In den letzten Jahrzehnten hat der korrekte Einsatz von Antibiotika wesentlich zum Therapieerfolg beigetragen. Durch die zunehmende antimikrobielle Resistenz von mikrobiellen Erregern werden heute neue Ansätze und weitere antiinfektiöse Entwicklungen notwendig, um die immer komplexeren Situationen der modernen Unfallchirurgie zu bewältigen. In diesem zweiten Leitthemenheft wird mit der Thematik „Antiinfektiöse Strategien“ die vorangehende Ausgabe des Unfallchirurgen fortgesetzt, in der die Grundlagen zu Epidemiologie, Diagnose und Therapie von osteosyntheseassoziierten Infektionen, die Bedeutung des Biofilms für die Infektionsbehandlung und Risikofaktoren sowie Möglichkeiten der Infektionsprävention erörtert wurden. Im nun vorliegenden Teil 2 geben die Autoren eine Übersicht über alte, ehedem bewährte, jedoch heute nicht etablierte und auch noch nicht ausreichend erforschte antiinfektiöse Methoden sowie neue und innovative Ansätze antiinfektiöser Maßnahmen. Zu Letzteren gehört der optimale Einsatz von wirksamen Antibiotika im Rahmen eines sog. Antibiotic Stewardship in der Unfallchirurgie, welcher kurzfristig zum besseren Behandlungsergebnis und langfristig zur Verhinderung zukünftig drohender Resistenzlagen führen kann. Diese Strategie ist essenziell, dass auch unsere Nachfolger wirksame Antibiotika zur Verfügung haben werden. Sie wird in intradisziplinärem Zusammenwirken durch Mikrobiologen und Unfallchirurgen des Bundeswehrkrankenhauses Berlin vorgestellt.

Einen weiteren wichtigen Ansatz stellt die lokale Gabe von antiseptisch wirkenden Flüssigkeiten und von Antibiotika als zusätzliche antiinfektiöse Maßnahmen dar. In zwei Beiträgen werden die Vorteile dieser Strategie durch maximale lokale Wirkung und minimale systemische Nebenwirkungen dargestellt. Die Vorstellung der heute für die Unfallchirurgie und Orthopädie sinnvollen Wundspüllösungen und Flüssigkeiten mit antiseptischer Wirkung erfolgt in der Zusammenarbeit der Abteilung für Septische und Rekonstruktive Chirurgie der BG Unfallklinik Murnau, des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald sowie der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Septisch-Rekonstruktive Chirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Im nachfolgenden Beitrag werden neue klinisch bedeutsame Erkenntnisse der letzten Jahre zur Freisetzungskinetik von topisch applizierten Antibiotika aus Zement sowie zu den biologischen Charakteristika von resorbierbaren und nichtresorbierbaren Biomaterialien diskutiert. Dieser Beitrag entstand in der Kooperation der Universitätsklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie der Medizinischen Universität Graz und des Zentrums für septische Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum.

Neben der Erörterung des zeitgemäßen Einsatzes konventioneller Antiinfektiva (Antibiotika und Antiseptika) sollten in dieser Ausgabe jedoch auch neue und vielversprechende Entwicklungen antiinfektiöser Strategien vorgestellt und kritisch diskutiert werden. Insbesondere der Einsatz von Viren, welche spezifisch und selektiv Bakterien infizieren und innerhalb von Minuten abtöten (sog. Bakteriophagen), muss heute als eine attraktive Behandlungsmöglichkeit insbesondere bei multi- bis panresistenten Erregern von komplexen knochen-, gelenk- und implantatassoziierten Infektionen in der Unfallchirurgie angesehen werden. Bakteriophagen sind als hocheffiziente antiinfektiöse Strategie seit Jahrzehnten in östlichen europäischen Staaten bekannt und werden unter unkontrollierten Bedingungen klinisch angewendet. Auch in Deutschland bestehen Biobanken mit verschiedenen Bakteriophagen, welche hauptsächlich aus der Umwelt isoliert werden. Leider fehlen jedoch klinische kontrollierte Studien, welche unter sog. „good laboratory practice“ (GLP), „good clinical practice“ (GCP) und „good manufacturing practice“ (GMP) durchgeführt wären. Deswegen gibt es bis heute keine zugelassenen Arzneimittel oder Medizinprodukte mit Bakteriophagen, entweder alleine oder in Kombination mit Antibiotika. Diese Lücke muss dringend gefüllt werden, damit wir zukünftig noch wirksamere Mittel gegen schwere und komplexe Infektionen in der Unfallchirurgie zur Verfügung haben werden. Die Vorstellung dieser hochinteressanten und heute auch ethisch bedeutsamen Thematik erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Autoren der Einrichtungen in Brüssel und Tiflis, die seit Jahren mit Bakteriophagen klinisch und wissenschaftlich arbeiten.

Ziel dieses Teils 2 ist es aber ebenso, neben der Darstellung theoretischer und experimenteller Daten in den Einzelbeiträgen auch konkrete Empfehlungen zur klinischen Anwendung nach modernen evidenzbasierten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu nennen. Über Kommentare, neue weitere Ideen und Denkanstöße würden wir uns sehr freuen. Wir wünschen den Lesern eine interessante Lektüre und hoffen, einen Einblick in zukünftige Entwicklungen und Strategien zur Bekämpfung von Infektionen zu geben – Strategien, mit denen wir in der Unfallchirurgie von morgen unserer Ansicht nach im klinischen Alltag konfrontiert sein werden.

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A. Trampuz

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C. Willy