Das Gesundheitsverhalten von Jugendlichen hat Einfluss auf die Gesundheit nicht nur im Jugendalter, sondern auf den weiteren Lebensverlauf. Gesundheitskompetenz wird zunehmend als Determinante von Gesundheit und Gesundheitsverhalten diskutiert und könnte so ein wichtiger Baustein in Prävention und Gesundheitsförderung bei der Förderung eines gesunden Lebensstils bereits im Jugendalter sein.

Hintergrund und Fragestellung

Die Weltgesundheitsorganisation und Public-Health-Akteure in Deutschland sehen in Gesundheitskompetenz einen vielversprechenden Ansatz, um Gesundheit und Gesundheitsverhalten, gerade auch von Heranwachsenden, zu fördern [10, 28]. Das Jugendalter hat dabei eine besondere Bedeutung [10]. Heranwachsende treffen zunehmend eigenverantwortlich Entscheidungen, die ihre Gesundheit betreffen [20]. Diese Entscheidungen können gesundheitsförderlich ausfallen (z. B. ausgewogener Obst- und Gemüsekonsum), aber auch Risiken beinhalten (z. B. unzureichende körperliche Aktivität, Substanzkonsum; [20]). Mit zunehmendem Alter betreiben Jugendliche weniger oft Sport und verzichten häufiger auf den regelmäßigen Verzehr von Obst und Gemüse [11]. Zudem konsumieren Jugendliche mit steigendem Alter häufiger Alkohol und Tabak [29]. Da sich in der Jugend erlernte Verhaltensweisen verfestigen können und somit das Verhalten und die Gesundheit in späteren Lebensjahren prägen, ist der Förderung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils in der Adoleszenz ein hoher Stellenwert beizumessen [20]. Die Gesundheitskompetenz (Health Literacy) umfasst diejenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, einschließlich Wissen und Motivation, die benötigt werden, um gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden [24]. Für das Jugendalter bedeutet ein mehrdimensionales Verständnis von Gesundheitskompetenz, die kognitiven, psychischen, sozialen und kontextbezogenen Anforderungen dieser Lebensphase zu berücksichtigen [4]. Gleichzeitig ist die Evidenz, wie sich Gesundheitskompetenz konkret auf Gesundheitsverhalten bei Heranwachsenden auswirkt und durch welche Maßnahmen sie am besten gefördert werden könnte, noch sehr gering [15].

Während zum Gesundheitsverhalten Jugendlicher für Deutschland eine gute Datenbasis vorliegt, gilt das für die Gesundheitskompetenz im Jugendalter nicht. Erste Studien zur Gesundheitskompetenz von Jugendlichen in Deutschland konzentrieren sich auf bestimmte Zielgruppen, z. B. junge, bildungsferne Personen [21], spezifische Dimensionen der Gesundheitskompetenz wie gesundheitsbezogenes Wissen [27] oder den Vergleich mit Jugendlichen aus anderen europäischen Ländern [18]. Die erste bevölkerungsweite jugendspezifische Erhebung zur Gesundheitskompetenz wurde 2019 durchgeführt [13]. Diese Studien zeigen, dass viele Jugendliche in Deutschland eine eher niedrig ausgeprägte Gesundheitskompetenz aufweisen, d. h. sie haben Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, darüber zu kommunizieren oder diese anzuwenden. Als Einflussfaktoren für die Gesundheitskompetenz von Jugendlichen sind soziodemografische Merkmale [13, 21] und Selbstwirksamkeit [1, 13] bekannt. Diese Ergebnisse sind im Hinblick auf das Gesundheitsverhalten Jugendlicher bedeutsam, da Studien aus anderen Ländern auf Zusammenhänge zwischen niedrig ausgeprägter Gesundheitskompetenz und riskantem Gesundheitsverhalten Jugendlicher verweisen: Dies gilt generell für das Ernährungsverhalten [7, 19]; für körperliche Aktivität, Alkohol und Tabakkonsum sind die Ergebnisse uneinheitlich, weisen aber in dieselbe Richtung [2, 7, 9]. Aber diese Studien untersuchten nur spezifische Aspekte von Gesundheitskompetenz, beispielsweise Media Health Literacy oder funktionale Gesundheitskompetenz. Zu allgemeiner Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten liegen für Jugendliche in Deutschland bislang keine Ergebnisse vor. Erste Hinweise hierzu bietet bisher nur eine Studie, in der Jugendliche eine Teilgruppe einer größeren Stichprobe waren, die sich aus 15- bis 25-Jährigen zusammensetzte [21]. Bei bildungsfernen 15- bis 25-Jährigen dieser Teilgruppe ging eine niedrige Gesundheitskompetenz mit einem riskanten Ernährungs- und Bewegungsverhalten, jedoch nicht mit einem erhöhten Tabak- und Alkoholkonsum einher [21]. Um diese Wissenslücke zu Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten im Jugendalter zu schließen, geht unsere Studie der Frage nach: Welche Assoziation besteht zwischen verschiedenen Dimensionen von Gesundheitskompetenz und dem Gesundheitsverhalten 14- bis 17-jähriger Jugendlicher in Deutschland unter Berücksichtigung von soziodemografischen Merkmalen und Selbstwirksamkeit?

Methodik

Studiendesign und Stichprobenziehung

Die Studie beruht auf Daten der Online-Befragung zur „Gesundheitskompetenz von Jugendlichen“ (GeKoJu) des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Messung der Gesundheitskompetenz von Jugendlichen“ – Teil 2 (MOHLAA 2; Förderkennzeichen 01EL1824D). In einer repräsentativen Zufallsstichprobenziehung wurden 14- bis 17-Jährige aus 50 ausgewählten Studienorten in 13 Bundesländern in Deutschland ausgewählt und zur Studienteilnahme zwischen September und Dezember 2019 eingeladen [12, 13]. Insgesamt nahmen 1235 Jugendliche an der Online-Befragung teil („response rate“ 21,3 %; [13]). Detaillierte Informationen zum Studiendesign und zur Studiendurchführung finden sich im Studienprotokoll [13].

Variablenbeschreibung

Gesundheitskompetenz

Zur Erfassung der Gesundheitskompetenz wurde das Befragungsinstrument „Measurement of Health Literacy Among Adolescents Questionnaire“ (MOHLAA-Q) eingesetzt, das in deutscher Sprache für diese Altersgruppe entwickelt und validiert wurde [6]. Das Instrument erfasst mit 29 Items vier Dimensionen der Gesundheitskompetenz in vier Skalen: Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen (Skala A), Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten (Skala B), Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen (Skala C) und Gesundheitswissen (Skala D). Für die Auswertungen wurden aus den Scores der Skalen, die den vier Dimensionen entsprechen, dichotome Kategorien der Gesundheitskompetenzlevel gebildet (detaillierte Darstellung im Anhang, Tab. 3) [13].

Gesundheitsverhalten

Sporttreiben als Indikator für körperliche Aktivität wurde erfasst, indem die Jugendlichen gefragt wurden, ob sie Sport (alle Arten von Sport im Verein oder außerhalb eines Vereins, außer Sportunterricht in der Schule) treiben oder nicht.

Der tägliche Obst- und Gemüsekonsums wurde mittels der Häufigkeit von Obst- bzw. Gemüsekonsum pro Tag oder pro Woche, einschließlich frisch gepresster Obst- bzw. Gemüsesäfte, erhoben. Der Kategorie täglicher Obst- und Gemüsekonsum wurden nur diejenigen Jugendlichen zugeordnet, die sowohl Obst als auch Gemüse täglich oder mehrmals täglich verzehren; Jugendliche mit einem anderen Konsumverhalten wurden der Kategorie Kein täglicher Obst- und Gemüsekonsum zugeordnet.

Zur Messung des aktuellen Rauchstatus wurden die Fragen „Hast du jemals geraucht?“ und „Rauchst du zurzeit?“ (Antwortkategorien: „Nein“, „Ja, täglich“, „Ja, mehrmals pro Woche“, „Ja, einmal pro Woche“, „Ja, seltener“) gestellt. Die gebildete Kategorie Zurzeit rauchend umfasst Jugendliche, die angaben, zurzeit täglich, mehrmals pro Woche, einmal die Woche oder seltener zu rauchen.

