1 Einleitung

Machen Parteien einen Unterschied für die Staatstätigkeit? Diese Frage wird bereits seit einiger Zeit für die Umweltpolitik und zunehmend auch für die Klimapolitik diskutiert. Ein besseres Verständnis des politischen Wettbewerbs in der Klimapolitik und damit der Motivation von Politiker*innenFootnote 1, eine mehr oder weniger ambitionierte Klimapolitik zu betreiben ist von erheblicher Bedeutung, insbesondere da das globale Klimaregime maßgeblich auf nationale Beiträge und ihre stetige Steigerung angewiesen ist (Le Quéré et al. 2019). Die Frage ist auch deshalb relevant, weil die Klimapolitik stärker parteipolitisiert zu sein scheint als die Umweltpolitik im Allgemeinen (Farstad 2018).

Die bisherige Forschung zur Parteiendifferenzhypothese in der Klimapolitik beschäftigt sich bislang vor allem mit der nationalen Ebene, also mit der Frage, ob und inwiefern die parteipolitische Zusammensetzung nationaler Regierungen und Parlamente mit einer mehr oder weniger ambitionierten nationalen Klimapolitik in Zusammenhang steht (Jensen und Spoon 2011; Schulze 2021; Ward und Cao 2012). Doch die notwendigen nationalen Beiträge zum Klimaschutz werden nicht nur auf der nationalen Ebene erbracht. Vielmehr sind unterschiedliche Akteure auf unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig damit beschäftigt, klimaschädliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren und eine Anpassung an den fortschreitenden Klimawandel voranzutreiben (Bulkeley und Kern 2006; Jordan et al. 2012). Wichtige klimapolitische Innovationen, Experimente und Lernen aus Erfahrungen finden dabei auf kommunaler Ebene statt (Hildén et al. 2017; Ostrom 2010).

Vor diesem Hintergrund widmet sich auch die Politikwissenschaft seit einiger Zeit zunehmend der kommunalen Ebene. Der empirische Fokus liegt hierbei häufig auf der Klimapolitik von Großstädten sowie den Eigenschaften und Wirkungen von Städtenetzwerken, die als Laboratorien und Multiplikatoren für klimapolitische Innovationen fungieren sollen (Betsill und Bulkeley 2004; Busch 2015; Giest und Howlett 2013). Auch wenn die Wirksamkeit und Effektivität von Städtenetzwerken durchaus kontrovers diskutiert wird (Gore 2010; Pitt 2010), so gehen doch viele Studien davon aus, dass sie wichtige Impulse für die Entwicklung, Implementation und Diffusion von Klimapolitiken geben können (Bansard et al. 2017; Benz et al. 2015; Francesco et al. 2020; Hakelberg 2014; Kemmerzell und Tews 2014; Kern und Bulkeley 2009).

Vor diesem Hintergrund ist die Frage, warum sich Kommunen Klimanetzwerken anschließen und welche Auswirkungen das hat, von besonderer Bedeutung. Ob und inwiefern sich das kommunale Engagement in Klimanetzwerken auf Parteiendifferenzen zurückführen lässt, wurde unseren Wissens für Kommunen in Deutschland bislang nicht systematisch untersucht. Lediglich für die USA gibt es Studien, die etwa eine von den Demokraten dominierte lokale Regierung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Beitritts zu Klimanetzwerken und einer ambitionierteren Klimapolitik in Verbindung bringen (Krause 2011; Krause et al. 2016; Lee und Koski 2015; Vasi 2006). Die Fachliteratur beschäftigt sich zudem bislang hauptsächlich mit Großstädten und den „großen“ transnationalen Netzwerken. Studien mit großen Fallzahlen, die die kommunale Vielfalt mit Groß‑, Mittel- und Kleinstädten sowie Gemeinden ohne Stadtrechte in ihrer Gesamtheit widerspiegeln, sind bislang kaum vorhanden (Abel 2021; siehe aber Bausch und Koziol 2020). Dies ist auch aus deutscher Sicht bedauerlich, denn Klein- und Mittelstädte sowie Gemeinden ohne Stadtrechte machen in Deutschland etwa zwei Drittel der Bevölkerung aus und sind damit besonders prägend für die deutsche Verwaltungs- und Siedlungsstruktur.

Der vorliegende Aufsatz leistet einen Beitrag, indem er die Parteiendifferenzhypothese für die kommunale Klimapolitik in Deutschland überprüft und dabei die kommunale Vielfalt Deutschlands berücksichtigt. Wir untersuchen erstens, ob Parteiendifferenzen eine Rolle für die Entscheidung der hessischen Städte und GemeindenFootnote 2 spielen, dem Bündnis „Hessen aktiv: Die Klima-Kommunen“Footnote 3 beizutreten, einem hessischen Netzwerk, das sich explizit auch an kleinere Gemeinden wendet. Zweitens untersuchen wir, ob unter den Mitgliedern des Netzwerks die Erstellung der obligatorischen Aktionspläne inklusive CO2-Bilanzierung und konkreten Maßnahmen, und damit ein erweitertes klimapolitisches Engagement, mit Parteiendifferenzen in Zusammenhang steht. Der Fall der hessischen Klima-Kommunen ist besonders interessant, da zum Zeitpunkt der Untersuchung nur rund 60 % der hessischen Städte, Gemeinden und Landkreise dem Netzwerk beigetreten sind, obwohl es eine Reihe positiver Anreize gibt, die für eine Mitgliedschaft sprechen. Darüber hinaus bietet sich Hessen als Fallstudie an, da das Land mit nur 5 Großstädten und 417 Klein- und Mittelstädten sowie Gemeinden ohne Stadtrechte bezüglich seiner Verwaltungs- und Siedlungsstruktur die kommunale Vielfalt in Deutschland vergleichsweise gut widerspiegelt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Parteiendifferenzhypothese zur Erklärung von Unterschieden in der lokalen Klimapolitik beitragen könnte. Sie zeigen insbesondere, dass die Wahrscheinlichkeit des Erstellens von Aktionsplänen unter anderen mit der Stärke der Grünen in der Gemeindevertretung zusammenhängt. Allerdings lassen die weiteren teils widersprüchlichen Ergebnisse auch erkennen, dass weiterer Forschungsbedarf besteht.

