1 Einleitung

Die deutsche Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten zweifelsohne ganz erheblich an ökonomischer Leistungsfähigkeit gewonnen (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2014). Diese grundsätzlich positive Entwicklung war jedoch mit externen Effekten verbunden. So verursacht beispielsweise die landwirtschaftliche Nutztierhaltung heute etwa 9 − 12 % der europäischen Gesamtemissionen an Treibhausgasen (Food and Agriculture Organization of the United Nations 2006; JRC European Commission 2014). Auch verliert sie, wohl auch aus tierethischen Gründen, offenbar an gesellschaftlicher Akzeptanz (Christoph-Schulz et al. 2018). Dieses und Weiteres, z. B. der Verlust an Biodiversität, spiegelt sich u. a. in einem zunehmend kritischen Verhältnis der Verbraucherinnen und Verbraucher zum Fleischkonsum wider (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2022). Vor dem Hintergrund, dass es in vielen Bereichen gelungen ist, Ökonomie und Ökologie (wieder) miteinander zu verbinden, ohne an gesellschaftlicher Akzeptanz zu verlieren – man denke beispielsweise an die Entwicklung erneuerbarer Energien – stellt sich die immer drängendere Frage, ob und wie eine solche Verbindung auch im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (wieder) möglich ist. Notwendig hierfür wäre die oft geforderte Transformation der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Deutscher Bundestag 2022), die von allen Stakeholdern mitgetragen wird und für deren Erfolg – unter den Rahmenbedingungen einer ökologisch-sozialen, wettbewerblich orientierten Marktwirtschaft – die Verbraucherinnen und Verbraucher eine entscheidende Bedeutung hätten (Ingold et al. 2019; Palakshappa and Dodds 2020). Schließlich sind sie es, die—wenn auch nicht im Einzelnen, so doch als Gruppe—eine lenkende Wirkung auf die ökonomische Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung haben.

Eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielt dabei insbesondere das Kaufverhalten am Point of Sale (PoS), denn dort wird durch den Kauf über die Refinanzierung der in den vorliegenden Marktstufen entstandenen Kosten entschieden. Gleichwohl ist dieser erfolgskritische Aspekt der einzelnen Kundin oder dem einzelnen Kunden oft nicht bewusst. Vielmehr beeinflussen situative, emotionale, affektive und unbewusste Faktoren die individuelle Kaufentscheidung (Gier et al. 2018a) – eine Erkenntnis, welche die verhaltensökonomische Konsumforschung unter anderem unter dem Begriff der „konstruierten Präferenzen“ diskutiert (Johnson et al. 2005).

Der unmittelbare Entscheidungskontext am PoS ist somit offenbar ausschlaggebend für das Kaufverhalten. Das ist ein möglicher Grund dafür, warum die in einer dem Kaufakt vorgelagerten und in einem oft gänzlich anderen Kontext geäußerten Einstellungen häufig nicht dem tatsächlichen Kaufverhalten entsprechen (Aschemann‐Witzel and Niebuhr Aagaard 2014; Carrington et al. 2014; Frank and Brock 2018). So werden in Verbraucherbefragungen online oder am Telefon zwar höhere Standards für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung gefordert, aber die entsprechenden Produkte, die am PoS vielleicht teurer sind und nicht adäquat vermarktet werden (Aschemann‐Witzel and Niebuhr Aagaard 2014), bleiben im Regal liegen; vielleicht sind sie aber auch gar nicht verfügbar (Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. 2019). Gleichwohl – auf den ersten Blick scheint es dann, als ob „die Moral am Regal endet“ (Krampe et al. 2018).

Zur Auflösung dieser Diskrepanz von Einstellung und Verhalten wird seitens der Politik und der Forschung angeregt, Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu informieren und so nachhaltigere Kaufentscheidungen zu fördern (Frank and Brock 2018; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2022). Die implizite Hoffnung scheint darin zu bestehen, durch Information und Aufklärung „zeitstabile“ und „verfestigte“ Intentionen zu bilden, die auch am PoS noch wirksam sind. Jedoch scheint die Informationsaufnahme auch dann noch situativ- und kontextabhängig zu sein (Gier et al. 2018b). Viele Menschen nehmen Informationen offenbar häufig erst dann wahr, wenn eine Entscheidung zu treffen ist. Wer also die im unmittelbaren Entscheidungsmoment verfügbaren Informationen kommunikativ gestalten kann, hat wortwörtlich einen „entscheidenden“ Einfluss auf die Kaufentscheidung. Unter diesen Bedingungen nimmt der Lebensmitteleinzelhandel eine Schlüsselposition im Transformationsprozess ein (Krampe et al. 2018).

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass:

  • zum einen ein transformativer Prozess notwendig ist, an dem alle relevanten Akteure mitwirken, um eine nachhaltige Veränderung in der Gesellschaft bewirken und etablieren zu können

  • zum anderen Maßnahmen am PoS zur Überwindung der Diskrepanz zwischen Einstellung und entsprechender Handlung ausschlaggebend sein könnten, um diesen Wandel voranzutreiben, da das Kauf- und Konsumverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern diesen maßgeblich mitgestalten und letztlich auch mittragen sollte.

