Die Sepsis wird heute als lebensbedrohliche Organdysfunktion, ausgelöst durch die Wirtsantwort auf eine Infektion, verstanden [24]. Sepsis und septischer Schock sind weiter mit einer hohen Mortalität assoziiert, die im Falle des septischen Schocks 30–40 % erreicht. Ähnlich wie bei Polytrauma oder Herzinfarkt kann das schnelle, strukturierte Vorgehen in der Akutsituation die Prognose entscheidend verbessern. Zentraler Baustein dabei ist die frühe und wirksame antiinfektive Therapie.

„Hit hard …“

Die Sepsisleitlinien [5, 24] empfehlen die umgehende Einleitung einer intravenösen empirischen Therapie mit einem Breitspektrumantibiotikum, das alle wesentlichen infrage kommenden Bakterien erfasst. Gegebenenfalls können anstelle eines Breitspektrumantibiotikums mehrere Antibiotika appliziert werden. Eine adäquate, wirksame empirische Antibiotikatherapie führt zu einer signifikanten Senkung der Gesamtmortalität [12, 20, 24, 30].

Die genaue Auswahl der Substanzen hängt wesentlich von patientenbezogenen Faktoren ab, außerdem vom Kontext der Behandlungssituation (Tab. 1). Zu den wichtigsten patientenbezogenen Faktoren gehören die Art und Lokalisation der Infektion. Hierdurch wird das zu erwartende Keimspektrum und auch die zu erwartende Gewebekonzentration definierter Antibiotika bestimmt. Die häufigsten zugrunde liegenden Infektionen sind respiratorische Infektionen gefolgt von Harnwegsinfektionen, intraabdominellen Infektionen sowie Haut- und Weichgewebeinfektionen (vollständige Inspektion des Patienten!). Weitere patientenbezogene Faktoren sind

  • Komorbiditäten inklusive Begleitmedikation,

  • Immundefizienz,

  • eine bekannte Kolonisation mit (multiresistenten?) Erregern,

  • Fremdkörper,

  • bekannte Allergien/Unverträglichkeiten,

  • Voroperationen/Krankenhausaufenthalte und

  • eine antibiotische Vortherapie (vor allem in den vorausgegangenen 3 Monaten).

Zu den wichtigsten patientenbezogenen Faktoren gehören die Art und Lokalisation der Infektion

Zum Kontext der Behandlungssituation gehören

  • der Ort, an dem die Infektion erworben wurde:

    • ambulant/nosokomial,

    • Pflegeeinrichtung,

    • Reiseanamnese;

  • das lokale und überregionale Pathogen- und dazugehörende Resistenzspektrum sowie

  • die praktische Verfügbarkeit von Medikamenten.

Tab. 1 Wichtigste Faktoren, die die Wahl der empirischen Antibiotikatherapie beeinflussen

Eine Kombinationstherapie bestehend aus 2 oder mehr antimikrobiell wirksamen Substanzen wird in der Praxis oft durchgeführt, ist aber nicht generell, sondern vor allem in speziellen Situationen empfohlen. Diese umfassen neben Infektionserkrankungen, bei denen eine Kombinationstherapie generell empfohlen ist, wie schwersten ambulant erworbenen Pneumonien oder dem Toxic-shock-Syndrom, auch den septischen Schock [8]. Die Evidenz für Letzteres ist stark limitiert, in entsprechenden Metaanalysen dominieren auch wieder Patienten mit Atemwegsinfektionen [18] – andere Metaanalysen mit randomisierten, kontrollierten klinischen Studien konnten keinen Nutzen der Kombinationstherapie zeigen [32]. Da eine Kombinationstherapie für Patienten mit weniger schweren Verlaufsformen möglicherweise sogar schädlich ist, muss das Für und Wider im Einzelfall abgewogen werden. In die Abwägungen sollten einfließen:

  • Zugrunde liegende Infektion:

    • Pneumonie?

    • Fremdkörperassoziierter Infekt?

    • Neutropenie?

  • Schwere der Sepsis (Schock?)

  • Bekannte oder vermutete multiresistente Erreger:

    • Risiko einer Infektion mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA)?

    • Pseudomonas-Besiedlung?

  • Lokales Resistenzprofil mit Blick auf die Einzelsubstanzen (insbesondere Breitspektrum-β-Laktame bei Gramnegativen?)

