Unspezifische Rückenschmerzen stellen in Industrienationen ein weitverbreitetes sozioökonomisches Problem dar, das durch körperliches Training wirksam behandelt werden kann. Körperliche Trainingsprogramme zur Reduzierung der Rückenschmerzen zielen überwiegend auf physische Leistungssteigerungen der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur ab, obwohl die Bedeutung physischer Leistungssteigerungen für den Schmerzrückgang unklar ist. Eine bedeutende Anzahl von Arbeiten kommt sogar zu dem Schluss, dass zwischen physischen Leistungssteigerungen und Schmerzrückgang kein Zusammenhang besteht [14, 23]. Die Diskussion zu dieser Fragestellung hält an. In dieser zweijährigen Multicenterstudie wird daher die Bedeutung von Trainingsumfang, physischen Leistungssteigerungen, Alter und Geschlecht bei 1395 Menschen mit Rückenbeschwerden untersucht.

Hintergrund und Fragestellung

Rückenschmerzen verursachen die meisten verlorenen gesunden Lebensjahre („years lived with disability“) aller Krankheitsbilder [26]. Sie sind mit einer Monatsprävalenz von weltweit 23 % und einer Lebenszeitprävalenz in Industrienationen von über 70 % ein bedeutendes sozioökonomisches Problem [1, 10]. Die genauen Ursachen unspezifischer Rückenschmerzen sind nicht bekannt [27].

Eine Vielzahl an interventionellen Studien und längsschnittlichen Untersuchungen zeigt, dass körperliches Training zur Behandlung von Rückenschmerzen wirkungsvoll ist [6, 8, 13, 22]. Bislang hat sich keine Trainingsform als eindeutig überlegen erwiesen und der Wirkmechanismus körperlichen Trainings in der Schmerzreduktion ist unklar [2, 3, 6, 8].

Dennoch stehen traditionell bei vielen Trainingsmaßnahmen nach wie vor physische Leistungssteigerungen im Vordergrund – basierend auf der Annahme, dass zwischen dem gleichzeitigen Auftreten der Stärkung oder Flexibilisierung der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur und der Schmerzreduktion ein kausaler Zusammenhang besteht [4, 7, 9, 18, 21]. Diese Annahme wird jedoch von einer substanziellen Anzahl von empirischen Studien infrage gestellt: Steiger und Kollegen (2012) kommen in ihrem systematischen Review über 16 Studien mit insgesamt 1476 Probanden zu dem Schluss, dass überwiegend kein Zusammenhang zwischen der Verbesserung der Muskelfunktion und dem Therapieerfolg nachgewiesen werden konnte [23]. Allerdings weisen die eingeschlossenen Studien vorwiegend geringe Fallzahlen auf und untersuchten den Zusammenhang nur korrelativ über kurze Zeiträume hinweg.

In dieser Längsschnittuntersuchung über zwei Jahre soll an einer großen Versorgungsstichprobe mit modernen statistischen Methoden überprüft werden, welchen Einfluss Alter, Geschlecht, Trainingsumfang und physische Leistungssteigerung auf die Reduktion der Rückenbeschwerden haben. Das evaluierte und standardisierte Trainingsprogramm für Menschen mit Rückenbeschwerden wird von der AOK Baden-Württemberg, einer großen deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, seit 2005 an 39 Standorten angeboten und jährlich von rund 30.000 Versicherten genutzt [17].

Methoden

Studiendesign und Stichprobe

Die Untersuchung wurde im Rahmen einer zweijährigen Multicenterstudie zur Wirksamkeit eines multimodalen Rückentrainings (RT) in der Versorgungsforschung durchgeführt, zu der ein positives Votum der Ethikkommission der Universität Greifswald vorliegt (ID 33/08). Das Rückentraining richtet sich an Versicherte der AOK Baden-Württemberg, denen vom behandelnden Arzt ein Rezept oder eine Präventionsempfehlung aufgrund eines Wirbelsäulensyndroms mit erheblicher Symptomatik ausgestellt wurde. Kontraindikationen sind Rückenerkrankungen im akuten Stadium sowie Erkrankungen, die ein körperliches Training ausschließen. Alle Personen, die zwischen 01.10.2007 und 31.03.2008 am Rückentraining teilnahmen, wurden zur Evaluationsstudie eingeladen (N = 2444).

