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*Teilchenphysik

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Physik
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Zusammenfassung

Auf der Suche nach immer neuen elementaren Teilchen, die von verschiedenen Theorien vorhergesagt wurden, wurden in den 1950er Jahren enorme Summen für den Bau von Teilchenbeschleunigern mit immer höheren Energien aufgewendet. Gegenwärtig kennen wir mehrere Hundert Teilchen, von denen viele einmal als elementar angesehen wurden; Forschungsgruppen an den großen Beschleunigerzentren rund um die Welt suchen und finden ständig weitere, wie das 2012 entdeckte Higgs-Boson.

Im Large Hadron Collider (LHC) des Europäischen Forschungszentrums für Teilchenphysik CERN können Proton-Proton-Zusammenstöße mit sehr großen Energien durchgeführt werden. Um die Protonen auf Kreisbahnen zu halten, werden die abgebildeten Dipolmagnete eingesetzt. (© 2014–2018 CERN)

? Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus der Energiebilanz bei Teilchenwechselwirkungen ziehen? (Siehe Übung 39.1.)

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Correspondence to Peter Kersten .

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Appendices

Im Kontext: Die Suche nach dem Higgs

Neugierde hat die Menschen weit gebracht. Sie treibt uns an, immer wieder Neues zu entdecken, uns weiterzuentwickeln oder unglaubliche Phänomene zu erklären. Die grundlegende Frage, woraus das Universum besteht und wie dessen Bestandteile miteinander reagieren, verfolgt uns schon lange. Das Standardmodell der Teilchenphysik bietet dafür einen Baukasten mit entsprechender Anleitung, der sehr präzise getestet und bestätigt wurde1: Fermionen bilden die elementare Materie und Bosonen vermitteln die Kräfte. Einziger Schönheitsfehler: Die Bosonen der schwachen Wechselwirkung, das W- und das Z-Boson, sollten keine Masse besitzen, was sie jedoch tun. Die Physiker Englert, Brout, Higgs, Guralnik, Hagen und Kibble entwickelten in den 1960er Jahren einen Erklärungsversuch, den wir heute als Higgs-Mechanismus kennen.2,3 Über eine Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld erhalten sowohl die W- und Z-Bosonen als auch die Fermionen ihre Massen.

So nett die Theorie des Higgs-Mechanismus auch ist: ohne experimentellen Beweis ist sie wenig wert. Daher suchte man seither nach einem zum Higgs-Feld gehörigen Teilchen. Ein Boson sollte es sein, mit Spin 0, positiver Parität, ganz bestimmten Zerfallssignaturen und einer Vorliebe für Wechselwirkungen mit massiven Teilchen. Über seine Masse machte die Theorie keine Vorhersage, daher blieb sie ein freier Parameter.

Seine Entdeckung sollte nicht leicht werden: Seine Produktions- und Zerfallsraten hingen von der noch unbekannten Masse ab. Außerdem gab es viele Prozesse, die von einem zerfallenen Higgs-Teilchen nicht zu unterscheiden wären. Schwierig ist das vor allem dann, wenn die Untergrundprozesse um ein vielfaches wahrscheinlicher sind. Besonders stark zu spüren bekommt man das bei einem der stärksten Zerfallskanäle des Higgs, nämlich dem in ein b-Quark und ein Anti-b-Quark.

Man benötigt bei der Suche nach dem Higgs-Teilchen einen Teilchenbeschleuniger mit mindestens so viel Schwerpunktsenergie wie der Masse des Higgs-Bosons sowie einer hohen Luminosität und damit hohen Produktionsraten. Denn nur so kann sich das Signal mit großer Signifikanz vom Untergrund abheben.

Die Limitierungen an Schwerpunktsenergie und Luminosität hinderten den Elektron-Positron-Beschleuniger LEP und den Proton-Antiproton-Beschleuniger Tevatron an der Entdeckung. Dennoch lieferten die Experimente an diesen Beschleunigern wichtige Erkenntnisse, denn sie konnten gewisse Bereiche der Higgs-Masse ausschließen. Dies geschah zum einen durch direkte Suche (bei der schlicht nichts gesehen wurde) als auch durch indirekte Suche. Denn die präzise Messung der Massen von W-Bosonen und Top-Quarks erlaubte ebenfalls die Masse des Higgs-Teilchens einzugrenzen.