Ähnliches gilt für den Einsatz von breit wirksamen Reservesubstanzen. Wenngleich häufig eingesetzt, sind sie im Falle ambulant erworbener Infektionen bei Patienten ohne relevante Risikofaktoren selten nötig [23]. Reservesubstanzen sollten daher nur zur spezifischen Erweiterung des Spektrums im grampositiven Bereich (beispielsweise Vancomycin bei Risikofaktoren für MRSA) oder im gramnegativen Bereich (Pseudomonas? Acinetobacter?) eingesetzt werden. Antimykotika hingegen sollten in der empirischen Therapie in erster Linie bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für invasive Candida-Infektionen zum Einsatz kommen (Tab. 2).

Tab. 2 Indikationen für den Einsatz von Antimykotika in der empirischen Therapie

Die Auswahl des Antimykotikums sollte sich ebenso wie bei Antibiotika an den lokal verbreiteten Candida-Spezies sowie den zugehörigen Resistenzprofilen orientieren. In der Regel wird die Indikation zur Therapie mit einem Echinocandin bei Verdacht auf eine Candida-Sepsis jedoch großzügig gestellt. Dies gilt insbesondere für Patienten mit schweren Erkrankungen sowie Hinweisen (etwa aus der Anamnese) auf Nicht-C.-albicans-Arten wie C. glabrata oder C. krusei. Azole sollten lediglich bei stabilen Patienten ohne vorherige Azolexposition bzw. ohne Nachweis von Nicht-C.-albicans-Arten zum Einsatz kommen.

Aufgrund der oben ausgeführten Überlegungen ist eine einfache, breit anwendbare Empfehlung zur empirischen Antibiotikatherapie bei Sepsis – auch in übersichtlicher Tabellenform – schwierig. Die Auswahl spezifischer antimikrobieller Substanzen sollte sich eher an den jeweiligen Empfehlungen zur Therapie bei schwerst erkrankten Patienten einzelner Krankheitsentitäten orientieren (Tab. 3). Daneben sollte über die Antibiotikatherapie hinaus eine mögliche, oft chirurgische, Sanierung des Infektionsfokus (unter anderem von Abszessen, tiefen Weichteilinfektionen oder Hohlorganperforation) zeitnah angestrebt werden.

Tab. 3 Empirische Initialtherapie abhängig von der zugrunde liegenden Infektionserkrankung

„… and early“

Die Prognose der Sepsis wird ganz wesentlich vom frühen Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie beeinflusst. Jede Stunde Verzögerung führt zu einem schlechteren Outcome mit Anstieg von Mortalität, Krankenhausliegedauer und Organversagen [10, 17, 30, 31, 36]. Im Gegensatz zum früheren „3 h bundle“ empfehlen die aktuellen Leitlinien [5, 24] daher die frühe intravenöse Gabe eines Antibiotikums innerhalb der ersten Stunde. Aus Gründen der Praktikabilität wird dies innerhalb der ersten Stunde ab „Erkennen“ der Sepsis bzw. des septischen Schocks gefordert („golden hour“).

In der Praxis stellt jedoch gerade das schnelle, zuverlässige Erkennen der Sepsis in verschiedenen Patientenpopulationen mit initial oft wenig spezifischer Symptomkonstellation das größte Problem dar [2]. Gleichzeitig dürfte hier das größte Potenzial für organisatorische Verbesserungen im Ablauf liegen. Als Teil einer solchen Strategie können auch klinische Scores bzw. „early warning scores“, wie das Quick Sequential Organ Failure Assessment (qSOFA) oder der National Early Warning Score 2 (NEWS-2), eine wichtige Rolle spielen. Ähnlich wie für die Zeit ab Erkennen der Sepsis zeigt sich auch für jede Stunde Verzögerung der Antibiotikagabe ab Triage in der Notaufnahme ein Anstieg der Mortalität und Krankenhaus- bzw. Intensivaufenthaltsdauer [16, 21]. Die praktische Durchführbarkeit der Antibiotikagabe innerhalb der ersten Stunde ist immer wieder infrage gestellt worden und bedarf großer Anstrengungen, unter anderem in der Logistik der Notaufnahmen [11, 14], andererseits dürfte sich nur über ambitionierte Ziele eine relevante Verbesserung in der medianen Zeit bis zur ersten Antibiotikagabe erreichen lassen. Selbst in gut trainierten zentralen Notaufnahmen großer Krankenhäuser liegen die zurzeit erreichten Zeiten („door-to-antibiotic“) im Schnitt eher im Bereich von 2 bis 3 h [21]. Bei Aufnahmen, die nicht primär über die Notaufnahme laufen, liegen die Zeiten bis zur ersten Gabe eines Antibiotikums oft nochmals deutlich höher [2].

