Das Internet erlaubt es uns, auf eine Vielzahl medizinischer Datenbanken zuzugreifen und in wenigen Sekunden Originaltexte zu erhalten – falls wir im Besitz der entsprechenden Berechtigungen sind. Der Mehrzahl der in Praxis und Klinik tätigen Kollegen verfügt jedoch nicht über Onlinezugänge, die es ermöglichen, weltweit in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierte Artikel herunterzuladen. Die Kosten für den Download einzelner Artikel sind erheblich und der Zugriff auf ganze Zeitschriftenpakete unerschwinglich. Die Zahl von Open-Access-Journalen wächst zwar rasch, ihr Inhalt kann in der überwiegenden Mehrzahl gegenwärtig jedoch noch nicht mit den etablierten Zeitschriften mithalten. Zusätzlich wurde das Feld der Open-Access-Journale aufgrund der Praktiken einer Gruppe von Zeitschriften, die man als „predatory journals“ bezeichnet, partiell diskreditiert. Unter Letzteren versteht man als betrügerisch angesehene Zeitschriften, die die üblichen Open-Access-Gebühren erheben und vorgeben, wissenschaftlich vollwertig zu arbeiten, jedoch nicht die in diesem Kontext erforderlichen redaktionellen und publizistischen Leistungen wie einen seriösen „peer review“ erbringen. Auf diese Weise untergraben sie die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und liefern Argumente, die den Wert und Einfluss anspruchsvoller Forschung und Lehre zu verringern beabsichtigen.

Wie diese Beispiele veranschaulichen, ist der Zugriff auf verlässliche aktuelle Informationen, welche die Entscheidungsfindung hinsichtlich der im Einzelfall indizierten Diagnostik und Therapie erleichtern, trotz des weiterhin rasch wachsenden Informationsangebots des Internets schwierig. Leitlinien bieten hier zwar eine wertvolle Orientierung, jedoch führt der aufwendige Erstellungsprozess dazu, dass die Zeiträume zwischen dem Erscheinen der eingeschlossenen wissenschaftlichen Literatur und der Veröffentlichung der Leitlinie erheblich sein können. Ferner dauert es in der Regel mehrere Jahre, bis die erforderliche Überarbeitung erscheint. Hier können sich Diskrepanzen zwischen der Empfehlung einer Leitlinie und dem aktuellen Stand der Wissenschaft ergeben. Die Kollegin resp. der Kollege, die/der nicht regelmäßig die wissenschaftlichen Neuveröffentlichungen auf diesem Gebiet verfolgt, ist diesem Sachverhalt ausgeliefert.

Mit unserer neuen Rubrik „Cochrane Corner Geriatrie“ möchten wir helfen, diese Wissenslücke zu schließen. Das Format der Cochrane Corner ist international für mehrere medizinische Disziplinen etabliert, beinhaltet die Übersetzung und Kommentierung aktueller Cochrane-Evidenz für das jeweilige Fach und zielt auf die Verbesserung des Evidenz-Praxis-Transfers ab. Jeder Beitrag der neuen Kategorie Cochrane Corner Geriatrie umfasst zum einen die Abstract-Übersetzung eines aktuellen und für die Geriatrie relevanten Cochrane-Reviews sowie seine anschließende Einordnung für die geriatrische Versorgung. Dabei sollen die für die Geriatrie oftmals zu vereinfachenden Schlussfolgerungen in den Kontext der komplexen Versorgung multimorbider und funktionell mehrfach eingeschränkter älterer Patienten gestellt werden. Diesem neuartigen Projekt liegt eine Kooperation mit dem Deutschen Cochrane Zentrum in Freiburg zugrunde, die sich im Rahmen des vom Land Baden-Württemberg geförderten wissenschaftlichen Projektes „Medikation und Lebenssituation im Alter“ entwickelt hat, und an dem die Universitäten Heidelberg, Freiburg und Ulm beteiligt sind.

Im Rahmen dieses Projektes konnten wir auch, beispielhaft für zwei Cochrane-Reviews, eine kooperative Strategie zur stetigen Aktualisierung vereinbaren. Die Recherchespezialisten von Cochrane International liefern zum jeweiligen Review alle drei Monate die aktuellen Primärstudientreffer. Projektmitarbeiter sichten die Abstracts dieser Studien und analysieren relevante Volltexte daraufhin, ob sie die Schlussfolgerung des Reviews verändern würden. Falls dies der Fall ist, werden diese Studien in einen Beitrag für die Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie eingearbeitet.

Da in den allermeisten Dokumenten altersbezogene Empfehlungen gegenwärtig noch die Ausnahme darstellen, fokussieren die Kommentierungen auf die Besonderheiten des geriatrischen Patienten. Allen Projektbeteiligten ist sehr bewusst, dass Therapieentscheidungen nicht ausschließlich auf Leitlinien und Cochrane-Reviews basieren können, sondern im Sinne der patientenorientierten und evidenzbasierten Geriatrie immer die besonderen Umstände des einzelnen Patienten reflektieren müssen. Unsere Beiträge im Rahmen der Cochrane Corner können hier hoffentlich wertvolle Anregungen für die therapeutische Entscheidungsfindung geben.