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Die zukünftige Entwicklung von Demenzerkrankungen in Deutschland – ein Vergleich unterschiedlicher Prognosemodelle

The future development of dementia diseases in Germany—a comparison of different forecast models

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Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz Aims and scope

Zusammenfassung

Demenz ist eines der häufigsten Krankheitsbilder älterer Menschen ab 65 Jahren. Da es aufgrund des demografischen Wandels immer mehr ältere Menschen gibt, die zugleich immer älter werden, wird die Anzahl der derzeit rund 1,7 Mio. Menschen mit Demenz nochmals massiv steigen. Eine genaue Abschätzung dieser Steigerung ist dabei für Entscheidungs- und Kostenträger im Gesundheitswesen von besonderer Bedeutung.

Die vorliegende Arbeit befasst sich deswegen mit den Auswirkungen unterschiedlicher Annahmen auf die zukünftige Krankheitshäufigkeit im Rahmen eines zeitdiskreten Markov-Modells aus bevölkerungsstatistischen und krankheitsspezifischen Komponenten. Für die empirische Umsetzung wurden auf Basis von Routinedaten der AOK Baden-Württemberg alters- und geschlechtsspezifische Prävalenzraten, Inzidenzraten und Mortalitätsdifferenzen für das Krankheitsbild Demenz ermittelt und auf die zu erwartende demografische Veränderung der deutschen Bevölkerung bezogen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung des Markov-Modells gegenüber der in vielen bisherigen Studien praktizierten Übertragung aktueller alters- und geschlechtsspezifischer Prävalenzraten auf Bevölkerungsprojektionen (Status-Quo-Prinzip) schon bis 2030 zu einer um 20 bis 25 % höheren Anzahl an Menschen mit Demenz führt. Die Ergebnisse lassen deswegen erwarten, dass bereits in mittlerer Frist deutliche Ausgabensteigerungen auf die Kostenträger im Gesundheitswesen zukommen. Unter der Annahme zukünftig konstanter Inzidenzraten und einer steigenden Lebenserwartung von Menschen mit Demenz würde deren Anzahl in Deutschland bis 2060 auf 3,3 Mio. steigen. Durch eine Kompression der Krankheitslast könnte sich dieser Wert allerdings auf 2,6 Mio. reduzieren.

Abstract

Dementia is one of the most frequent diseases of people aged 65 and older. As a result of the upcoming demographic transition, a significant increase is expected to the current number of around 1.7 million dementia patients. A precise estimate of this increase is especially important for decision-makers and payers to the health-care system. This study examined the effects of different assumptions on the future frequency of disease using a time-discrete Markov model with population-related and disease-specific components. Based on health insurers’ administrative data from AOK Baden-Württemberg, we determined age- and gender-specific prevalence rates, incidence rates, and mortality differences of dementia patients and combined them with demographic components from German population statistics. As a result, our Markov model showed a 20 to 25% higher number of dementia patients in 2030, compared to the results of the status quo projection applied in most previous studies, with the assumption of constant prevalence rates over time. Hence, our results indicate that even in the medium term payers will have to face significant increases in dementia-related health expenditures. By 2060, the number of dementia patients in Germany would rise to 3.3 million assuming a further increase to life expectancy and constant incidence rates over time. The assumption of a compression of the morbidity would reduce this number to 2.6 million.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4

Notes

  1. Eine Ausnahme bilden die Alterskohorten zwischen 95 und 100 Jahren, deren Erkrankungsraten gruppiert ermittelt wurden. Die Prävalenzraten nach Einzelalter unterliegen ab diesem Alter starken Schwankungen von bis zu 20 Prozentpunkten, was auf eine relativ geringe Anzahl von weniger als 3000 Erkrankten pro Alterskohorte zurückzuführen ist.

  2. Von einer Gesundung wird im vorliegenden Modell hingegen abstrahiert, da der Großteil aller Demenzerkrankungen durch einen unheilbar fortschreitenden Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist und medizinische Maßnahmen dadurch in der Regel palliativen Charakter haben [21]. Auch ergaben sich aus dem Datensatz der AOK Baden-Württemberg keine Hinweise auf eine mögliche Gesundung der Menschen mit Demenz.

  3. Eine zunehmende Dokumentation der Diagnose aufgrund neuer Arzneimitteltherapien bei Demenzerkrankungen oder der Relevanz für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) wäre ebenfalls denkbar. Allerdings sind die üblichen Arzneimittel für dieses Krankheitsbild bereits seit 2000/2002 auf dem Markt und Berücksichtigung im Morbi-RSA finden die Demenzerkrankungen erst seit 2016.

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Milan, V., Fetzer, S. Die zukünftige Entwicklung von Demenzerkrankungen in Deutschland – ein Vergleich unterschiedlicher Prognosemodelle. Bundesgesundheitsbl 62, 993–1003 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-02981-3

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