Zusammenfassung
Demografische Alterung und Rückgang oder Schrumpfung der Bevölkerungszahl in vielen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland sind Kernelemente des demografischen Wandels. Für die betroffenen Regionen ergibt sich eine sinkende Bevölkerungszahl bei gleichzeitigem Wachstum der Zahl Älterer. Welche Folgen regionale Schrumpfungs- resp. Wachstumsprozesse vor dem Hintergrund der demografischen Alterung auf die stationäre Versorgung haben, ist bislang nicht ausreichend analysiert. Im vorliegenden Beitrag wird mittels Dekompositionsanalyse untersucht, welchen Einfluss demografische Alterung und Veränderung der Bevölkerungszahl als demografische Faktoren sowie andere, nicht demografisch bedingte Faktoren auf die Entwicklung der Krankenhausfallzahlen von Frauen und Männern in Deutschland und in den Bundesländern seit dem Jahr 2000 haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass demografische Faktoren einen nur wenig schwankenden Einfluss auf die Krankenhausfallzahlen hatten. Kurzfristige Veränderungen der Krankenhausfallzahlen waren hingegen Effekte nicht demografisch bedingter Faktoren (wie beispielsweise struktureller Änderungen der Gesundheitsversorgung).
Die Trends der Krankenhausfallzahlen unterschieden sich zwischen den Bundesländern erheblich. Sie reichten von einem sehr geringen Rückgang (Sachsen-Anhalt, Frauen) bis hin zu einem Anstieg um ein Drittel (Berlin, Männer). Die demografischen und nicht demografisch bedingten Faktoren waren für die beobachteten Unterschiede in unterschiedlichem Maße bedeutsam. Die demografischen Faktoren sind/waren eher für die langfristigen und die nicht demografisch bedingten Faktoren eher für die kurzfristigen Trends ausschlaggebend. Die Faktoren konnten sich dabei gegenseitig verstärken und/oder (über-)kompensieren.
Abstract
Population aging and population decline in many regions of the Federal Republic of Germany are key elements of demographic change. In the regions concerned there is a rising number of older people and, simultaneously, a declining population. So far, the consequences of regional shrinkage and growth for inpatient care don’t seem to have been analysed very well. This paper analyses the influence of population aging and declining/increasing population (demographic factors) as well as other, non-demographic factors on the number of hospitalizations in Germany and the Federal States since 2000.
One result of the analysis is that there are major differences between the Federal States. The analysis shows, for example, an increase of hospitalizations in Berlin while in Saxony-Anhalt the number of hospitalizations declines. The increase in Berlin was the result of population aging and, to a lower extent, an increase in population. In Saxony-Anhalt the declining population resulted in a decreasing number of hospitalizations. Population aging and non-demographic factors were not able to compensate this trend.
Overall, the effect of demographic factors on the number of hospitalizations remains constant over time. Short-term changes of hospitalizations are due to non-demographic factors, such as epidemiological trends, (for example trends of incidence or prevalence), or structural changes of health care service (for example patients shifting between different sectors of health care or the introduction of new reimbursement systems).
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Nowossadeck, E., Prütz, F. Regionale Unterschiede der Entwicklung der Krankenhausbehandlungen. Bundesgesundheitsbl 61, 358–366 (2018). https://doi.org/10.1007/s00103-018-2695-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-018-2695-1
Schlüsselwörter
- Demografischer Wandel
- Demografische Alterung
- Bevölkerungsrückgang
- Stationäre Versorgung
- Dekompositionsanalyse