4.1 Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV

Automatisierte Fahrzeuge sollen nicht nur menschliches Versagen im Straßenverkehr, Energieverbrauch und Emissionen reduzieren, sondern auch die Produktivität von Nutzerinnen und Nutzern steigern, deren Fahrkomfort erhöhen und die Mobilität von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen verbessern (Gkartzonikas und Gkritza 2019). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass das Angebot eines automatisierten öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auch Chancen für die Betreiber eines ÖPNV und für die betroffenen Städte und Kommunen bietet (Perret et al. 2018). Die Prämisse dieses Kapitels ist, dass das Angebot eines automatisierten ÖPNV nur dann erfolgreich eingeführt und betrieben werden kann, wenn es von (zukünftigen) Nutzerinnen und Nutzer akzeptiert wird. Erst durch ein attraktives Angebot eines automatisierten ÖPNV, das von Menschen akzeptiert und schließlich genutzt wird, werden die Transformation der Mobilität durch die Integration automatisierter Fahrzeuge ermöglicht und somit ökonomische, soziale und ökologische Potenziale im Mobilitätssektor realisiert.

Die Inhalte in diesem Kapitel behandeln die Leitfrage: „Unter welchen Rahmenbedingungen wird die Nutzung eines automatisieren ÖPNV attraktiv für Menschen?“ Dazu wird zunächst der Begriff der Technologieakzeptanz definiert und im Anschluss auf die Attraktivität eines automatisierten ÖPNV aus der Perspektive von (zukünftigen) Nutzerinnen und Nutzern eingegangen. Es wird erläutert, unter welchen Rahmenbedingungen welche Menschen bereit sind, auf die Bequemlichkeit des eigenen Autos zu verzichten und stattdessen einen automatisierten ÖPNV zu wählen. Abschließend werden Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität eines automatisierten ÖPNV diskutiert.

4.1.1 Technologieakzeptanz

Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der wissenschaftlichen Literatur hat sich bislang keine eindeutige Definition des Begriffs (Technologie-)Akzeptanz durchgesetzt. Dies zeigt sich auch in der (häufigen synonymen Verwendung) der Begriffe Akzeptanz, Intention (zur Nutzung), Zahlungsbereitschaft, Nutzung und Adoption. Im Folgenden wird der Begriff (Technologie-)Akzeptanz für dieses Kapitel definiert.

Der Prozess der Integration eines Produktes oder Services in den Alltag von Nutzerinnen und Nutzern, der mit dem Aufmerksam-Werden auf ein Produkt oder einen Service beginnt und mit der vollständigen Nutzung des Produkts oder Services durch Nutzerinnen und Nutzer endet, wird von Renaud und van Biljon (2008) als Technologieadoption definiert. Im Zuge dessen beschreiben die Autoren die Technologieakzeptanz als relevanten Prozess hin zur vollständigen Technologieadoption. Distler et al. (2018) beschreiben Technologieakzeptanz als Wahrnehmung eines Produktes oder Services nach der Nutzung durch Menschen. Somit beschreibt das beobachtbare Verhalten von Menschen bei der (Nicht-)Nutzung eines Produktes oder Services die Technologieakzeptanz (Walter 2021, S. 28). In Modellen zur Erklärung der Nutzung neuer Produkte und Services wird häufig die Verhaltensintention zur Beschreibung der Technologieakzeptanz herangezogen, wenn diese nach einer tatsächlichen Interaktion von Nutzerinnen und Nutzern mit dem untersuchten Produkt oder Service erhoben wird. Auch zur Erklärung der Akzeptanz von automatisierten Fahrzeugen werden in der wissenschaftlichen Literatur solche Modelle eingesetzt, u. a. die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen 1991), das Technologie-Akzeptanz-Modell (Davis 1989) oder die einheitliche Theorie der Akzeptanz und Nutzung von Technologie (Venkatesh et al. 2003).

Die Beschäftigung mit Technologieakzeptanz als „das beobachtete Verhalten bei der (Nicht-)Nutzung eines Produktes oder Services“ (Walter 2021) führt zu Motiven bzw. Einstellungen von Menschen, die eine (Nicht-)Nutzung beeinflussen. Die oben eingeführten Modelle zur Erklärung von Technologieakzeptanz dienen oft als Grundlage zur Erforschung ebendieser Motive. Einen Überblick über relevante Studien im Bereich der Akzeptanzforschung von automatisierten Fahrzeugen bietet bspw. Benleulmi und Ramdani (2022). Menschliche Motive zur (Nicht-)Nutzung von Verkehrsmitteln, die wiederum das beobachtbare Verhalten von Menschen zur (Nicht-)Nutzung eines bestimmten Verkehrsmittels beeinflussen, liefern wichtige Rückschlüsse zur Erklärung der Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV.

Technologieakzeptanz beschreibt das beobachtbare Verhalten von Menschen bei der (Nicht-)Nutzung eines Produktes oder Services. Somit ist Technologieakzeptanz Teil des Prozesses der Integration eines Produktes oder Services in den Alltag von Nutzerinnen und Nutzern, der mit dem Aufmerksam-Werden auf ein Produkt oder einen Service beginnt und mit der vollständigen Nutzung des Produkts oder Services durch Nutzerinnen und Nutzern endet.

4.1.2 Motive der Verkehrsmittelwahl

Menschen entscheiden sich für oder gegen die Nutzung eines Verkehrsmittels auf der Basis von individuellen Gründen bzw. Motiven. Es existiert eine Vielzahl von theoretisch hergeleiteten und empirisch aufgedeckten Motiven in Hinblick auf die Nutzung bestimmter Verkehrsmittel. Um zu verstehen, warum Menschen ein spezifisches Verkehrsmittel wählen, werden in diesem Unterkapitel Motive der Verkehrsmittelwahl klassifiziert und beschrieben. Daraus können erste Erkenntnisse zur Beantwortung der folgenden Leitfragen des Unterkapitels gewonnen werden: Welche Motive haben Menschen, einen automatisierten ÖPNV zu nutzen? Und welche Motive stehen der Wahl eines automatisierten ÖPNV zugunsten eines alternativen Verkehrsmittels entgegen?

Motive von Menschen zur Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels können in instrumentale, affektive und symbolische Motive klassifiziert werden. Diese Klassifizierung geht zurück auf das Modell des materiellen Besitzes von Dittmar (1992), das bereits im Kontext der Nutzung von Verkehrsmitteln Anwendung fand (Steg et al. 2001; Steg 2005). Demnach erfüllt ein Verkehrsmittel instrumentale Funktionen (wie bspw. eine gewisse Flexibilität oder Geschwindigkeit zur Zielerreichung), symbolische Funktionen (wie bspw. den Ausdruck eines sozialen Status innerhalb einer Gesellschaft) und affektive Funktionen (wie bspw. Emotionen, die durch die Fahrt mit dem Verkehrsmittel ausgelöst werden) (Steg 2005). Eine Zusammenfassung von Motiven der Verkehrsmittelwahl, die die Verhaltensintention und Akzeptanz zur (Nicht-)Nutzung von automatisierten Fahrzeugen beeinflussen, ist in Abb. 4.1 dargestellt.

Abb. 4.1
figure 1

(Angelehnt an Benleulmi und Ramdani 2022, Übersetzung durch die Autoren)

Modell der Technologieakzeptanz eines automatisierten ÖPNV.

Im Folgenden werden die dargestellten Motive der Verkehrsmittelwahl beschrieben.

Instrumentale Motive

Instrumentale Motive der Verkehrsmittelwahl beziehen sich auf die Eigenschaften von Verkehrsmitteln, als Mittel für einen bestimmten Zweck zu dienen. Hierbei stehen die spezifischen Kosten und der spezifische Nutzen eines Verkehrsmittels für ein Individuum im Vordergrund. Anhand von spezifischen Vor- und Nachteilen eines Verkehrsmittels bilden Individuen einen Trade-Off zwischen wahrgenommenen Kosten und Nutzen und entwickeln dadurch eine Präferenz für ein bestimmtes Verkehrsmittel (Steg et al. 2001). Neben monetären Kosten sind beispielsweise Verfügbarkeit, Flexibilität, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit, Transportmöglichkeit, Sicherheit und Komfort instrumentale Motive der Verkehrsmittelwahl (Anable und Gatersleben 2005; Jakobsson 2007; Steg 2005). Ein Mensch könnte beispielsweise den individuellen Pkw vor alternativen Verkehrsmitteln bevorzugen, weil es für sie/ihn ein zuverlässiges und flexibles Verkehrsmittel ist, um vom Wohnort zum entfernten Arbeitsplatz zu kommen (Lenz und Fraedrich 2015). Zur Verdeutlichung der individuellen Abwägung zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln anhand von instrumentalen Motiven werden in Abb. 4.2 einige in der in der Literatur identifizierten, wahrgenommenen Vor- und Nachteile des privaten Pkws und des ÖPNV zusammengefasst.

Abb. 4.2
figure 2

(Eigene Darstellung, angelehnt an Beirão und Sarsfield Cabral 2007; Hagman 2003; Jakobsson 2007; Steg 2003)

Vorteile und Nachteile der Verkehrsmittel „privater Pkw“ und „ÖPNV“.

In der Literatur werden viele Motive beschrieben, die unter dem Begriff der instrumentalen Motive fallen. Von besonderer Relevanz sind dabei zwei Klassen von instrumentalen Motiven: Leistungserwartung und Aufwandserwartung (Benleulmi und Ramdani 2022).

Die Motivklasse der Leistungserwartung bezieht sich auf das Ausmaß, in dem (zukünftige) Nutzerinnen und Nutzer eines automatisierten ÖPNV glauben, dass die Nutzung dieses Verkehrsmittels vorteilhaft für sie ist (Venkatesh et al. 2012). Somit müssen (zukünftige) Nutzerinnen und Nutzer eines automatisierten ÖPNV von dessen Vorteilen überzeugt sein, um diesen zu nutzen. Dabei sind die wahrgenommenen Vorteile individuell verschieden, jedoch werden in der Literatur charakteristische Vorteile eines (automatisierten) ÖPNV genannt, wie bspw. eine erhöhte Produktivität während der Fahrt, ein Zugewinn an Komfort und Flexibilität (Yuen et al. 2022), die aus dessen Nutzung resultieren. Demgegenüber bezieht sich die Aufwandserwartung auf das Ausmaß, in dem die Nutzung eines automatisierten ÖPVN einfach für Nutzerinnen und Nutzer ist. Die Einfachheit der Buchung einer Fahrt mit einem automatisierten ÖPNV ist ein Beispiel für eine Aufwandserwartung, die Nutzerinnen und Nutzer gegenüber dem Verkehrsmittel haben können. Die Aufwandserwartung kann somit auch als Einfachheit der Realisierung der Leistungserwartungen beschrieben werden. Gerade in der Einführungsphase eines automatisierten ÖPNV sollte dieses Motiv zur Nutzung des Verkehrsmittels nicht unterschätzt werden, weil die Nutzung des Verkehrsangebots zunächst von Nutzerinnen und Nutzern erlernt werden muss, was einen zusätzlichen Aufwand für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet (Zang et al. 2019).

Symbolische Motive

Symbolische Motive entstehen aus symbolischen Funktionen des Verkehrsmittels, beispielsweise durch die Vermittlung von persönlichen Wertvorstellungen und Identität durch die Nutzung und/oder den Besitz eines bestimmten Verkehrsmittels. Die Nutzung oder der Besitz eines Verkehrsmittels unterstreichen auch die soziale Einordnung oder die gesellschaftliche Position eines Individuums (Gatersleben 2007; Lenz und Fraedrich 2015; Steg 2005).

Symbolische Motive beeinflussen die Akzeptanz von automatisierten Fahrzeugen (Madigan et al. 2017). Benleulmi und Ramdani (2022) unterscheiden die Klasse der symbolischen Motive in die Motivklasse des sozialen Einflusses und die Motivklasse der persönlichen Innovativität. Das Motiv des sozialen Einflusses bezieht sich auf das Ausmaß, in dem eine Person wahrnimmt, dass andere wichtige Personen in ihrem/seinem sozialen Umfeld der Überzeugung sind, dass sie oder er automatisierte Fahrzeuge nutzen sollte. So wird die individuelle Nutzungsintention positiv davon beeinflusst, ob bspw. Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn der Nutzung eines automatisierten Fahrzeugs positiv gegenüberstehen. Die persönliche Innovatität ist eine weitere symbolische Motivklasse der Verkehrsmittelwahl. Sie beschreibt die Eigenschaft eines Individuums, eine neue Technologie in dessen frühen Phase der Entwicklung zu nutzen. Personen mit einer hohen persönlichen Innovativität stehen der Nutzung eines automatisierten ÖPNV offener gegenüber.