Um diesen beiden Erkenntnissen Rechnung zu tragen wurde im Rahmen des SocialLab II-Projektes ein Reallabor konzipiert, organisiert und realisiert (Wagner and Grunwald 2015; Schäpke et al. 2017; BMWi 2019). Dabei ging es um die konkrete Entwicklung und Umsetzung von Kommunikations- und Informationsmaßnahmen am PoS, die unter wissenschaftlicher Begleitung gemeinsam mit Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Praxispartnerinnen und Praxispartnern erarbeitet wurden. Im Folgenden soll der damit verbundene Prozess im Sinne eines Zwischenberichts dargestellt werden. Dabei wird die Methodik skizziert, die Zielsetzung definiert, sowie die Vorbereitung, Planung, Ausgestaltung und Umsetzung beschrieben. Dadurch soll diese innovative Methode der Transformationsforschung zur systematischen Entwicklung und prototypischen Erprobung von innovativen Marktleistungen für nachhaltigeren Konsum eingeführt werden.

2 Reallabor – was ist das?

2.1 Methodik

Reallabore sind Konzeptionen transdisziplinärer und transformativer Forschung (Wagner and Grunwald 2015; Parodi et al. 2017; Wagner 2017). Sie werden als eine Forschungsinfrastruktur definiert, die nachhaltig, partizipativ, kooperativ, transdisziplinär und transformativ ist (Wagner and Grunwald 2015; Schäpke et al. 2017; BMWi 2019). Die Wissenschaft begibt sich mit einem Reallabor in gesellschaftlich bedeutsame, reale Veränderungsprozesse (Wagner and Grunwald 2015). Sie kann dabei gesellschaftliche Veränderungsprozesse wissenschaftlich begleiten, mitgestalten und in ihren Wirkungen erfassen. Dass mit dieser Methode verfolgte Ziel der Wissenschaft ist es, Transformationsforschung (ex post) und transformative Forschung (ex ante) zu betreiben.

Die Praxis kann durch Reallabore konkrete Problemlösungen und Inspiration in einem „fehlerfreundlichen“ Raum finden, wodurch sozial robustes Wissen mit gesellschaftlicher Wirkung erarbeitet werden kann (Nowotny 2000). Nicht zuletzt bieten Reallabore der Politik einen geschützten Raum zur Erprobung innovativer Wissenschaftsprodukte (BMWi 2019). Dadurch ermöglichen Reallabore insgesamt Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen zwischen Hochschulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen und freien Forschungsinstituten sowie zwischen Wirtschaft, Politik und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Regelmäßig stellen Verbraucherinnen und Verbraucher ein wichtiges und stark miteinzubeziehendes Element dar (Marquardt et al. 2017; BMWi 2019).

Der methodische Ansatz des Reallabors ist relativ neu, was mit besonderen Herausforderungen verbunden ist (Parodi et al. 2016). So fehlt es an vielen Stellen (noch) an spezifischen, elaborierten, bewährten und allgemeingültigen Methoden der Qualitätssicherung. Zudem ist das Ergebnis eines Reallabors oft vollkommen offen und hängt stark von dem Engagement der Akteure ab (Schäpke et al. 2017). Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass sich die darin agierenden Akteure „auf Augenhöhe “ begegnen und zusammen an einem gemeinsam definierten Ziel arbeiten (Schäpke et al. 2017). Dieses sollte zu Beginn mit allen Akteuren definiert werden (BMWi 2019). Eine ständige Reflexion und Koordination kann dabei einen entscheidenden Erfolgsindikator darstellen, da bisher vor allem Qualitätsindikatoren für ein erfolgreiches Reallabor fehlen (Schäpke et al. 2017). Ein langfristiges Ziel sollte die Übertragbarkeit, Skalierbarkeit und Verstetigung eines Reallabors sein (BMWi 2019).

2.2 Das RealLabor im SocialLab II

Vor dem Hintergrund der einleitend beschriebenen Problematik könnten Reallabore eine geeignete Methode sein, um den transformativen Prozess der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu beforschen und zu fördern. Das im SocialLab II entwickelte RealLabor bietet dabei einen durchaus einzigartigen, innovativen Ansatz, um Marktleistungen und Distributionsnetzwerke unter realen Bedingungen zu entwickeln, mitzugestalten und wissenschaftlich zu begleiten. Bislang gibt es im Forschungsgebiet der gesellschaftlichen Akzeptanz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung kaum einen vergleichbaren Ansatz der sogenannten partizipativen Open Innovation (Enkel 2018). Im Gegensatz zum Ansatz der Zukunftswerkstatt, die im SocialLab II als innovatives Diskussionsformat zur Erarbeitung gesellschaftlich akzeptierter Zukunftsbilder der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung erprobt wurde, liegt der Schwerpunkt des RealLabors auf der tatsächlich praktischen Umsetzung von Maßnahmen, die zuvor partizipativ entwickelt wurden. Das RealLabor geht also über die bloße inhaltliche Erarbeitung hinaus, indem es aktiv die Umsetzung dieser Ideen in realen Umgebungen verfolgt. Es geht also weniger um eine prospektive Diskussion, wie die Zukunft der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung aussehen könnte, sondern vielmehr um die aktive Entwicklung und Umsetzung wirksamer Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Praxis und den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das Ziel besteht darin, diese Maßnahmen nicht nur zu entwerfen, sondern auch in die Tat umzusetzen, um beispielsweise die Realisierung einer finanziell tragfähigeren und tierfreundlicheren landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu ermöglichen.