Für die vorliegende Fragestellung wurden Personen ausgeschlossen, die keine Schmerzen oder Einschränkungen berichteten (Graded Chronic Pain Status [GCPS] <1) und/oder an weniger als 24 der 36 Trainingseinheiten (TE) des Trainingsprogramms (66 %) teilgenommen hatten. Von den 2444 angefragten RT-Teilnehmern konnten so 1395 Untersuchungsteilnehmer in die Untersuchung einbezogen werden (Abb. 1). Zu fünf Messzeitpunkten wurden die Untersuchungsteilnehmer befragt und getestet (t0 bis t4; jeweils im Abstand von einem halben Jahr).

Abb. 1
figure 1

Fragebogenrückmeldungen/Testdaten (Kraft‑, Mobilitäts- und Kraftverhältniswerte, Anzahl Trainingseinheiten) und Ausschlüsse zu den jeweiligen Messzeitpunkten. RT Rückentraining, GCPS Graded Chronic Pain Status, TE Trainingseinheit

Rückentraining

Das multimodale RT beinhaltet dynamisches Krafttraining der Rumpfstabilisatoren und der Nackenmuskulatur, funktionsgymnastische Übungen, Stretching und ergonomisches Verhaltenstraining zu wirbelsäulengerechtem Sitzen sowie Arbeits- und Hebetechniken. Ziele des Trainings sind der Abbau von muskulären Dysbalancen, Durchblutungssteigerungen der Muskel‑/Gelenkstrukturen sowie die Steigerung von Kraft und Beweglichkeit von Rumpfstabilisatoren und Nackenmuskulatur. Das Programm eines Halbjahrs umfasst 36 einstündige Trainingseinheiten über einen Zeitraum von 24 Wochen. In den ersten 12 Wochen wird zweimal pro Woche trainiert (Basistraining in vier Phasen, Tab. 1), danach einmal pro Woche (Erhaltungstraining). Dieses Programm konnte von den Probanden bei Bedarf mehrfach durchlaufen werden. Vor Beginn und jeweils nach dem Basis- und Erhaltungstraining wird eine biomechanische Funktionsanalyse der Wirbelsäule durchgeführt (s. „Physische Leistungstests“). Beweglichkeit und Maximalkraft der Rumpfstabilisatoren werden an den Trainingsmaschinen gemessen und in Relation zu alters- und geschlechtsspezifischen Normwerten gesetzt [5]. Das resultierende Stärken‑/Schwächenprofil fließt in die Trainingsplanung ein.

Tab. 1 Phasen des RT

Beim Basistraining wird an fünf Trainingsmaschinen (DAVID® F110, 120, 130, 140, 150; Health Solutions, Helsinki, Finnland) je ein Trainingssatz absolviert, wobei die Trainingsintensität auf Basis der Maximalkraftergebnisse („maximum voluntary contraction“ [MVC]) berechnet wird. Beim Wechsel der Trainingsmaschine wird jeweils die gerade trainierte Muskulatur gedehnt. Für den Transfer auf Alltagsbedingungen wird ab der 13. Einheit ein Heimtrainingsprogramm mit funktionsgymnastischen Übungen erlernt, das durch ein Trainingshandbuch (alternativ DVD) und Informationen zu rückengerechtem Verhalten in Alltag und Beruf unterstützt wird. Das Heimtraining soll nach Abschluss des Trainings selbstständig fortgeführt werden, um die erzielten Verbesserungen zu erhalten.