Affektive Motive

Affektive Motive sind eine weitere Kategorie von Motiven zur Verkehrsmittelwahl. Ein Verkehrsmittel ist nicht nur ein Mittel zur Erfüllung bestimmter Zwecke, das einem Individuum ermöglicht, komfortabel und schnell von A nach B zu kommen. Vielmehr müssen auch psychologische Faktoren beachtet werden. Diese sind Emotionen, die mit der Nutzung eines Verkehrsmittels verbunden sind, wie beispielsweise Spaß, Begeisterung, Erregung, Anspannung, Langeweile oder Stress (Gatersleben 2007; Steg et al. 2001). Eine hedonische Motivation bzw. positive, emotionale Empfindungen bzw. Spaß bei der Nutzung eines Verkehrsmittels führen dazu, dass Menschen die Fahrt oder Nutzung als solche schätzen. Der Zweck der Fahrt tritt dabei in den Hintergrund. Ergänzend können sekundäre Aktivitäten während der Fahrt positive, emotionale Gefühle bei einem Individuum auslösen und den Nutzen des Verkehrsmittels erhöhen. Beispiele hierfür sind Gespräche mit Mitfahrerinnen und Mitfahrern, die Nutzung des Internets, das Hören von Musik, das Lesen eines Buches oder das passive Nichts-Tun (entspannen oder schlafen) während der Fahrt (Ettema et al. 2012; Gatersleben und Uzzell 2007; Handy et al. 2005; Páez und Whalen 2010).

Der individuelle Pkw unterscheidet sich von anderen Verkehrsmitteln in der besonderen Form der autonomen Mobilität (Automobilität). Autonomie ist ein zentraler Aspekt des Pkws (Gatersleben 2007; Marsh und Collett 1986), der häufig in Verbindung mit den Faktoren Kontrolle, Unabhängigkeit und/oder Freiheit genannt wird (Gatersleben 2007; Lupton 2002; Mann und Abraham 2006; Steg 2003). Die Einschränkung der Autonomie bzw. Kontrolle oder Freiheiten des Individuums wirkt dagegen nachteilig und kann negative Gefühle produzieren. Gardner und Abraham (2007) zeigen, dass die Nutzung des ÖPNV mit einer Delegation von Kontrolle assoziiert wird. Gleichzeitig überschätzen Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer oftmals die Kontrolle, die ihnen der Pkw als Verkehrsmittel bietet, weil potenzielle Verzögerungen oder Hindernisse bei der Bewertung ihres Verkehrsmittels nicht genügend reflektiert werden (Gardner und Abraham 2007).

Individuen fällt es schwer, stringent zwischen instrumentalen und affektiven Motiven der Verkehrsmittelwahl zu unterscheiden (Mann und Abraham 2006). Die instrumentalen Aspekte eines Verkehrsmittels können als Ursache für affektive Konsequenzen angesehen werden. So kann beispielsweise Langeweile oder Frustration in Verbindung mit den instrumentalen Eigenschaften Zuverlässigkeit und Fahrtzeit eines Verkehrsmittels gesetzt werden (Gatersleben 2007; Mann und Abraham 2006).

Benleulmi und Ramdani (2022) unterscheiden vier weitere Klassen von affektiven Motiven zur Nutzung von automatisierten Fahrzeugen: Wunsch nach Kontrolle, Vertrauen, Leistungsrisiko und Risiko der Privatsphäre. Der Wunsch nach Kontrolle über das genutzte Verkehrsmittel ist insbesondere im Falle des automatisierten bzw. assistierten Fahrens relevant. Der Abgabe von Fahraufgaben an eine Automation kann zum negativen Gefühl des Kontrollverlusts bei Nutzerinnen und Nutzern eines automatisierten Fahrzeugs führen. Annahmegemäß beeinflusst ein hoher Wunsch nach Kontrolle die Nutzungsintention von automatisierten Fahrzeugen negativ. Demgegenüber beschreibt Vertrauen das Ausmaß, in dem sich Menschen auf das automatisierte System verlassen (Lee und See 2004). In diesem Sinne wird angenommen, dass ein hohes Vertrauen in automatisierte Fahrzeuge die Nutzungsintention positiv beeinflusst, während ein geringes Vertrauen zu einer geringen Nutzungsintention führt. Eine weitere affektive Motivklasse der Verkehrsmittelwahl ist das Leistungsrisiko, das das wahrgenommene Risiko eines Individuums beschreibt, das mit der Nutzung des Verkehrsmittels verbunden ist. Das Leistungsrisiko eines automatisierten Fahrzeugs deckt viele Facetten ab, bspw. ein Systemversagen oder Fehlfunktionen und die damit verbundenen Leistungs- und Sicherheitsrisiken für Nutzerinnen und Nutzer. Ein spezifisches Leistungsrisiko, dass insbesondere bei der Nutzung geteilter automatisierter Fahrzeuge relevant ist, ist das Risiko der Privatsphäre. Der Verlust oder die Preisgabe von persönlichen Informationen, um einen automatisierten ÖPNV nutzen zu können, beschreibt eine affektive Motivklasse der Verkehrsmittelwahl, die sich negativ auf die Nutzungsintention auswirken kann.

Zwischenfazit

Nutzerinnen und Nutzer entscheiden sich für oder gegen die Nutzung eines automatisierten ÖPNV auf der Grundlage von instrumentalen, symbolischen und affektiven Motiven der Verkehrsmittelwahl. Das Verkehrsmittel des automatisierten ÖPNV steht im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln, wie dem privaten PKW, dem Fahrrad oder einem konventionellen ÖPNV. Die spezifischen Vorteile von privaten, individuellen Verkehrsmitteln oder nicht-automatisierten, geteilten Verkehrsmitteln bilden die Motive, die der Nutzung eines automatisierten ÖPNV entgegenstehen. Weitere Hürden bilden die Aufwandserwartungen, die Nutzerinnen und Nutzer im Hinblick auf die Fahrt mit einem automatisierten ÖPNV haben. Insbesondere in der Einführungsphase eines automatisierten ÖPNV ist der Aufwand des Erlernens der Nutzung dieses neuen Mobilitätsangebots für Nutzerinnen und Nutzer von Relevanz.

4.1.3 Soziodemografische Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl

Wenngleich die Motive der Verkehrsmittelwahl von individuellen Präferenzen und durch die Rahmenbedingungen der Infrastruktur vor Ort geprägt sind, können in der wissenschaftlichen Literatur auch soziodemografische Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl identifiziert werden. Diese Einflussfaktoren liefern erste Hinweise darauf, wer die (zukünftigen) Nutzerinnen und Nutzer eines automatisierten ÖPNV sind.

Das Alter, das Geschlecht, der Bildungsgrad und die Höhe des Einkommens von Personen sind gängige soziodemografische Faktoren, die in empirischen Befragungen zur Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV untersucht wurden (Goldbach et al. 2022). Ein sich wiederholender Befund ist, dass junge Menschen und Männer eine höhere Intention zur Nutzung eines automatisierten ÖPNV angeben (Chee et al. 2021; Kassens-Noor et al. 2020).

Die Befunde zu den soziodemografischen Einflussfaktoren zur Nutzung eines automatisierten ÖPNV sollten bei der Einführung dieses Verkehrsmittels berücksichtigt werden. Die Kenntnis über (potenzielle) Nicht-Nutzerinnen und Nicht-Nutzer ist wichtig, um entsprechende Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV zu treffen.

4.1.4 Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV

Ein attraktives Angebot eines automatisierten ÖPNV, das von Nutzerinnen und Nutzern akzeptiert und tatsächlich genutzt wird, sollte die Stärken von individuellen, privaten Verkehrsmitteln und gleichzeitig die Stärken von öffentlichen, geteilten Verkehrsmitteln verbinden. Wenngleich dieser Zielkonflikt (annahmegemäß) nicht komplett gelöst werden kann, sollten beide Ziele bei der Gestaltung und Einführung eines automatisierten ÖPNV bestmöglich berücksichtigt werden. Diesbezüglich werden in diesem Kapitel Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV skizziert. Anhand von Beispielen wird verdeutlicht, durch welche Maßnahmen (aufgeschlossene und nicht aufgeschlossene) Nutzerinnen und Nutzer für das Angebot eines automatisierten ÖPNV gewonnen werden können.

Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV können an den Motiven der Verkehrsmittelwahl ansetzen. Die Erfüllung von instrumentalen, symbolischen und affektiven Motiven der Verkehrsmittelwahl fördert die Akzeptanz und führt schließlich zur Nutzung eines automatisierten ÖPNV. Beispiele für Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV werden in Abb. 4.3 dargelegt.

Abb. 4.3
figure 3

Beispielhafte Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV

Bei der Einführung eines automatisierten ÖPNV sollten Planer und Entscheidungsträger zunächst prüfen, ob und in welchem Ausmaß die Leistungs- und Aufwandserwartungen von Nutzerinnen und Nutzern durch das Angebot eines automatisierten ÖPNV erfüllt werden. Mittels Techniken der Szenario-Analyse können verschiedene Ausprägungen von instrumentalen Motiven und deren Auswirkungen auf die Präferenz von (zukünftigen) Nutzerinnen und Nutzern geprüft werden. Im Zuge dessen sollten verschiedene Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern adressiert werden, um die Wirkung verschiedener Maßnahmen auf die Akzeptanz dieser Gruppen zu untersuchen.

Symbolische Motive der Verkehrsmittelwahl sollten insbesondere bei Maßnahmen des Marketings von automatisierten ÖPNV-Angeboten beachtet werden. Verkehrsmittel erfüllen nicht nur bestimmte instrumentale Zwecke (bspw. die Fahrt von A nach B), sondern vermitteln Nutzerinnen und Nutzern auch Status und Prestige innerhalb einer Gesellschaft. Als innovatives, neues Verkehrsmittel sollte ein automatisierter ÖPNV durch entsprechende Maßnahmen des Marketings beworben und dadurch die Nutzung gefördert werden.

Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV sollten des Weiteren affektive Motive der Verkehrsmittelwahl adressieren. Die Entstehung von und der Umgang mit Emotionen, die Nutzerinnen und Nutzer mit der Fahrt in einem automatisierten ÖPNV verbinden, ist ein zentrales Motiv der (Nicht-)Nutzung dieses Verkehrsmittels. Insbesondere das Vertrauen in das Verkehrsmittel und die Vermittlung von Sicherheit während der Fahrt mit dem Verkehrsmittel sollten sichergestellt werden.

Bei der Auswahl von Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV sollten Planer und Entscheidungsträger berücksichtigen, dass sich die Motive der Verkehrsmittelwahl durch die Nutzung des Verkehrsmittels ändern können. Ein bestimmtes Verkehrsmittel ist umso wichtiger für einen Menschen, je häufiger es genutzt wird. Ein Mensch, der beispielsweise regelmäßig auf den Pkw als Verkehrsmittel zurückgreift, bewertet die wahrgenommenen Vorteile des Pkws stärker positiv als ein Individuum, das selten den Pkw nutzt (Steg 2003). Dementsprechend sollten die Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz des automatisierten ÖPNV kontinuierlich evaluiert werden, um auf Entwicklungen in den Motiven der Verkehrsmittelwahl von Nutzerinnen und Nutzern reagieren zu können. Auch für die Betreiber des automatisierten ÖPNV und das zugrundliegende Geschäftsmodell bedeutet dies, dass eine Anpassung im Laufe der Betriebsdauer möglich und wahrscheinlich ist.

Schließlich wird die Betrachtung von Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV im soziotechnischen Systemansatz empfohlen. So können Interdependenzen zwischen Motiven von Nutzerinnen und Nutzern zur Verkehrsmittelwahl, dem technischen Reifegrad des automatisierten Fahrzeugs und organisatorischen bzw. regulatorischen Voraussetzungen des Betriebs aufgedeckt und untersucht werden.

