Ideen, die noch vor einiger Zeit eher in den Bereich der Science-Fiction verortet worden wären, scheinen nun auf dem Weg zur möglichen klinischen Anwendung. Um Ihnen einen Überblick über ausgewählte Entwicklungen im Bereich des Innenohrs zu geben, haben wir 3 Aspekte ausgewählt.

Frau PD Gentiana Wenzel beantwortet uns die Frage „Welche Farben könnten wir hören?“. Die Vorstellung, unseren Hörsinn mit einer gänzlich anderen Modalität zu stimulieren, müssen wohl die meisten von uns erst einmal auf sich einwirken lassen. Frau Wenzel beschreibt die Effekte der Optoakustik und Optogenetik als 2 der verfolgten Forschungsrichtungen. Hoffnungen ruhen auf der optischen Stimulation, die in der Theorie eine höhere Frequenzauflösung durch ein Mehr an Kanälen im Vergleich zu gegenwärtigen, auf elektrischer Stimulation basierenden Cochleaimplantatelektroden bieten könnten. Beobachtet wurden jedoch auch unmittelbare mechanische Auslenkungen der Basilarmembran als Folge eines Laserimpulses. Damit wäre auch die Kompensation ausgefallener äußerer Haarzellen denkbar.

Frau Dr. Sara Euteneuer gibt uns einen Überblick über die Lokalisation von Hörstörungen. Hier weist sie darauf hin, dass nicht nur die kurzfristige Schwellenerholung nach einem Lärmtrauma bewertet werden darf. Vielmehr wurde gezeigt, dass ein Jahr nach einem Lärmereignis mit scheinbarer Restitutio ad integrum der Hörschwelle dennoch eine erhebliche Verringerung der Spiralganglienzellen auftreten kann. Mithin tritt der Lärmschaden nicht nur unmittelbar auf, sondern wirkt nach; man darf vermuten, dass es „länger wirkt, als es lärmt“.

Der Lärmschaden tritt nicht nur unmittelbar auf, sondern wirkt nach

Die Zahl der Spiralganglienzellen lässt sich mindestens im Tiermodell über die Welle I der akustisch evozierten Potenziale abschätzen. Zudem sieht sie ermutigende Ansätze, den Tinnitus durch psychologische Intervention frühzeitig mitzubehandeln, um den thalamischen Filter gleichsam neu einzustellen und so die Beeinträchtigung der Betroffenen zu reduzieren.

Dr. Breinbauer fasst die aktuellen Aspekte der Therapieansätze für das Innenohr, die auf Gentransfer und Stammzellen beruhen, zusammen. Bei allen Fortschritten sind auch hier im Stammzellbereich noch erhebliche Hürden wie die Gewinnung, die Applikation und der ortstypische funktionelle Gewebeersatz zu meistern. Im Bereich der Gentherapie konnten Details des vektorbasierten Transfers über otochirurgische Zugänge wie das runde Fenster oder auch den lateralen Bogengang einer Lösung näher gebracht werden. Zudem bietet sich insgesamt, wenn man an Protektion vorhandener oder die Regeneration verloren gegangener sensorischer Epithelien denkt, nicht nur das Hören, sondern auch die Gleichgewichtsfunktion an. Diese – von Nichtbetroffenen sehr leicht zu übersehende – Sinnesqualität wäre wohl ein geeignetes Ziel.

Ich wünsche Ihnen eine informative und spannende Lektüre dieses Heftes.

Mark Praetorius