Zusammenfassung
Hintergrund
Die Zahl der von Armut Betroffenen in Deutschland ist alarmierend. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Armut zeigen sich in einem erhöhten Krankheitsrisiko und der Prädisposition für chronische Erkrankungen, welche umgekehrt die Entstehung und Erhaltung von Armut begünstigen können. Eine Korrelation zwischen chronischer Schmerzerkrankung und Armut ist bislang noch nicht hinreichend untersucht.
Fragestellung
Besteht ein Zusammenhang zwischen chronischer Schmerzerkrankung und Armut?
Material und Methoden
Zum einen erfolgte eine prospektive Befragung von 20 Patienten unserer neurochirurgischen Schmerzsprechstunde zu deren Haushaltseinkommen. Zum anderen wurden Patientendaten des Statistischen Bundesamts hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Inzidenz ausgewählter Schmerzdiagnosen und dem Nettohaushaltseinkommen untersucht.
Ergebnisse
Das durchschnittlich zur Verfügung stehende Haushaltsnettoeinkommen der befragten Schmerzpatienten lag mit 1546 € unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Die Auswertung der Schmerzentlassungsdiagnosen des Statistischen Bundesamts zeigte, dass Frauen häufiger erkrankt waren als Männer und das geringere Einkommen aufwiesen. Ein weiteres Einkommensgefälle bestand zwischen Ost- und Westdeutschland. Für die Diagnose R52.1, 2, 9 (chronisch unbeeinflussbarer Schmerz, sonstiger chronischer Schmerz) konnte für das männliche Geschlecht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen einer steigenden Inzidenz und einem abnehmenden Einkommen festgestellt werden.
Diskussion
Die erhobenen Ergebnisse verdeutlichen den Zusammenhang zwischen Armut und chronischer Schmerzerkrankung. Für die Bewältigung dieses sozialpolitischen Problems bedarf es des Einsatzes und der Zusammenarbeit der deutschen Ärzteschaft und der Bundespolitik.
Abstract
Background
Poverty is an important problem in Germany. The health effects of poverty can lead to a higher risk of disease and the arising of chronic affections. On the other hand chronic illness may support the development and continuance of poverty. The context of chronic pain and poverty has not been analyzed so far.
Objectives
We investigated the correlation between chronic pain and poverty.
Materials and methods
In a prospective manner we interviewed 20 patients with pain syndromes during our consultation hour regarding their household income. Further, data from the German Federal Statistical Office were analyzed with respect to the correlation between the incidence of a chronic pain diagnosis and household income.
Results
At 1546 €, the average household income of the patients studied was below the poverty level. The analyzed data showed that women suffered from chronic pain more often than men did and also had a lower income. Another economic inequality was found between Eastern and Western Germany. There was a statistically significant correlation between income and the incidence of the diagnostic codes for chronic pain (R52.1, 2, 9) for men.
Conclusion
Our investigation showed the correlation between chronic pain and poverty. A commitment and cooperation of German medical associations and federal politics is necessary to overcome this sociopolitical issue.
Change history
29 March 2018
Erratum zu:
Schmerz 2017
https://doi.org/10.1007/s00482-017-0259-1
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Der …
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D. Feierabend, J. Walter, R. Kalff und R. Reichart geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle Patientenangaben wurden hinsichtlich einer möglichen Identifizierung anonymisiert. Das Manuskript wurde der Ethikkommission des Universitätsklinikums Jena vorgelegt. Nach Auskunft der Ethikkommission ist die dem Artikel zugrunde liegende Patientenbefragung weder nach dem Arzneimittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz noch dem Thüringer Heilberufegesetz durch eine Ethikkommission bewertungspflichtig. Das Manuskript wurde nach den Hinweisen der Ethikkommission revidiert aus datenschutzrechtlichen Aspekten.
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Feierabend, D., Walter, J., Kalff, R. et al. Armut und Schmerz. Schmerz 32, 144–152 (2018). https://doi.org/10.1007/s00482-017-0259-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00482-017-0259-1