Fazit – Attraktivität und Akzeptanz eines automatisierten ÖPNV

Die Akzeptanz des Mobilitätsangebots eines automatisierten ÖPNV drückt sich durch das beobachtbare Verhalten von Menschen bei der (Nicht-)Nutzung des Verkehrsmittels aus. Damit die Nutzung eines automatisierten ÖPNV attraktiv für Menschen ist, müssen instrumentale, symbolische und affektive Motive der Verkehrsmittelwahl adressiert werden. Durch die Analyse von Motiven der Verkehrsmittelwahl können Rahmenbedingung identifiziert und abgeleitet werden, die die Nutzung des automatisierten ÖPNV fördern. Dabei sollten sowohl die Stärken von individuellen, privaten Verkehrsmitteln und gleichzeitig die Stärken von öffentlicher, geteilten Verkehrsmitteln berücksichtigt werden.

Die Einführung eines automatisierten ÖPNV schafft für Nutzerinnen und Nutzer ein neues Mobilitätsangebot. Durch das dynamische Zusammenspiel von menschlichen Motiven, technologischer Reife und regulatorischen Voraussetzungen wird die Attraktivität und schließlich die Akzeptanz des automatisierten ÖPNV determiniert. Im Mittelpunkt der Planung und des Betriebs eines automatisierten ÖPNV sollten (zukünftige) Nutzerinnen und Nutzer des Mobilitätsangebots stehen.

4.2 Anforderungen an die Nutzbarkeit eines automatisierten ÖPNV unter Berücksichtigung spezifischer Nutzergruppen

Um zu erreichen, dass der automatisierte ÖPNV genutzt wird, und auch um bisherige Nicht-Nutzende eines (klassischen) ÖPNV-Angebots von dessen Nutzung zu überzeugen, ist es wichtig, den Menschen als Fahrgast in den Mittelpunkt der Gestaltung von Mobilitätsangeboten zu stellen und seine spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen.

4.2.1 Die Fahrt mit einem automatisierten ÖPNV aus Sicht von Nutzenden

Der Ablauf einer Fahrt unter Nutzung automatisierter Fahrzeuge im ÖPNV gleicht in weiten Teilen dem Ablauf mit herkömmlichen, menschgeführten Fahrzeugen. Jedoch geben sich an einzelnen Punkten von der Planung bis zur Durchführung der Fahrt durch den Einsatz automatisierter Fahrzeuge spezifische Anforderungen des Fahrgastes bzw. Nutzenden, auf die in diesem Abschn. 4.2 eingegangen wird.

Der Ablauf einer Fahrt gestaltet sich aus Sicht eines Fahrgastes wie in Abb. 4.4 beispielhaft als Customer Journey dargestellt. Hier wird deutlich, dass eine Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erst mit dem Einsteigen beginnt und nicht mit dem Aussteigen endet.

Abb. 4.4
figure 4

Beispielhafter Ablauf einer Fahrt im ÖPNV aus Sicht eines Fahrgastes (Customer Journey)

Zur Vorbereitung einer Fahrt im ÖPNV gehört aus Sicht der Nutzenden das Einholen von Informationen über mögliche Verbindungen zwischen Abfahrts- und Zielort (Haltestellen, Abfahrts-, Ankunfts- sowie ggf. Umsteigezeiten), den Ticketpreis sowie die Möglichkeiten des Ticketerwerbs (online oder an einem Automaten). Nach dem Warten an der Haltestelle oder auch an flexiblen Haltepunkten beginnt die Fahrt mit dem Einsteigen in das Fahrzeug und dem Platznehmen bzw. Stehenbleiben. Daran schließt sich die Fahrt bis zur Ausstiegs- oder Umsteigehaltestelle bzw. zum -haltepunkt an. Falls keine direkte Verbindung zwischen Start- und Ankunftsort gewählt wurde, wiederholen sich die Schritte vom Warten an der Umsteigehaltestelle über das Einsteigen und das Fahren in dem öffentlichen Verkehrsmittel bis zum Aussteigen ggf. sogar mehrmals. Ist der Fahrgast an seiner Zielhaltestelle bzw. seinem Zielhaltepunkt angekommen, setzt er seinen Weg bis zu seinem Zielort fort. Dies geschieht häufig zu Fuß, aber auch andere Fortbewegungsmöglichkeiten werden hierzu genutzt, wie z. B. Fahrräder, e-Scooter, Taxis oder unterschiedliche Varianten der Shared Mobility. Abschließend nutzen einige Fahrgäste die Möglichkeit, die durchgeführte Fahrt oder auch das Verkehrsunternehmen generell zu bewerten. Für routinierte Nutzende, wie z. B. Pendlerinnen und Pendler, entfallen einige der genannten vorbereitenden Aufgaben, wie z. B. das Informieren über die Fahrtmöglichkeiten.

Aus dieser beispielhaften Betrachtung einer Fahrt im ÖPNV ergeben sich für Nutzende Anforderungen zur Fahrgastinformation vor der Fahrt, zum Ticketerwerb, zur Ausstattung von Haltestellen bzw. Haltepunkten und zur Gestaltung des Fahrzeuges sowie insbesondere der Fahrgastinformationen während der Fahrt, auf die im Folgenden eingegangen wird. Zunächst wird die Charakterisierung von potenziellen Nutzenden des automatisierten ÖPNV aus Abschn. 4.1 erweitert um spezifische Nutzergruppen, um im Sinne eines „Design for all“ die Bedürfnisse aller potenziellen Nutzergruppen berücksichtigen zu können.

4.2.2 Spezifische Nutzergruppen

Um den Menschen mit seinen Mobilitätsbedürfnissen in den Fokus der Gestaltung von Mobilitätsangeboten stellen zu können, ist es wichtig, die Anforderungen, die sich für unterschiedliche Nutzergruppen ergeben, zu kennen. Mobilitätsbedürfnisse hängen stark von der Charakteristik der Nutzenden ab, werden aber zusätzlich vom Mobilitätszweck, der Lebensphase und der Persönlichkeit sowie vom Wetter und der Tagesverfassung bestimmt (Polst und Stüpfert 2019).

In Erweiterung der in Abschn. 4.1 vorgestellten potenziellen Nutzenden des automatisierten ÖPNV sind insbesondere alleinfahrende Kinder, Menschen ohne Ortkenntnis sowie Menschen ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, mobilitäts- und sinneseingeschränkte Personen sowie ältere Menschen hinsichtlich ihrer spezifischen Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Bei jüngeren Kindern, die alleine unterwegs sind, ist zu beachten, dass sie möglicherweise noch nicht gut und schnell lesen können und noch nicht über eine ausreichend ausgeprägte Ortskenntnis verfügen, um sich orientieren zu können. Hinzu kommt, dass Eltern ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis im Hinblick auf ihre alleinfahrenden Kinder empfinden.

Menschen ohne Ortskenntnis haben einen höheren und detaillierteren Informationsbedarf, um sich in einer für sie unbekannten Umgebung und in einem unbekannten Verkehrsnetz zurecht zu finden.

Verstehen Personen nicht ausreichend gut die deutsche Sprache, so sind sie darauf angewiesen, dass Informationen für sie dennoch verständlich sind.

Ebenso gilt für sinneseingeschränkte Personen (relevant für die Orientierung in der Umgebung sind hauptsächlich das Sehen und Hören), dass für sie nicht wahrnehmbare Informationen auch über alternative Modalitäten dargeboten werden.

Mobilitätseinschränkungen sind nicht ausschließlich auf körperliche Einschränkungen zurückzuführen. Auch Personen, die mit Kinderwagen oder großen Gepäckstücken unterwegs sind, zählen zu dieser Personengruppe. Bei Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist zu bedenken, dass diese sich i. d. R. langsamer fortbewegen, beim Überwinden von Hindernissen, z. B. in Form von Absätzen und Stufen, Schwierigkeiten haben und ggf. einen größeren Platzbedarf aufgrund von mitgeführten Gegenständen (Hilfsmitteln, Kinderwagen, Gepäckstücke) haben.

Ältere Menschen können neben den bereits erwähnten Mobilitäts- und möglicherweise Sinneseinschränkungen wenige oder gar keine Kenntnisse im Umgang mit neuen Technologien haben.

Prototypische Nutzer und Nutzerinnen (sogenannte Personas), die bei der Gestaltung von Mobilitätsangeboten stellvertretend für eine Personengruppe mit spezifischen Bedürfnissen hinsichtlich des zu entwickelnden automatisierten ÖPNV-Angebots stehen, sind in Abb. 4.5 benannt.

Abb. 4.5
figure 5

Beschreibung potenzieller Fahrgäste des (automatisierten) ÖPNV in Form von Personas

Der 78-jährige Herr Müller zählt zu den Personen mit Mobilitätseinschränkungen und er besitzt kein Smartphone, er hat generell Schwierigkeiten mit der Bedienung neuer Technologien. Lina hat in der Schule gerade erst Lesen gelernt, auch sie besitzt noch kein Smartphone. Frau Schick ist durch ihren Rollstuhl mobilitätseingeschränkt, aufgrund ihrer Tätigkeit für ein IT-Unternehmen ist sie an den Umgang mit neuen Technologien gewöhnt. Die erst seit kurzem in Deutschland lebende Frau Rossi versteht die deutsche Sprache noch nicht und verfügt über keine ausgeprägte Ortskenntnis an ihrem neuen Wohnort. Herr Walter ist gemeinsam mit seiner kleinen Tochter, die im Kinderwagen sitzt, unterwegs und deswegen mobilitätseingeschränkt. Das Merkmal der sinneseingeschränkten Menschen trifft auf den blinden Herrn Schmidt zu.

Die Fahrten, die diese Menschen im ÖPNV begehen, verteilen sich auf regelmäßige Pendelfahrten, z. B. zum Arbeitsplatz oder zur Schule, spontane und geplante Freizeitfahrten zum Besuch von Verwandten und Freunden oder zum Einkaufen. Die Fahrtzeiten verteilen sich somit über den gesamten Tag bis hin zum Abend und teilweise in die Nacht.

4.2.3 Nutzer-Anforderungen für alle Nutzenden

Unter Berücksichtigung der in Abschn. 4.1 und 4.2.2 beschriebenen Nutzenden des ÖPNV werden in diesem Kapitel die Anforderungen, die sich während der Vorbereitung und Durchführung einer Fahrt mit automatisierten Fahrzeugen aus Sicht von Nutzenden ergeben, erläutert.

Fahrgastinformation

Eine gute und angemessene Fahrgastinformation ist während der gesamten Customer Journey, die in Abb. 4.4 von der Planung bis zur Fahrt selber beschrieben ist, notwendig, um den Nutzenden einen akzeptablen, zufriedenstellenden und komfortablen ÖPNV zu bieten. Die im Folgenden beschriebenen Anforderungen sind nicht ausschließlich auf das automatisierte und vernetzte Fahren (avF) beschränkt, sondern sind auf alle Arten von Verkehrsmitteln des ÖPNV anwendbar. Jedoch muss beim avF insbesondere berücksichtigt werden, dass in automatisierten Fahrzeugen keine Fahrerin bzw. kein Fahrer zur Verfügung steht, die/der fahrtbezogene Auskünfte geben kann, z. B. zu der Frage, ob das gewünschte Fahrtziel von dem Fahrzeug angefahren wird oder wo ggf. umgestiegen werden muss, oder als Autoritätsperson fungiert und somit auch Sicherheit vermittelt.

Informieren

figure a

Die Interaktion mit dem Mobilitätsanbieter beginnt bereits bei der Suche nach geeigneten Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, hierzu werden heute in der Regel Webseiten oder auch Apps angeboten. Diese Informationsbeschaffung findet entweder an einem beliebigen, von der Haltestelle entfernten Ort statt oder auch erst direkt an der Haltestelle. Da nicht alle Menschen über die Möglichkeit verfügen, die digitalen Informationsangebote zu nutzen, ist es weiterhin notwendig, über Aushänge und Anzeigen an der Haltestelle die Menschen über Fahrtmöglichkeiten zu informieren sowie analoge Fahrpläne oder ähnliche Informationsangebote zur Nutzung anderenorts vorzusehen. Mobilitätszentralen können eine zusätzliche Auskunftsmöglichkeit für Menschen ohne Internetzugang bieten oder zur Beantwortung von weitergehenden Fragen dienen. Insbesondere in der Einführungsphase von avF können Mobilitätszentralen auch dazu beitragen, über das neue Angebot zu informieren und mögliche Nutzungshemmnisse (siehe Abschn. 4.1) zu überwinden. Zu den relevanten Informationen zur Planung einer Fahrt gehören neben der Abfahrts- und Zielhaltestelle ggf. die Informationen über den konkreten Abfahrts-/Ankunftsort an größeren Haltestellen (z. B. Bussteig Nummer und Lage) sowie ergänzende Hinweise, wie die Wege zwischen den Haltestellen und dem Start- und Zielort des Nutzers bewältigt werden können. Neben diesen örtlichen/räumlichen Informationen sind die zeitlichen Informationen wesentlich; diese betreffen die Abfahrts- und Ankunftszeiten sowie ggf. Umsteigezeiten. Zur besseren zeitlichen Planbarkeit erhöhen Echtzeit-Informationen zu möglichen Verspätungen den Komfort der Nutzenden. Weiterhin benötigen die Nutzenden von ÖPNV-Angeboten bereits bei der Planung ihrer Fahrt Auskünfte zu dem Fahrpreis, welche Arten von Tickets verfügbar und für ihren Zweck passend sind und wie bzw. wo ein Ticket erworben werden kann.