Das RealLabor als multidimensionaler Ansatz kann damit im Gegensatz zu Experimenten eine realistischere, sozial robuste Aussage über das tatsächliche Feldverhalten am PoS machen (Nowotny 2000). Dadurch liefert dieses auch Hinweise auf Prozessinnovationen, z. B. bei der Gestaltung von Verkaufsprozessen am PoS. Zudem bietet das RealLabor nicht nur die Möglichkeit, Verbraucherforschung in einer bestimmten Situation zu betreiben, sondern auch Veränderungs- und Distributionsprozesse zu begleiten, diese aktiv mitzugestalten sowie die Interaktion einzelner Akteure am PoS zu beobachten. Dabei sollen mittels der Methodik der vorbildorientierten Rekonstruktion und unter Einbezug relevanter gesellschaftlicher Akteure, innovative Marktleistungen unter realen Bedingungen getestet, weiterentwickelt und umfassend validiert werden.

Zur systematischen Entwicklung und prototypischen Erprobung innovativer Marktleistungen mit Hilfe des RealLabors hat man für das SocialLab II den folgenden Prozess durchlaufen:

  1. (1)

    In der Vorbereitung und Planung des RealLabors wurde zunächst eine engagierte Gruppe aus Kernakteuren identifiziert, die gemeinsame Ziele formulierten. Dabei wurden Netzwerke genutzt und etabliert, um Akteure gezielt einzubinden.

  2. (2)

    Mithilfe eines Prozess- und Konzept-Benchmarkings sowie von PoS-Expertise aus der Konsumgüterindustrie wurden zunächst bestehende, erfolgsversprechende Marketingkonzepte für innovative Marktleistungen wissenschaftlich durchdrungen. Diese wurden anschließend anhand des Konzeptes der vorbildorientierten Rekonstruktion zu einem innovativen Gesamtkonzept zusammengefügt.

  3. (3)

    Dieses innovative Gesamtkonzept wurde in iterativen Evaluationsrunden von Akteuren der Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft im Hinblick auf seine Marktreife optimiert.

  4. (4)

    Die Maßnahmen aus dem optimierten Marketingkonzept wurden daraufhin in die Umsetzung gebracht.

  5. (5)

    Die Zielerreichung durch die Marketingkonzeption und der darin enthaltenen Maßnahmen wird kontinuierlich anhand von quantitativen und qualitativen Daten beobachtet, um Auswirkungen und Entwicklungen zu identifizieren und die Maßnahmen im Hinblick auf die Zielerreichung zu optimieren.

3 Zwischenbericht aus dem RealLabor und Erfahrungswerte

Im Folgenden sollen einzelne Aspekte aus den Prozessschritten in Form eines „Zwischenberichts“ beschrieben werden. Anhand dieser Beschreibung sollen einige Erfahrungen dargestellt werden.

3.1 Infrastruktur des RealLabors

Ein Teil der Vorbereitung und Planung ist das gezielte Einbinden von Akteuren, die für das Ziel eines Reallabors relevant sind (BMWi 2019). Hierbei spielt vor allem zu Beginn des Vorhabens die politische und finanzielle Unterstützung eine wichtige Rolle, um die Möglichkeit zu erhalten, die Idee einer partizipativen, transformativen Forschungsinfrastruktur weiter zu verfolgen (BMWi 2019). Die einzelnen Akteure eines Reallabors können dabei in verschiedene Rollen differenziert werden (Abb. 1), je nach Art und Intensität der Einbindung in das Reallabor sowie in ihrem Informationsaustausch (BMWi 2019).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Akteure im RealLabor. Grün = Wissenschaftliche Akteure; Gelb = Gesellschaftliche Akteure; Blau = Praxisakteure. HHU = Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; IfV = Institut für Verbraucherwissenschaften; EBS = European Business School; CBS = Copenhagen Business School

Zunächst sind es Kernakteure, welche die Idee eines Reallabors aufgreifen und ausgestalten sowie einzelne Teilvorhaben umsetzen (BMWi 2019). Im RealLabor von SocialLab II wurde, wie eingangs beschrieben, die Gestaltung der Verbraucherkommunikation am PoS als ein zentraler Ansatzpunkt für eine Veränderungidentifiziert. Daher war, neben den Initiatorinnen und Initiatoren aus der Wissenschaft, der Lebensmitteleinzelhandel als ein Kernakteur im RealLabor schnell definiert. So konnte die EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG für das Projekt gewonnen werden, die zusammen mit der EDEKA Rhein-Ruhr Stiftung & Co. KG teilnimmt und 10 Märkte zur Verfügung stellt, um das RealLabor in der Realität umzusetzen. Darüber hinaus liefern aktiv Mitwirkende Dienste, Bestandteile und Zugang zu zentralen Elementen des Reallabors und deren Umsetzung (BMWi 2019). Sie können durch punktuell Beteiligte unterstützt werden, die das Projekt oder Teilvorhaben positiv begleiten (BMWi 2019). Prinzipiell ist ein Reallabor in seiner Umwelt als ein in der Realität stattfindendes Projekt eingebunden, wird durch diese beobachtet und nimmt passiv daran teil (BMWi 2019).