Nur über ambitionierte Ziele dürfte sich die Zeit bis zur ersten Antibiotikagabe verkürzen lassen

Offensichtlicher Teil der unmittelbaren Behandlungsstrategie muss daher auch das Schaffen ausreichender venöser Zugänge sein, um zeitnah nach Abnahme von mindestens 2 Paar Blutkulturen ohne Zeitverzug parallel zur Volumensubstitution mit der Antibiotikatherapie beginnen zu können. Gerade bei der Sepsis sind Blutkulturen häufig positiv – eine Abnahme erst unter Antibiotikatherapie reduziert die Trefferrate um fast die Hälfte [29]. Das Gewinnen weiterer Proben zur mikrobiologischen Untersuchung, beispielsweise von Liquor bei Meningitisverdacht oder von Urin bei Verdacht auf Urosepsis, sollte nur abgewartet werden, wenn dies keine nennenswerte weitere Verzögerung bedeutet. Ebenso muss die antibiotische Therapie umgehend nach Erkennen vor Ort, beispielsweise auf Station oder in der Notaufnahme, begonnen werden – ein „Verlagern“ auf die Intensivstation führt zu einer signifikant höheren Sterblichkeit [12].

Die naheliegende Frage, ob zum weiteren Zeitgewinn die Erstgabe des Antibiotikums nicht bereits präklinisch, etwa im Rettungsdienst, erfolgen sollte, ist nicht eindeutig zu beantworten. Eine große randomisierte Studie in den Niederlanden [1] konnte trotz deutlich früherer Antibiotikagabe keinen Überlebensvorteil zeigen. Ob dies auch für schwerer erkrankte Patienten außerhalb von Ballungsräumen mit längerer Anfahrt bzw. schlechter ausgebauten Notaufnahmeeinrichtungen gilt, ist offen.

Steuerung der Therapie

Pharmakokinetische und -dynamische Aspekte

Bei der Fortführung der initial begonnenen Antibiotikatherapie sollten die spezielle Pharmakokinetik und -dynamik in der Sepsis berücksichtigt werden. Sofern verfügbar, was für die meisten Substanzen im Alltag leider nicht der Fall ist, kann ein therapeutisches Drug Monitoring helfen. Auf Patientenseite spielen veränderte Ausscheidungskinetiken (beispielsweise durch Nieren- und/oder Leberinsuffizienz) und veränderte Verteilungsvolumina (beispielsweise durch Anstieg der extrazellulären Flüssigkeit) die größte Rolle. Abhängig von der zum Einsatz kommenden Substanzklasse sollten dabei unterschiedliche Punkte beachtet werden [5, 24]:

  • Bei β‑Laktam-Antibiotika dominiert die Zeit über der minimalen Hemmkonzentration der jeweiligen Antibiotika/Pathogen-Kombination [26]. Kritisch kranke Patienten profitieren am ehesten von einer verlängerten Infusionsdauer (oder sogar Dauerinfusion [26]) von β‑Laktamen. Um gleichzeitig schnell therapeutische Konzentrationen zu erreichen und eine kontinuierliche Unterdosierung zu vermeiden, ist in der Praxis eine initiale Bolusgabe („loading dose“) sinnvoll.

  • Bei der Dosierung von Vancomycin wird im Vergleich zu früher ein höherer Talspiegel von 15 bis 20 mg/l empfohlen (Monitoring vor der nächsten Dosis; [27]). Die gängige Aufsättigungsdosis von 1 g i.v. ist oft nicht ausreichend. Um früh optimale Konzentrationen zu erreichen, wird eine initiale Gabe („loading dose“) von 15 bis 30 mg/kg eigentliches Körpergewicht empfohlen.

  • Bei Aminoglykosiden (sofern noch eingesetzt) steht die Optimierung des Spitzenspiegels im Vordergrund. Eine 1‑mal tägliche Dosierung (im Falle von Gentamicin 5–7 mg/kg eigentliches Körpergewicht) führt zu hohen Spitzenspiegeln bei gleichzeitig ausreichend niedrigen Talspiegeln, um Nebenwirkungen, vor allem die renale Toxizität, zu minimieren [3].

Therapiedeeskalation

Generell sollte die zunächst kalkulierte antiinfektive Therapie angepasst werden, sobald entweder ein plausibler Erregernachweis gelungen ist oder die zugrunde liegende Infektion klar ist. In beiden Fällen ist eine gezielte Anpassung an das vorliegende (oder erwartete) Resistenzprofil möglich und sinnvoll. Meist ist in diesem Rahmen nicht nur eine weniger breite, sondern oft auch eine wirksamere Antibiotikatherapie mit weniger Nebenwirkungen möglich, beispielsweise bei Nachweis penicillinsensibler Streptokokken. Liegt kein Erregernachweis vor, was bei der Sepsis mit bis zu einem Drittel der Fälle leider immer noch häufig ist, ist bei klinischem Ansprechen und Besserung des Patienten eine Deeskalation nach spätestens 72 h in aller Regel ebenfalls möglich.