Einsteigen

figure b

Auf Basis der Ergebnisse der oben beschriebenen Planung der Fahrt sucht der Fahrgast an der Haltestelle den konkreten Abfahrtsort des von ihm gewählten Busses aus. Dazu ist es hilfreich, wenn dieser hinreichend gut durch (digitale) Anzeigen und Beschilderungen markiert ist. Um in den richtigen Bus einsteigen zu können, ist es notwendig, dass das Fahrtziel sowie die Zwischenhaltestellen eindeutig ausgewiesen sind. Dies sollte zum einen am Bus selber angezeigt werden sowie zusätzlich an der Haltestelle, damit der Fahrgast ausreichend Zeit hat, sich zurechtzufinden. Zusätzlich zu den Informationen zu Abfahrtsort, Zielort und Zwischenhalten des Busses erhöhen Echtzeitinformationen zur Ankunft des Busses an der Abfahrtshaltestelle den Komfort des Fahrgastes.

Neben einer barrierefrei zugänglichen und auffindbaren Haltestelle sind auch die dortigen Informationen zur Nutzung des ÖPNV barrierefrei zu gestalten und verfügbar zu machen. An der Haltestelle betrifft dies das Haltestellenschild sowie die Informations- und Fahrplantafeln.

Das Haltestellenschild sollte einen ausreichenden Kontrast (Kontrastmarkierungen) aufweisen oder in Signalfarben gestaltet sein, um auch für Sehbehinderte sichtbar und nicht zum Hindernis zu werden. Für Blinde sollte der Haltestellenmast in einem Abstand von mindestens 60 cm zu den Bodenindikatoren eingebaut werden.

Informations- und Fahrplantafeln sollten in einer mittleren Sichthöhe angebracht werden und stufenfrei erreichbar sein, um auch für rollstuhlnutzende, kleinwüchsige Personen und Kinder einsehbar zu sein. Nach DIN 18040-3 kann von einer durchschnittlichen mittleren Sichthöhe von 1,30 m ausgegangen werden. Für eine bessere Lesbarkeit ist eine blendfreie Beleuchtung hilfreich. Das Vorhandensein einer 1,50 × 1,50 m großen Bewegungsfläche vor der Informationstafel erleichtert die Anfahrbarkeit für Rollstuhlfahrer.

Fahrt

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Während der Fahrt sind für den Fahrgast eine Übersicht der Reihenfolge der Haltestellen bzw. Haltepunkte sowie die Information über den nächsten Halt wichtig, sodass er die Anzahl der vor ihm liegenden Halte und somit die für ihn relevante Aussteige-/Umsteigehaltestelle im Überblick behalten kann. Darüber hinaus ist anzukündigen, dass das Fahrzeug an der nächsten Haltestelle anhalten wird. Insbesondere bei kleinen Shuttle-Bussen wird nicht an jeder Haltestelle die Notwendigkeit des Fahrgastwechsels bestehen, sodass diese Information von hoher Relevanz ist. Echtzeitinformationen zu möglichen Verspätungen der eigenen Fahrt sowie möglicher Anschlussfahrten erhöhen den Komfort und auch die User Experience für Fahrgäste. Die genannten Informationen sollten durch Anzeigen im Fahrzeug gegeben werden. Zusätzlich sind individualisierte Informationen über das Smartphone der Fahrgäste denkbar, die gezielt über die individuelle Haltstelle und den weiteren Weg bis zum Zielort informieren.

Neben den Informationen zu Haltestellen und Fahrtablauf wurde in Studien der Bedarf geäußert, die Passagiere über die Funktionsweise des automatisierten Busses, insbesondere in Bezug auf das Wahrnehmen der Umgebung und die Durchführung von Manövern, wie Abbiegen, Bremsen oder das Ausweichen vor Hindernissen, zu informieren (Pigeon et al. 2021).

In Abb. 4.6 sind die aus Sicht von Fahrgästen relevanten Informationen sowie die dafür einsetzbaren Informationsmedien zusammengefasst aufgeführt. Darüber hinaus sind Personengruppen mit spezifischen Bedürfnissen hinsichtlich der Informationsdarstellung in Form von Personas benannt.

Abb. 4.6
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Zusammenfassende Auflistung der relevanten Informationen und möglichen Informationsmedien bei der Fahrgastinformation unter Berücksichtigung spezifischer Personengruppen

Bei der Gestaltung von Fahrgastinformationen sollten die Prinzipien der Informationsdarstellung berücksichtigt werden (siehe auch DIN EN ISO 9241-112 (2017)):

  • Entdeckbarkeit (Erkennbarkeit, Auffälligkeit, Kontinuität)

  • Lesbarkeit

  • Unterscheidbarkeit

  • Eindeutige Interpretierbarkeit (Klarheit, Verständlichkeit)

  • Kompaktheit (Prägnanz)

  • Konsistenz

Für eine gute Kommunikation sind visuelle Signale mit auditiven (Sprache, Benachrichtigungstöne) und textlichen Mitteilungen zu kombinieren (Riener et al. 2021). Daraus ergibt sich, dass Anzeigen Informationen über unterschiedliche Modalitäten übermitteln sollten (visuell, auditiv, haptisch, z. B. über vibrierendes Smartphone).

Ein weiteres wichtiges Thema der Fahrgastinformation wird in Zukunft das Kapazitätsmanagement betreffen, das insbesondere in kleinen Shuttle-Bussen mit begrenzten Mitfahrkapazitäten relevant sein wird (Mirnig et al. 2021). Informationen zu verfügbaren Mitfahrplätzen bzw. der erwarteten Auslastung des Verkehrsmittels sollten im Vorhinein bei der Planung der Fahrt und an der Haltestelle gegeben werden. Ergänzt werden sollte diese Angabe möglicher Fahrplätze um mögliche Fahrtalternativen.

Falls Sitzplätze im Vorhinein buchbar sein sollten, ist zu berücksichtigen, dass dies unter Umständen die Möglichkeit der spontanen Mitfahrt einschränkt und nicht alle Personen Zugang zu Online-Buchungsplattformen haben. Weiterhin sollte eine Vergabe von Sitzplätzen auch die Bedürftigkeit der Fahrgäste beachten.

Auch müssen Lösungen bedacht werden, wie mögliche Konflikte zwischen Fahrgästen um die knappen Mitfahrplätze gelöst werden können, wenn sich keine Autoritätsperson, z. B. der Fahrer, im Fahrzeug befindet und möglicherweise von Personen im Vorhinein gebuchte Sitzplätze durch andere Personen bereits belegt sind.

Ticketerwerb

Informieren/Einsteigen

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Die bisherigen Möglichkeiten des Ticketerwerbs online über die App des Verkehrsunternehmens oder über einen Ticketautomaten an der Haltestelle bzw. im Fahrzeug bleiben auch bei der Nutzung des automatisierten ÖPNV bestehen. Jedoch fällt bei automatisierten Fahrzeugen der Kauf eines Tickets im Bus direkt bei dem Fahrer bzw. der Fahrerin weg und somit auch die Möglichkeit, persönliche Auskünfte zum benötigten Ticket zu erhalten. Hier könnte eine Ansprechperson in einer Mobilitätszentrale unterstützen.

Im Sinne eines modernen ÖPNV-Systems sollten unabhängig vom Einsatz automatisierter Busse e-Ticketsysteme mit Check-in- und Check-out-Möglichkeiten zusätzlich in Betracht gezogen werden.

Ausstattung von Haltestellen und Haltepunkten

Einsteigen/Aussteigen

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An fest eingerichteten Haltestellen sind aus Sicht der ÖPNV-Nutzenden insbesondere die räumliche Kompaktheit, die Haltestelleninfrastruktur (z. B. Sitzgelegenheiten, Wetterschutz), Informationsangebote und spezifische Lösungen für mobilitäts- und sinneseingeschränkte Menschen wichtig (Solecka et al. 2020). Konzepte der Mobility-as-a-Service (MaaS) sehen das Halten der Fahrzeuge an beliebigen Haltepunkten vor. Hier werden die nutzerbezogenen Anforderungen an die Haltestellen nur zum Teil erfüllt werden können. Jedoch ist davon auszugehen, dass Menschen mit spezifischen Bedürfnissen die Haltepunkte entsprechend ihren Anforderungen auswählen und zugunsten eines individuellen Haltepunktes auf einen Teil des durch eine ortsfeste Haltestelle zur Verfügung gestellten Komforts verzichten.

Feste Haltestellen sind wie im bisherigen konventionellen Busverkehr barrierefrei zu gestalten, um die spezifischen Anforderungen mobilitätseingeschränkter und sinneseingeschränkter Personen zu berücksichtigen.

Beim barrierefreien Haltestellenausbau ist auf ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen taktilem Leitsystem, Ausgestaltung des Hochbordes sowie den spezifischen Eigenschaften der eingesetzten Fahrzeuge zu achten. Eine der wesentlichen Grundlagen der barrierefreien Gestaltung ist das Zwei-Sinne-Prinzip für sensorisch eingeschränkte Menschen. Dieses beinhaltet, dass Informationen und Orientierungshilfen über mindestens zwei der drei Sinne Sehen, Hören und Fühlen (Tasten) übermittelt werden. Eine barrierefreie Haltestelle soll bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese umfassen mindestens (Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart 2021):

  • einen stufenlosen, barrierefreien Zugang vom umgebenden Wegenetz zum Aufstellbereich

  • die Verfügbarkeit einer ausreichenden Manövrierfläche für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen

  • das Vorhandensein taktiler und kontrastreicher Bodenelemente und Leitstreifen

  • einen Ausbau des Bordsteins der jeweiligen Haltestelle auf eine Höhe von mindestens 18 cm (Hochbord)

Ausstattung der Fahrzeuge

Hinsichtlich der Ausstattung automatisierter Busse ergeben sich für die Fahrgäste Anforderungen, die das Ein- und Aussteigen, den Innenraum sowie die Fahrgeschwindigkeit der Busse betreffen. Diese Aspekte werden hier im Hinblick auf die aktuell auf dem Markt befindlichen Shuttle-Busse, die auch als Minibusse bezeichnet werden können, diskutiert.

Einsteigen

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Um ohne Unterstützung durch den Fahrer oder die Fahrerin eines Busses entscheiden zu können, ob der Bus die Zielhaltestelle anfährt, sind visuelle/auditive Anzeigen an der Außenseite des Busses mit den entsprechenden Informationen zu versehen. Dabei sollte über das Endziel des Busses und über Zwischenhalte Auskunft gegeben werden. Hier ergibt sich die Herausforderung, relevante Informationen einerseits übersichtlich und schnell erfassbar darzustellen und andererseits hinreichend viele Detailinformationen zur Verfügung zu stellen. Da die Informationsbedürfnisse in diesem Fall sehr individuell sind, und diese nicht alle durch Anzeigen am Fahrzeug selbst erfüllt werden können, sind weitere Informationsmedien für diese Aufgabe vorzusehen, wie beispielsweise die App des Verkehrsunternehmens oder Informationsangebote an der Haltestelle.

Insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen mit Gehhilfen, mit Kinderwagen oder mit sperrigem Gepäck ist darauf zu achten, dass beim Ein- und Aussteigen keine hohen Absätze zwischen Haltestelle und Fahrzeug bestehen. Da kein Fahrer im Fahrzeug das Öffnen und Schließen der Türen steuert, muss durch technische Maßnahmen gewährleistet werden, dass das Fahrzeug so lange anhält, bis alle Personen eingestiegen sind und Platz genommen haben bzw. wieder ausgestiegen sind.