Spannend war die Situation, als alle Higgs-Massen unter \(600\,\mathrm{G{{\text{eV}}}}/{c}^{2}\) bis auf ein kleines Fenster zwischen 116 und 127 GeV ausgeschlossen waren. Am 4. Juli 2012 meldeten die beiden großen LHC-Experimente ATLAS und CMS schließlich gemeinsam die Entdeckung eines neuen Teilchens mit der Masse von ca. \(125\,\mathrm{G{{\text{eV}}}}/{c}^{2}\).4, 5 Mehr als 6000 Wissenschaftler planten und bauten über 15 Jahre zwei riesige Experimente, nahmen in zwei Jahren Daten von \(6\cdot 10^{15}\) Kollisionen und suchten in ihnen nach Signaturen eines möglichen Higgs-Teilchens. Kompliziert wird das Ganze, da nur etwa jede zehnmillionste Protonenkollision ein Higgs-Teilchen erzeugt. Da die Experimente von den ca. 40 Millionen Kollisionen pro Sekunde nur etwa 100 aufzeichnen können, müssen sogenannte Trigger blitzschnell nach wichtigen Kennzeichnen suchen, die eine Kollision interessant erscheinen lassen, um sie abzuspeichern.

figure g

Eine Messung von ATLAS, die zur Higgs-Entdeckung beigetragen hat: Die gemessene invariante Masse von vier Leptonen (schwarz) zeigt ein Signal bei ca. 125 GeV, das alleine durch die Untergründe (rot und lila) nicht erklärbar wäre und gut zu einem simulierten Higgs-Teilchen passen würde (hellblau). (© Phys. Lett. B 716, 2012, 1–29)

Da viele Prozesse einem Higgs-Zerfall ähneln, muss man diese durch Simulationen beschreiben und dann prüfen, was es in den Daten zusätzlich noch zu entdecken gibt. Bei der Suche im Zerfallskanal des Higgs in vier Leptonen z. B. beobachtete man bei ATLAS 13 Kandidaten für ein Higgs-Teilchen. Simulationsrechnungen ergaben eine Vorhersage von fünf Untergrundereignissen. Kombiniert mit weiteren Zerfallskanälen ergab sich eine Wahrscheinlichkeit von weniger als eins zu einer Million, dass die Entdeckung eine zufällige Fluktuation des Untergrunds war, und das Signal bestätigte sich.

Um nun sicherzustellen, dass es sich wirklich um das vorhergesagte Higgs-Teilchen handelt, müssen einige Punkte abgeklärt werden: Zerfällt es in alle Kanäle, in die es sollte? Sind seine Produktionsraten so groß wie vorhergesagt? Koppelt es sowohl an Fermionen als auch Bosonen? Hat es Spin 0 und positive Parität?

Erste Ergebnisse von ATLAS und CMS zeigen, dass Spin und Parität den Vorhersagen des Standardmodells entsprechen.6, 7 Ähnlich sieht es auch mit den Produktions und Zerfallsraten aus.8 Um Genaueres sagen zu können, benötigt man allerdings wesentlich mehr Daten, als bis 2012 gesammelt wurden. Aus diesem Grund begann 2013 eine zweijährige Upgrade-Phase des LHC mit dem Ziel, noch höhere Luninositäten und Energien zu erzielen. Im Anschluss startete der sogenannte „Run2“ des LHC. Die Schwerpunktsenergie erhöhte sich von 8 auf 13 TeV und die Luminosität erreichte 2016 einen Wert, den man für den maximal möglichsten am LHC hielt. 2017 konnte man die Luminosität dann allerdings sogar noch einmal verdoppeln. Nach Auswertung dieser Daten wird sich klären: Verhält sich das Higgs-Teilchen wirklich genauso wie vorhergesagt? Gibt es vielleicht sogar mehrere Higgs-Teilchen? Gibt es dadurch Anzeichen für Supersymmetrie, mit der noch eine ganze Reihe anderer offener Fragen beantwortet werden könnten?

Man darf also gespannt darauf warten, welche Geheimnisse und Überraschungen der LHC mit seinen Rekordenergien ans Tageslicht bringt.

  1. 1.

    Beringer, J. et al. (Particle Data Group), „Review of Particle Physics“, Phys. Rev. D 86, 2012, 010001.

  2. 2.

    F. Englert and R. Brout, „Broken Symmetry and the Mass of the Gauge Vector Mesons“, Phys. Rev. Lett. 13, 1964, 321.

  3. 3.

