Zusammenfassung
Die Sprachwissenschaft, auch Linguistik genannt, ist die Wissenschaft, die Sprachen wie Deutsch, Spanisch, Mandarin usw. beschreibt und analysiert und die Zusammenhänge zwischen Sprache und Gehirn, Sprache und Kultur sowie Sprache und Gesellschaft klären will. Sie will herausfinden, wie sprachliche Einheiten (Laute, Sätze, Äußerungen usw.) aufgebaut sind, welche Prinzipien diesen Aufbau steuern, und wie Menschen in unterschiedlichen Situationen mithilfe ihrer Sprache mehr oder weniger erfolgreich kommunizieren.
Bei etlichen an Sprache(n) interessierten Menschen hält sich das Vorurteil, die Sprachwissenschaft wolle sich dafür einsetzen, dass bestimmte Wörter nicht verwendet werden bzw. eine Sprache „richtig“ gesprochen wird. Die Sprachwissenschaft betreibe also eine Art Sprachpflege. Warum eine solche Sprachpflege keine wissenschaftliche Arbeit und somit nicht Gegenstand der Linguistik ist, wird zu Beginn dieses Kapitels erläutert.
Anschließend werden wir sehen, mit welchen Daten sich Linguisten beschäftigen, seien dies selbst ausgedachte Daten oder Sammlungen großer Datenmengen, die Korpora.
Eine wichtige Unterscheidung in der Linguistik betrifft die Kenntnisse, die ein Sprecher über seine Sprache(n) besitzt, und der Anwendung dieser Kenntnisse beim Sprechen und Schreiben. Ersteres wird in der Sprachwissenschaft als Kompetenz bezeichnet, letzteres als Performanz. Die Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz wirft einige Fragen zum Untersuchungsgegenstand der Linguistik auf, die wir erörtern werden.
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Antworten zu den Selbstfragen
Antworten zu den Selbstfragen
Selbstfrage 1
Die grundlegende Frage hinter dieser Aufgabe lautet: Wie viele Varianten zu dem Satz existieren theoretisch, und welche sollten bei diesem Test betrachtet werden?
Wir haben vier Einheiten (er, es, ihm, mit einer Schere), also \(4!=24\) mögliche Anordnungen dieser vier Ausdrücke. Die Anzahl der Stellungsvarianten ist aber höher, denn die vier Ausdrücke können sich an unterschiedlichen Positionen im Satz befinden.
Angenommen, wir haben für die vier Ausdrücke zwölf Positionen im Satz (diese Annahme von zwölf möglichen Positionen in einem Satz des Deutschen ist zwar falsch, aber wir tun so, als wäre dies tatsächlich der Fall): vier vor dem finiten Verb muss, vier zwischen dem finiten Verb und dem infiniten öffnen, sowie vier nach öffnen. Gemäß Kombinatorik resultiert dies in \(n!/(n-k)!\) Möglichkeiten, i.e. \(12!/(12-4)!=11.880\) mögliche Stellungsvarianten! Real reduzieren sich diese Varianten auf deutlich weniger Fälle, da z. B. auch die Fälle berücksichtigt wurden, bei denen z. B. nur ein Element vor dem finiten Verb positioniert ist, sich dieses Element aber auf den vier verschiedenen „freien“ Positionen befindet.
Unter die Varianten fallen auch Beispiele wie Es mit einer Schere ihm er öffnen muss (eine der 24 Permutationen belegt sämtliche vier Positionen vor dem finiten Verb) oder Es muss er öffnen mit einer Schere ihm (bei einer anderen der Varianten belegt das erste Element eine der vier Positionen vor dem finiten Verb, das zweite eine Position zwischen dem finiten und dem infiniten Verb, und die beiden restlichen Elemente befinden sich nach dem infiniten Verb). Solche Varianten sind sicherlich ohne Zweifel nicht grammatisch, so dass es für diese Übung durchaus sinnvoll ist, Reihungen auszulassen, die Akzeptabilität grundsätzlich ausschließen (Obacht: Die Grenze zwischen den klaren Fällen von Ungrammatikalität und den Zweifelsfällen ist nicht immer klar zu ziehen).
Sie bewerten also z. B. die folgenden Sätze:
-
Er muss es ihm mit einer Schere öffnen.
-
Er muss es ihm öffnen mit einer Schere.
-
Er muss es mit einer Schere ihm öffnen.
-
Er muss mit einer Schere es ihm öffnen.
-
Er mit einer Schere muss es ihm öffnen.
-
Mit einer Schere er muss es ihm öffnen.
-
…
Wenn Sie diese Daten nach zwei Tagen ein weiteres Mal bewerten, kann es sein, dass diese Bewertung von der ersten Bewertung abweicht.
Selbstfrage 2
Beispiele sollten auf disjunkten Kategorien basieren, die insbesondere für gesprochene Sprache einschlägig sind. So könnte z. B. ein Korpus von Gesprächen von Männern und Frauen angelegt werden oder ein Korpus, in dem die Daten nach Gesprächstypen kategorisiert sind (Tratsch, Diskussion, Streitgespräch u. a.), oder ein Korpus nach der Anzahl der Gesprächsteilnehmer (Monolog, Dialog, 3er-Gespräch usw.).
Selbstfrage 3
Bereits die Schreibung zeigt, dass es sich wahrscheinlich nicht um einen Satz handelt, den ein Sprecher des Deutschen als Teil eines Textes geschrieben hat. Der Sprachgebrauch steht hier also nicht im Vordergrund; vielmehr geht es bei diesem Beispiel um Fragen der syntaktischen Struktur. Das Beispiel wurde von Linguisten ausgedacht, um Aspekte der Grammatik zu verdeutlichen. Es betrifft somit nicht die Performanz.
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Klabunde, R. (2023). Was will die Linguistik und wozu?. In: Klabunde, R., Mihatsch, W. (eds) Linguistik. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66612-8_1
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Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg
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Online ISBN: 978-3-662-66612-8
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