Im Rahmen der Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass neben anderen Organsystemen auch das Auge bei längerfristigen Aufenthalten in der Schwerelosigkeit erhebliche Veränderungen aufweist. Unter dem Begriff „Space Flight-Associated-Neuro-Ocular-Syndrom“ (SANS) werden okuläre Veränderungen zusammengefasst, die man bei Astronauten nach längerfristigen Aufenthalten im Weltall auf der internationalen Raumstation ISS, festgestellt hat. Die Veränderungen des SANS umfassen teilweise nicht vollständig reversible Pathologie wie uni- und bilaterale Papillenödeme (rechts häufiger als links), Distensionen der Optikusscheiden, einen hyperopen Shift, Bulbusabflachungen, Aderhautfalten und Cotton-wool-Herde [1]. Da diese Veränderungen gerade bei längeren Raumflügen z. B. zum Mars oder möglicherweise auch bei längerfristigen Aufenthalten in reduzierter Schwerkraft auf dem Mond zu relevanten Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit der Astronauten führen könnten, besteht hier ein erhebliches Interesse, die Pathophysiologie dieser „Space-Eye-Disease“ zu verstehen und präventive bzw. therapeutische Möglichkeiten zu entwickeln. Sonst könnte SANS bei längeren Raumflügen nicht nur die Augengesundheit der Astronautinnen und Astronauten beeinträchtigen, sondern den Erfolg und die Sicherheit der ganzen Mission gefährden.

Im Rahmen der Forschungsaktivitäten von NASA (National Aeronautics and Space Administration), ESA (European Space Agency) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln werden deshalb terrestrische humane Modelle zur Induktion der Augenveränderungen des SANS entwickelt. Hierzu zählen vor allen Dingen Bettruhestudien mit 6° Kopftieflagerung. Damit werden Augenveränderungen induziert, die als Weltraumanalogon einen Teil der okulären Veränderungen des SANS imitieren, um spezifische Gegenmaßnahmen, wie z. B. intermittierende künstliche Schwerkraft, zu entwickeln und systematisch zu testen.

Diese Bettruhestudien erlauben als Nebenaspekt auch weitergehende Erkenntnisse nicht nur zur Pathophysiologie von Papillenschwellungen, sondern z. B. durch Betthoch-/-tieflagerungsstudien auch zum Einfluss von Kopf- und Oberkörperlagerung auf den intraokularen Druck und auf Volkserkrankungen wie die verschiedenen Formen des Glaukoms.

Das Auge weist bei längerfristigen Aufenthalten in der Schwerelosigkeit erhebliche Veränderungen auf

In diesem Themenheft soll deshalb ein breiter Bogen gespannt werden von den Veränderungen bei SANS [1] über Studien zu terrestrischen Modellen des SANS mit dem Ziel, die Pathogenese besser zu verstehen und neue Therapien zu ermöglichen [2], bis hin zu „Kollateralerkenntnissen“ dieser Studien, die Verständnis und Therapie von Lagerungseffekten beim Glaukom als Volkskrankheit verstehen lassen können [3].

In der Reihenfolge der Beiträge wird deshalb zunächst in der Arbeit von Händel et al. das Erkrankungsbild SANS in Klinik, Pathogenese und Therapie vorgestellt [1]. Morphologisch ähnelt das Krankheitsbild am ehesten den Veränderungen bei der idiopathischen intrakraniellen Hypertension auf Erden.

Der zweite Beitrag von Jordan et al. erläutert die Ergebnisse der DLR-Studien mit humanen terrestrischen Modellen zu neuen Präventionsansätzen gegen Augenveränderungen beim SANS bei Astronauten [2]. Hier zeigt v. a. die strikte Bettruhe mit –6° Kopftieflagerung Veränderungen, die das SANS auf Erden reproduzieren lassen. Die Einwirkung künstlicher Schwerkraft z. B. mittels Kurzarmzentrifugen wird im Rahmen der DLR-Studie als potenziell hilfreiche Maßnahme untersucht. Der Beitrag von Jordan et al. zeigt ebenfalls, dass es das :envihab des DLR erlaubt, Umgebungsbedingungen wie auf der internationalen Raumstation ISS zu simulieren.

Abschließend stellt der Beitrag von Enders et al. [3] aktuelle Ansätze zur Pathogenese und Therapie bei lageabhängigen Augeninnendruckveränderungen bei Glaukompatienten vor. Hier geht es u. a. auch darum aufzuzeigen, was zum Augendruck unter Raumfahrtbedingungen bekannt ist und wie sich der Augendruck in Lageabhängigkeit sowohl in Kopfhoch- als auch in Kopftieflage verändert und was aus den Bettlagestudien zur Erforschung von SANS für terrestrische Patienten mit Glaukom abgeleitet werden kann.

Ganz rezente Forschungsergebnisse implizieren daneben auch eine wichtige pathologische Rolle der lymphatischen Drainage aus dem Zerebrospinalraum als mögliche Ursache des SANS. Hier ergeben sich weitere potenzielle neue Therapiemöglichkeiten durch Modulation von lymphatischer Gefäßfunktion und lymphatischer Drainage [4].

Zusammenfassend hoffen wir, mit diesem Reigen von Beiträgen einen spannenden Überblick zu formen von der Weltraummedizin mit SANS hin zu terrestrischen Modellen und zu möglichen neuen Therapieansätzen auch für das Glaukom. Durch eine enge Kooperation von Weltraummedizin und terrestrischer Ophthalmologie soll diese Forschung auch Patienten auf der Erde zugutekommen.

Mit freundlichen Grüßen aus Köln

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Univ.-Prof. Dr. med. C. Cursiefen

(Direktor des Zentrums für Augenheilkunde, Uniklinik Köln)

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Prof. Dr. med. Jens Jordan

(Direktor des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln)