Eine Neunjährige stellt sich mit stark geröteter und leicht geschwollener Ohrmuschel vor. Im Gesicht und an der unteren Extremität fallen multiple erythematöse Papeln mit zentraler Hämorrhagie und Umgebungserythem auf. Sämtliche Läsionen jucken stark. Das Allgemeinempfinden ist gut. Die Familie hatte am Vortag gepicknickt.
_ Anhand von Anamnese und klinischem Befund diagnostizieren wir eine hypererge Insektenstichreaktion. Bei dieser entwickelt sich meist aus einer Quaddel (= Urtica) rasch eine erythematöse Papel mit zentralem hämorrhagischen Punkt. Auch eine Blasenbildung, v. a. an den Unterschenkeln, ist möglich (= Culicosis bullosa). Die Insektenstiche finden sich meist gruppiert, aber unregelmäßig verteilt an unbekleideten Stellen. Typischerweise heilen sie innerhalb weniger Tage spontan ab. Es kann sich aber auch ein mehrere Wochen persistierendes, knotiges Infiltrat (Pseudolymphom) ausbilden.
Häufig lässt sich das auslösende Insekt (Wanze, Laus, Floh, Mücke, Stechfliege, Biene, Wespe) nicht eindeutig bestimmen. Wanzenstiche z. B. finden sich meist gruppiert an von Nachtkleidung unbedeckten Körperteilen, hinzu kommen ein übler Geruch, Blutflecken und Wanzenkot im Bett. Bei V. a. Läuse sind oft Nissen auffindbar. Stiche von Hautflüglern (= Hymenoptera) sind meist schmerzhaft und erzeugen erhebliche Schwellungen und Rötungen. Ein noch steckender Stachel kann zur Identifikation (eher Biene) beitragen.
Diagnostik und Komplikationen
Bei typischem klinischem Bild ist keine zusätzliche Diagnostik notwendig. Als Auslöser kommen auch andere Arthropoden, z. B. Spinnentiere (Zecken, Krätzemilben) in Betracht. Bei der Neunjährigen könnte differenzialdiagnostisch ein Erysipel des Ohres als Komplikation in Frage kommen. Hier würde man noch Druckschmerz, Spannungsgefühl, reduziertes Allgemeinbefinden und/oder Fieber erwarten. Andere Komplikationen sind eine Lymphadenitis, die Übertragung weiterer Krankheitserreger (z. B. Plasmodien oder Borrelien) sowie eine systemische anaphylaktische Reaktion.
Im Gegensatz zu lokalen stehen systemische Reaktionen in keinem örtlichen Zusammenhang mit dem Stich. Sie können von reinen Hautreaktionen (Flush, Urtikaria, Angioödem) über ausgeprägte Allgemeinsymptome wie Dyspnoe, Schwindel, Diarrhö bis hin zu Atem- und Kreislaufstillstand reichen.
Therapie
Bei unkomplizierten Stichen wird eine lokale kühlende und antipruriginöse Therapie (feuchte und desinfizierende Umschläge, Polidocanol), ggf. in Kombination mit lokalen Kortikosteroiden und systemischer juckreizstillender Medikation (Antihistaminika) eingesetzt. Bei einer anaphylaktischen Reaktion sollte je nach betroffenem Organsystem und Schweregrad leitliniengerecht (AWMF-Register-Nr. 065-025) therapiert werden.
Woran noch denken?
Patienten, die systemisch auf einen Insektenstich reagieren, sollten über eine Expositionsprophylaxe (geeignete Kleidung, Repellent) aufgeklärt werden, ein Notfall-Set mit Adrenalin-Autoinjektor mitführen und an einen Allergologen überwiesen werden. Eine spezifische Immuntherapie (= Hyposensibilisierung) mit Bienen- oder Wespengift ist bei systemischer Reaktion in Kombination mit nachgewiesener Sensibilisierung gegen das auslösende Gift indiziert. Bei hypererger Lokalreaktionen sind kein Notfall-Set, keine Allergiediagnostik und keine Hyposensibilisierung notwendig.
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Pilz, A.C., Biedermann, T. & Darsow, U. Insektenstichreaktion. MMW - Fortschritte der Medizin 159, 50 (2017). https://doi.org/10.1007/s15006-017-9849-1
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