Eine weitaus schwierigere Aufgabe besteht darin, die Gesellschaft als zentrales Element mit in den partizipativen Charakter des RealLabors einzubeziehen. Entsprechend stellte sich die Frage, wie man die Gesellschaft bereits in der Konzeptionsphase effektiv und effizient in das Projekt als Kernakteur einbinden kann. Es gibt methodische Ansätze zur Partizipation und Bürgerbeteiligung, um Innovationsprozesse mitzugestalten (Nanz and Fritsche 2012). Regelmäßig stattfindende Befragungen in Form eines Bürgerpanels mit repräsentativer Stichprobe erschienen angesichts des angestrebten partizipativen Charakters jedoch wenig zweckmäßig, da Ideen und Konzepte anhand von Skalen nicht diskutiert und offene Antworten von ca. 1.000 Befragten nicht effizient für einen dynamischen Austausch strukturiert werden können. Demzufolge orientierte man sich an der Methode des Bürgerrats (engl.: Wisdom Council; Nanz and Fritsche 2012), um die öffentliche Meinung zu einer Stimme zu bündeln. Der daraus resultierende Verbraucherbeirat des RealLabors sollte dabei, ähnlich wie ein Bürgerrat, aus einer Gruppe von 10 ausgewählten Teilnehmenden bestehen. Durch eine Moderation sollten diese ihre Meinung bündeln und Vorschläge und Ideen für die Umsetzungen im RealLabor evaluieren. Die Moderation sollte als Vertretung des Verbraucherbeirates die Meinungsergebnisse in die Diskussionen mit den Kernakteuren einbringen.

Für die Moderation und Organisation des Verbraucherbeirates wurde das Institut für Verbraucherwissenschaften (IfV) als Kernakteur eingesetzt. Dabei wurde das IfV von der Verbraucherzentrale NRW unterstützt, da diese von Verbraucherinnen und Verbrauchern als überaus vertrauensvolle Institution betrachtet wird (BfR 2022). Die Verbraucherzentrale NRW wurde auch als Vertretung für die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Evaluation- und Austauschprozesse als Verstärkung der gesellschaftlichen Position eingebunden.

Für den Verbraucherbeirat wurden 10 Personen gewonnen, deren Aufgabe darin besteht, die geplanten Maßnahmen im RealLabor – stellvertretend für die Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher – zu beurteilen und den aktuellen Projektzwischenstand zu diskutieren. Die Mitglieder werden für ihre Teilnahme vergütet und entsprechend der Methodik der Reallabore frühzeitig in das Projekt eingebunden. Für die Zusammensetzung des Verbraucherbeirates wurden im Vorfeld Kriterien definiert, damit dieser ein breites Spektrum der relevanten Verbraucherinnen und Verbraucher abbildet. Zudem wurde bei der Akquisition darauf geachtet, eine möglichst soziodemografisch heterogene Gruppe zusammenzustellen, unter anderem in den Dimensionen Alter, Geschlecht, Familienstand und Einkommen. Dementsprechend wurden die Mitglieder anhand folgender Klassifizierung selektiert:

  • Ein Teil der Ratsmitglieder (3 Personen) sollte sich für eine bessere landwirtschaftliche Nutztierhaltung interessieren und die verschiedenen Haltungsformen (Haltungsform.de 2021) bereits kennen.

  • Ein Teil der Ratsmitglieder (3 Personen) sollte sich für eine bessere landwirtschaftliche Nutztierhaltung interessieren, jedoch die verschiedenen Haltungsformen nicht oder kaum kennen.

  • Ein Teil der Ratsmitglieder (4 Personen) sollte sich nicht oder nur gering für eine bessere landwirtschaftliche Nutztierhaltung und die Haltungsformen interessieren.

Anhand eines Online-Bewerbungsbogens wurden Teilnehmende über verschiedene Netzwerke, wie beispielsweise einen internen Probandenpool, verschiedene universitäre Verteiler für Studierende und Sekretariate sowie Netzwerke der aktiv beteiligten Akteure, rekrutiert. Im Rahmen der Akquise wurden sowohl soziodemografische Variablen als auch Informationen zum Haushalt erfasst (z. B. Einkommen, Zusammensetzung und Hauptverantwortung für Einkäufe). Ebenso wurden Angaben zur Teilnahmemotivation, zur Ernährungsweise und zum Einkaufsverhalten erfragt, um die Teilnehmenden anhand ihrer Einstellung zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auswählen zu können.

Von insgesamt 37 Bewerbungen wurden 10 Mitglieder für den Verbraucherbeirat ausgewählt (Abb. 2). Die Geschlechterverteilung lag bei 60 % weiblich und 40 % männlich, wobei die Hälfte unter 30 Jahre alt war. Es ergab sich eine gedrittelte Verteilung über das Haushaltsnettoeinkommen und unterschiedlich zusammengesetzte Haushalte. 30 % beschrieben sich als Flexitarier. Die meisten konsumieren mehrmals pro Woche Fleisch.