Der Aufsatz widmet sich in der Folge zunächst der theoretischen Diskussion zur Parteiendifferenzhypothese in der Umwelt- und Klimapolitik. Daraus leiten wir Hypothesen über den Einfluss von Parteien auf die Mitgliedschaft in Klimanetzwerken sowie das Erstellen von Aktionsplänen ab. Im Anschluss stellen wir den Fall der hessischen Klima-Kommunen vor. Die Hypothesen überprüfen wir schließlich anhand einer Ereignisdatenanalyse. Eine Abschlussdiskussion ordnet die Ergebnisse ein und erörtert ihre Implikationen.

2 Theorie

Parteiendifferenzen bzw. ParteieneffekteFootnote 4 sind in der Politikwissenschaft ein häufig untersuchtes Phänomen. Die theoretische Basis bildet die Idee des politischen Marktes in repräsentativ verfassten Demokratien, nach der Parteien und Regierungen, getrieben durch die Aussicht auf Wiederwahl bzw. Stimmgewinne, ihre politischen Entscheidungen und Programme an den Präferenzen ihrer Wählerinnen ausrichten. Die Parteiendifferenztheorie erwartet also dort Policy-Unterschiede wo Parteien und speziell Regierungen unterschiedliche Präferenzen haben und diese auch umsetzen können (Hibbs 1977; Potrafke 2017; Schmidt 1996).

Die Erwartungen der Parteiendifferenztheorie sind also relativ klar. Viel umstrittener ist allerdings in welchen Politikbereichen und Politikfeldern sie zutrifft. In der Umweltpolitikforschung wird insbesondere kontrovers diskutiert, inwiefern sich die Umweltpolitikpräferenzen von Parteien entlang der klassischen Links-Rechts-Dimension einordnen lassen und ob in diesem Feld Policy-Unterschiede entlang der Links-Rechts-Dimension erwartet werden können. Dabei wird einerseits argumentiert, dass linke Parteien eher bereit sind, regulierend in die Marktwirtschaft einzugreifen und dass deshalb von linken Parteien auch eine stärkere Intervention für Umweltbelange erwartet werden kann. Andererseits wird argumentiert, dass linke Parteien weniger geneigt sein könnten, sich für Umweltbelange einzusetzen, da solche Eingriffe überdurchschnittlich stark („schmutzige“) Industrien belasten und damit Arbeitsplätze einer für linke Parteien besonders wichtigen Wählerschaft gefährden könnten (King und Borchardt 1994).

Die gängige Alternative zu diesen ideologischen (links-rechts) Unterschieden in der Umweltpolitik besagt, dass sich Policy-Unterschiede eher durch unterschiedliche Positionen und Präferenzen von Parteien im Bereich Umweltschutz erklären lassen. Insofern sich diese nicht an der Links-Recht-Orientierung von Parteien ausrichten ist dies eine plausible Erwartung. Studien zeigen zwar regelmäßig, dass linke Parteien stärker ausgeprägte Umweltschutzpräferenzen haben als rechte Parteien (Carter 2013; Dalton 2009; Neumayer 2004). Allerdings spricht der Erfolg grüner Parteien über die letzten Jahrzehnte durchaus dafür, dass etablierte Parteien Schwierigkeiten hatten und immer noch haben, das Umweltthema in ihre Agenden zu integrieren (Abou-Chadi und Kayser 2017; Kitschelt 1994; Müller-Rommel und Poguntke 2002). Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Studien, die zeigen, dass eine aktivere Umweltpolitik mit stärker ausgeprägten Umweltschutzpräferenzen bzw. umweltfreundlicheren Positionen von Parteien sowie der Stärke grüner Parteien zusammenhängt (Jahn 2016; Knill et al. 2010; Leinaweaver und Thomson 2016; Schulze 2014).

Diese Argumente lassen sich prinzipiell auch auf die Klimapolitik übertragen. Folglich könnten Parteieneffekte in der Klimapolitik sowohl auf der ideologischen Links-Rechts-Dimension als auch auf einer Umwelt- oder Klimapolitikdimension erwartet werden. Aktuelle Studien zeigen interessanterweise eine im Vergleich zur Umweltpolitik stärker ausgeprägte (links-rechts) Ideologisierung der Klimapolitik (Carter et al. 2018; Farstad 2018). Wenn dies zutrifft, dann sollte in der Klimapolitik noch mehr als in der Umweltpolitik nach ideologischen (links-rechts) Unterschieden geforscht werden. Allerdings sind die bisherigen Ergebnisse sehr unterschiedlich. Einige Studien deuten darauf hin, dass linke Regierungen mehr Klimapolitik machen und eine bessere Klimaperformanz aufweisen als rechte Regierungen (Garmann 2014; Schulze 2021; Tobin 2017). Andere Studien finden eher Effekte für die Umweltschutzpräferenzen politischer Akteure (Jensen und Spoon 2011; Ward und Cao 2012).

Forschungsarbeiten zur umweltpolitischen Parteiendifferenztheorie auf der regionalen und lokalen Ebene sind vergleichsweise selten, insbesondere im Fall Deutschlands. Dies ist bedauernswert, denn in der deutschen Kommunalpolitik gibt es durchaus einen (unterschiedlich stark ausgeprägten) Trend zur Parteipolitisierung (Holtmann et al. 2017). Zudem zeigt die Parteienforschung, dass auch regionale und lokale Parteien in Deutschland systematisch unterschiedliche Positionen haben, die in zentralen Dimensionen die Positionen der nationalen Parteien widerspiegeln (Bräuninger et al. 2020). Tatsächlich haben sich in Deutschland auch auf subnationalen Ebenen Policy-Effekte von Parteien nachweisen lassen (Böcher und Töller 2016; Debus et al. 2012; Ewert et al. 2018; Gross und Jankowski 2020; Müller 2009; Wurster und Köhler 2016).