    P.W. Higgs, „Broken Symmetries and the Mass of the Gauge Bosons“, Phys. Rev. Lett. 13, 1964, 508.

  4. 4.

    The ATLAS Collaboration, „Study of the spin and parity of the Higgs boson in diboson decays with the ATLAS detector“, Eur. Phys. J. C75, 2015, 476.

  5. 5.

    The ATLAS and CMS Collaborations, „Measurements of the Higgs boson production and decay rates and constraints on its couplings from a combined ATLAS and CMS analysis of the LHC pp collision data at \(\sqrt{\text{s}}=7\) and 8 TeV, J. High Energy Phys. 08, 2016, 045.

    the search for the Standard Model Higgs boson with the ATLAS detector at the LHC“, Phys. Lett. B 716, 2012, 1–29.

  6. 6.

    The CMS Collaboration, „Observation of a new boson at a mass of 125 GeV with the CMS experiment at the LHC“, Phys. Lett. B 716, 2012, 30.

  7. 7.

    The ATLAS Collaboration, „Evidence for the spin-0 nature of the Higgs boson using ATLAS data“, Phys. Lett. B 726, 2013, 120–144.

  8. 8.

    The CMS Collaboration, „Study of the mass and spin-parity of the Higgs boson candidate via its decays to Z boson pairs“, Phys. Rev. Lett. 110, 2013, 081803.

figure h

Boris Lemmer studierte Physik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und untersuchte in seiner Diplomarbeit am CrystalBall/TAPS-Experiment in Mainz das Omega-Meson in hadronischen Medien. Er hat an der Georg-August-Universität Göttingen über die Eigenschaften des Top-Quarks promoviert und forschte dafür am ATLAS-Experiment. Als leidenschaftlicher Science Slammer gewann Lemmer die Deutsche Meisterschaft 2011.

Im Kontext: Auf Neutrinosuche mit dem weltgrößten Eiswürfel

In den 1920er Jahren schlitterte die Physik ungebremst in eine Energiekrise: bei dem kurz zuvor entdeckten radioaktiven \(\beta\)-Zerfall ging im Prozessablauf Energie verloren. Ein Beispiel hierfür ist der Zerfall:

$${}^{23}_{12}\text{Mg}\quad\to\quad{}^{23}_{11}\text{Na}+\text{e}^{+}\> .$$

Zum Problem wurde nun, dass die Energie in Messungen nicht erhalten war. Der erzeugte Natriumkern und das Positron zusammen besaßen weniger Energie als der ursprüngliche Magnesiumkern. Das Entsetzen unter den Physikern war groß: Das fundamentale Prinzip der Energieerhaltung war verletzt!

Wolfgang Pauli präsentierte damals eine selbst ihm als unorthodox erscheinende Lösung: die Erfindung eines Teilchens, das man nicht aufspüren kann – das Neutrino. Damit war das Neutrino postuliert und die Energieerhaltung zumindest potenziell gerettet: Das unsichtbare Neutrino \(\nu_{e}\) trägt die zusätzliche Energie.

Nun stellte sich aber die Frage: Wie kann man ein Teilchen nachweisen, das nicht detektierbar ist? Es sollte noch 26 Jahre dauern, bis das Neutrino beobachtet werden konnte1, dessen Eigenschaften man heute bereits besser kennt. So wurde z. B. nachgewiesen, dass das Neutrino tatsächlich eine Masse besitzt, wenn auch eine extrem kleine.2 Inzwischen gibt es zwei bekannte astrophysikalische Neutrinoquellen: die Sonne und eine Supernova aus dem Jahr 1987.3

Anfang der 1990er Jahre machte sich eine Gruppe von Physikern auf, im antarktischen Eis nach Neutrinos aus Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung, bestehend aus geladenen Kernen, zu suchen. Neutrinoquellen entstehen, wenn diese Kerne mit Materie (oder Lichtteilchen) an ihrem Produktionsort wechselwirken.3

Da aber Neutrinos nur extrem selten wechselwirken, braucht man überdimensionale Detektoren für ihren Nachweis – je größer das Detektionsvolumen, umso höher die Wahrscheinlichkeit für eine Wechselwirkung in ihm. Mit dem Antarctic Muon and Neutrino Detector Array (AMANDA) wurde in den 1990er Jahren ca. \(1/10\) eines Kubikkilometers antarktisches Eis mit Photomultipliern, also Lichtverstärkern, instrumentiert. Diese detektieren Lichtspuren, die durch geladene Teilchen wie Elektronen und Myonen erzeugt werden, die wiederum entstehen, wenn ein Neutrino mit einem Nukleon im Eis wechselwirkt. Da AMANDA zu klein war, um ein Signal zu sehen, wurde im Jahr 2005 mit dem Bau des Detektors IceCube begonnen – im Dezember 2010 wurde er fertiggestellt. Er umfasst nun einen Kubikkilometer antarktisches Eis in einer Tiefe zwischen ca. 1500 und 2500 m.