Riskanter Alkoholkonsum wurde anhand der Frage „Hast du schon einmal Alkohol getrunken?“ und bei Bejahung dieser Frage drei anschließenden Fragen des Instruments „alcohol use disorders identification test-consumption“ (AUDIT-C) ermittelt [29]. Für die Antwortoptionen der drei AUDIT-C-Fragen wurden jeweils Punktwerte von 0–4 vergeben und summiert, woraus sich ein Summenscorebereich von 0–12 ergab. Mädchen mit einem Summenscore ≥ 4 und Jungen mit einem Summenscore ≥ 5 wurden der Gruppe Riskanter Alkoholkonsum, Jugendliche mit niedrigeren Summenscores der Gruppe Kein riskanter Alkoholkonsum zugewiesen [29].

Soziodemografische Merkmale und allgemeine Selbstwirksamkeit

Kontrollvariablen sind Alter, Geschlecht, Schultyp, familiärer Wohlstand, Migrationshintergrund und allgemeine Selbstwirksamkeit. Die Auswahl der Kontrollvariablen orientierte sich an dem konzeptionellen Rahmen der Gesundheitskompetenz von Squiers et al. [25] und den Erkenntnissen der bis dato publizierten Studien, die Assoziationen zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten untersuchten [1, 7, 8]. Zur Erfassung der Selbstwirksamkeit wurde die SWE-Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung eingesetzt [23]. Die Skala besteht aus 10 Items. Sie erfasst die Überzeugungen, schwierige Lebensanforderungen aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können. Die Items wurden mittels einer 4‑stufigen Likert-Skala beantwortet. Je höher der Gesamtwert, desto höher das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Die Details zu diesen Variablen sind an anderer Stelle publiziert [13].

Statistische Analysen

Die Auswertungen umfassten nur Fälle mit vollständigen Angaben bei allen berücksichtigten Variablen (n = 1190). Zuerst erfolgten univariate Analysen zur Beschreibung der Stichprobe, der Verteilung von Gesundheitskompetenz und des Gesundheitsverhaltens. Es folgten bivariate Analysen mittels Kreuztabellen und Pearsons χ2-Tests zur Unabhängigkeitsprüfung der Gesundheitskompetenz hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens. Anschließend wurden multiple Regressionsanalysen (binär-logistische Modelle) zur Ermittlung von Assoziationen zwischen den Gesundheitskompetenzdimensionen und dem Gesundheitsverhalten durchgeführt. Die jeweils höheren Werte der dichotomisierten Skalen der Gesundheitskompetenzlevel fungierten als Referenzkategorie. Nacheinander wurden für die vier Indikatoren des Gesundheitsverhaltens in drei Regressionsmodellen die Odds für riskantes Gesundheitsverhalten je Gesundheitskompetenzskala berechnet: 1.) Modelle M1–M4 umfassten nur die vier Gesundheitskompetenzskalen, 2.) Modelle M1a–M4a wurden zusätzlich für Alter, Geschlecht, Schultyp, Migrationshintergrund und familiären Wohlstand adjustiert und 3.) Modelle M1b–M4b wurden noch für Selbstwirksamkeit adjustiert. In diesen Modellen wurden mögliche Interaktionseffekte zwischen Gesundheitskompetenz und Selbstwirksamkeit bei einzelnen Gesundheitsverhalten jeweils durch Einschluss eines Interaktionsterms und eines anschließenden adjustierten Waldtests geprüft. Abschließend wurde zur Untersuchung der Anpassungsgüte der Modelle der F‑adjustierte „mean residual goodness of fit test“ eingesetzt. Die Analysen erfolgten mittels der Statistik Software STATA® Version 17. Um die Komplexität des Studiendesigns angemessen bei der Berechnung von Konfidenzintervallen und p-Werten zu berücksichtigen, wurden alle Analysen mit Surveyprozeduren berechnet.