Fahrt

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Der Fahrzeuginnenraum sollte so gestaltet sein, dass ausreichend persönlicher Platz zur Verfügung steht und die Privatsphäre gewahrt bleibt. Auch die Unterbringung von Gepäck, Kinderwagen oder Gehhilfen muss in dem Fahrzeug möglich sein. Befragungen haben gezeigt, dass Fahrgäste einen Sitzplatz in Fahrtrichtung bevorzugen (Pigeon et al. 2021).

Um die Attraktivität von Verkehrsmitteln zu steigern, sollte auch berücksichtigt werden, wie die Fahrgäste die Fahrtzeit verbringen möchten, und die Innenraumausstattung daran angepasst werden, z. B. durch das Anbieten von kostenfreiem WLAN oder Lademöglichkeiten für Mobilgeräte. Zur Fahrgastinformation müssen in dem Fahrzeug entsprechende Anzeigemöglichkeiten vorgesehen sein, die von allen Plätzen der Fahrgäste aus eingesehen werden können. Diese Anzeigen sollten die im Abschnitt Fahrgastinformation/während der Fahrt genannten Informationen darbieten.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass Fahrgäste in fahrerlosen Shuttlebussen des ÖPNV Bedenken hinsichtlich der persönlichen Sicherheit generell und insbesondere nachts haben sowie das Notfallmanagement hinterfragen (Mahmoodi Nesheli et al. 2021; Luger-Bazinger et al. 2021). Zur Gewährung der persönlichen Sicherheit im Fahrzeuginnenraum ist zu überlegen, ob diese durch eine Videoüberwachung und Verbindung in eine Leitzentrale zu leisten ist. Eine weitere, wahrscheinlich aus Kosten- und Platzgründen nicht realisierbare Möglichkeit ist der Einsatz einer menschlichen Begleitperson im Fahrzeug. Dennoch haben Studien gezeigt, dass insbesondere die Akzeptanz von Älteren und Menschen mit Mobilitäts- oder Sinneseinschränkungen durch die Anwesenheit einer menschlichen Begleitperson im Fahrzeug positiv beeinflusst wird (Kyriakidis et al. 2020) und auch Bedenken mobilitäts- und sinneseingeschränkter Personen hinsichtlich des Zugänglichkeit (Hwang et al. 2020) reduzieren könnten. Insbesondere in der Einführungsphase eines automatisierten ÖPNV kann eine Ansprechperson z. B. als Begleitung im Fahrzeug oder auch als Beratung und Unterstützung an der Haltestelle wichtig sein, damit das neue Mobilitätsangebot besser akzeptiert wird und Nutzungshemmnisse überwunden werden.

Die bisher in Testfeldbetrieben eingesetzten automatisiert fahrenden Shuttle-Busse wurden von den Nutzern aufgrund ihrer geringen Fahrgeschwindigkeit im Vergleich zu alternativen Reisemöglichkeiten als nicht wettbewerbsfähig wahrgenommen (Mahmoodi Nesheli et al. 2021; Nordhoff et al. 2018). Bei der Integration von avF in den ÖPNV ist deshalb zu prüfen, auf welchen Strecken automatisierte Busse einen Mehrwert für Reisende bieten können.

Fazit – Anforderungsbereiche und spezifische Nutzende

Um die Attraktivität des ÖPNV durch den Einsatz von avF zu erhöhen, müssen die Anforderungen von aktuellen und potenziellen Nutzenden in den Fokus der Gestaltung von Mobilitätsangeboten gerückt werden. Mobilitätsangebote umfassen die gesamte Customer Journey, d. h. neben der eigentlichen Fahrt sollte der gesamte Prozess aus Sicht eines Fahrgastes von der Planung einer Fahrt bis zum Erreichen des Zielortes betrachtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die individuellen Anforderungen der Reisenden aufgrund ihrer menschlichen Charakteristik und ihrer Mobilitätszwecke unterscheiden. Insbesondere die spezifischen Bedürfnisse von alleinfahrenden Kindern, Menschen ohne Ortkenntnis oder ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, mobilitäts- und sinneseingeschränkte Personen sowie ältere Menschen sollten bedacht werden.

Die Anforderungen aus Sicht der Fahrgäste betreffen die Fahrgastinformation, den Ticketerwerb, die Ausstattung von Haltestellen/Haltepunkten und die Ausstattung der Fahrzeuge.

4.3 Kommunikation und Interaktion des automatisierten ÖPNV mit anderen Verkehrsteilnehmern

Eine der größten Herausforderungen für die Einführung eines automatisierten ÖPNV wird der Mischverkehr im städtischen Raum sein, bei dem ein automatisiertes Fahrzeug mit seiner Umwelt und dabei insbesondere mit anderen nicht-automatisierten Verkehrsteilnehmenden interagieren muss. Bei einer Fahrt im öffentlichen Verkehrsraum wird das automatisierte Fahrzeug zwangsläufig in Situationen eintreten, bei denen durch kooperatives Verhalten eine Interaktion mit anderen motorisierten und nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmenden stattfindet. Abhängig von den künftigen Anwendungsbereichen eines automatisieren und nicht-schienengebundenen ÖPNV können typische Verhaltensmuster in verschiedenen Szenarien beschrieben werden (wie z. B. das Ein- und Ausfahren an einer Haltestelle). Auch für den Betrieb eines automatisierten ÖPNV in abgegrenzten Bereichen (z. B. autofreie Zonen) oder beim Übergang von eigenen Fahrflächen im Verkehrsraum (z. B. eigene Fahrstreifen) auf Flächen für den Mischverkehr sind besondere Herausforderungen denkbar. Von großem Interesse wird es sein, wie ein automatisiertes ÖPNV-Fahrzeug auch in ungeregelten Verkehrssituationen adäquat agieren und reagieren kann. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Kommunikation bzw. Interaktion eines automatisierten ÖPNV mit anderen Verkehrsteilnehmenden in vielen unterschiedlichen Situationen große Bedeutung zukommen wird. Der vorliegende Beitrag behandelt zunächst zentrale Grundlagen der Kommunikation im Straßenverkehr. Auf der Basis werden generelle Kriterien für eine gelingende Kommunikation mit einem automatisierten ÖPNV formuliert. Spezifische Herausforderungen und Lösungsoptionen werden dann für zwei konkrete Anwendungsfälle skizziert.

4.3.1 Kommunikation und Interaktion im Straßenverkehr

Formelle und informelle sowie implizite und explizite Kommunikation

Der heute stattfindende Verkehrsablauf ist in vielerlei Hinsicht geprägt von Verordnungen und Gesetzen, die in großen Teilen eindeutige Vorgaben enthalten und den Verkehr unter anderem über Beschilderungen, über die bauliche Gestaltung der Verkehrswege, inklusive ihrer Markierungen, oder über Lichtsignalanlagen regeln. Doch nicht jede im Straßenverkehr auftretende Situation ist durch eine eindeutige Verkehrsregel, wie z. B. die Regelung der Vorfahrt an einer Kreuzung, formell definiert (Imbsweiler et al. 2018b). Häufig kommt es zu Situationen, die durch die Verkehrsteilnehmenden mittels gegenseitiger Rücksichtnahme informell gelöst werden müssen, ohne dass andere Verkehrsteilnehmende dabei geschädigt, gefährdet oder übermäßig behindert werden (vgl. § 1 StVO).

Automatisierte Fahrzeuge besitzen heute noch nicht dieselben Fähigkeiten zur Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmenden, wie sie ein Mensch durch die Verwendung und Interpretation von impliziten und expliziten Kommunikationssignalen hat (Stanciu et al. 2018). Die von den am Verkehr teilnehmenden Personen ausgesandten Signale lassen sich nach de Ceunynck et al. (2013) unterscheiden in implizite Signale (bremsen, beschleunigen, stoppen, halten der Geschwindigkeit) und explizite Signale (Handgesten, Fahrtrichtungsanzeiger, Horn sowie Lichthupe). Implizite Kommunikation muss nach Imbsweiler et al. (2018a) interpretiert werden, um das Anliegen des Gegenübers zu verstehen. Dazu gehören im Straßenverkehr beispielsweise die Trajektorienwahl oder das Beschleunigungs- und Verzögerungsverhalten. Des Weiteren werden durch explizite Signale konkrete Hinweise über ein geplantes Fahrmanöver kommuniziert, wie beispielsweise das Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers (Blinkers) oder das Armheben beim Radfahren, um einen Abbiegewunsch anzuzeigen.

Kommunikationsmittel im Straßenverkehr

Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufkommende Automobilisierung führte rasch zur Einführung von lichttechnischen Einrichtungen an den Fahrzeugen (z. B. das Bremslicht) und zeigt die Notwendigkeit verschiedener Kommunikationsmöglichkeiten im Straßenverkehr. Die lichttechnischen Einrichtungen eines Fahrzeugs sind heute als Kommunikationsmittel im Straßenverkehr kaum wegzudenken, da sie unmittelbar und eindeutig auf ein aktuelles oder kurz bevorstehendes Fahrmanöver hinweisen und somit eine wichtige Information an andere Verkehrsteilnehmende aussenden. Auch die in der jüngeren Vergangenheit getätigten Weiterentwicklungen, wie bspw. die Einführung einer dritten Bremsleuchte (Petzoldt et al. 2018), adaptive Bremslichter bei einer Gefahrenbremsung oder das Anbringen eines zusätzlichen Blinkers an der Seitenpartie eines Fahrzeugs (gem. § 54 StVZO) sind zusätzliche Belege für die hohe Bedeutung einer gelingenden Kommunikation.

Aus heutiger Sicht stehen der Fahrerin bzw. dem Fahrer eines herkömmlichen Pkw verschiedene explizite und implizite Kommunikationsmittel zur Verfügung, da sie zur Informationsübertragung sowohl auf die technischen Möglichkeiten des Fahrzeugs als auch auf die menschliche Zeichengebung zurückgreifen können. Welches Kommunikationsmittel gewählt wird, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. dem Empfänger der Information (Fußgänger, Radfahrer, anderer Pkw) und dem Informationsinhalt, den er kommunizieren möchte (Schaarschmidt et al. 2020). Bereits in den 1980er-Jahren wurden unter Einbezug von Verkehrsteilnehmenden die im Verkehr eingesetzten Kommunikationsmittel untersucht. Bauer et al. (1980) führten vorrangig optische Signale an, die für die Kommunikation im Straßenverkehr eine wichtige Rolle spielen. Auch Merten (1981) erstellte eine Übersicht an Signalen, die über die gesetzlich beschriebene Zeichengebung hinausgehen, u. a. verschiedene Formen von Handzeichen. Offensichtlich ist ein bedeutender Anteil der Kommunikationsmöglichkeiten auf die Gestik und Mimik der Fahrerin bzw. des Fahrers zurückzuführen.

Vor dem Hintergrund der Abwesenheit eines Menschen für die Kommunikation mit außenstehenden Verkehrsteilnehmenden beim automatisierten Fahren überrascht es wenig, dass eine große Bandbreite an Forschungsinitiativen und Lösungskonzepten vorliegt, welche sich mit der Wirkung von neuartigen fahrzeugseitigen Kommunikationsmitteln wie LED-Anzeigen, Leuchtzeichen, Warntönen und/oder Projektionen beschäftigen, um insbesondere Konflikte mit ungeschützten Personen (Fußgängern, Radfahrern) zu vermeiden (u. a. Sucha 2014; Clamann et al. 2017; Mahadevan et al. 2018 oder Bazilinskyy et al. 2019). Der einheitliche Ansatz dieser neuartigen Kommunikationsmittel soll zu mehr Vertrauen und Akzeptanz durch die Kenntnis der Handlungsabsicht des automatisierten Fahrzeugs beitragen. Hierin sehen u. a. Faas et al. (2020) einen wesentlichen Mehrwert für die Verkehrssicherheit.

Interaktion und kooperatives Verhalten im Straßenverkehr

Durch Verordnungen, wie die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO), sowie die übermittelten Signale der Verkehrsteilnehmenden soll ein ordnungsgemäßer und sicherer Straßenverkehr ermöglicht werden. Und dennoch kommt es immer wieder zu Situationen, in denen sich zwei oder mehrere Verkehrsteilnehmende über die allgemein gültigen Verkehrsregeln hinwegsetzen müssen. Durch kooperatives Verhalten sollen Konflikte vermieden, die Verkehrssicherheit gewährleistet und der Verkehrsfluss aufrechterhalten werden. Die wohl bekanntesten Situationen sind der Verzicht auf die eigene Vorfahrt (z. B. an einer gleichrangigen Kreuzung), die Rücksichtnahme auf den Gegenverkehr im Bereich von Fahrbahnverengungen oder das „Rüberwinken“ einer Person, die die Straßenseite wechseln möchte.