Mit IceCube werden ca. 100 bis 200 Neutrinos pro Tag gemessen – ein Großteil wird allerdings in der Erdatmosphäre erzeugt. Nach der Analyse von drei Jahren Datennahme konnte erstmals der Nachweis der Existenz kosmischer Neutrinos vermeldet werden, allerdings ist die Anzahl an detektierten Neutrinos – knapp 100 Stück – noch zu klein, um konkret zu sagen, was genau die Quellen dieser Teilchen sind.4

figure i

Schematische Darstellung des IceCube-Detektors. An jedem Kabel sind 60 Photomultiplier angebracht, im Zentrum des Detektors befindet sich das dichter instrumentierte Deep Core Array zur Messung von verhältnismäßig niederenergetischen Neutrinos. Der Vorgängerdetektor AMANDA ist rechts im Bild schematisch dargestellt. Auf der Eisoberfläche befindet sich zusätzlich das IceTop Array zur Messung der geladenen kosmischen Strahlung. Zentral oberhalb des IceCube-Detektors befindet sich das IceCube-Laboratorium, in dem die Daten gesammelt und an die am Experiment beteiligten Forscher weitergeleitet werden. (www.icecube.wisc.edu) (© Die IceCube Kollaboration)

In Zukunft sollte es möglich sein, die Punktquellen auszumachen, die für das Signal verantwortlich sind und es würde sich nach mehr als 20 Jahren Suche ein ganz neues Fenster in das Universum öffnen: Man könnte dann Astronomie mit Neutrinos betreiben. Einen ersten vorsichtigen Hinweis über den Ursprung der Neutrinos gibt es nun: Im September 2017 wurde ein Neutrino gemessen, was aus einer Richtung kam, aus der im gleichen Zeitfenster auch eine aktive Galaxie Gammastrahlung ausgesandt hat. Über weitere Korrelationen mit anderen Wellenlängen hofft man, in naher Zukunft den Ursprung der Neutrinos bestätigen zu können. Nach langer Suche hätte damit die Neutrinophysik erneut einen großen Schritt gemacht, und Pauli wäre in seiner Aussage bestätigt5: „Alle Dinge erreichen denjenigen, der es versteht zu warten“.

  1. 1.

    Cowan, C. L. et al., „Detection of the Free Neutrino: a Confirmation“, Science 124, 1956, 103.

  2. 2.

    Kamiokande Kollaboration, „Evidence for Oscillation of Atmospheric Neutrinos“, PRL 81, 1998, 1562. SNO Collaboration, „Measurement of day and night neutrino energy spectra at SNO and constraints on neutrino mixing parameters“, PRL 89, 2002, 1302.

  3. 3.

    Becker, J. K., „High-energy neutrinos in the context of multimessenger astrophysics“ Phys. Rep. 458, 2008, 173.

  4. 4.

    IceCube Collaboration, „Evidence for High-Energy Extraterrestrial Neutrinos at the IceCube Detector“, Science 342, 2013, 1242856, http://adsabs.harvard.edu/abs/2014PhRvL.113j1101A

  5. 5.

    („Everything comes to him who knows how to wait.“) – aus Paulis Antwort-Telegramm über die Nachricht des Neutrinonachweises (siehe [2]); zitiert von Enz, C.P., Der Pauli-Jung-Dialog, Hrsg. Atmanspacher et al., Springer, Berlin, 1995, S. 25.

Julia Becker Tjus promovierte an der TU Dortmund und ist nun Lehrstuhlinhaberin für Theoretische Physik an der Ruhr-Universität Bochum. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Plasma-Astroteilchenphysik, und neben IceCube arbeitet sie innerhalb der CTA Collaboration.

figure j

(© AWK/NRW)

Zusammenfassung

 

Thema

Wichtige Gleichungen und Anmerkungen

1.