Ergebnisse

Stichprobe und Gesundheitsverhalten

Das durchschnittliche Alter der Befragten war 15,5 Jahre, 48,6 % waren Mädchen. Die Mehrheit besuchte eine allgemeinbildende Schule (82,5 %), dabei gingen fast 40 % der Befragten auf ein Gymnasium. Fast 80 % gaben an, Sport zu treiben, wohingegen nur jede 5. Person berichtete, täglich Obst und Gemüse zu essen. Weniger als 10 % der Jugendlichen berichteten, zurzeit zu rauchen. Für ein Viertel der 14- bis 17-Jährigen wurde ein riskanter Alkoholkonsum festgestellt (detaillierte Darstellung im Anhang, Tab. 4).

Gesundheitskompetenz

Etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen berichtete von vielen bzw. einigen Schwierigkeiten beim Finden, Verstehen, Bewerten und Anwenden von Gesundheitsinformationen (Skala A). Bei fast einem Drittel der Jugendlichen zeigten sich geringe Fähigkeiten, wenn es um einen Informationsaustausch rund um gesundheitsbezogene Themen geht (Skala B). Eine überwiegende Mehrheit wies passive oder teils aktive/teils passive Einstellungen zu Gesundheit und zu Gesundheitsinformationen (Skala C) auf. Knapp Dreiviertel der Jugendlichen beantwortete 5 oder weniger der 8 gestellten Wissensfragen korrekt (Skala D) (Tab. 1).

Tab. 1 Häufigkeiten von verschiedenen Gesundheitsverhalten, differenziert nach Gesundheitskompetenzleveln

Zusammenhänge zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten

Die Ergebnisse der bivariaten Analysen zeigten Assoziationen zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten. Jugendliche mit „niedrigen“ Leveln in den untersuchten Dimensionen der Gesundheitskompetenz gaben seltener an, Sport zu treiben oder täglich Obst und Gemüse zu konsumieren. Unter Jugendlichen mit passiven Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen oder weniger ausgeprägten Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten gab es mehr aktuell rauchende Personen. In Bezug auf riskanten Alkoholkonsum konnten keine signifikanten Unterschiede in der Ausprägung der Gesundheitskompetenz festgestellt werden (Tab. 1).

Die Berechnungen der Odds für riskantes Gesundheitsverhalten bestätigten für alle vier Skalen der Gesundheitskompetenz die Ergebnisse der bivariaten Analysen (Modelle M1–M4). Die beobachteten Assoziationen blieben auch bestehen, wenn für Alter, Geschlecht, Schultyp, Migrationshintergrund und familiären Wohlstand adjustiert wurde (Modelle M1a–M4a). Nach einer zusätzlichen Adjustierung für Selbstwirksamkeit (Modelle M1b–M4b) blieb die Assoziation aller untersuchten Dimensionen der Gesundheitskompetenz nur für den täglichen Obst- und Gemüsekonsum bestehen. Jugendliche mit vielen bzw. einigen Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen zeigten beispielsweise eine um 1,58 erhöhte Chance (OR), kein Obst und Gemüse täglich zu essen. Niedrige Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten oder passive bzw. teils aktive, teils passive Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen wiederum erhöhten die Chance, keinen Sport zu treiben, nicht täglich Obst und Gemüse zu essen und Zigaretten zu rauchen. Keine Assoziationen wurden hingegen zwischen niedrigen Gesundheitskompetenzleveln und riskantem Alkoholkonsum gefunden (Tab. 2).

Tab. 2 Odds für riskantes Gesundheitsverhalten nach verschiedenen Gesundheitskompetenzleveln

Insgesamt waren Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen am stärksten mit Gesundheitsverhalten assoziiert (z. B. OR = 3,06), wobei sich die ermittelten Effektstärken der Assoziationen durch die Adjustierungen geringfügig veränderten (weiterhin zwischen OR = 1,65 und 3,06 liegend; Tab. 2).

Interaktionseffekte zwischen Gesundheitskompetenz und Selbstwirksamkeit auf das jeweilige Gesundheitsverhalten gab es – mit Ausnahme für das Modell, in dem die Assoziation zwischen riskantem Alkoholkonsum und Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen untersucht wurde – nicht. Hier bestand eine signifikante Interaktion (p = 0,041), d. h. die Assoziation zwischen Gesundheitskompetenz und riskantem Alkoholkonsum hing vom Ausmaß der Selbstwirksamkeit ab. Weiterführende Interaktionseffektanalysen zeigten allerdings keine eindeutige Richtung, inwiefern Selbstwirksamkeit den Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und riskantem Alkoholkonsum beeinflusst.