Für die lokale Klimapolitik sind Untersuchungen von Parteieneffekten noch selten. Studien aus den USA zeigen aber beispielsweise, dass von den Demokraten regierte Städte eher Klimanetzwerken beitreten und ein größeres klimapolitisches Engagement zeigen als Städte, die von den Republikanern regiert werden (Krause 2011; Lee und Koski 2015; Vasi 2006). Für die deutschen Kommunen gibt es bislang keine Erkenntnisse darüber, ob die Parteiendifferenztheorie zur Erklärung von Mitgliedschaften in Klimanetzwerken und ihren Effekten beitragen kann. Allerdings zeigen neue Studien, dass auch in Deutschland die Stärke der Grünen auf lokaler Ebene mit mehr und ambitionierterer lokaler Klimapolitik in Verbindung steht (Abel 2021; Kemmerzell und Hofmeister 2019).

Welche parteipolitischen Differenzen lassen sich also für die Mitgliedschaft in den hessischen Klima-Kommunen und für die Entwicklung von Aktionsplänen im Rahmen der Mitgliedschaft erwarten? Übersetzt man die zuvor genannten konkurrierenden Überlegungen zu den Policy-Effekten der Umweltschutzpräferenzen bzw. Umweltpolitikpositionen und der Links-Rechts-Orientierung von Parteien in erwartbare Policy-Unterschiede nach Parteifamilien (Parteiendifferenzen), sollten demnach einerseits die Grünen und andererseits die Sozialdemokraten eher einen Beitritt zu den Klima-Kommunen anstreben sowie die Erstellung von Aktionsplänen vorantreiben. Für einen positiven Effekt der Grünen spricht, dass grüne Parteien von allen Parteifamilien in der Regel die ausgeprägtesten Umweltschutzpräferenzen aufweisen (Carter 2013; Neumayer 2004) und Umweltthemen auch am häufigsten auf die parlamentarische Agenda bringen (Debus und Tosun 2021). Daneben gibt es für den vermuteten Zusammenhang auch direkte empirische Anhaltspunkte. Bulkeley und Kern (2006) zeigen beispielsweise, dass rot-grüne Gemeinderäte bereits in den 1990er-Jahren eine treibende Kraft hinter den ersten lokalen Klimapolitiken in deutschen Städten waren.

Während die grundlegende Erwartung hinsichtlich grüner Parteien also relativ eindeutig ist, kann dies nicht gleichermaßen für die Sozialdemokratie festgestellt werden (siehe weiter oben). Dennoch werden in der Forschungsliteratur linke Parteien und Regierungen häufiger als rechte mit einer ambitionierteren Umwelt- und Klimapolitik in Verbindung gebracht. Ebenfalls zeigt die Forschung, dass linke Parteien in der Regel stärker ausgeprägte Umweltschutzpräferenzen aufweisen als rechte (Dalton 2009; Neumayer 2004). Wir formulieren daher auch hier unsere Hypothesen entsprechend, weisen aber nochmals darauf hin, dass linke Regierungen klimapolitische Eingriffe auch ablehnen könnten, beispielsweise um Industriearbeitsplätze zu schützen.

Gemäß der Parteiendifferenztheorie besteht damit zunächst die Möglichkeit, dass die Präferenzen der (Ober‑)Bürgermeisterin (OB/BM) einen Einfluss auf klimapolitische Entscheidungen haben. OB/BM werden in Hessen seit 1993 direkt gewählt und haben damit eine exponierte Stellung in der lokalen Politik. Ein Einfluss auf politische Entscheidungen, auch in der Klimapolitik, liegt daher nahe. Daher lauten die ersten zu prüfenden Hypothesen:

H1a:

Gemeinden mit einer Grünen OB/BM treten mit höherer Wahrscheinlichkeit den Klima-Kommunen bei.

H1b:

Mitglieder der Klima-Kommunen mit einer Grünen OB/BM erstellen mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Aktionsplan.

H2a:

Gemeinden mit einer SPD OB/BM treten mit höherer Wahrscheinlichkeit den Klima-Kommunen bei.

H2b:

Mitglieder der Klima-Kommunen mit einer SPD OB/BM erstellen mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Aktionsplan.

Allerdings haben OB/BM in Hessen, auch im Vergleich zu anderen Bundesländern, angesichts vergleichsweise starker Befugnisse der Magistrate in Städten bzw. der Gemeindevorstände in Gemeinden ohne Stadtrecht eine relativ schwache Stellung und nur eine Stimme im Magistrat/Gemeindevorstand (Egner 2018). Da es für einen Beitritt zu den Klima-Kommunen einen entsprechenden Magistratsbeschluss braucht, könnten damit die Präferenzen des Magistrats/Gemeindevorstands (und nicht nur die der OB/BM) die Beitrittsentscheidung einer Stadt/Gemeinde beeinflussen. Leider gibt es keine systematischen Daten zur Zusammensetzung der hessischen Magistrate und Gemeindevorstände. Allerdings werden die Magistrate und Gemeindevorstände von der Stadtverordnetenversammlung bzw. der Gemeindevertretung für die eigene Wahlperiode gewählt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich die Mehrheitsverhältnisse und Präferenzen der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen in der Regel auch in den Magistraten und Gemeindevorständen widerspiegeln.

Zudem wird über den Beitritt zu den Klima-Kommunen und die Umsetzung des Aktionsplans tatsächlich häufig direkt in der Stadtverordnetenversammlung/der Gemeindevertretung entschieden, was für einen direkten Einfluss der Stadt‑/Gemeindeparlamente spricht. Den vermuteten Zusammenhang legen auch vorhandene Forschungsergebnisse nahe. Abel (2021) zeigt beispielsweise, dass die Erstellung integrierter Klimaschutzpläne in den Nordrhein-Westfälischen Gemeinden mit der Stärke der Grünen in der Gemeindevertretung zusammenhängt. Auch in der Analyse von Kemmerzell und Hofmeister (2019) spielt die elektorale Stärke der Grünen eine systematische Rolle für die Extensivität von Klimaschutzmaßnahmen in den deutschen Großstädten. Damit lässt sich neben der bereits formulierten Erwartung bezüglich der Rolle der OB/BM eine zweite formulieren, nämlich, dass die Beitrittswahrscheinlichkeit mit der Stärke der Grünen und der SPD in der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung zusammenhängt. Daraus folgen weitere zu prüfende Hypothesen:

H3a:

Je höher der Sitzanteil der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung, desto wahrscheinlicher ist ein Beitritt der Stadt/Gemeinde zu den Klima-Kommunen.

H3b:

Mitglieder der Klima-Kommunen mit einem höheren Sitzanteil der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung erstellen mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Aktionsplan.

H4a:

Je höher der Sitzanteil der SPD in der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung, desto wahrscheinlicher ist ein Beitritt der Stadt/Gemeinde zu den Klima-Kommunen.

H4b:

Mitglieder der Klima-Kommunen mit einem höheren Sitzanteil der SPD in der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung erstellen mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Aktionsplan.

3 Die hessischen Klima-Kommunen

Die Klima-Kommunen sind ein freiwilliges Netzwerk der hessischen Städte, Gemeinden und Landkreise. Das Netzwerk verfolgt das Ziel, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und kommunale Anpassung an den Klimawandel zu fördern. Es geht auf ein Projekt im Rahmen der hessischen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2009 mit dem Namen „Hessen aktiv: 100 Kommunen für den Klimaschutz“ zurück. Ziel dieses neuen Projekts der schwarz-gelben Landesregierung (2009–2010) unter der Führung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) war es, in jeder teilnehmenden Kommune „eine individuelle CO2-Bilanz [zu erstellen] und auf dieser Basis ein[en] spezifische[n] Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen [zu entwerfen]“.Footnote 5 Darüber hinaus zielte das Programm auf eine Vernetzung der Kommunen zur gegenseitigen Unterstützung in der Klimapolitik ab. Seit 2014 dürfen auch die hessischen Landkreise dem Netzwerk beitreten. Unter der schwarz-grünen Landesregierung (2014-heute) mit dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) wurde im November 2016 das Projekt in „Hessen aktiv: Die Klimakommunen“ umbenannt und in der Folge als Bündnis verstetigt.

Ein Beitritt zum Netzwerk erfordert das Unterzeichnen einer Charta,Footnote 6 mit der sich die Mitglieder verpflichten, zu den hessischen Klimazielen (40 % Treibhausgasemissionsreduktion bis 2025 gegenüber 1990; Klimaneutralität bis 2050 durch Treibhausgasemissionsreduktion von mindestens 90 %) beizutragen. Die Mitglieder verpflichten sich zudem, einen Aktionsplan zu erstellen, der eine aktuelle CO2-Bilanz, Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung sowie eine Abschätzung von deren Wirksamkeit enthält. Die Aktionspläne sollen alle fünf Jahre aktualisiert werden. Zudem sollen die Mitglieder jährlich über durchgeführte Politiken und Maßnahmen berichten. Allerdings verfolgen die Klima-Kommunen auch keine Sanktionsmaßnahmen im Fall, dass Kommunen keine Aktionspläne erstellen.

Die Unterstützungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für die MitgliedskommunenFootnote 7 wurden im Laufe der Zeit ausgeweitet. Seit dem Jahr 2016 finden jährliche Jahrestreffen des Netzwerks statt.Footnote 8 Darüber hinaus gibt es regionale Foren und andere Vernetzungsmöglichkeiten. Seit dem 1. Januar 2016 wurde außerdem ein finanzieller Anreiz geschaffen, indem Mitglieder der Klima-Kommunen höhere Fördersätze im Rahmen der hessischen Klimaschutzrichtlinie erhalten können: Während Nicht-Mitglieder bei Förderanträgen in den Bereichen Klimaschutz und -anpassung mit bis zu 50 % Finanzierung durch das Land Hessen unterstützt werden konnten, betrug der maximale Förderungssatz für die Mitglieder der Klima-Kommunen seit 2016 bis zu 70 %. Diese Fördersätze wurden im Jahr 2019 auf 70 % für Nicht-Mitglieder und 90 % für Mitglieder erhöht.Footnote 9 Seit dem 1. Januar 2021 dürfen Mitglieder (und Kommunen mit Windenergieanlagen) sogar 100 % Förderung beantragen, während die maximale Fördersumme für investive Maßnahmen im Klimaschutz und in der -anpassung von 250.000 auf 400.000 € stieg.

4 Beschreibung der abhängigen Variablen

Wir überprüfen die Parteiendifferenzhypothese für zwei abhängige Variablen: den Beitritt zum Netzwerk der Klima-Kommunen und das Erstellen eines Aktionsplans. In beiden Fällen handelt es sich also um eine dichotome Variable, genauer gesagt um zwei Ereignisse, die während des Beobachtungszeitraums zwischen 2009 und 2020 eintreten können. Das Netzwerk erreicht zum Ende des Beobachtungszeitraums weit über die Hälfte aller hessischen Kommunen.Footnote 10 Bis Ende 2020 hatten hessische 272 Kommunen (von 447, 61 %), darunter 135 Städte (von 192, 70 %) und 121 Gemeinden (von 234, 52 %) und 16 Landkreise (von 21, 76 %) die Charta der Klima-Kommunen unterzeichnet.Footnote 11 Betrachtet man die regionale Verteilung der Gemeindemitgliedschaften (Abb. 1a), so zeigt sich ein leichtes Nord-Süd-Gefälle, wobei die südlichen Gemeinden häufiger Mitglied sind. So liegt die Mitgliederquote im Regierungsbezirk Darmstadt bei etwa 64 %, gefolgt von Gießen mit 58 % und Kassel mit 56 %.

