Von Kindesalter bis zum geriatrischen Patienten ist die Frage der Kuration vs. Organ- und Funktionserhalt eine besondere Herausforderung. Dies trifft nicht nur für onkologische Fragestellungen zu. Ein Beispiel ist der funktionsarme obere Nierenanteil bei Doppelanlage: Soll dieser entfernt oder kann er erhalten werden, welche therapeutisch relevanten behandlungsbedingten Vor- und Nachteile müssen in Anbetracht der Langzeitergebnisse Berücksichtigung finden?

Um zu den onkologischen Fragestellungen zurückzukehren, ist die Frage des Organerhalts beim Nierenzellkarzinom geklärt: Immer dann, wenn der Tumor sicher zu entfernen ist, kann dies organerhaltend ohne onkologische Nachteile erfolgen und reduziert in Langzeitbeobachtungen Komplikationen, wie das Nierenversagen und kardiovaskuläre Todesursachen.

Voraussetzungen, die erlauben über eine organerhaltende Therapie nachzudenken, sind eine exakte Diagnostik und Prognoseeinschätzung des Tumors im oberen Harntrakt.

In diesem Heft wird konsequent und schrittweise erläutert, wie sicher Bildgebung und Tumorbiopsie im oberen Harntrakt sind, um die Diskussion des Organerhalts zu eröffnen. Des Weiteren wird die Frage beleuchtet, ob sich die Prognose der Patienten nach einem Organerhalt durch zusätzliche Maßnahmen verbessern lässt und inwieweit sich die Erkenntnisse der systemischen medikamentösen Behandlung beim Harnblasenkarzinom auf die Situation von Urothelkarzinomen im Nierenbecken und Harnleiter übertragen lassen.

Die Arbeitsgruppe um Schulz aus München Großhadern legte dar, dass sich die Sensitivität der Bildgebung in den letzten Jahren deutlich verbessert hat und heute zwischen 90 und 100 % anzunehmen ist. Anzuwenden ist die CT-Urographie. Diese kann mit geringen Einbußen der Sensitivität durch ein MRT-U ersetzt werden, wenn die Durchführung eines CT-U nicht möglich ist. Die Infusionsurographie – das i.v.-Urogramm – ist verlassen.

Ist die Diagnose „Tumor im oberen Harntrakt“ gestellt, sind Infiltrationstiefe und Differenzierungsgrad zu klären, um eine indikationsgerechte Therapie planen zu können. Die Arbeitsgruppe um Förster aus Ulm hat in einer Übersicht unterschiedliche Möglichkeiten der Gewebegewinnung retrograd wie antegrad untersucht. Eine Konkordanz bei der Beurteilung des Differenzierungsgrades konnte in etwa 80 % eruiert werden. Dies ist eine erfreuliche Mitteilung, wenn man in Betracht zieht, dass Low-grade-Tumoren nicht in die Muskulatur infiltrieren.

In den letzten Jahren konnten nicht nur miniaturisierte diagnostische Instrumente entwickelt werden, sondern auch solche, die eine endoskopische Tumortherapie erlauben.

Immer dann, wenn ein gut differenzierter Tumor vorliegt, der sich unter Berücksichtigung seiner Ausdehnung sicher endoskopisch entfernen lässt, kann eine laparoskopische oder offene Operation umgegangen werden; insbesondere ist in diesen Fällen eine vollständige Organentfernung nicht mehr erforderlich.

Vom Dorp zeigt in seinem Beitrag, dass die Prognose der Patienten weniger von der Wahl des operativen Vorgehens, als von der Aggressivität der Tumorerkrankung abhängig ist.

Bosshard und Mitarbeiter sind der Frage nachgegangen, ob vergleichbar zum Blasenkarzinom Instillationsbehandlungen die Prognose der Patienten verbessern können. Die Aussagen sind eindeutig: Hinsichtlich der Senkung des Rezidivverhaltens ist die lokale Applikation von Mitomycin und BCG unzureichend untersucht, um eine Empfehlung hierfür geben zu können. Einen Einfluss auf die Progression des Tumors und auf das Überleben der Patienten ist nicht nachweisbar. Gesichert ist aber die Tatsache, dass die einmalige Gabe einer intravesikalen Instillation nach Behandlung eines Tumors im oberen Harntrakt die Rezidivrate in der Harnblase zu senken vermag.

Im Tierexperiment ist es gelungen, eine kontinuierlichere Freisetzung des Zytostatikums durch eine Gelapplikationen zu erreichen. Sollten sich Technik und positive Behandlungsergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist die Indikation der lokalen medikamentösen Therapie im oberen Harntrakt neu zu überdenken.

Ist eine Metastasierung bereits eingetretenen, ist eine systemische Behandlung indiziert. Die Arbeitsgruppe um Darr beantwortet die Frage, inwieweit sich die Ergebnisse der Therapie des metastasierten Harnblasenkarzinoms auf metastasierte Tumoren des oberen Harntraktes übertragen lassen. Leider liegen zur sicheren Beurteilung keine ausreichenden Daten aus prospektiven oder gar randomisierten Studien vor. Da man jedoch davon ausgehen kann, dass sich Urothelkarzinome in Harnblase und oberem Harntrakt nicht grundsätzlich voneinander unterscheiden, ist die Anwendung von Gemcitabin und Cisplatin bei dieser Patientengruppe angezeigt. Ein klinischer Nutzen ist dann zu erwarten, wenn der Patient einen guten Allgemeinzustand und eine gute Nierenfunktion aufweist. Inwieweit Checkpoint-Inhibitoren die systemische Chemotherapie ergänzen oder ersetzen können, wird derzeit in zahlreichen prospektiven Studien untersucht. Die Ergebnisse sind ermutigend und lassen hoffen, einen deutlichen Fortschritt in der Behandlung unserer Patienten mit einem Urothelkarzinom zu erreichen. Darüber hinaus deutet sich an, dass Biomarker helfen, den Behandlungserfolg im Vorfeld besser abschätzen zu können und so Patienten individualisiert zu behandeln, was auch bedeutet, ihnen eine unnötige Therapie zu ersparen.