Diskussion

Die vorliegende Studie zeigt statistische Zusammenhänge zwischen Gesundheitskompetenz und verschiedenen Gesundheitsverhaltensweisen im Jugendalter. Die Gesundheitskompetenzdimensionen Umgang mit Gesundheitsinformationen und Gesundheitswissen sind dabei nur mit Ernährung, die Dimensionen Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten und Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen hingegen mit Ernährung, Sport und Rauchen assoziiert.

Die unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Gesundheitskompetenzdimensionen erhärten die Annahme von Gesundheitskompetenz im Jugendalter als einem multidimensionalen Konstrukt [4], das für das Gesundheitsverhalten bedeutsam ist. Kommunikative und motivationale Aspekte, die mit den Dimensionen Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten und Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen gemessen werden, erscheinen nach unseren Ergebnissen besonders beachtenswert für drei von vier untersuchten Gesundheitsverhaltensweisen. Aber bislang fokussieren viele Konzeptionen und Messinstrumente von Gesundheitskompetenz im Jugendalter auf kognitiv-behaviorale Komponenten wie dem Finden, Verstehen, Bewerten und Anwenden der Gesundheitsinformationen (Umgang mit Gesundheitsinformationen) oder auf Gesundheitswissen sowie funktionaler Gesundheitskompetenz [3, 7, 16]. Hier bestätigen unsere Ergebnisse die Forderung nach umfassenderen Konzeptionen von Gesundheitskompetenz im Jugendalter [3, 7]. Die Konzeptionen sollten neben dem Umgang mit Gesundheitsinformationen und Gesundheitswissen auch Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten und Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen [20], wie auch kontextuelle und soziale Faktoren berücksichtigen [3, 7].

Gesundheitskompetenz ist für die verschiedenen Formen des Gesundheitsverhaltens unterschiedlich bedeutsam, was in den spezifischen Einflussfaktoren auf einzelne gesundheitsbezogene Verhaltensweisen begründet liegen könnte. Obgleich das Gesundheitsverhalten im Jugendalter von universellen Risiko- und Schutzfaktoren bestimmt ist, wie der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, lassen sich auch spezifische Faktoren für verschiedene Gesundheitsverhaltensweisen identifizieren, beispielsweise die Zugänglichkeit psychoaktiver Substanzen für Rauchen und Alkoholkonsum oder die Verfügbarkeit von Sportangeboten für Sport treiben [20]. Auffallend ist die robuste Assoziation zwischen täglichem Obst- und Gemüsekonsum mit allen untersuchten Dimensionen der Gesundheitskompetenz. Dieses Ergebnis bestätigt positive Assoziationen zur hier untersuchten allgemeinen Gesundheitskompetenz und Ernährung aus anderen Studien aus Deutschland und anderen Ländern [7, 19, 21] und reiht sich ebenso zu Resultaten zur ernährungsspezifischen Gesundheitskompetenz (Food Literacy) und Ernährungsverhalten im Jugendalter [26] ein. Des Weiteren ist in unserer Studie augenfällig, dass es keinerlei Assoziationen zwischen Gesundheitskompetenz und Alkoholkonsum gibt, die aber in zwei anderen Studien gefunden wurden, wenngleich dort rein kognitive (funktionale Gesundheitskompetenz) bzw. alkoholspezifische Aspekte von Gesundheitskompetenz (alkoholbezogene Gesundheitskompetenz) untersucht wurden [2, 5]. Für Rauchen und Sport zeigen sich die Gesundheitskompetenzdimensionen Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten und Einstellung zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen als bedeutsam. Andere Studien fanden auch positive Assoziationen zwischen Rauchen oder Sport und Gesundheitskompetenz, aber untersuchten nicht die beiden hier diskutierten Dimensionen oder nutzten andere Indikatoren für körperliche Aktivität [2, 17, 22]. Die in unserer Studie gefundenen Ergebnisse liefern damit die ersten detaillierten Ergebnisse zur Gesundheitskompetenz und vier Indikatoren des Gesundheitsverhaltens Jugendlicher in Deutschland. Ein tieferes Verständnis der Assoziation zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten könnte weitere Forschung liefern, die sich nicht nur mit allgemeiner Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten beschäftigt, sondern die spezifische Gesundheitskompetenz (z. B. Food Literacy oder Physical Literacy) und Gesundheitsverhalten Jugendlicher untersucht und die Faktoren des Lebenskontexts (Ernährungsverhalten der Familie, familiäre finanzielle Mittel) in Studien integriert [14].