Abb. 1
figure 1

Mitgliedschaft der hessischen Gemeinden im Netzwerk der Klima-Kommunen und vorliegende Aktionspläne (Stand 31.12.2020). a Mitgliedschaft, b Aktionspläne (AP). Quelle des Shapefile: http://gds-srv.hessen.de/atomfeed/DigVGr-epsg25832-shp.zip

Betrachten wir die Verbreitung der Aktionspläne (Abb. 1b), so fällt zunächst auf, dass lediglich für 119 von 256 Gemeindemitgliedern (47 %) Aktionspläne vorliegen. Entgegen den formalen Anforderungen der Klima-Kommunen ist also das Erstellen von Aktionsplänen unter den Mitgliedern keinesfalls selbstverständlich. Vielmehr können wir davon ausgehen, dass das Aufstellen eines Aktionsplans von einem zusätzlichen klimapolitischen Engagement zeugt, welches nicht alle Mitglieder aufbringen wollen oder können. Auch hier zeigen sich leichte regionale Unterschiede. So liegt der Anteil an vorliegenden Aktionsplänen unter den Gemeindemitgliedern der Klima-Kommunen im Regierungsbezirk Darmstadt bei 48 %, in Gießen bei 44 % und in Kassel bei 46 %.

In der zeitlichen Betrachtung (Abb. 2a) zeigt sich, dass die Mitgliedschaft unter den Gemeinden bis 2010 schnell auf knapp über 100 gestiegen ist. Das ist nicht verwunderlich, war es doch zunächst das erklärte Ziel, 100 Kommunen für das Netzwerk zu gewinnen. Von 2011 bis 2016 zeigt sich dann nur noch ein moderates Mitgliederwachstum. Die Zahlen steigen erst wieder deutlich nach der Verstetigung des Projekts im Jahr 2016 und mit der Einführung höherer Klimaprojekt-Fördersätze für Mitglieder. Für die Aktionspläne (Abb. 2b) zeigt sich im Zeitverlauf ein ähnliches Muster. Allerdings ist der Anstieg nach Gründung der Klima-Kommunen eher moderat und im späteren Verlauf sind die Anstiege wesentlich flacher als bei den Mitgliedschaften.

Abb. 2
figure 2

Mitgliedschaft der hessischen Gemeinden (N = 426) im Netzwerk der Klima-Kommunen und vorliegende Aktionspläne unter den Mitgliedern (N = 256), 2009–2020. a Mitgliedschaft, b Aktionspläne

5 Unabhängige Variablen und Analysemethode

In diesem Abschnitt beschreiben wir zunächst die unabhängigen Variablen und ihre Operationalisierung bevor wir auf die Analysemethode eingehen. Tab. 1 präsentiert eine Übersicht aller unabhängigen Variablen. Als Erstes stellen wir für den Beobachtungszeitraum anhand der Daten der hessischen Wahlleiterin fest, wer die Direktwahl zur OB/BM gewonnen hat und von welcher Partei der erfolgreiche Wahlvorschlag stammte. Die Partei des erfolgreichen Wahlvorschlags nehmen wir als Maß für die Präferenz der OB/BM für die jeweiligen Amtszeiten. Zweitens berechnen wir aus den Daten der Wahlleiterin die Sitzanteile der Grünen, der SPD, der CDU, der FDP und der Linken in der Gemeindevertretung. Sonstige Parteien und Wählergemeinschaften bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt. Die Sitzanteile nehmen wir als Maß für die politische Stärke der jeweiligen Partei auf kommunaler Ebene.

Tab. 1 Beschreibung der unabhängigen Variablen, 426 hessische Gemeinden (2009–2020)

Die erste Kontrollvariable gibt an, ob der Landkreis, in dem sich eine Gemeinde befindet, bereits Mitglied der Klima-Kommunen ist. Einerseits kann erwartet werden, dass Gemeinden durch eine Mitgliedschaft des eigenen Landkreises ermutigt werden, selbst Mitglied der Klima-Kommunen zu werden. Andererseits ist denkbar, dass eine Kreismitgliedschaft den Druck auf die Gemeinden, selbst klimapolitisch tätig zu werden, verringert (Lee und Koski 2015). Für die Analyse der Aktionspläne kodieren wir entsprechend, ob der zugehörige Landkreis einer Gemeinde bereits einen Aktionsplan vorgelegt hat. Zweitens könnte der politische Druck den Klima-Kommunen beizutreten bzw. einen Aktionsplan zu erstellen steigen, je mehr Gemeinden im jeweiligen Landkreis dies bereits getan haben. Dazu erheben wir den Anteil der Gemeindemitglieder bzw. den Anteil erstellter Aktionspläne im jeweiligen Landkreis einer Gemeinde. Des Weiteren dürfte ein bereits vorhandenes Engagement in Klimanetzwerken förderlich für den Beitritt zu den Klima-Kommunen sein (Abel 2021). Wir operationalisieren die Wirkung vorhandener Netzwerke über die Mitgliedschaft im europäischen Städtenetzwerk „Klima-Bündnis.“Footnote 12 Das Klima-Bündnis ist eines der größten kommunalen Klimanetzwerke weltweit, hat seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main und wurde bereits 1990 als Zusammenschluss europäischer Kommunen in Partnerschaft mit Vertreterinnen der indigenen Völker des Amazonasbeckens gegründet. Im Jahr 2020 hatte das Klima-Bündnis über 1800 Mitglieder, darunter auch 55 Kommunen aus Hessen. Darüber hinaus könnte die Beitrittswahrscheinlichkeit sowie die Bereitschaft Aktionspläne zu erstellen durch bereits vorhandene Klimapolitiken und administrative Kapazitäten einer Gemeinde beeinflusst werden. Dazu erheben wir aus der Förderdatenbank der deutschen Bundesregierung und ihrer Ministerien erstens, ob es in einer Gemeinde ein aus der Kommunalrichtlinie gefördertes Klimamanagement gibt und zweitens, ob bereits die Erstellung eines Klimaschutz(teil)konzepts gefördert wurde.Footnote 13 Ein vorhandenes Klimaschutzmanagement stellt eine wichtige administrative Kapazität dar, die für ein weiteres klimapolitisches Engagement einer Gemeinde förderlich sein kann. Ein vorhandenes Klimaschutzkonzept wird zudem von den Klima-Kommunen ersatzweise für die Erstellung eines Aktionsplans anerkannt (mitunter muss es um den Anpassungsbereich ergänzt werden). Das Vorliegen eines Klimaschutzkonzepts könnte daher sowohl den Beitritt als auch das Aufstellen eines Aktionsplans vereinfachen.