Messinstrumente

In der Befragung wurde der Chronic Pain Grade Questionnaire (CPGQ) eingesetzt [12]. Der Fragebogen beinhaltet drei Fragen zur Schmerzintensität (aktuelle, höchste, durchschnittliche), drei Fragen zur Funktionseinschränkung (Alltag, Freizeit, Beruf) – jeweils auf einer Rating-Skala von 0 bis 10 – und eine Frage zur Anzahl der Tage innerhalb der letzten sechs Monate, an denen aufgrund der Schmerzen keine alltäglichen Aktivitäten möglich waren. Klassischerweise wird auf dieser Basis der GCPS gebildet: Bei Grad 0 werden weder Schmerzen noch Einschränkungen berichtet; die Grade 1 und 2 verweisen auf eine niedrige bzw. hohe Schmerzintensität ohne bedeutsame Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit; bei den Graden 3 und 4 liegen mittlere bzw. starke schmerzbedingte Funktionseinschränkung vor. Da die Eingruppierung über die Dimensionen Schmerz und Funktion mit nur fünf Abstufungen nach den Ergebnissen von Schmidt et al. [20] kritisch zu sehen ist und in einer explorativen Faktorenanalyse unserer Daten ebenfalls nur ein Faktor einen Eigenwert >1 aufwies, wurden die Rückenbeschwerden für diese Untersuchung über die Mittelwerte aus den drei Funktions- und den drei Schmerzitems operationalisiert und so ein Back Pain Function Score (BPFS) gebildet (Rating-Skala von 0 bis 10).

Physische Leistungstests

Die physischen Leistungstests zu Mobilität, Kraft und Kraftverhältnis wurden an denselben fünf Trainingsmaschinen ermittelt, an denen das Rückentraining durchgeführt wurde [11]. Voraussetzung für die Testdurchführung waren initiale Blutdruckwerte unterhalb von 160/100 mm Hg sowie eine fünfminütige Aufwärmphase.

Die Mobilitätstests (in Grad) umfassten jeweils Flexion/Extension, Lateralflexion sowie Rotation von Hals‑, Lenden- und Brustwirbelsäule (HWS, LWS, BWS), wobei Lateralflexionen und Rotationen bilateral getestet wurden. Es wurden insgesamt 12 Mobilitätstests durchgeführt (sechs HWS-Tests, sechs LWS/BWS-Tests). Die Probanden wurden aufgefordert, langsam aus der 0 Grad-Position die ihnen maximal mögliche Bewegungsamplitude zu erreichen. Ausgewertet wurde jeweils der bessere von zwei Versuchen.

Für die isometrischen Maximalkrafttests wurden die Bewegungsarme der einzelnen Systeme in standardisierten und exakt definierten Positionen mechanisch verriegelt (Tab. 2). Jedem Maximalkrafttest ging ein submaximaler Versuch voraus, um sich mit dem Bewegungsablauf vertraut zu machen. Beim Maximalkrafttest motivierten die Testleiter die Probanden durch Zuruf von „Druck, Druck, Druck“, innerhalb von fünf Sekunden maximalen Druck gegen die Maschinenarme aufzubauen. Sowohl die LWS als auch die BWS wurde in den drei Ebenen sagittal, frontal und transversal getestet (LWS/BWS: Extension/Flexion, Lateralflexion links/rechts, Rotation links/rechts). In die Analyse der Maximalkrafttests wurden jedoch nur Lenden- und Brustwirbelsäule (LWS/BWS) einbezogen, da der Test der Halswirbelsäule (HWS) häufig aufgrund von Schmerzen ausgelassen wurde.

Tab. 2 Standardisierte Messpositionen bei isometrischen Drehmomentmessungen LWS/BWS

Die drei analysierten Kraftverhältniswerte wurden anhand der Relationen der Maximalkraftwerte (in Newtonmeter) von Flexion/Extension (LWS/BWS) und der Werte der linken und rechten Körperseite bei Lateralflexion und Rotation berechnet.