Unsere Ergebnisse legen für die Prävention und Gesundheitsförderung nahe, motivationale sowie kommunikativ-interaktive Komponenten der Gesundheitskompetenz zu stärken. Darüber hinaus zeigen unsere Analysen, dass die Selbstwirksamkeit die Beziehung zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten beeinflusst, was auch vergleichbare Studien zeigen [1, 8]. Dabei wirkt sich eine hohe Selbstwirksamkeit positiv auf gesundheitsförderndes Verhalten aus und sollte entsprechend auch in Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung berücksichtigt werden. Der Erziehungs- und Bildungsbereich stellt hierbei einen vielversprechenden Zugang für die Umsetzung von Maßnahmen und Interventionen dar, da über diese Bereiche ein Großteil aller Jugendlichen erreicht werden kann [10].

Limitationen

Die gefundenen Assoziationen zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsverhalten Jugendlicher beruhen auf Daten aus einer Querschnittsstudie. Dieses Studiendesign lässt aber keine Schlussfolgerung über kausale Zusammenhänge zu, wenngleich in theoretischen Modellen zur Gesundheitskompetenz eine Wirkrichtung der Gesundheitskompetenz auf das Gesundheitsverhalten angenommen wird [24]. Zusätzlich ist durch die Bildung dichotomer Kategorien der Variablen zur Gesundheitskompetenz ein Informationsverlust denkbar. Insgesamt zeigte unsere Analyse, dass niedrige Gesundheitskompetenzlevel mit riskanten Verhaltensweisen assoziiert sind. Allerdings wurde bei 8 Modellen von 48 Modellen eine unzureichende Anpassungsgüte festgestellt (ermittelt anhand F‑Teststatistik). Bei fünf davon handelte es sich um Modelle zum Alkoholkonsum. Das Gesundheitsverhalten wird durch vier Einzelindikatoren abgebildet und erlaubt keine generalisierenden Aussagen über einen „Healthy Lifestyle“ der Jugendlichen. Weitere Limitationen, z. B. aufgrund eines möglichen Bias durch die Bildung der Kategorie Schultyp, wurden bereits an anderer Stelle diskutiert [12, 13].

Fazit für die Praxis

  • Die Dimensionen der Gesundheitskompetenz und das Gesundheitsverhalten im Jugendalter sind miteinander verknüpft. Die Zusammenhänge deuten darauf hin, dass die Förderung von Gesundheitskompetenz ein gesundheitsförderliches Verhalten Jugendlicher stärken könnte.

  • Die Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten und Einstellungen zu Gesundheit und Gesundheitsinformationen sind mit Sport, Ernährung und Rauchen, während Umgang mit Gesundheitsinformationen und Gesundheitswissen zusätzlich mit Ernährung assoziiert sind. Demzufolge sollte Prävention und Gesundheitsförderung die verschiedenen Dimensionen von Gesundheitskompetenz spezifisch je nach Gesundheitsverhalten adressieren.

  • Die Förderung von kommunikativ-interaktiven Fähigkeiten und der Motivation, aber auch von Selbstwirksamkeit ist vielversprechend, um das Gesundheitsverhalten zu stärken. Gleichzeitig sollten die jugendrelevanten Settings – insbesondere Schulen und Jugendeinrichtungen – so gestaltet sein, dass sie Gesundheitskompetenz und das Ausüben eines gesundheitsfördernden Verhaltens fördern.