Außerdem kontrollieren wir für mögliche Stadt-Land-Unterschiede in der kommunalen Klimapolitik. In der Literatur werden Städte im Vergleich zu ländlichen Regionen häufig mit einer höheren klimapolitischen Innovationskraft in Verbindung gebracht (Bulkeley 2010). Positive Einstellungen zum Thema Klimaschutz sollten darüber hinaus überdurchschnittlich häufig in städtisch geprägten Milieus vorzufinden sein. Eine Dummy-Variable für die kreisfreien Städte in Hessen sowie die Bevölkerungsgröße kontrollieren für diese potenziellen Effekte. Schließlich könnten auch die finanziellen Kapazitäten einer Gemeinde eine Rolle spielen, wobei eine angespannte Haushaltslage das Eingehen zusätzlicher Verpflichtungen im Rahmen von Klimanetzwerken und die Erstellung von Aktionsplänen erschweren könnte. Den finanziellen Druck, dem eine Gemeinde ausgesetzt ist, beziehungsweise die administrativen Kapazitäten einer Gemeinde bilden wir über die Realsteuereinnahmen sowie die Verschuldung pro Kopf ab. Die ökonomischen und finanziellen Faktoren sowie die Bevölkerungsgröße entnehmen wir allesamt der hessischen Gemeindestatistik. Die Kontrollvariablen gehen alle um ein Jahr verzögert in die Analysen ein.

Da wir es mit zwei dichotomen abhängigen Variablen zu tun haben, schätzen wir logistische Regressionen mit nach Gemeinden geclusterten Standardfehlern. Genauer gesagt ist unser Datensatz für eine time-series cross-section (TSCS) Ereignisanalyse aufgebaut (Beck et al. 1998). Dazu beobachten wir die Zustände der hessischen Gemeinden im Sinne der besprochenen Variablen in Einjahresabständen über den Zeitraum von 2009 bis 2020. Das Verfahren der Ereignisanalyse eignet sich besonders um zu erklären, warum Ereignisse bei Untersuchungseinheiten auftreten (Blossfeld 2006, S. 113) – in unserem Fall also ein Beitritt zu den Klima-Kommunen und das Erstellen von Aktionsplänen. Die Ereignisanalyse modelliert dabei die Wahrscheinlichkeit bzw. das statistische „Risiko“ des Eintretens eines Ereignisses in Abhängigkeit wechselnder Zustände der Untersuchungseinheiten – in unserem Fall also insbesondere unter wechselnden lokalen Exekutivpräferenzen und parlamentarischen Mehrheiten – und wie sich dieses Risiko über Zeit verändert (Box-Steffensmeier und Jones 2004; Jäckle 2020). Das Risiko eines Beitritts beginnt in unserer Analyse für jede hessische Gemeinde im Jahr 2009 mit der Gründung der Klima-Kommunen und endet mit ihrem Beitritt oder mit dem Ende des Beobachtungszeitraums im Jahr 2020. Für die Analyse der Aktionspläne hingegen beginnt das Risiko für jede Gemeinde individuell im Jahr ihres Beitritts zu den Klima-Kommunen. Nicht-Mitglieder bleiben in der Analyse der Aktionspläne unberücksichtigt. Die zeitliche Abhängigkeit des Risikos modellieren wir in Form von kubischen Polynomen (t, t2, t3) (Carter und Signorino 2010). Neben diesen drei Zeitvariablen enthalten unsere Modelle Dummy-Variablen (Fixed-Effects) für die Regierungsbezirke. Damit kontrollieren wir für das zuvor festgestellte Nord-Süd-Gefälle bzw. regionale Cluster in den Mitgliedschaften, Aktionsplänen und in weiteren Variablen.

Im Anhang berichten wir zusätzlich Ergebnisse für ein zweistufiges Heckman-Selektions-Probit-Modell. Dieses Verfahren berücksichtigt, dass die Analyse der Aktionspläne nur für Mitglieder der Klima-Kommunen durchgeführt werden kann, die Selektion in das Sample dieser Analyse also nicht zufällig ist. Anders ausgedrückt wird damit berücksichtigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Mitgliedschaft ebenfalls auf die Erstellung eines Aktionsplans auswirkt bzw. dass Faktoren, die den Beitritt begünstigen, auch das Erstellen von Aktionsplänen fördern könnten. Die Erstellung eines Aktionsplans ist also möglicherweise nicht unabhängig vom Ereignis des Beitritts. Die im nächsten Abschnitt präsentierten Ergebnisse lassen sich auch mit dieser Methode weitestgehend bestätigen.

