Eine Querschnitterhebung in zehn europäischen Ländern zeigt, dass Migräne selbst in Europa und auch in Deutschland unterbehandelt ist, und nur eine Minderzahl von Migränepatienten eine leitliniengerechte Therapie erhält.
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Auf der Liste der Krankheiten, die den größten Verlust an gesunden Lebensjahren bedeuten, rangiert Kopfschmerz insgesamt weltweit an dritter und speziell Migräne an sechster Stelle. Betrachtet man nur die Patienten unter 50 Jahren, liegt Migräne inzwischen sogar auf Position eins. Es wäre daher anzunehmen, dass Kopfschmerzen von den Betroffenen und den für das Gesundheitswesen Verantwortlichen als Problem von Gewicht betrachtet werden. Doch offenbar entspricht das nicht der Realität, jedenfalls nicht in Europa und auch nicht in Deutschland. Das hat die Querschnitterhebung Eurolight zutage gefördert, für die Daten aus zehn europäischen Ländern, darunter auch der Bundesrepublik, analysiert worden sind. Hiernach waren von den gut 9.000 Studienteilnehmern 37,6 % definitiv oder wahrscheinlich an Migräne erkrankt. 33,8 % von ihnen hatten mehr als fünfmal im Monat Migräne, wären also Kandidaten für eine medikamentöse Prophylaxe. Die Zahlen für Deutschland zeigen, dass nur 11 % der Migränepatienten ein Triptan bekommen. Wer zum Arzt geht, hat es dabei besser: Knapp 30 % der Patienten von Allgemeinärzten und fast 60 % der Patienten von Spezialisten nehmen ein Triptan. Allerdings lassen sich nur wenige Betroffene von Ärzten helfen. Gerade einmal 6,4 % suchen einen Spezialisten und 12,8 % einen Allgemeinarzt auf. 4,6 % erwarten sich Linderung von Nichtmedizinern. Präventive Medikation wird hierzulande 2,4 % der Patienten mit häufigen Migräneattacken zuteil. Bei Patienten von Spezialisten sind es knapp 20 %. Die Rate der Patienten, die am besten versorgt sind, war erwartungsgemäß ebenfalls bei denjenigen höher, die einen Arzt konsultiert hatten. Europaweit lagen die Anteile bei bis zu 29,6 % für Patienten von Allgemeinärzten und bis zu 33,8 % für Patienten von Migränespezialisten. Die weitaus meisten Patienten mit Migräne betreiben laut der Eurolight-Zahlen Selbstmedikation, je nach Stichprobe sind es zwischen 48,0 % und 84,2 %. In Deutschland beträgt die Quote 76,1 %. Expertenempfehlungen zufolge kommt eine Selbstbehandlung aber nur für etwa 50 % der Migränepatienten infrage.
Kommentar
Das Eurolight-Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Gesundheitswesen und in der Politik in Europa anhand von fundierten Zahlen über das Problem der Kopfschmerzerkrankungen aufzuklären. In diesem Zusammenhang muss diese Studie gesehen werden. Sie zeigt, dass die Migräne selbst in Europa und auch in Deutschland unterbehandelt ist, und dass insbesondere eine leitliniengerechte Therapie nur eine Minderzahl von Migränepatienten erhält. Hieran hat sich auch in den vergangenen 20 Jahren kaum etwas geändert. Möglicherweise wird sich durch die Awareness-Kampagnen aufgrund der neuen Migränemedikamente in Zukunft etwas verbessern.
Literatur
Katsarava Z, Mania M, Lampl C, Herberhold J, Steiner TJ. Poor medical care for people with migraine in Europe — evidence from the Eurolight study. J Headache Pain 2018; 19:10
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Evers, S. Migräne selbst in Europa unterbehandelt. DNP 19, 22 (2018). https://doi.org/10.1007/s15202-018-2020-8
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