Abb. 2
figure 2

Ausgewählte Angaben zur Zusammensetzung des Verbraucherbeirates

figure a

3.2 Marketingkonzeption

Zur Strukturierung der Ziele, Strategien und Maßnahmen wurde eine etablierte Vorgehensweise des entscheidungsorientierten Marketings verwendet (Meffert et al. 2019). Die entsprechenden Elemente strukturieren sich in die Situationsanalyse, die Definition der Marketingziele, die Auswahl der Marketingstrategie sowie den klassischen Marketing-Mix, der wiederum in Maßnahmen zum Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation gegliedert werden kann (Meffert et al. 2019). Ergänzend wurden die Maßnahmen im Rahmen des RealLabors auf den spezifischen Handelskontext (Ottenjann 1996; Ahlert et al. 2018) erweitert, sodass zusätzliche Elemente aus der Personal- und Präsentationspolitik integriert wurden. Daran anschließend erfolgt im Rahmen des Marketingmanagementprozesses die Marketing-Implementierung und das Marketing-Controlling (Meffert et al. 2019).

3.2.1 Marketingziele – gemeinsame Sache

Im RealLabor fanden die Situationsanalyse und die Definition der Marketingziele parallel statt, da es insbesondere zu Beginn eines Reallabors zweckmäßig ist, mit allen beteiligten Akteuren die Zielsetzung gemeinsam festzulegen und zu formulieren (BMWi 2019). Entsprechend sollte jeder Akteur zu Beginn seine Erwartungen, Impulse und Wünsche in das Projekt einbringen können. Wichtig war es dabei, dass sich Akteure „auf Augenhöhe“ begegnen und Erwartungen klar kommuniziert werden. Insbesondere in Abstimmungsprozessen mit teilweise konträren Meinungen war hier der wissenschaftliche Kernakteur im Rahmen des RealLabors als Moderator besonders wichtig. Er konstruiert und steuert das Reallabor als Plattform, an der die anderen Akteure partizipieren (Niehaves 2019). Im Ergebnis bestand und besteht das durch die Akteure gemeinsam definierte Ziel des RealLabors darin, durch eine Differenzierung über eine innovative Marketingkonzeption das Kaufverhalten derart zu verändern, dass die Marktanteile der Produkte in HaltungsformFootnote 1 (HF) 3 und HF 4 innerhalb des Projektzeitraums signifikant erhöht werden.

Verschiedene Lebensmitteleinzelhändler haben bereits einen Haltungsformwechsel in ihrem Sortiment angekündigt (z. B. ALDI Einkauf SE & Co. oHG; Pressestelle Lidl Deutschland 2021). Dies dürfte dazu führen, dass Produkte der Haltungsform (HF) 3 langfristig ohnehin einen höheren Marktanteil verzeichnen. Gleichwohl ist es Ziel des RealLabors, eine entsprechende Kaufverhaltensveränderung zu erzielen und Verbraucherinnen und Verbraucher in diesen transformativen Prozess von Beginn an zu integrieren. So soll möglichst gesichert werden, dass die Wahl für HF 3 oder HF 4 Produkte langfristig mit einer bewussten Verhaltensänderung einhergeht. Dadurch soll unter anderem das Risiko vermindert werden, dass günstigere Alternativangebote aus dem Ausland mit nicht kontrollierbaren Haltungsbedingungen das neu entstandene Marktniveau untergraben könnten (Initiative Tierwohl 2022; Adkins and Kollenda 2023). Eine langfristige Veränderung des Konsumverhaltens scheint dabei ausschlaggebend, indem trotz günstigerer Alternativangebote (HF 1, HF 2 oder keine Haltungsformangaben) die Wahl bereits bewusst für HF 3 und HF 4 getroffen wird.

3.2.2 Situationsanalyse – Benchmarking

Um geeignete Maßnahmen zu identifizieren, die anschließend in einem Prozess der vorbildorientierten Rekonstruktion zu einem innovativen Marketingkonzept zusammengeführt werden konnten, wurde ein Benchmarking durchgeführt (Ottenjann 1996; Ahlert et al. 2018). Zur strukturierten Sammlung erfolgreicher Maßnahmen wurde zunächst eine allgemeine Branchenübersicht erstellt. Nach einer ersten Sammlung mit Fokus auf nachhaltige Unternehmen bzw. Produkte wurde das Suchfeld auf die Fast Moving Consumer Goods (FMCG) Branchen wie Lebensmittel, Textil und Kosmetika eingegrenzt. Innerhalb der Lebensmittelbranche wurde eine Übersicht von Produktkategorien erstellt, die dann auf erfolgreiche Maßnahmen systematisch untersucht wurden. Diese wurden sodann in vier Bereiche strukturiert: Ladenlayout, Wirkungsebene, Kommunikationsfokus und Warenpräsentation. Potenzielle Benchmarks mussten dabei drei Kriterien erfüllen: Erfolg, Innovation und Übertragbarkeit auf das RealLabor. Die Maßnahmen wurden anschließend systematisiert und zu potenziell geeigneten Marketingkonzepten zusammengeführt. Ein Großteil der extrahierten Maßnahmen eignete sich dabei vor allem für die Steigerung der Bekanntheit entsprechender Produkte in der Einführungsphase.