6 Ergebnisse

Tab. 2 zeigt zunächst die Ergebnisse für den Beitritt der hessischen Städte und Gemeinden zu den Klima-Kommunen. Wir beginnen mit einem schlichten Modell, das nur die Parteienvariablen enthält (Modell 1), fügen dann zunächst die diffusions- und policy-bezogenen Kontrollvariablen (Modell 2) und schließlich auch die sozio-ökonomischen Kontrollvariablen (Modell 3) hinzu. Als erstes stellen wir fest, dass die Koeffizienten für die Grüne Bürgermeisterin in allen drei Modellen hochsignifikant und positiv sind. Konkret zeigt eine Berechnung der Odds-Ratios in Modell 3, dass sich unter einer Grünen OB/BM die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts im Vergleich zu einer Gemeinde mit CDU OB/BM mehr als verfünffachen würde. Das Ergebnis entspricht grundsätzlich der in Hypothese 1a formulierten Erwartung. Allerdings ist unklar, inwiefern es sich verallgemeinern lässt, denn unser Datensatz enthält nur 5 Gemeinden mit einer Grünen OB/BM, die allesamt im Beobachtungszeitraum den Klima-Kommunen beigetreten sind. Dabei fanden zwei von zwei möglichen Beitritten unter einer Grünen BM statt: Friedrichsdorf 2010 unter BM Horst Burghardt und Rödermark 2009 unter BM Roland Kern. Die anderen drei Gemeinden mit Grünen OB/BM waren bereits vor der Wahl Grüner OB/BM den Klima-Kommunen beigetreten. Das Ergebnis ist daher mit Vorsicht zu interpretieren. Zudem finden wir für die Stärke der Grünen in der Gemeindevertretung keine signifikanten Effekte, sodass wir Hypothese 2a verwerfen können. Für die SPD OB/BM finden wir lediglich in Modell 3 einen marginal signifikanten positiven Effekt auf dem 10 %-Niveau. Dazu finden wir in allen drei Modellen einen signifikant negativen Effekt für die Stärke der SPD in der Gemeindevertretung, d. h. je stärker die SPD vertreten ist, desto unwahrscheinlicher wird der Beitritt. Dieses Ergebnis überrascht und sollte vor dem Hintergrund des (marginal) positiven Effekts der SPD OB/BM Anlass zu weiterer Forschung geben.Footnote 14 Des Weiteren fällt auf, dass die Stärke der FDP in der Gemeindevertretung in allen drei Modellen einen signifikant positiven Effekt auf die Beitrittswahrscheinlichkeit ausübt. Auch dieses Ergebnis entspricht nicht unserer Erwartung, insofern die hessische FDP eher dem rechts-konservativen Spektrum zuzuordnen ist (Bräuninger et al. 2020, S. 125). Vor dem Hintergrund dieser ambivalenten Ergebnisse, stellen wir fest, dass die Parteiendifferenzhypothese zumindest für den Beitritt zu den Klima-Kommunen keine überzeugende Erklärungskraft besitzt.

Tab. 2 Determinanten des Beitritts der hessischen Gemeinden zu den Klima-Kommunen, 2009–2020

Allerdings zeigen sich erwartete Effekte für einige Kontrollvariablen. So gibt es statistisch signifikante Evidenz, dass eine Mitgliedschaft im Klima-Bündnis die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts zu den Klima-Kommunen erhöht. Laut Modell 3 steigt die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts für Klima-Bündnis-Mitglieder im Vergleich zu Nicht-Mitgliedern um etwa 85 %. Ebenfalls einen signifikant positiven Effekt finden wir in Modell 2 und 3 für ein vorhandenes Klimaschutzkonzept. Ist bereits ein solches Konzept vorhanden, dann steigt die Beitrittswahrscheinlichkeit gemäß Modell 3 um gut 60 %. Schließlich bestätigt Modell 3 auch, wie erwartet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts zu den Klima-Kommunen mit der Bevölkerungsgröße einer Gemeinde steigt.

Tab. 3 präsentiert die Ergebnisse für das Erstellen von Aktionsplänen. Zunächst fällt auf, dass für die Exekutivpräferenzen in keinem der drei Modelle signifikante Ergebnisse vorliegen, sodass die Hypothesen 1b und 2b verworfen werden können. Allerdings bestätigen die Ergebnisse die Hypothese 3b, wonach die Wahrscheinlichkeit der Erstellung eines Aktionsplans mit dem Sitzanteil der Grünen in der Gemeindevertretung steigt. Die entsprechenden Koeffizienten sind in allen drei Modellspezifikationen positiv und signifikant (in Modell 3 nur noch auf dem 10 % Niveau). Gemäß Modell 3 steigt die Wahrscheinlich der Erstellung um 3,2 % wenn der Sitzanteil der Grünen um 1 % steigt oder um 26,5 % für eine Standardabweichung (welche bei 7,5 % liegt). Im Gegensatz zur Beitrittsentscheidung finden wir für die Erstellung der Aktionspläne in allen Modellen negative Vorzeichen für die FDP-Stärke. Allerdings sind die Koeffizienten nicht signifikant. Die Ergebnisse in Tab. 3 bestätigen zudem die positiven klimapolitischen Effekte eines vorhandenen Klimaschutzkonzepts und der Bevölkerungsgröße. Zusätzlich erhöht ein vorhandenes Klimaschutzmanagement die Wahrscheinlichkeit der Erstellung eines Aktionsplans.Footnote 15

Tab. 3 Determinanten der Erstellung eines Aktionsplans durch die Mitglieder der Klima-Kommunen, 2014–2020

7 Schlussfolgerungen

Der vorliegende Beitrag beschäftigte sich mit der Frage, ob Parteien eine Rolle für die Gestaltung lokaler Klimapolitik spielen. Damit leisten wir einen Beitrag zu einem besseren Verständnis von lokaler Klimapolitik, einer Ebene, von der wichtige Beiträge zum Klimaschutz und zur Anpassung erwartet werden und die deshalb zunehmend Gegenstand auch politikwissenschaftlicher Forschungsarbeiten geworden ist. Bislang fokussierten sich empirische Untersuchungen zur lokalen Klimapolitik allerdings überwiegend auf Großstädte. Systematische Untersuchungen zur Parteiendifferenz sind in diesem Bereich und insbesondere in Hinblick auf kleinere Städte und Gemeinden liegen kaum vor. Insgesamt betrachtet bleiben die Ergebnisse unserer Untersuchung widersprüchlich. Wie in Tab. 4 zusammengefasst, finden wir für die Mehrzahl der von uns formulierten Spielarten der Parteiendifferenzhypothese keine robuste Evidenz.