Aber auch an geregelten Kreuzungen kommt es beim Ein- und Abbiegen immer wieder vor, dass bevorrechtigte Verkehrsteilnehmende ganz bewusst auf die Vorfahrt verzichten, beispielsweise um eine sogenannte „Deadlock-Situation“ aufzulösen. Als Deadlock wird der Zustand bezeichnet, bei dem die Verkehrsteilnehmenden bei strikter Befolgung der Verkehrsregeln keine Möglichkeit haben, ihren Weg fortzusetzen (Markkula et al. 2021). Ein typisches Beispiel ist hierfür das gleichzeitige Auftreffen von je einem Fahrzeug je Zufahrt an einer gleichrangigen Kreuzung, bei der jeweils dem in der rechten Zufahrt stehendem Fahrzeug Vorfahrt gegeben werden muss (Imbsweiler et al. 2018b). In diesen Verkehrssituationen treten die Verkehrsteilnehmenden als Interaktionspartner auf, die durch Kooperation eine Entscheidung mittels explizierter Kommunikation verhandeln müssen. Weil die Möglichkeiten der impliziten Kommunikation bei Deadlock-Situationen oftmals ausgeschöpft sind, werden dafür vor allem non-verbale Kommunikationsmöglichkeiten wie Gesten und Blickkontakt zwischen den beteiligten Akteuren genutzt. Auf räumlich größeren Distanzen oder bei fehlendem Tageslicht wird eine bestimmte Absicht nicht selten mit kurzzeitigem Aufblenden, der sogenannten Lichthupe, signalisiert.

Kommunikationsmodelle zur Beschreibung einer Interaktion

Es gibt verschiedene wissenschaftlich Ansätze, die sich damit beschäftigen, wie eine gelingende Kommunikation und Informationsübertragung sichergestellt werden kann. Beispielsweise bilden Kommunikationsmodelle eine wichtige Grundlage, da sie den Kommunikationsprozess beschreibbar machen. Eines der ersten Kommunikationsmodelle, das sich insbesondere auf die technische Übertragung der zu übermittelnden Information bzw. einer Nachricht bezieht, entwickelten Shannon und Weaver (1949). Dabei handelt sich um ein Sender-Empfänger-Modell, in dem eine Nachricht vom Sender an den Empfänger kommuniziert wird (Abb. 4.7).

Abb. 4.7
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Sender-Empfänger-Modell nach Shannon und Weaver (1949)

Eine durch externe Einflüsse auftretende Störung in der Informationsübertragung – im Modell dargestellt durch das Rauschen im Kanal – ist kritisch für eine gelingende Informationsübertragung. Damit der Empfänger die vom Sender übermittelte Information noch gut übersetzen kann, darf die Störung nicht übermäßig in Erscheinung treten bzw. das gesendete Signal muss derart eindeutig sein, dass es das Rauschen unmissverständlich durchdringt.

Führt man sich das Beispiel einer die Straße querenden Person vor Augen, lässt sich das Modell wie folgt beschreiben: Das Handzeichen eines Pkw-Fahrers oder einer Pkw-Fahrerin (Sender), an die Person (Empfänger), der oder die die Absicht hat, die Straße zu überqueren, mit der Nachricht „Ich lasse dich die Straße queren.“ würde unter günstigen Umweltbedingungen (klare Sicht, Tageslicht, geringer Abstand) sehr wahrscheinlich von der Person richtig aufgenommen und dekodiert. Anders stellt sich dies jedoch bei schlechten Sichtverhältnissen, bei Dunkelheit oder bei einer großen Distanz der beiden Verkehrsteilnehmenden zueinander dar, wenn das Handzeichen schlechter oder gar nicht zu erkennen und in der Folge zu interpretieren ist.

Zwar ist das Sender-Empfänger-Modell eine extrem vereinfachte Darstellung der Interaktion zwischen menschlichen Verkehrsteilnehmenden, dennoch erscheint es als geeignet, um das menschliche Kommunikationsverhalten auf ein technisches System (automatisiertes Fahrzeug) zu übertragen. Misslingt die Übermittlung der Nachricht, kommt es im schlimmsten Fall zu einem Unfall oder zu Verständigungsproblemen und Unsicherheiten in der Kommunikation, was zur Verlangsamung des Verkehrsflusses führen kann (Schaarschmidt et al. 2020). Aus diesem Grund muss zusätzlich sichergestellt werden, dass beim Sender und beim Empfänger das gleiche Zeichen- und Bedeutungswissen vorliegt, der Sender also Signale nutzt, die der Empfänger verstehen kann, respektive dass die Aufmerksamkeit des Empfängers nicht auf einen anderen Kommunikationspartner gerichtet ist (Röhner und Schütz 2016).

Was darüber hinaus ebenfalls berücksichtigt werden muss, sind Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Kommunikationspartnern. Da nun der oder die Fußgänger:in als Empfänger:in auf Grundlage der erhaltenen Information eine Entscheidung treffen wird, wird er oder sie entweder auf die Straße treten, um diese zu queren, oder darauf verzichten, sei es aus eigener Unsicherheit oder weil er oder sie weitere Erkenntnisse gewonnen hat, wie z. B. ein sich näherndes Fahrzeug aus der Gegenrichtung. Was sich entwickelt, ist eine Informationskette, die je nach Situation verschiedene Verläufe einnehmen kann. Diese Kette ist geprägt durch den fortlaufenden Wechsel von Aktion und entsprechender Reaktion der beteiligten Akteur: innen, bei dem sich stets – wenn man beim Sender-Empfänger-Modell bleibt – die Rolle des Senders und Empfängers umkehrt.

Zwischenfazit

Aufgrund der dargelegten Zusammenhänge der Kommunikationsverläufe von zwei (oder mehreren) Verkehrsteilnehmenden sowie der hohen Bedeutung einer gelingenden Kommunikation muss man sich für das Aufkommen von automatisierten Fahrfunktionen im Straßenverkehr darüber im Klaren sein, dass nun die aktiv Fahrenden als Kommunikationspartner entfallen. Eine Interaktion kann zukünftig nur noch über das automatisierte Fahrzeug selbst erfolgen. Nicht ohne Grund beschäftigen sich aktuelle Forschungsstudien mit den Fragen, wie die Kommunikation zwischen automatisierten Fahrzeugen und anderen am Verkehr teilnehmenden Personen ausgestaltet werden kann oder welche Verhaltensmuster sich bei anderen Verkehrsteilnehmenden gegenüber automatisierten Fahrzeugen erkennen lassen (Rouchitsas und Alm 2019). Ob sich durch neuartige fahrzeugseitige Kommunikationsmittel tatsächlich ein erhoffter Beitrag für mehr Sicherheit respektive weniger Unsicherheit im Verkehr in Gänze erzielen lässt, lässt sich über bisherige Befunde nicht eindeutig erkennen.

Festzuhalten ist allerdings, dass die Kommunikation, respektive eine gelingende Informationsübertragung, im heutigen Straßenverkehr in Bezug auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf unabdingbar geworden ist. Eine wichtige Erkenntnis wäre daher, welche Informationen die Verkehrsteilnehmenden ganz grundlegend voneinander benötigen, damit sie eine (erwartbare) Entscheidung treffen können. Ergibt sich daraus tatsächlich ein Bedarf von neuen Formen der Kommunikation, wenn beispielsweise die optische Gestalt, die Trajektorie sowie das Beschleunigungs- und Verzögerungsverhalten (Fahrdynamik) eines Fahrzeugs alle notwendigen Informationen bereithält? Und wie sind neue LED- und Leuchtzeichen an einem automatisierten Fahrzeug zu beurteilen, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Fahrzeuge in Zukunft nicht nur vereinzelt anzutreffen sind, sondern mit zunehmender Durchdringung ein großer Anteil der Fahrzeugflotte automatisiert verkehren wird. Es geht deshalb auch darum, ein aus menschlicher Sicht als übersichtliches und nicht als störend empfundenes Maß an Kommunikation zu finden. Wenn Fahrzeuge zu viele unterschiedliche Leucht- und Blinksignale ungerichtet in die Umwelt senden, wäre das weder angenehm noch der Verkehrssicherheit zuträglich.

4.3.2 Kriterien für eine gelingende Kommunikation unter Teilnahme eines automatisierten ÖPNV

Da eine gelingende Kommunikation im Straßenverkehr für die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf eine bedeutende Rolle spielt, stellen sich für den Betrieb mit einem automatisieren ÖPNV-Fahrzeug zwei grundsätzliche Fragen:

  1. 1.

    In welchen Situationen wird ein besonders hoher Kommunikationsbedarf nötig und welche Kriterien bestehen für eine gelingende Kommunikation?

  2. 2.

    Welche künftigen Anwendungsfälle wird es für den Betrieb eines automatisierten ÖPNV geben und wie lassen sich diese in Hinsicht auf zusätzlich erforderliche Kommunikationsmittel charakterisieren?

Die Definition der künftigen Anwendungsfälle hat einen entscheidenden Einfluss auf die Notwendigkeit zur Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmenden und ihre Komplexität. Der Betrieb eines automatisierten ÖPNV auf öffentlichen Straßen, analog dem heutigen straßengebundenen ÖPNV, ist deutlich schwieriger zu beherrschen als ein Betrieb auf einem abgegrenzten Werkareal oder einem mit vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten betriebenen Shuttleservice in Fußgängerzonen (Heikoop et al. 2020). Je nach Anwendungsfall können sich die gefahrenen Geschwindigkeiten, die zu berücksichtigenden Verkehrsteilnehmergruppen, die Komplexität der Fahraufgabe und -manöver oder die zu lösenden Konfliktsituationen unterscheiden.

Interaktion mit einem ÖPNV-Fahrzeug

Der ÖPNV, der heute mit Kraftomnibussen im fließenden Straßenverkehr betrieben wird, bietet verschiedene Ansatzpunkte für Überlegungen, wenn künftig ein automatisiert fahrendes Fahrzeug zur Anwendung kommt. Führt man sich die Fahrmanöver eines heutigen Kraftomnibusses vor Augen, dann lassen sich diese in folgende vier Zuständen unterteilen: (1) Fahren im fließenden Verkehr, (2) Einfahren in einen Haltestellenbereich, (3) Halten im Haltestellenbereich mit Fahrgastwechsel und (4) Ausfahren aus dem Haltestellenbereich. Jeder dieser vier Zustände erfordert eine Interaktion und den Austausch von Informationen zwischen dem Fahrzeug (heute mit aktivem bzw. aktiver Fahrer:in) und anderen Verkehrsteilnehmenden.

Als optische Kommunikationsmittel stehen heute die bekannten lichttechnischen Einrichtungen am Fahrzeug zur Verfügung. Akustisch sind neben der Hupe auch Außenlautsprecher vorhanden, mit denen der oder die Fahrer:in über ein Mikrophon eine Sprachausgabe nach außen kommunizieren kann. Da ebenfalls allein über das Erscheinungsbild und die Verhaltensweise konkrete Signale erzeugt werden, die für die anderen Verkehrsteilnehmenden gut sichtbar und interpretierbar sind, sind Kraftomnibusse im ÖPNV oftmals eindeutig als solche zu erkennen. Dazu zählt die Fahrzeugform, eine in der Regel einheitliche Lackierung des Verkehrsbetriebsunternehmens oder die Digitalanzeige zur Angabe der Linie inkl. Zielort. Mit dem fahrdynamischen Verhalten in Verbindung mit den zuvor genannten Kennzeichnungen liegen für andere am Verkehr beteiligte Personen somit alle Informationen vor, um ein Fahrzeug dem ÖPNV zuordnen zu können.

Kriterien einer gelingenden Kommunikation

Um eine Kommunikation im Straßenverkehr als gelungen zu bezeichnen, geben Zwicker et al. (2019) und Schaarschmidt et al. (2020) die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, den Verkehrsfluss und das Verkehrsklima als mögliche Beurteilungskriterien an. Neben dem Anspruch, eine Verkehrssituation ohne einen Konflikt aufzulösen (Verkehrssicherheit), wird bei der Auswirkung auf den Verkehrsfluss die Effizienz bei der Auflösung einer Verkehrssituation betrachtet, sodass die Verkehrsteilnehmenden möglichst rasch und ungehindert ihren Weg fortsetzen können. Joisten et al. (2020) bezeichnen den Straßenverkehr als einen sozialen Raum, in dem Menschen in anonymisierter Form miteinander kooperieren, interagieren und kommunizieren. Daher hat das Verkehrsklima als weiteres Kriterium einen bedeutenden Einfluss auf eine gelingende Kommunikation. Als Beispiel wäre hier der Verzicht auf die eigene Vorfahrt zu nennen, um andere Verkehrsteilnehmer:innen aus einer untergeordneten Einfahrt einbiegen zu lassen. Im Idealfall führt eine hohe Bereitschaft für kooperatives Verhalten zu einer positiven Verstärkung, nämlich dann, wenn der oder die in dem Fall Begünstigte künftig ebenfalls eine hohe Bereitschaft zur Kooperation zeigt. Daher adressieren Schaarschmidt et al. (2020) unter dem Begriff Verkehrsklima die Bereitschaft für kooperatives Verhalten im Straßenverkehr. Allerdings ist auch der entgegengesetzte (ungünstige) Fall möglich, bei dem durch egoistisches Verhalten im Straßenverkehr (Drängeln, dichtes Auffahren etc.) ein Verkehrsklima vorliegt, dass zu Unsicherheit und Unwohlsein führt.

Doch selbst bei günstigen Voraussetzungen, also einer hohen Kooperationsbereitschaft, ist noch keine gelingende Kommunikation sichergestellt. Unter der Voraussetzung des Vorhandenseins eines Kommunikationsmittels, ist vor allem die Eignung eines Kommunikationsmittels entscheidend für eine gelingende Kommunikation. Ob ein Kommunikationsmittel als geeignet eingeschätzt werden kann, hängt häufig von der jeweils vorherrschenden Situation ab (Art des Kommunikationspartners, Umweltbedingungen, Verkehrsregelung, Sichtbeziehung etc.). Die Eignung eines Kommunikationsmittels in einer bestimmten Situation lässt sich hinsichtlich der Erkennbarkeit, der Verständlichkeit, der Eindeutigkeit und der Übertragbarkeit als Beurteilungsdimension bewerten.

Für die Erkennbarkeit eines Kommunikationsmittels muss sichergestellt werden, dass das Signal überhaupt durch andere Verkehrsteilnehmende erfasst werden kann. Darunter fallen auch Verkehrsteilnehmergruppen, deren (optische oder akustische) Wahrnehmung, Bewegung oder Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt ist. Die Verständlichkeit einer Nachricht wird z. B. anhand der Fahrzeugdynamik als implizites Kommunikationsmittel deutlich. Eine Verlangsamung des Pkw bedeutet, dass der oder die Fahrzeugführer:in abbremst. Eindeutig wird die Nachricht allerdings erst, wenn die Verzögerung des Fahrzeugs im Zusammenhang mit einer geltenden Verkehrsregel oder einer bestimmten Situation steht, z. B. um Vorfahrt zu gewähren oder abzubiegen. Damit ein Signal auch in unterschiedlichen Verkehrssituationen verständlich und eindeutig ist, muss es übertragbar sein. Als Beispiel wäre hier der Blinker zu nennen, der in einer Situation einen Fahrstreifenwechsel ankündigt, in einer anderen Situation eine Abbiegevorgang anzeigt oder nur ein Halten am Fahrbahnrand.

Mögliche Anwendungsbereiche eines automatisierten ÖPNV

Für einen künftigen Betrieb automatisierter Fahrzeuge im ÖPNV liegen bisher verschiedene Ansätze vor, die u. a. in einer Vielzahl von Pilotversuchen getestet wurden (Heikoop et al. 2020). Grundsätzlich muss zunächst ein Bedarf an einer Mobilitätsdienstleistung bestehen, anhand dessen mögliche Anwendungsbereiche, Betriebskonzepte und Bedienformen ausgerichtet werden können.

Da in verschiedenen Pilotprojekten der automatisierte öffentliche Verkehr in vielen Punkten anders in Erscheinung tritt als der heutige ÖPNV, kann nicht a priori davon aufgegangen werden, dass alles beim Alten bleibt – abgesehen von einer Substituierung des menschlichen Fahrers durch eine Maschine. Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Fahrzeuge deutlich kleiner und wendiger, und mit bis zu 16 Passagieren wird nur eine geringe Personenzahl transportiert. Zudem verkehren die eingesetzten Fahrzeuge aus regulatorischen Gründen mit bisher etwa 15 km/h, bis maximal 20 km/h, vergleichsweise langsam und sind dadurch (noch) nicht überall einsetzbar, wo heute ein Kraftomnibus verkehren würde. Allerdings zeigen sich auch neue Anwendungsbereiche und Bedienformen, wie beispielsweise Zubringerdienste in Innenstadtbereichen oder in nicht-öffentlichen Werkarealen. Nach Kaiser und Malanowski (2020) bestehen für den automatisierten ÖPNV derzeit nur zwei plausible Anwendungsszenarien. Zum einen die Überbrückung der sogenannten letzten Meile in der Stadt, bei dem der etablierte ÖPNV erhalten bleibt und mit automatisierten Kleinbussen ergänzt wird. Zum anderen eine Anwendung im ländlichen Raum, sodass in dünn besiedelten Gebieten Mobilität für viele Menschen überhaupt erst ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund ist natürlich nicht absehbar, ob auch künftig größere und schnellere Fahrzeuge zum Einsatz kommen, wie bspw. der von Daimler (2016) vorgestellte Future Bus mit CityPilot oder der von Volvo (2018) präsentierte automatisierte Prototyp auf Basis eines Serienmodells. Unter Berücksichtigung dessen sowie der bisher gemachten Erkenntnisse aus den Pilotprojekten gehen wir von folgenden zwei Anwendungsfällen aus:

Anwendungsfall 1 „Automatisierter ÖPNV in einem autofreien Bereich“

Der erste Anwendungsfall berücksichtigt insbesondere die bisher international getätigten Pilotversuche und Anwendungen eines automatisierten Shuttle-Busses im innerstädtischen Bereich. Dabei gehen wir für die weiteren Überlegungen davon aus, dass als mögliche Interaktionspartner ausschließlich nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmende auftreten. Der automatisierte Kleinbus (maximal 16 Passagiere) ist durch die Verkehrsteilnehmenden eindeutig als ÖPNV-Fahrzeug erkennbar und verkehrt in einem autofreien Bereich, wie beispielsweise einer Fußgängerzone oder einer autofreien Innenstadt. Die allgemeingültigen Verkehrsregeln orientieren sich u. a. daran, ob das Fahrzeug auf eigenen Verkehrswegen verkehrt oder nicht. Sollte eine Fahrbahn zur Verfügung stehen, die baulich von Rad- und/oder Fußwegen getrennt ist, gelten die heute bekannten Regelungen zur Vorfahrt und zum Vorrang. Gibt es gemäß dem Gestaltungskonzept „Gemeinsam genutzter Raum“ nach DIN EN 17210:2021 keine festgelegten Räume für die Verkehrsteilnehmenden, so sind alle am Verkehr teilnehmenden Personen und Fahrzeuge gleichberechtigt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit kann je nach Situation und baulicher Gestalt zwischen 5 km/h (Schrittgeschwindigkeit) und 30 km/h betragen. Der automatisierte ÖPNV-Betrieb kann einerseits als klassischer Linienbetrieb mit fixen Haltepunkten oder andererseits als ein On-Demand-Angebot, mit dynamischer Routenführung für mehrere Fahrgäste, ausgelegt sein. Als zu berücksichtigende nicht-automatisierte Verkehrsteilnehmende wird von Fußgängern, Radfahrern und Nutzern von elektrischen Kleinstfahrzeugen jeden Alters und Geschlechts ausgegangen.

Nahezu jedes Fahrmanöver des automatisierten Kleinbusses wird in diesem Anwendungsfall eine Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmenden erfordern. Grundsätzlich kann von den vier oben bereits genannten Zuständen ausgegangen werden – Fahren im fließenden Verkehr, Einfahren, Halten mit Fahrgastwechsel und Ausfahren aus dem Haltestellenbereich. Das „Fahren im fließenden Verkehr“ ist in diesem Anwendungsfall nicht ganz zutreffend, insbesondere da kein weiterer motorisierter Verkehr vorhanden ist, der auf eigenen Verkehrsflächen „fließt“. Im Übrigen kann der Zustand des Fahrens in weitere Manöver bzw. Szenarien unterteilt werden, wie das Abbremsen, Anhalten, das Beschleunigen (Merat et al. 2018) sowie ein Richtungswechsel zum Ausweichen vor Hindernissen oder das Abbiegen an Abzweigungen. Im ersten Anwendungsfall ist zudem nicht zwingend von fixen Haltestellen auszugehen, was bedeutet, dass der automatisierte Kleinbus on demand für einen Fahrgastwechsel an einem beliebigen Ort halten kann.

Um die verschieden Fahrmanöver zu signalisieren, sind mit den heute bekannten lichttechnischen Einrichtungen grundsätzlich geeignete Kommunikationsmittel vorhanden. Sie haben sich hinsichtlich der Kriterien Erkennbarkeit, Verständlichkeit, Eindeutigkeit und Übertragbarkeit seit ihrer Einführung bewährt. Zudem liegt bei den anderen Verkehrsteilnehmenden ein hohes Bedeutungswissen vor, was eine gelingende Kommunikation zusätzlich begünstigt.

Das fahrdynamische Verhalten ist als Kommunikationsmittel in Verbindung mit den lichttechnischen Einrichtungen grundsätzlich positiv einzuschätzen. Jedoch sind aufgrund der geringen Fahrgeschwindigkeit und aus Gründen des Fahrkomforts die Beschleunigungs- und Bremsmanöver weniger ausgeprägt und dadurch kaum erkennbar. Richtungswechsel sind insbesondere unter Verwendung des Blinkers weiterhin gut erkennbar.

Für akustische Signale kann davon ausgegangen werden, dass auch beim automatisierten ÖPNV eine Hupe vorhanden sein wird. Die Hupe ist zwar gut hörbar (Erkennbarkeit) und in unterschiedlichen Situationen einsetzbar (Übertragbarkeit), allerdings nur bedingt verständlich und eindeutig. Weitere akustische Signale, wie das Abrollen der Reifen oder das Motorengeräusch, werden deutlich schwächer in Erscheinung treten, da in diesem Anwendungsfall die Geschwindigkeiten niedrig und der Antrieb des Kleinbusses elektrisch erfolgt.

Ein möglicher Bedarf an zusätzlicher Kommunikation mit einem fahrerlosen Kleinbus wird für sämtliche Informations- und Auskunftsgesuche durch die Passagiere gesehen, die heute an den oder die Fahrer:in gestellt werden. Diese Art der Kommunikation wird in diesem Beitrag allerdings bewusst ausgelassen, da davon ausgegangen werden kann, dass den Passagieren eines automatisieren Kleinbusses eine entsprechende technische Schnittstelle zu einem Operator im Fahrzeug bereitgestellt werden kann.

Hinsichtlich der Kriterien Verkehrssicherheit, Verkehrsfluss und Verkehrsklima sind insbesondere Szenarien von Interesse, die beim Ausbleiben einer gelingenden Kommunikation zu einem Konflikt, zu Behinderungen des Verkehrsflusses oder zu Akzeptanz- und Vertrauensverlust führen. Bisherige Untersuchungen zum Umgang zwischen zu Fuß gehenden Personen und automatisierten Fahrzeugen haben gezeigt (u. a. De clerq et al. 2019), dass insbesondere das Queren der Fahrbahn vor einem automatisierten Fahrzeug zu Unsicherheiten führt. Unter anderem führen Zwicker et al. (2019) an, dass durch das fehlende Signalisieren der Absicht des automatisierten Fahrzeugs eine Unsicherheit entstehe, die möglicherweise zu nicht ordnungsgemäßem Verhalten der Verkehrsteilnehmenden führt. Die Unsicherheit der Fußgänger:innen, ob sie durch das automatisierte Fahrzeug überhaupt wahrgenommen wurden, reduziere sich nach Erkenntnissen von Lagström und Lundgren (2015) durch das Anzeigen von expliziten Aussagen wie „wird Vorfahrt gewähren“. Auch Ackermann et al. (2019) konnten in einer experimentellen Studie im Anschluss an Fokusgruppeninterviews zeigen, dass Probanden eine direkte Instruktion („Go ahead!“) gegenüber einer Status-Mitteilungen in Bezug auf die Erkennbarkeit, die Eindeutigkeit und den Komfort der Interaktion bevorzugen. Für Anwendungsfälle, in denen ein automatisierter Kleinbus in Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmenden treten muss, um eine Verkehrssituation so aufzulösen, sodass weder das Fahrzeug, inkl. dessen Passagiere, noch die anderen Verkehrsteilnehmenden gefährdet oder unverhältnismäßig behindert werden, bietet es sich für den Zeitraum der Einführung automatisierter Kleinbusse an, ein zusätzliches explizites Kommunikationsmittel zu entwickeln und standardisiert umsetzen.