3.2.3 Marketingstrategie

Aus der oben genannten Zielsetzung ergaben sich 3 strategisch relevante Kundengruppen, die durch die innovative Marketingkonzeption angesprochen werden können und insbesondere in dem beschriebenen Transformationsprozess integriert werden sollen. Im Fokus stehen Gruppen, die Fleisch- und Wurstwaren kaufen, jedoch nicht aus der HF 3. Entsprechend sollten insbesondere Personen adressiert werden, die derzeit Produkte der HF 1 oder HF 2 nachfragen („Uptrading“). Ferner können Gruppen beachtet werden, die bisher „Bio“-Produkte aus anderen Warengruppen, jedoch noch keine Produkte mit höherer Haltungsformkennzeichnung kaufen oder Personen, die bereits Produkte aus der HF 3 und HF 4 kaufen und zum Wiederkauf angeregt werden sollen. Da diese beiden Gruppen potenziell einen eher geringen Anteil an der Grundgesamtheit ausmachen (knapp 7 %; Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. 2022), werden diese jedoch nicht primär fokussiert.

Grundsätzlich sollen mit den Maßnahmen aus der Marketingkonzeption haushaltsführende Verbraucherinnen und Verbraucher angesprochen werden, die für den täglichen Kochbedarf zuständig sind (Flagg et al. 2014). Eine wichtige Kundengruppe stellen dabei Familien dar (Marshall 2014). Zudem wurde berücksichtigt, dass der Einkauf oft unter Zeitdruck geschieht (Aylott and Mitchell 1998).

3.2.4 Marketingmaßnahmen

Im Rahmen des Benchmarkings und der anschließenden Erstellung des Marketingkonzepts ließen sich 2 generelle Ansätze erkennen, die eine unterschiedliche Sichtweise auf Verbraucherinnen und Verbraucher einnehmen und insofern unterschiedliche Verbrauchertypen unterstellen:

  1. (1)

    Der „kognitive“ Ansatz: Verbraucherinnen und Verbraucher werden über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung transparent aufgeklärt und sollen basierend auf diesen Informationen selbstständig eine Kaufentscheidung treffen.

  2. (2)

    Der „emotionale“ Ansatz: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen kognitiv entlastet und bei der Kaufentscheidung durch den Lebensmitteleinzelhändler „an die Hand genommen“ werden.

Diese beiden Ansätze wurden mit spezifischen Marketingmaßnahmen umgesetzt und im Rahmen des RealLabors getestet. Im Allgemeinen sollten am PoS möglichst symbolische Informationen vorhanden sein, die zumindest die zentralen Aspekte der Haltungsform (Haltungsform.de 2021) verdeutlichen. Am PoS wäre es somit sinnvoll, die Informationslast zu minimieren, jedoch gleichzeitig im Nachgang die Möglichkeit zur Verfügung zu stellen, detaillierte Informationen bei Bedarf zu erhalten.

Demzufolge sollten am PoS visuelle Elemente wie Aufkleber, Aufsteller, Flyer, Roll-Ups, Displaybanner oder Plakate für die reduzierte, plakative Darstellung eingesetzt werden (Abb. 3). Wichtig war, diese Informationen so einfach wie möglich zu gestalten und auf weiterführende Informationen (z. B. auf der Webseite) zu verweisen. Zudem sollten mehrere Aspekte zusammen kommuniziert werden, wie z. B. Tierwohl in Kombination mit sozialer Nachhaltigkeit. Zur Selektion der beworbenen Aspekte konnten Kriterien aus vorangegangenen Studien genutzt werden (von Meyer-Höfer et al. 2019).

Abb. 3
figure 3

Beispiele für Maßnahmen im RealLabor. Die abgebildeten Maßnahmen sind Displaybanner, die im Rahmen des kognitiven (links) und emotionalen (rechts) Ansatzes platziert werden

Zudem sollten die Maßnahmen idealerweise einen hohen Wiedererkennungswert sowie eine einfache und ansprechende Gestaltung haben, wobei eine Assoziation mit eventuell zuvor kommunizierten, aufklärenden Informationen vorteilhaft ist. Grundsätzlich sollte eine einheitliche Gestaltung angestrebt werden, um einen Wiedererkennungswert zu erzielen.

figure b

3.3 Evaluationsrunden

Neben einer gemeinsamen Zielsetzung ist ein guter, konstruktiver und regelmäßiger Austausch zwischen den Akteuren wichtig, um deren engagierte Beteiligung zu fördern (BMWi 2019). Dieser Austausch dient nicht nur zur Abstimmung operativer Aspekte, sondern auch zur kontinuierlichen, methodischen Reflexion (Ministerium für Wissenschaft Forschung und Kunst 2013). Dabei ist die Intensität des Austauschs von der Rolle des jeweiligen Akteurs abhängig und kann über den Projektverlauf variieren. Zwischen den Kernakteuren findet grundsätzlich ein intensiverer Austausch statt, der hauptverantwortlich durch die Projektleitung der wissenschaftlichen Akteure gesteuert wird. In Statusberichten je nach relevanten Ereignissen werden alle oder nur einzelne Kernakteure von der Projektleitung über einen akuten Abstimmungsbedarf oder zum Informationsaustausch informiert.

Ebenfalls wurden in viertel- oder halbjährlichen RealLabor-Treffen relevante Zwischenergebnisse mit aktiv Mitwirkenden geteilt. Diese Treffen dienen der Projekt- und Maßnahmenevaluation. Laufende Prozesse können so nachgesteuert werden. Bei den Treffen sollte jeder die Möglichkeit erhalten, seine Meinung und Einschätzung zu den Aspekten einbringen zu können. Die Projektleitung hat bei diesen Treffen erneut eine koordinierende, moderierende Funktion und versucht die diskutierten Argumente zusammenzufassen, zu strukturieren und Bearbeitungsaufträge daraus abzuleiten. Parallel dazu werden mit punktuell Beteiligten je nach Bedarf Treffen zum Austausch über das Gesamtprojekt oder um konkrete Prozessschritte sowie für Feedbacks zum RealLabor durchgeführt.

Vor den RealLabor-Treffen findet die Evaluation separat innerhalb des Verbraucherbeirates statt, sodass dessen Meinung durch das IfV als Vertretung in die RealLabor-Treffen eingebracht werden kann. Ein direkter diskursiver Austausch mit allen Teilnehmenden aus dem Verbraucherbeirat und den anderen Kernakteuren erschien bei solch großen Gruppen aufgrund sozial-psychologischer Phänomene in dominierten Gruppen (Asch 1951; Marquis 1968; Jones Jr 1973), wenig geeignet und wünschenswert. Beispielsweise nahm die Projektleitung an den Verbraucherbeiratstreffen nicht teil, nachdem sie die aus dem Benchmarking entwickelten Ideen zu möglichen Marketingmaßnahmen im Verbraucherbeirat vorgestellt hatten, um die Diskussion nicht zu hemmen.

Während der COVID-19-Pandemie erwiesen sich digitale Formate wie Videokonferenzen für den Austausch mit den Akteuren als durchaus praktikabel. Gleichwohl sollte beachtet werden, dass eine entsprechende Anforderung bei der Auswahl der Beteiligten einen etwaigen Ausschluss bestimmter Gruppen bzw. eine Bevorzugung anderer zufolge gehabt haben könnte. Es zeigte sich aber, dass trotz voraussichtlich intensiverem Austausch bei persönlichen Treffen vor Ort eine digitale Infrastruktur mit Verbraucherinnen und Verbrauchern relativ schnell und mit nur wenigen Herausforderungen aufgebaut werden konnte. Auch für schnellere Evaluations- und Abstimmungsrunden, bei denen kurzfristig keine gemeinsamen Treffen in größeren Gruppen vereinbart werden konnten, zeigte sich, dass Online-Fragebögen mit offenen Antwortfeldern durchaus ausreichend Feedback generieren können. Bei einer relativ überschaubaren Anzahl an Teilnehmenden können die erfassten Antworten zielführend ausgewertet werden. Zudem erlauben sie bei Bedarf auch eine anonymisierte Erfassung des Feedbacks, was insbesondere kritische Kommentare anregen und sogenanntes Non-Complaining (Bodey and Grace 2007) vermeiden kann.

figure c

3.4 Umsetzung und Kontrolle des RealLabors

Im Hinblick auf die Umsetzung und Kontrolle des RealLabors ist es wichtig, frühzeitig zu definieren, welche Faktoren den möglichen Erfolg der Maßnahmen beeinflussen und welche Parameter eine Überprüfung des Erfolgs erlauben. Idealerweise unterscheidet sich bei einem Vergleich zwischen 2 Maßnahmen nur der relevante Parameter. Das heißt, im Falle des RealLabors ist nur die Maßnahme zwischen zwei Märkten unterschiedlich und alle anderen Umgebungsfaktoren sind genau gleich. Da Reallabore jedoch in der Realität stattfinden, können nicht alle Umgebungsfaktoren und natürlichen Bedingungen identisch sein und unerwartet auftretende Störfaktoren – wie beispielsweise konjunkturelle Schwankungen – nicht ohne Weiteres kontrolliert werden. Umso wichtiger ist es, idealerweise an mehreren Standorten des Reallabors die gleichen Maßnahmen durchzuführen, um zu prüfen, ob diese auch an unterschiedlichen Orten ähnliche Effekte erzielen können. Im RealLabor werden hierfür 10 SB-Warenhäuser bzw. Verbrauchermärkte genutzt, in denen gleichermaßen entsprechend der beiden genannten Ansätze differenzierte Maßnahmen durchgeführt werden.

Bei der Standortwahl der Märkte wurde auf verschiedene quantifizierbare Aspekte geachtet, um trotz der gegebenen Unterschiede eine möglichst hohe Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Unter anderem wurde geprüft, ob eine Umsetzung der Maßnahmen angesichts der räumlichen Bedingungen möglich ist und ob weitgehend ähnliche Gegebenheiten, wie Bedientheken und Kundenkontaktflächen vorhanden sind. Des Weiteren wurde geprüft, ob beispielsweise die Lage und die Kundenstruktur in etwa vergleichbar waren. Anhand dieser und weiterer Aspekte wurden dann jeweils 2 ähnliche Märkte als Vergleichsmärkte gruppiert, die jeweils zu einem der beiden Ansätze zugeordnet wurden.

Um die Umsetzung vor Ort zu gewährleisten und erneut Feedback zu den Maßnahmen direkt aus dem RealLabor-Markt zu erhalten, wurde in Analogie zum Verbraucherbeirat ein Marktbeirat eingesetzt. Hierzu wurde aus jedem beteiligten Markt eine Person von den Beschäftigten ausgewählt. Ziel dieser Organisation war es, durch die Marktbeiratsmitglieder die Umsetzung der Maßnahmen zu gewährleisten, die Praktikabilität der Maßnahmen zu beurteilen sowie direktes Feedback aus den RealLabor-Standorten zu erhalten. Die Aufgaben des Marktbeirates sind Vorbereitung der Artikel, Prüfung der Maßnahmen sowie Nachbestellung der Werbemittel und der Regalpflege. Dadurch können Ereignisse in den RealLabor-Märkten täglich geprüft und dokumentiert werden, um möglichst frühzeitig auf Probleme zu reagieren.

