In diesem Themenheft erwarten Sie aktuelle Beiträge zum Thema Therapie und Diagnostik des Schlaganfalls. Geboten wird ein Überblick über aktuelle Standards in der Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls sowie der Akut- und Langzeittherapie von Patienten mit intrazerebraler Blutung (ICB). Des Weiteren erwartet Sie ein Update zur antithrombotischen Sekundärprophylaxe des ischämischen Schlaganfalls unter Einbeziehung neuester Studiendaten. Im vierten Beitrag wird das Thema invasive und nichtinvasive Hirnstimulation zur Behandlung des Schlaganfalls aufgegriffen. Der letzte Beitrag widmet sich dem effizienten diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei seltenen Schlaganfallursachen.

Die erweiterte Bildgebung gewinnt an Relevanz für die Therapiesteuerung

Aktuelle Studien zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls mittels intravenöser Thrombolyse und mechanischer Thrombektomie haben die Behandlungsoptionen deutlich erweitert. So belegen neue Studien die Wirksamkeit der intravenösen Thrombolyse im erweiterten Zeitfenster bis 9 h bei Patienten mit unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns und definierten Befundkonstellationen in der erweiterten Bildgebung. Entscheidend ist dabei der Nachweis von Risikogewebe in der computertomographischen (CT-)Perfusionsbildgebung bzw. eines DWI(„diffusion-weighted imaging“)-FLAIR(„fluid-attenuated inversion recovery“)-Mismatchs in der Magnetresonanztomographie (MRT). Wie aktuelle Studiendaten zur mechanischen Thrombektomie zeigen, profitieren ausgewählte Patienten mit spezifischen Befundkonstellationen in der Bildgebung zudem bis zu 24 h nach Symptombeginn und bei unbekanntem Zeitfenster von der Intervention. Damit gewinnt die erweiterte Bildgebung an praktischer Bedeutung für die Therapiesteuerung beim akuten Schlaganfall. Neben einer Darstellung der Studiendaten bietet der Beitrag von Ewgenia Barow und Götz Thomalla Empfehlungen zur Auswahl der Bildgebungsprotokolle und einen Überblick über aktuell noch offene Fragen.

Bei ESUS ist eine differenzierte Ursachensuche indiziert

Zu den aktuell intensiv diskutierten Themen bei intrazerebralen Blutungen zählen die Vermeidung von Nachblutungen, minimal-invasive Operationen, die Behandlung intraventrikulärer Blutungen, das perifokale Ödem und die Frage der langfristigen antithrombotischen Behandlung. Die Kollegen Maximilian I. Sprügel und Hagen B. Huttner kommen nach Diskussion der aktuellen Datenlage zu folgenden Schlüssen: In der Akutphase der ICB sollte der systolische Blutdruck auf Werte um 140 mm Hg gesenkt werden; bei bestehender Antikoagulation sollte die Gerinnung durch die Gabe von Prothrombinkomplexkonzentraten (bei Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten) bzw. spezifischer Antidots (bei Behandlung mit Dabigatran- bzw. Faktor-Xa-Inhibitoren) normalisiert werden. Der Einsatz minimal-invasiver Operationstechniken sollte allenfalls im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen. Beim Vorliegen einer Indikation zur oralen Antikoagulation nach ICB sollten Patienten in eine der aktuell laufenden Studien eingeschlossen werden.

Die Frage, ob Patienten mit einem milden Schlaganfall oder einer Hochrisiko-TIA (transitorischen ischämischen Attacke) in der Frühphase nach dem ischämischen Ereignis von einer intensivierten Thrombozytenfunktionshemmung profitieren war Gegenstand der im Jahr 2018 publizierten POINT-Studie. Dem vorangegangen waren neben der FASTER-Studie die in China durchgeführte CHANCE-Studie, die ebenso wie POINT die frühe doppelte Plättchenhemmung mit Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS) mit einer Monotherapie mit ASS verglich. Martin Köhrmann und Christoph Kleinschnitz kommen in einer kritischen Diskussion dieser Studien sowie einer aktuellen Metaanalyse zu dem Schluss, dass eine vollständig evidenzbasierte Empfehlung auf Leitlinienniveau aufgrund der aktuellen Datenlage nicht möglich ist und eine doppelte Plättchenhemmung in jedem Fall auf Patienten mit mildem Schlaganfall oder Hochrisiko-TIA und auf die ersten 7 bis 10 Tage beschränkt werden sollte. Geeignet erscheinen insbesondere Patienten mit schweren arteriosklerotischen Gefäßveränderungen in den dem Infarkt vorgeschalteten Arterien. Als wesentliche Konsequenz aus den zuletzt publizierten NAVIGATE-ESUS- und RESPECT-ESUS-Studien sehen die Autoren die Notwendigkeit einer differenzierten Ursachensuche inklusive einer Verbesserung der Standards zur Vorhofflimmerdiagnostik.

Invasive und nichtinvasiver Verfahren der Hirnstimulation haben wesentlich zum Verständnis funktioneller Netzwerke und von Reorganisationsprozessen nach einem Schlaganfall beigetragen. Trotz einiger vielversprechender Ergebnisse zur Unterstützung der funktionellen Erholung nach einem Schlaganfall haben diese Verfahren bislang keinen Einzug in die klinische Praxis gefunden. Gründe hierfür sind neben dem Mangel an groß angelegten Therapiestudien und der Heterogenität der Läsions- und Ausfallmuster sicherlich auch der mit diesen Verfahren verbundene technische Aufwand und die Anforderungen an die Expertise der Anwender. Caroline Tscherpel und Christian Grefkes stellen die verschiedenen Stimulationsverfahren und Studiendaten vor unter besonderer Berücksichtigung der Ausfallsymptome Hemiparese, Aphasie und Neglekt und diskutieren darüber hinaus Ansatzpunkte zur Verbesserung neuromodulatorischer Verfahren.

Zu den therapierelevanten seltenen Schlaganfallursachen zählen neben den Gefäßdissektionen, Vaskulitiden und nichtvaskulitischen Vaskulopathien u. a. auch Infektionen, hämatologische Erkrankungen, Gerinnungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen und Malignome. Antje Schmidt-Pogoda und Jens Minnerup bieten einen fokussierten Überblick über die Diagnostik und Therapie seltener Schlaganfallursachen und nehmen dabei auch Stellung zu der praxisrelevanten Frage, ob bei diesen Konstellationen eine Kontraindikation für eine mechanische Thrombektomie oder systemische Thrombolyse vorliegt.

In allen der hier vorgestellten Themenbereiche sind in absehbarer Zeit weitere Studiendaten zu erwarten. Die nächsten Jahre bleiben also spannend.

Prof. Dr. Martin Dichgans