Final wurden Dimensionsergebnisse in Kraft, Mobilität und Kraftverhältnis auf Basis der prozentualen Abweichungen von Referenzwerten beschwerdefreier Menschen in den jeweiligen Tests gebildet, die differenziert nach Alter und Geschlecht in der Software der Trainingsmaschinen hinterlegt sind [5]. Für die Dimension Kraft ist der bestmögliche Wert 0 % Abweichung vom Referenzwert. Dieser Wert ist bei den bilateralen Mobilitätstests bei gleichen Kraftwerten gegeben und beim Kraftverhältnis Flexion/Extension LWS/BWS bei einem Wert von 0,5 bis 0,7 je nach Referenzwert (Männer 0,6–0,7, Frauen 0,5–0,55; [28]).

Datenauswertung

Die Analyse erfolgte mit einem hierarchischen linearen Modell (HLM) mit „random intercept“ und „slope“, als Intention-to-treat-Ansatz; d. h., auch unvollständige Datensätze gingen in die Analyse ein. Dabei handelt es sich um die empfohlene Methode bei Längsschnittstudien mit unvollständigen Daten [25]. Als abhängige Variable wurde der BPFS gewählt. Als unabhängige Variablen gingen die kumulierten Trainingseinheiten, Geschlecht, Alter, Mobilität, Kraft und Kraftverhältnis in das Modell ein. Die Variablen wurden zentriert, um eine mögliche Multikollinearität zu verringern und die Interpretation der Ergebnisse zu erleichtern. Die Korrelationen der unabhängigen Variablen waren durchgängig <0,4. Abhängige Stichproben wurden mit dem t‑Test für abhängige Stichproben geprüft. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt. Die statistischen Analysen wurden mit IBM SPSS Release 24 durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1395 Personen im durchschnittlichen Alter von 46,9 Jahren (SD ± 12,3) in die Untersuchung einbezogen (65 % weiblich; Tab. 3). Zu Beginn des Trainings berichteten 35,6 % der Stichprobe über mittlere bis starke schmerzbedingte Funktionseinschränkungen (GCPS >2; Tab. 3). Durchschnittlich absolvierten die Probanden 41 (SD ± 17,8) Trainingseinheiten. Nach zwei Jahren (t4) war der BPFS durchschnittlich um 37,5 % zurückgegangen und die physische Leistungsfähigkeit hatte in Kraft (28,1 %-Punkte), Mobilität (14,7 %-Punkte) und Kraftverhältnis (6,5 %-Punkte) im Vergleich zu den gruppenspezifischen Referenzwerten (Gruppenmittelwerte nach Alter und Geschlecht von Menschen ohne Rückenbeschwerden) signifikant zugenommen (Abb. 2; Tab. 4). In Mobilität und Kraft lagen die Werte zum Untersuchungsende oberhalb der Referenzwerte (Gruppenmittelwerte nach Alter und Geschlecht von Menschen ohne Rückenbeschwerden), beim Kraftverhältnis noch 13,2 %-Punkte unterhalb (Tab. 4).

Tab. 3 Soziodemografische Daten der Untersuchungsteilnehmer
Abb. 2
figure 2

Entwicklung der physischen Leistungsfähigkeit

Tab. 4 BPFS, physische Leistungsfähigkeit (Abweichungen zu den Referenzwerten von Menschen ohne Rückenbeschwerden in %) und Trainingsumfang im Zeitverlauf

Im HLM für den Messzeitpunkt (MZP) direkt nach der Hauptinterventionsphase (t0–t1) hatten die initialen Rückenbeschwerden, das Alter der Probanden, der Trainingsumfang sowie die Zunahme der Kraft einen signifikanten Einfluss auf die Reduktion der Rückenbeschwerden (BPFS, Tab. 5). Diese Effekte blieben bis zum letzten MZP nach zwei Jahren (t0–t4) stabil. Zusätzlich zeigte sich im HLM t0–t4 eine signifikante Wirkung der physischen Leistungssteigerungen in Mobilität (βMobilitätt4 = −0,011 ± 0,005, t = −2,247, p = 0,029) und Kraftverhältnis (βKraftverhältnist4 = −0,008 ± 0,004, t = −2,074, p = 0,044).

Tab. 5 Ergebnisse des hierarchischen linearen Modells (HLM) t0–t1 (abhängige Variable BPFS, unabhängige Variablen zentriert)

Der stärkste Effekt wurde zu beiden MZP mit dem Trainingsumfang selbst erzielt: Die 41 Trainingseinheiten des Durchschnittsprobanden reduzierten den BPFS zu t4 um −1,2 (βTrainingseinheitent4 = −0,029*41; Abb. 3). Dies entspricht 70 % der Gesamtreduktion BPFS von t0 zu t4 in Höhe von 1,7 BPFS (BPFS t0: 4,53, t4: 2,83; Tab. 4). Der Effekt des Trainings stieg mit der Höhe der initialen Rückenbeschwerden (βTrainingseinheiten*BPFSt0 = −0,013 ± 0,001, t = −11,66, p < 0,001). Kontrolliert für Alter, Geschlecht und Ausgangswert der jeweiligen physischen Leistungsfähigkeit hatte der Trainingsumfang auf alle drei physischen Parameter einen signifikanten Effekt: Kraft (βt4 = −0,693 ± 0,018, t= 38,611, p < 0,001), Mobilität (βt4 = 0,321 ± 0,008, t= 38,737, p < 0,001), Kraftverhältnis (βt4 = 0,154 ± 0,011, t= 14,129, p < 0,001).

Abb. 3
figure 3

Verlauf Back Pain Function Score nach Trainingsumfang. TE Trainingseinheiten

Insgesamt erzielten zu t4 die physischen Leistungssteigerungen 30 % der Gesamtreduktion des BPFS in Höhe von 0,5 BPFS. Dabei zeigte die durchschnittliche Kraftsteigerung mit 17,8 % die stärkste Wirkung (βKraftt4 = −0,011*28,1 = −0,31), gefolgt von der Mobilitätssteigerung mit 9,7 % (βMobilitätt4 = −0,011*14,7 = −0,17) und der Verbesserung des Kraftverhältnisses mit 2,9 % (βKraftverhältnist4 = −0,008*6,5 = −0,05).

Diskussion

In dieser Arbeit wurde der Einfluss verschiedener Variablen auf die beschwerdenreduzierende Wirkung eines multimodalen Rückentrainings untersucht. Insgesamt wirkte das Training sowohl beschwerdenreduzierend (−37,5 % BPFS) als auch leistungssteigernd (+28,1 %-Punkte Kraft, +14,7 %-Punkte Mobilität, +6,5 %-Punkte Kraftverhältnis). Die Reduktion der Rückenbeschwerden und die Höhe der Leistungssteigerungen waren damit ähnlich ausgeprägt wie in vergleichbaren Untersuchungen [5, 14, 24].

In der Wirkfaktorenanalyse wies der Trainingsumfang den stärksten Einfluss auf die Reduktion der Rückenbeschwerden auf. Zwei Jahre nach Beginn des Trainings konnten durch die Anzahl der absolvierten Trainingseinheiten 70 % der Reduktion der Rückenbeschwerden erklärt werden, während die physischen Leistungssteigerungen nur 30 % zur Reduktion beitrugen. Ähnlich wie in vorherigen Studien profitierten Männer und Frauen gleichermaßen von dem absolvierten Training und es zeigte sich ein gering ausgeprägter statistisch signifikanter Effekt des Alters [16].