Den allgemeinen Prinzipien zur Antibiotikatherapie folgend, sollte die Therapie so kurz wie möglich sein, um weder der Verbreitung von Resistenzen Vorschub zu leisten noch den Patienten einem zusätzlichen individuellen Morbiditätsrisiko auszusetzen. Die Überlegungen zur Behandlungsdauer können sich an der generellen Empfehlung von 7 bis 10 Tagen orientieren [5, 24]. Eine Antibiotikatherapie für 7 Tage hat sich auch für schwere oder nosokomial erworbene Pneumonien als ausreichend erwiesen [6, 15].

Überlegungen zur Behandlungsdauer können sich an der Empfehlung von 7 bis 10 Tagen orientieren

Regelhaft ist eine längere Therapiedauer nur bei ausgewählten Erkrankungen notwendig, hierzu gehören die Staphylococcus-aureus-Bakteriämie (14 Tage), die Endokarditis und einige Fremdkörper- bzw. Knocheninfektionen (jeweils im Bereich von 4 bis 6 Wochen). Bezüglich der Therapiedauer kann nach unten abgewichen werden, wenn der Patient eine besonders rasche klinische Besserung zeigt, nach effektiver (in der Regel chirurgischer) Fokuskontrolle (etwa bei intraabdominellem Fokus [28]) oder bei Urosepsis mit unkomplizierter Pyelonephritis [8]. Analog dazu wird eine längere Therapiedauer bei Patienten mit protrahiertem klinischem Ansprechen, unkontrolliertem Fokus, schwer zu behandelnden Infektionen (manche Pilze oder Viren) und längerer Immundefizienz notwendig sein.

Das effektivste Konzept ist eine tägliche Beurteilung zur antimikrobiellen Deeskalation [34]. Darüber hinaus können serielle Messungen von Prokalzitonin (PCT) helfen, die Dauer der Antibiotikatherapie bei Patienten mit Sepsis zu verkürzen. Auch wenn biomarkergesteuerte Algorithmen immer nur ergänzend zum Einsatz kommen sollten und sich bislang kein allgemein „gültiger“ PCT-gesteuerter Algorithmus etabliert hat, haben doch mehrere Studien eine reduzierte Behandlungsdauer durch PCT-gesteuerte Strategien bei gleicher und im Einzelfall sogar niedrigerer Mortalität gezeigt [13, 35]. Zusammenfassend sind Deeskalationsstrategien sicher und zumindest mit keiner erhöhten Mortalität für den Patienten verbunden [19].

Antibiotic Stewardship

Sinnvolle Unterstützung in der Entwicklung von Behandlungsstrategien und bei der Reduktion des Selektionsdrucks durch Antibiotika können Antibiotic-Stewardship-Programme bieten. Bei der Wahl einer bestmöglich lokal angepassten empirischen Therapie hilft – sofern verfügbar – die Beratung durch spezialisierte Infektiologen. Gerade für schwere Infektionen, die mit einer hohen Mortalität assoziiert sind, wie die S.-aureus-Bakteriämie, zeigt sich hierdurch ein Überlebensvorteil [25].

Fazit für die Praxis

  • Die schnelle Einleitung einer wirksamen intravenösen Antibiotikatherapie ist entscheidend für die Prognoseverbesserung bei Sepsis.

  • Der Begriff „wirksam“ umfasst die zu erwartenden Erreger. Generelle Empfehlungen sind nicht möglich, bei der Wahl der Substanzen sollten umgebungs- und patientenspezifische Faktoren beachtet werden. Zu den wichtigsten gehören die (mutmaßlich) zugrunde liegenden Infektionen.

  • Mittel der Wahl sind meist Breitspektrumantibiotika. Antimykotika und Reservesubstanzen sind Sondersituationen vorbehalten, auch eine Kombinationstherapie wird nicht generell empfohlen.

  • „Schnell“ heißt innerhalb der ersten Stunde unmittelbar nach Abnahme von Blutkulturen. Um eine Sepsis hinreichend sicher früh erkennen zu können, sind organisatorische Anstrengungen notwendig.

  • Bei der Fortführung der Therapie sollten Pharmakodynamik und -kinetik bei kritisch Kranken beachtet werden; oft ist eine ausreichend hohe „loading dose“ sinnvoll. Die Therapiedauer liegt in der Regel in einem Bereich von 7 bis 10 Tagen; Ausnahmen sind zu beachten. Eine Deeskalation ist bei klinischem Ansprechen und/oder biomarkerbasierter Steuerung sicher.