Fundamentale Wechselwirkungen

Es gibt vier fundamentale Wechselwirkungen: die starke, die elektromagnetische, die schwache und die Gravitationswechselwirkung.

Die starke Wechselwirkung

Die „Ladung“ der starken Wechselwirkung heißt Farbladung. Quarks und Gluonen tragen Farbladung und unterliegen der starken Wechselwirkung. Hadronen (Baryonen und Mesonen) unterliegen einer starken Restwechselwirkung, die von der nicht vollständig abgesättigten fundamentalen starken Wechselwirkung zwischen den Quarks stammt, aus denen die Hadronen aufgebaut sind. Die Zerfallszeit für Prozesse der starken Wechselwirkung beträgt typischerweise \(10^{-23}\) s.

Die elektromagnetische Wechselwirkung

Alle elektrisch geladenen Teilchen unterliegen der elektromagnetischen Wechselwirkung.

Die schwache Wechselwirkung

Die „Ladung“ der schwachen Wechselwirkung heißt Flavour. Quarks und Leptonen besitzen Flavour und spüren die schwache Wechselwirkung. Die Zerfallszeit für Prozesse der schwachen Wechselwirkung beträgt typischerweise \(10^{-10}\) s.

Die Gravitationswechselwirkung

Die „Ladung“ der Gravitationswechselwirkung ist die Masse.

2.

Fundamentale Teilchen

Es gibt zwei Gruppen von fundamentalen Teilchen: die Leptonen und die Quarks. Jede dieser Gruppen enthält sechs Teilchen. Man nimmt an, dass diese Elementarteilchen weder Ausdehnung noch innere Struktur besitzen.

Leptonen

Es gibt sechs Leptonen: das Elektron e und das Elektron-Neutrino \(\upnu_{\text{e}}\), das Myon \(\upmu\) und das Myon-Neutrino \(\upnu_{\upmu}\) sowie das Tauon \(\uptau\) und das Tauon-Neutrino \(\upnu_{\uptau}\). Alle Leptonen sind Spin-\(\frac{1}{2}\)-Teilchen. Elektron, Myon und Tauon besitzen Masse, elektrische Ladung und Flavour, jedoch keine Farbe; sie unterliegen daher der Gravitations-, der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung, nicht jedoch der starken Wechselwirkung. Die Neutrinos tragen Flavour, jedoch weder elektrische Ladung noch Farbe. Sie haben eine sehr kleine Masse.

Quarks

Es gibt sechs Quarks: das Up-Quark u, das Down-Quark d, das Strange-Quark s, das Charm-Quark c, das Top-Quark t und das Bottom-Quark b. Alle Quarks sind Spin-\(\frac{1}{2}\)-Teilchen und somit Fermionen. Die Quarks nehmen an allen vier fundamentalen Wechselwirkungen teil. Da sie stets in Mesonen oder Baryonen eingeschlossen sind, besitzt man für ihre Massen nur Abschätzungen.

3.

Hadronen

Hadronen sind aus Quarks zusammengesetzte Teilchen. Es gibt zwei Arten von Hadronen: die Baryonen und die Mesonen. Die Baryonen, zu denen auch das Proton und das Neutron gehören, bestehen aus drei Quarks und sind Fermionen mit halbzahligem Spin. Die Mesonen, zu denen u. a. die Pionen und die Kaonen gehören, haben ganzzahligen Spin oder den Spin 0. Hadronen wechselwirken über die starke Restwechselwirkung miteinander.

4.

Feldquanten

Neben den sechs fundamentalen Leptonen und den sechs fundamentalen Quarks gibt es die Feldquanten, die mit den vier fundamentalen Wechselwirkungen assoziiert sind:

Wechselwirkung

Feldquant

Gravitationswechselwirkung

Graviton (noch nicht beobachtet)

Elektromagnetische Wechselwirkung

Photon

Schwache Wechselwirkung

\(\mathrm{W^{+}}\), \(\mathrm{W^{-}}\), Z\({}^{0}\)

Starke Wechselwirkung

Gluonen

5.

Erhaltungssätze

Einige Größen, wie Energie, Impuls, Drehimpuls, elektrische Ladung, Baryonenzahl und jede der drei Leptonenzahlen, bleiben in allen Reaktionen und Zerfällen streng erhalten. Andere Größen, wie Seltsamkeit und Charm, bleiben in Prozessen der starken Wechselwirkung erhalten, in Prozessen der schwachen Wechselwirkung dagegen nicht.