Diese Ergebnisse bestätigen den Befund, dass es sich bei den physischen Leistungssteigerungen nicht um den stärksten Wirkfaktor von körperlichem Training bei Rückenbeschwerden handelt. Im Gegensatz zur Mehrzahl der von Steiger und Kollegen (2012) zusammengefassten Studien ist die objektive Leistungssteigerung in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht bedeutungslos: Zum einen hatte der Trainingsumfang auch kontrolliert für Alter, Geschlecht und initiale Rückenbeschwerden einen signifikanten Einfluss auf die Leistungssteigerungen; zum anderen trug insbesondere die Zunahme von Kraft ebenfalls zur Reduktion der Rückenbeschwerden bei – wenn auch in geringerem Ausmaß als der Trainingsumfang. Wahrscheinlich wird die Wirkung des Trainingsumfangs – also der Zeit, welche die Teilnehmer insgesamt körperlich trainiert haben – von einer Reihe anderer Faktoren vermittelt, die in der vorliegenden Untersuchung nicht erfasst wurden: In der Literatur werden unter anderem eine verringerte Schmerzwahrnehmung durch Enkephalin- und Endorphinausschüttungen sowie ein beschleunigter Heilungsprozess durch Stoffwechsel- und Durchblutungssteigerungen diskutiert [6, 13, 19]. Auch eine Interaktion mit kognitiven und emotionalen Prozessen wird angenommen, da durch die Konfrontation mit dem Schmerz im Training und die Erfahrung schmerzfreier Bewegung schmerzbedingtes Vermeidungsverhalten zurückgeht [15, 19].

Stärken und Limitationen der Untersuchung

Zu den Stärken dieser Untersuchung gehört neben der hohen Anzahl der Untersuchungsteilnehmer und dem langen Untersuchungszeitraum vor allem das statistische Verfahren (HLM), das eine differenzierte Analyse der Effekte ermöglicht und auf Untersuchungen mit Datenverlusten ausgelegt ist. Eine zentrale Limitation stellt der hohe Verlust von Studienteilnehmern bei den objektiven Leistungstests in der Zweijahreskatamnese dar. Die fehlenden Werte werden jedoch im HLM berücksichtigt, sodass die Ergebnisse zwischen dem ersten Messzeitpunkt, als noch nahezu alle Informationen zu Rückenbeschwerden (76 %) und physischer Leistungsfähigkeit (95 %) vorlagen und der Zweijahreskatamnese keine grundlegenden Unterschiede aufweisen. Kritisch ist außerdem anzumerken, dass zwar die beschwerdenreduzierende Wirkung des Trainings im Gesamtprojekt über eine Vergleichsgruppe kontrolliert wurde [17], jedoch keine Kontrolldaten zu den Effekten der objektiven physischen Leistungssteigerung erhoben werden konnten. Wie in der Diskussion dargestellt, wurden mögliche über das körperliche Training vermittelte Effekte, wie Enkephalin- und Endorphinausschüttungen, Stoffwechsel- und Durchblutungssteigerungen [6, 13, 19] und psychologische Mechanismen [15, 19], in dieser Studie nicht geprüft. Im Zentrum dieser Studie stand, zunächst einen Beitrag zur Klärung der Bedeutung physischer Leistungssteigerungen für den Schmerzrückgang zu leisten.

Ausblick

Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen gemeinsam mit früheren Studien (vgl. [23]) deutlich darauf hin, dass bei Trainingsmaßnahmen zur Reduktion von Rückenschmerzen statt der Leistungssteigerung andere Trainingsziele in den Vordergrund gerückt werden sollten. Zukünftige Studien sollten interdisziplinär die psychisch-kognitive, psychosoziale, biopsychische und physische Wirkung von Rückentraining auf die Schmerzreduzierung prüfen, um die Bedeutung und Gewichtung der einzelnen Wirkmechanismen für eine gezielte Trainingssteuerung zu ermitteln.

Fazit für die Praxis

  • Ein multimodales Rückentraining bestehend aus Kraft‑, Beweglichkeits- und Ergonomietraining reduziert wirkungsvoll Rückenbeschwerden bei unterschiedlichen Beschwerdegraden.

  • Die Reduzierung der Rückenbeschwerden wird überwiegend durch den Trainingsumfang erklärt.

  • Bei der Entwicklung und Durchführung von Rückentrainingsprogrammen sollten neben den Kraft- und Mobilitätssteigerungen weitere Trainingsziele berücksichtigt werden.