Tab. 4 Zusammenfassung der Hypothesen und Ergebnisse

Vergleicht man die Ergebnisse für die Exekutivpräferenzen, so fällt auf, dass eine Grüne OB/BM im Gegensatz zur Beitrittsentscheidung keinen positiven Effekt auf die Erstellung von Aktionsplänen ausübt. Dieser widersprüchliche Befund mag mit der geringen Anzahl an Grünen OB/BM im Sample (also der geringen Varianz dieser Variable) zusammenhängen. Tatsächlich gibt es im Sample zur Aktionsplanerstellung lediglich vier Gemeinden (Darmstadt, Egelsbach, Friedrichsdorf und Rödermark) mit einem Grünen OB/BM, von denen allerdings drei (Darmstadt, Friedrichsdorf und Rödermark) während dieser Konstellation einen Aktionsplan erstellt haben.

Robust bestätigen lässt sich lediglich Hypothese 3b, d. h. je stärker die Grünen in der Gemeindevertretung vertreten sind, desto wahrscheinlicher erstellen die Mitglieder der Klima-Kommunen einen Aktionsplan. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit bestehenden Arbeiten aus Nordrhein-Westfalen (Abel 2021) und für deutsche Großstädte (Kemmerzell und Hofmeister 2019). Allerdings gibt es keinen vergleichbaren Effekt für die Beitrittsentscheidung. Das Ergebnis mag mit dem erheblichen Mehraufwand zusammenhängen, den die Erstellung eines Aktionsplans im Vergleich zur „reinen“ Beitrittsentscheidung bedeutet. Zur Realisierung dieser zusätzlichen klimapolitischen Verpflichtung braucht es möglicherweise zusätzlichen politischen Druck, den eine starke Grüne Präsenz in der Gemeindevertretung realisieren kann. Analog ließe sich auch das spiegelverkehrte Ergebnis für die FDP einordnen: Wenn der reine Beitritt zu den Klima-Kommunen einen Schritt mit vergleichsweise geringen Kosten darstellt, dann könnte auch die FDP diesen Schritt verfolgen, in der Folge allerdings keine zusätzlichen Verpflichtungen in Sinne der Aktionspläne anstreben.Footnote 16 Um diese Interpretation abzusichern, bräuchte es allerdings weitere, auch qualitative, Forschungsarbeit. Auch die Ergebnisse der hessischen Kommunalwahlen des Jahres 2021 sollten in zukünftigen Arbeiten zur Parteiendifferenzhypothese in der hessischen Lokalpolitik berücksichtigt werden.

Die teils widersprüchlichen Ergebnisse könnten auch mit abweichenden Parteipositionen auf lokaler Ebene zusammenhängen, also mit lokalen Positionen, die sich von Bundes- und Landesebene unterscheiden. Das Local Manifesto Project (Gross und Jankowski 2020), erhebt Positionen lokaler Parteien in Deutschland, allerdings liegen diese Daten bislang nur für Großstädte vor. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, inwiefern abweichende Regierungskonstellationen auf Landes- und kommunaler Ebene für die Klimapolitik relevant sind. Im Hessischen Landtag befindet sich die SPD beispielsweise seit 1999 in der Opposition. Es besteht damit die Möglichkeit, dass hessische SPD-Kommunalpolitikerinnen den hessischen Landesprogrammen aus politischen Erwägungen skeptisch gegenüberstehen. Schließlich könnten Parteiendifferenzen auch durch die spezifischen Problemstrukturen einer Gemeinde verschleiert werden, also insbesondere durch die elektoralen Kosten und Nutzen einzelner klimapolitischer Maßnahmen (Töller 2017). Zudem sollte berücksichtigt werden, dass sich unsere Untersuchung auf die Überprüfung der Parteiendifferenzhypothese konzentriert hat und damit keineswegs alle etablierten Erklärungen zur lokalen Klimapolitik in unsere Modelle aufgenommen wurden bzw. aufgenommen werden konnten. Beispielsweise liegen uns keine hessenweiten Daten zu Policy Entrepreneuren vor, obwohl zahlreiche Studien auf die Bedeutung einzelner Persönlichkeiten in der lokalen Klimapolitik hinweisen (Bulkeley und Kern 2006; Kalafatis und Lemos 2017).

Letztendlich ist bei der Interpretation der Ergebnisse auch zu berücksichtigen, dass ein Beitritt zu den Klima-Kommunen und das Erstellen eines Aktionsplans zwar wichtige klimapolitische Entscheidungen darstellen können, positive Einflüsse auf das Klima und die Anpassung an den Klimawandel allerdings entscheidend von der erfolgreichen Umsetzung der beschlossenen Politiken und Maßnahmen abhängen. Der Implementationsschritt ist nicht mehr Teil unserer Untersuchung gewesen. Um die Auswirkungen der untersuchten Entscheidungen zu bewerten, müssten Klimapolitiken und Maßnahmen, so wie dies bereits auf nationaler Ebene geschieht (Schoenefeld et al. 2019), auch auf lokaler Ebene systematischer und umfassender erfasst werden (siehe z. B. Otto et al. 2021). Zukünftige Forschungsarbeiten sollten sich also mit den Wirkungen von Klimanetzwerken, der Verbreitung lokaler Klimapolitikinstrumente und deren Wirkungen auf die lokale klimapolitische Performanz auseinandersetzen. Für die hessischen Klima-Kommunen deutet Abb. 2 beispielsweise an, dass die Mitgliedszahlen mit der Einführung höherer Fördersätze für Mitglieder wieder stärker steigen. Vor diesem Hintergrund könnte überprüft werden, inwiefern sich dieser Zuwachs auch in der Anzahl tatsächlich gestellter Förderanträge niederschlägt. Denn in der Vergangenheit wurden die Fördertöpfe in Teilen nicht ausgeschöpft.Footnote 17 Dies könnte Hinweise auf die (indirekte) Wirksamkeit des Netzwerks geben.