Anwendungsfall 2 „Automatisierter ÖPNV auf öffentlichen Straßen“

Der zweite Anwendungsfall bezieht sich auf die mögliche Nutzung des automatisierten ÖPNV als Mobilitätsangebot für die „letzte Meile“ – sowohl im ländlichen Raum als auch in der Stadt. Der automatisierte Kleinbus (maximal 16 Passagiere) ist durch die Verkehrsteilnehmenden eindeutig als ÖPNV-Fahrzeug erkennbar und verkehrt im Mischverkehr auf öffentlichen Straßen. Es wird von den heute gültigen Verkehrsregeln ausgegangen, insbesondere hinsichtlich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie der bekannten Regelungen zur Vorfahrt und zum Vorrang. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit kann je nach Situation und baulicher Gestalt der Verkehrsinfrastruktur variieren und wird für den Verkehr innerorts auf maximal 50 km/h festgelegt. Für den automatisierten ÖPNV-Betrieb wird wie im Anwendungsfall 1 von einem klassischen Linienbetrieb oder einem On-Demand-Angebot ausgegangen. Für den Mischverkehr werden als nicht-automatisierte Verkehrsteilnehmende sämtliche heute verkehrende Fahrzeuge und Personen jeden Alters und Geschlechts angenommen.

Im Gegensatz zum Anwendungsfall 1 sind bei einem Betrieb eines automatisierten ÖPNV im Straßenverkehr schwächere und andere Verkehrsteilnehmergruppen stärker getrennt, bspw. durch separierte Geh- oder Radwege. Während hier die Kommunikation insbesondere mit schwächeren Verkehrsteilnehmergruppen stärker formell geregelt ist, bspw. an Fußgängerüberwegen oder Lichtsignalanlagen, rückt die Kommunikation mit anderen motorisierten Verkehrsteilnehmenden stärker in den Fokus. Dies hat zur Folge, dass für die Kommunikation über die optischen und akustischen Signale teils andere Voraussetzungen gelten.

Als unverändert geeignet sind die lichttechnischen Einrichtungen zu bewerten. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass beim Zusammentreffen mit einem automatisierten ÖPNV-Fahrzeug, welches rechts blinkt und verzögert, links blinkt und anfährt oder mit eingeschalteter Warnblinkanlage steht, ein hohes Bedeutungswissen der anderen Verkehrsteilnehmenden auf Basis grundlegender straßenverkehrsrechtlicher Regelungen vorliegt. Dass ein automatisiertes ÖPNV-Fahrzeug die formellen Verkehrsregeln jederzeit befolgen wird, kann als Grundvoraussetzung angenommen werden. Trotzdem wird es durch (nicht vorgesehene) statische und dynamische Hindernisse auf den Fahrstreifen zu Situationen mit anderen Verkehrsteilnehmenden kommen, die eine Kooperation durch Kommunikation benötigen.

Neben dem Bremslicht und dem Blinker erscheint die Lichthupe als Kommunikationsmittel im heutigen Straßenverkehr an Bedeutung gewonnen zu haben. Das kurzzeitige Aufblenden ist nach der deutschen StVO allerdings nur zulässig, um auf eine Gefahr aufmerksam zu machen oder um außerorts einen Überholvorgang anzukündigen. Nicht zulässig ist die Lichthupe jedoch als Kommunikationsform im Sinne der Gewährung der Vorfahrt oder des Bedankens. In welchem Ausmaß derartige Kommunikationsformen in der Praxis tatsächlich eine Rolle spielen, sowohl was ihre Auftretenshäufigkeit als auch ihre tatsächliche Notwendigkeit angeht, ist bisher nicht bekannt (Zwicker et al. 2019).

Das fahrdynamische Verhalten ist als Kommunikationsmittel in Verbindung mit den lichttechnischen Einrichtungen grundsätzlich positiv einzuschätzen. Allerdings sind gemäßigte Beschleunigungs- und Bremsmanöver aus der sogenannten „Frontscheiben-Perspektive“ für einen menschlichen Fahrer nur schwer auszumachen. Als Beispiel ist hier das „unsichere“ Warten eines Linksabbiegers an einer mit Lichtsignal geregelten Kreuzung zu nennen, der dem entgegenkommenden Pkw Vorfahrt gewähren muss, obwohl dieser aufgrund des Lichtsignalwechsels auf Rot sein Fahrzeug nur ausrollen lässt. Das Ausrollen ist im Vergleich zu einer starken Bremsung zumindest auf den ersten Blick nur schwer erkennbar.

Damit ein reibungsloser Verkehrsfluss innerhalb eines solchen Szenarios möglich ist, muss die automatische Fahrzeugführung auf das kooperative Verhalten der menschlichen Verkehrsteilnehmenden reagieren können. Ein Teil des kooperativen Verhaltens drückt sich dabei in der Kommunikation auf implizite oder explizite Weise aus (De Ceunynck et al. 2013), wie beispielsweise die Nutzung der Lichthupe des ausrollenden Pkw, verbunden mit der Nachricht: „Ich werde anhalten, Du kannst Fahren!“. Für dieses und ähnliche Szenarien muss definiert werden, welche Nachrichten bzw. Botschaften bei Interaktionen mit automatisierten Fahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmenden ausgetauscht werden müssen und anhand welcher Signale und Informationsdesigns eine intuitive und unmissverständliche Kommunikation zwischen allen Verkehrsteilnehmenden realisiert werden kann (Schieben et al. 2020; Deublein 2020). Durch das vermehrte Auftreten von kooperativen Situationen mit motorisierten Verkehrsteilnehmenden rücken die impliziten Kommunikationssignale, zum Beispiel beim Einfädeln oder Einscheren in den fließenden Straßenverkehr (Stoll et al. 2020), in den Fokus der Kommunikation. Änderungen der Fahrtrichtung sind insbesondere unter Verwendung des Blinkers weiterhin gut erkennbar.

Für akustische Signale kann davon ausgegangen werden, dass auch beim automatisierten ÖPNV eine Hupe vorhanden sein wird. Die Vor- und Nachteile der Hupe hinsichtlich der Kriterien für eine gelingende Kommunikation sind analog zum Anwendungsfall 1. Für andere motorisierte Verkehrsteilnehmende kaum noch wahrnehmbar werden akustische Signale sein, wie das Abrollen der Reifen oder das Motorengeräusch des automatisierten Kleinbusses.

4.3.3 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

Mit der Zunahme des Verkehrsgeschehens hat eine gelingende Kommunikation im Straßenverkehr an Bedeutung gewonnen. Der Bedeutungszuwachs ist jedoch nicht allein anhand der bloßen Menge an Verkehrsteilnehmenden zu begründen, sondern vor allem durch die Tatsache, dass zum einen nicht jede Verkehrssituation durch die allgemein gültigen Verkehrsregelungen vollumfänglich abgedeckt ist und zum anderen, sofern es eine Verkehrsregelung zu beachten gilt, eine stringente Befolgung dieser den Verkehrsablauf zum Erliegen bringen kann. Explizite Kommunikationsformen werden auch künftig in den sogenannten „Deadlock-Situationen“ von Nöten sein, wenn man die Verkehrssituation unter Berücksichtigung der Kriterien einer gelingenden Kommunikation auflösen will. Die Bereitstellung technischer Kommunikationsmittel, die für jede Verkehrssituation adäquat über optische und/oder akustische Signale den Status eines automatisierten Fahrzeugs anzeigen oder sogar eine Handlungsanweisung an andere Verkehrsteilnehmende kommunizieren, ist zwar naheliegend, doch ist diese Herangehensweise derzeit kaum konsequent umsetzbar, insbesondere vor dem Hintergrund der Notwendigkeit des gleichen Zeichen- und Bedeutungswissens sowie der zu berücksichtigenden Kriterien für eine gelingende Kommunikation mit allen Verkehrsteilnehmergruppen.

Noch ist nicht absehbar, ob ein automatisiertes Fahrzeug künftig ein offensives explizites Signal zur Intentionsvermittlung verwenden kann und darf. Hier muss die Forschung ansetzen, um über neue verständliche Signale oder über eine Intentionserkennung bestimmte Situationen im Mischverkehr vor einem Patt aufzulösen (Imbsweiler et al. 2018a). Daran anknüpfend müssen durch die Normierungsbehörden und den Gesetzgeber entsprechende verkehrsrechtliche Grundlagen für ein standardisiertes Signal geschaffen werden, welches für alle Fahrzeuge gilt und den Kriterien der Erkennbarkeit, der Verständlichkeit, der Eindeutigkeit und der Übertragbarkeit genügt.

Der Umgang mit automatisierten Fahrzeugen muss durch alle am Verkehr teilnehmenden Personengruppen noch erlernt werden und sollte künftig zum Gegenstand der Verkehrserziehung und -ausbildung werden. Auch im umgekehrten Fall wird sich durch die gewonnenen Erkenntnisse während des Betriebs automatisierter Fahrzeuge die Technologie der Systeme rasant weiterentwickeln. Der ÖPNV wird insbesondere in der Einführungsphase solcher Systeme eine tragende Rolle spielen und das automatisierte Fahren für Passagiere und andere Verkehrsteilnehmergruppen zunehmend erlebbar bzw. erfahrbar machen. Ein durch ÖPNV-Unternehmen offensiver Umgang mit dieser Schlüsselrolle wäre hinsichtlich der Kommunikation und der Verkehrssicherheit zu wünschen. Wie Watzlawick et al. (1969) bereits formulierten: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“. Daher sollte ein Fahrzeug eines örtlichen ÖPNV-Unternehmens sehr wohl als solches erkannt werden, erst recht, wenn es sich in Zukunft um ein automatisiert betriebenes ÖPNV-Fahrzeug handelt. Die Vorteile einer generellen Kenntlichmachung bestimmter Fahrzeugkollektive zeigt sich auch im heutigen Verkehr. Nicht nur im ÖPNV, sondern u. a. auch für Fahrzeuge der Blaulichtorganisationen, bei Taxis oder Fahrschulen. Hintergrund ist, dass man das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmender beim Zusammentreffen mit speziell gekennzeichneten Fahrzeugen beeinflussen kann, sei es durch definierte Straßenverkehrsregeln, wie das Verhalten beim Zusammentreffen mit Rettungskräften mit eingeschaltetem Blaulicht (§ 38 StVO), oder durch Handlungsempfehlungen zum kooperativen Verhalten, wie das „Ausfahren lassen“ eines linksblinkenden Busses aus einem Haltestellenbereich (§ 20 Satz 5 StVO).

Unabhängig von der künftigen Fahrzeuggestalt und den möglichen Anwendungsbereichen des automatisierten ÖPNV ist es zwingend erforderlich, dass die Kommunikation zwischen einem automatisierten Fahrzeug und anderen nicht-automatisierten Verkehrsteilnehmenden eine hohe Bedeutung einnimmt. Es muss bei allen für eine Integration des automatisierten ÖPNV den beteiligten Akteuren das Verständnis geschaffen werden, dass nur mit einer gelingenden Kommunikation ein hohes Maß an Transparenz, Vertrauen, Akzeptanz und Sicherheit geschaffen werden kann. Die Berechenbarkeit künftigen Handelns bzw. die Vorhersehbarkeit des folgenden Fahrmanövers erscheinen aus Sicht der Nutzenden und aus Sicht der Fahrzeugentwicklung von großer Bedeutung. Nicht nur der Mensch soll zu jeder Zeit wissen, welches Manöver das Fahrzeug als Nächstes unternimmt, sondern auch das automatisierte Fahrzeug muss lernen, menschliches Verhalten zu interpretieren und sein Handeln darauf abzustimmen.