Insbesondere zur Prüfung möglicher Ursachen für die Veränderung der Zielparameter ist die Identifizierung geeigneter Vergleichsgrößen wichtig. Um dies zu gewährleisten sollten im RealLabor verschiedene Vergleiche gezogen werden, um mögliche Ursachen einer etwaigen Erhöhung der Marktanteile der HF 3 zu prüfen. Konkret wurden die folgenden Vergleiche innerhalb und zwischen den Märkten berechnet:

  1. (1)

    Ein intertemporaler Vergleich innerhalb eines Testmarktes

  2. (2)

    Ein intratemporaler Vergleich auf Mikro-Ebene mit dem als ähnlich zugeordneten Testmarkt sowie

  3. (3)

    Ein intratemporaler Vergleich auf Makro-Ebene mit dem Durchschnitt aller Märkte.

In regelmäßigen Abständen sollen mögliche Effekte quantifiziert werden. Dazu werden verschiedene Informationen herangezogen, um eventuelle Entwicklungen aufzuzeigen, wie beispielsweise Absatz- und Umsatzdaten aus dem Bereich der unverarbeiteten (und verarbeiteten) Fleischware sowie anderen, ähnlichen Segmenten. Zusätzlich wäre es denkbar weitere Informationen anhand von persönlicher Datenerfassung vor Ort vorzunehmen, z. B. durch eine manuelle Zählung der verkauften Artikel oder Befragungen der Kundschaft. Grundsätzlich wäre es ebenso denkbar, eine Art Feedback-Option für das Marktpersonal einzubauen.

figure d

4 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Reallabor eine vielversprechende Methode für die Transformation zur systematischen Entwicklung und prototypischen Erprobung innovativer Marktleistungen für nachhaltigeren Konsum darstellt. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen aus dem RealLabor lassen sich die folgenden, ersten Erkenntnisse gewinnen, die zum Gelingen eines Reallabors beitragen könnten:

  1. (1)

    Infrastruktur des Reallabors: Die gezielte, partizipative Einbindung aller wesentlicher Akteure (Kernakteure, aktiv Beteiligte und punktuell Beteiligte) in der Vorbereitungs- und Planungsphase ist ausschlaggebend für den weiteren Verlauf und damit auch den organisatorischen Erfolg des Reallabors („Grundsatz der gezielten Partizipation“). Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Integration der Gesellschaft, als zentrales, wichtiges und stark miteinzubeziehendes Element, dar. Dies ist ebenfalls frühzeitig durch geeignete Methoden zu berücksichtigen. Können wichtige Akteure nicht ganzheitlich integriert werden, sollte man hilfsweise Vertretungsgruppen bilden, die durch vertrauenswürdige Institutionen beim Einbringen ihrer Standpunkte unterstützt werden.

  2. (2)

    Methodische Strukturen: Da die Methodik der Reallabore bis dato kaum standardisiert ist, sollte bei der strukturierten Erarbeitung der Inhalte des Reallabors auf bereits bekannte Methoden zurückgegriffen werden („Grundsatz der methodischen Analogie“). Diese können dabei je nach Zielstellung an das Reallabor angepasst oder verfeinert werden. Die Zielstellung des Reallabors sollte dabei zuvor gemeinsam durch die Akteure formuliert werden, die sich dabei auf Augenhöhe begegnen und ihre Erwartungen klar kommunizieren. Durch die gemeinsam erarbeitete Zielstellung ergibt sich eine strukturgebende Richtung, die darauffolgende Schritte klar definiert.

  3. (3)

    Iterative Evaluationsrunden: Da das Reallabor stets durch die Umwelt sowie unvorhersehbare Ereignisse beeinflusst wird, sind im Laufe der Umsetzung trotz eines klar definierten Ziels voraussichtlich Anpassungen notwendig („Grundsatz der Hermeneutik“). Daher ist ein guter, konstruktiver und regelmäßiger Austausch zu operativen Aspekten sowie zur methodischen Reflexion zwischen allen beteiligten Akteuren wichtig. Durch diesen kontinuierlichen Austausch wird zudem das Engagement jedes Akteurs gefördert und eine frühzeitige Reaktion auf Probleme ermöglicht.

  4. (4)

    Umsetzung und Kontrolle: Die Wahl der Standorte für das Reallabor sollte möglichst nach quantifizierbaren Kriterien erfolgen, um eine Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit der Standorte zu gewährleisten („Grundsatz der Redundanz“). Die Zielerreichung sollte dabei kontinuierlich anhand von quantitativen und qualitativen Daten beobachtet werden, um Auswirkungen und Entwicklungen zu identifizieren und die Maßnahmen im Hinblick auf die Zielerreichung zu optimieren. In diesem Zuge müssen geeignete Vergleichsgrößen festgelegt werden, die eine relative Veränderungsbeschreibung ermöglichen, um Effekte der Maßnahmen überhaupt identifizieren zu können („Grundsatz der Zurechenbarkeit“).