6.

Teilchen und Antiteilchen

Teilchen und die dazugehörigen Antiteilchen besitzen gleiche Masse, aber entgegengesetzte Werte in ihren übrigen Eigenschaften, wie z. B. Ladung, Leptonenzahl, Baryonenzahl oder Seltsamkeit. Teilchen-Antiteilchen-Paare können in verschiedenen Kernreaktionen erzeugt werden, wenn die zur Verfügung stehende Energie größer als \(2\,m\,c^{2}\) ist, wobei \(m\) die Masse des Teilchens ist.

Antwort auf die Kurzfrage

  1. 39.1

    Das Proton ist ein Baryon und hat die Baryonenzahl \(B=1\). Alle Teilchen, die keine Baryonen sind, haben die Baryonenzahl \(B=0\). Der Baryonenzahlerhaltungssatz erfordert, dass beim Zerfall eines Protons mindestens eines der Zerfallsprodukte wieder ein Baryon sein muss. Andererseits erfordert der Energieerhaltungssatz, dass die Ruhemasse der Zerfallsprodukte nicht größer sein darf als die Ruhemasse des Protons. Da es jedoch keine Baryonen gibt, deren Ruhemasse kleiner ist als die des Protons, kann das Proton nicht zerfallen, ohne den Baryonenzahlerhaltungssatz oder den Energieerhaltungssatz zu verletzen.

Aufgaben

1.1 Verständnisaufgaben

39.1

• In welcher Hinsicht ähneln sich Baryonen und Mesonen? Und worin unterscheiden sie sich?

39.2

• Das Myon und das Pion haben annähernd die gleiche Masse. Worin unterscheiden sich diese Teilchen?

39.3

• Ein Teilchen, das aus genau zwei Quarks besteht, ist a) ein Meson, b) ein Baryon, c) ein Lepton, d) entweder ein Meson oder ein Baryon, aber sicher kein Lepton?

1.2 Schätzungs- und Näherungsaufgaben

39.4

•• Die Großen Vereinheitlichten Theorien führen zu der Aussage, dass das Proton eine zwar lange, aber dennoch endliche Lebensdauer hat. Experimente, in denen der Zerfall von Protonen in Wasser gemessen wird, lassen darauf schließen, dass die Lebensdauer mindestens \(10^{32}\) Jahre beträgt. Nehmen Sie an, die mittlere Lebensdauer des Protons beträgt \(10^{32}\) Jahre, und schätzen Sie die Zeit zwischen zwei Protonenzerfällen in einem vollständig mit Wasser gefüllten Olympiaschwimmbecken ab. Ein solches Schwimmbecken hat die Abmessungen \(100\,\text{m}\times 25\,\text{m}\times 2{,}0\,\text{m}\). Geben Sie das Ergebnis in Tagen an.

1.3 Spin und Antiteilchen

39.5

• Zwei ruhende Pionen löschen entsprechend der Gleichung \(\uppi^{+}+\uppi^{-}\rightarrow\upgamma+\upgamma\) einander aus. a) Warum müssen die Energien der beiden \(\upgamma\)-Strahlen gleich groß sein? b) Wie groß ist die Energie der \(\upgamma\)-Strahlen? c) Bestimmen Sie die Wellenlänge der \(\upgamma\)-Strahlen.

1.4 Die Erhaltungssätze

39.6

• Stellen Sie fest, ob bei den folgenden Zerfällen bzw. Prozessen Erhaltungssätze verletzt werden. Wenn ja, welche? a) \(\mathrm{p}^{+}\rightarrow\mathrm{n}+\mathrm{e}^{+}+\overline{\upnu}_{\mathrm{e}}\),  b) \(\mathrm{n}\rightarrow\mathrm{p}^{+}+\uppi^{-}\),  c) \(\mathrm{e}^{+}+\mathrm{e}^{-}\rightarrow\upgamma\),  d) \(\mathrm{p}^{+}+\mathrm{p}^{-}\rightarrow\upgamma+\upgamma\),  e) \(\overline{\upnu}_{\mathrm{e}}+\mathrm{p}^{+}\rightarrow\mathrm{n}+\mathrm{e}^{+}\).

