systeme auch hierzulande eingesetzt werden. Beispiele zeigen sich durch die Gamifizierung (Gamification) von Tätigkeiten und Aufgaben im Berufsalltag. Hier besteht ein schmaler Grat zwischen den positiven Motivationsaspekten einer spielerischen Gestaltung von Arbeitsprozessen einerseits – anderseits der Wirkung von Zwang, Kontrolle und Überwachung sowie Steigerung von Effizienz und Produktivität (Shahri et al. 2014; Stieglitz 2015).

Der Schutz individueller Daten wird durch Industrie 4.0 und datenbasierte Assistenzsysteme vor große Herausforderungen gestellt. Insgesamt werden Forderungen nach einem flexibleren Datenschutz laut, die insbesondere vor den gesetzlichen Veränderungen für große Diskussionen sorgen (Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), Inkrafttreten im Mai 2018, vgl. Krause 2017). Dabei gibt es bereits jetzt Lösungen, wie z. B. ganzheitliche Datenschutzkonzepte, die neben technisch-organisatorischen Datenschutzaspekten auch strategisch-organische Maßnahmen nutzen, um Datenschutz nachhaltig in der Unternehmenskultur zu verankern (Holthaus et al. 2015). So können die Daten für die Steuerung der Unternehmensprozesse genutzt werden, ohne dass die individuelle Privatsphäre verletzt wird.

Die Digitalisierung und weltweite Vernetzung führt aber auch zu disruptiven Geschäftsmodellen, in deren Rahmen neue atypische Beschäftigungen entstehen. Ein prominentes Beispiel ist die Plattformökonomie mit den neuartigen Beschäftigungsformen Cloud‑, Click‑, Gig- und Crowdworking (BMAS 2017). Hier bestehen bereits jetzt enorme Überwachungspotentiale, die eine atypische und häufig prekäre Beschäftigungssituation noch weiter verschärfen (Schmidt 2016). Die Flexibilität der genannten Tätigkeiten in Bezug auf Ort und Zeit sorgt dafür, dass Organisationen verstärkt elektronische Überwachungssysteme einsetzen (Spreitzer et al. 2017; Watson et al. 2013). So kann z. B. die Leistung bei Beschäftigten von Essenslieferdiensten durch eine Applikation überwacht werden. Die App erfasst dabei die Statistik der Ausliefernden (Lieferungen pro Stunde, Durchschnittsgeschwindigkeit) und ermöglicht die Echtzeit-Überwachung der Lieferung durch GPS-Signal (Eurofound 2018).

4.6 Zusammenfassung und Ausblick

Das vorliegende Review beschreibt die Schwierigkeiten und Vorteile, die sich durch Effekte elektronischer Überwachung ergeben. Wenn die Überwachungsaspekte der Technologien berücksichtigt und entsprechend gestaltet werden, lassen sich negative Effekte, wie z. B. eine Abnahme oder Fluktuation der Leistung, geringe Arbeitsmotivation und -zufriedenheit oder eine mangelnde Akzeptanz der Technologie vermeiden. Übergeordnete Gestaltungsempfehlungen bestehen in der Überwachungsebene (Einzel- vs. Gruppenüberwachung), der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vorhersagbarkeit des Systems, der Gestaltung des Feedbacks und dem Einbezug der betroffenen Beschäftigten im Vorfeld der Einführung des Systems, um eine hohe Akzeptanz sicherzustellen.

Zukünftige technologische Entwicklungen werden vermehrt Daten und Datenmuster benötigen – Big Data und Data Mining sind zukünftig unerlässlich, um im internationalen globalen Wettbewerb bestehen zu können. Industrie 4.0 und die Arbeitswelt 4.0 setzen auf die Vernetzung technischer Systeme und verknüpfen physische und digitale Welten. In diesem Kontext wird der Mensch zum Träger wichtiger Informationen, die für eine Vielzahl von Zwecken zur Verfügung stehen. Neben Produktivitäts- und Effizienzsteigerung stehen auch bislang unbekannte Möglichkeiten zur Überwachung zur Verfügung, die größtenteils zunächst ein Nebenprodukt der Systeme darstellen. Um den Beschäftigtendatenschutz sicherzustellen und einer gläsernen Belegschaft entgegenzuwirken sollte von Anfang an der Überwachungseffekt berücksichtigt werden, um die Privatsphäre zu schützen (Roßnagel et al. 2017).

Der immer schnelleren technologischen Veränderungen werden aber auch zu immer umfassenderen Überwachungsmöglichkeiten beitragen, dabei werden Überwachungstechnologien mit der Zeit immer preisgünstiger und setzen sich immer weiter durch. Die Auswirkungen auf den Menschen sind zum Teil schon bekannt, müssen aber in einigen Branchen wieder bzw. vermehrt beobachtet werden. Auch wenn eine Vielzahl moderner Systeme (noch) nicht zur dauerhaften Sammlung und Speicherung von Beschäftigtendaten genutzt wird oder werden kann, so entsteht mit der zunehmenden Digitalisierung doch die Drohkulisse des „gläsernen Beschäftigten“. Um diese Wirkung zu vermeiden, gilt es die Erkenntnisse der Forschung zur elektronischen Überwachung bei der Einführung derartiger Assistenzsysteme zu berücksichtigen. So entstehen transparente Assistenzsysteme, die Überwachungsbedenken der Beschäftigten reduzieren und mögliche Akzeptanzprobleme vermeiden können. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht führt dies zu automatisierten Arbeitsassistenzsystemen, die eine gesunde und produktive Arbeitstätigkeit ermöglichen.