39.7

• Bestimmen Sie für jeden der folgenden Zerfälle die Änderung der Seltsamkeit und geben Sie an, ob der jeweilige Prozess über die starke oder über die schwache Wechselwirkung oder überhaupt nicht abläuft: a) \(\Upomega^{-}\rightarrow\Uplambda^{0}+\overline{\upnu}_{\mathrm{e}}+\mathrm{e}^{-}\), b) \(\Upsigma^{+}\rightarrow\mathrm{p}^{+}+\uppi^{0}\).

39.8

•• Bestimmen Sie mithilfe der Abb. 39.9 und der Erhaltungssätze für Ladung, Baryonenzahl, Seltsamkeit und Spin die unbekannten Teilchen in den folgenden Prozessen: a) \(\mathrm{p}+\uppi^{-}\rightarrow\Upsigma^{0}+\text{?}\),  b) \(\mathrm{p}+\mathrm{p}\rightarrow\uppi^{+}+\mathrm{n}+\mathrm{K}^{+}+\text{?}\) und c) \(\mathrm{p}+\mathrm{K}^{-}\rightarrow\Upxi^{-}+\text{?}\,\).

Abb. 39.9
figure 9

Zu Aufgabe 39.8

1.5 Quarks

39.9

• Bestimmen Sie Baryonenzahl, Ladung und Seltsamkeit für die folgenden Quark-Kombinationen und geben Sie an, um welches Hadron es sich handelt:  a) uud,  b) udd,  c) uus,  d) dds,  e) uss,  f) dss.

39.10

• Das \(\mathrm{D^{+}}\)-Meson besitzt keine Seltsamkeit, aber den Charm \(C=+1\). a) Geben Sie eine mögliche Quark-Kombination für dieses Teilchen an. b) Wiederholen Sie Teilaufgabe a für das \(\mathrm{D^{-}}\)-Meson, das Antiteilchen des \(\mathrm{D^{+}}\)-Mesons.

39.11

•• Geben Sie eine mögliche Quark-Kombination für die folgenden Teilchen an: a) \(\overline{\mathrm{n}}\),  b) \(\Upxi^{0}\),  c) \(\Upsigma^{+}\).

1.6 Allgemeine Aufgaben

39.12

•• Betrachten Sie den folgenden Prozess, bei dem ruhende Protonen mit einem Strahl hochenergetischer Protonen beschossen werden: \(\mathrm{p}+\mathrm{p}\rightarrow\Uplambda^{0}+\mathrm{K}^{0}+\mathrm{p}+\text{?}\). a) Bestimmen Sie mithilfe der Erhaltungssätze für Ladung, Baryonenzahl, Seltsamkeit (siehe auch Abb. 39.9) und Spin das unbekannte Teilchen. b) Berechnen Sie den \(Q\)-Wert dieses Prozesses. c) Die Schwellenenergie \(E_{\mathrm{kin,k}}\) dieses Prozesses ist gegeben durch

$$\begin{aligned}\displaystyle E_{\mathrm{kin,k}}=-\frac{1}{2}\,Q\,(m_{\mathrm{p}}+m_{\mathrm{p}}+m_{1}+m_{2}+m_{3}+m_{4})/m_{\mathrm{p}}\,.\end{aligned}$$

Dabei sind \(m_{1}\), \(m_{2}\), \(m_{3}\) und \(m_{4}\) die Massen der Reaktionsprodukte. Bestimmen Sie \(E_{\mathrm{kin,k}}\).

39.13

••• In dieser Aufgabe soll die Differenz der Ankunftszeiten zweier Neutrinos unterschiedlicher Energie berechnet werden, die aus einer 170 000 Lichtjahre entfernten Supernova stammen. Die Energien der Neutrinos seien \(E_{1}=20\,\text{MeV}\) und \(E_{2}=5\,\text{MeV}\), die Ruhemasse jedes Neutrinos wollen wir als 2,0 eV\(/c^{2}\) annehmen. Da die Gesamtenergie der Neutrinos jeweils sehr groß verglichen mit der Ruheenergie ist, liegt ihre Geschwindigkeit sehr nahe an der Lichtgeschwindigkeit, und ihre Energie ist in guter Näherung \(E\approx p\,c\). a) Zeigen Sie, dass die Differenz der Ankunftszeiten

$$\begin{aligned}\displaystyle\Updelta t=t_{2}-t_{1}=x\,\frac{v_{1}-v_{2}}{v_{1}\,v_{2}}\approx\frac{x\,\Updelta v}{c^{2}}\end{aligned}$$

beträgt, wobei \(t_{1}\) bzw. \(t_{2}\) die Zeiten sind, die die Neutrinos der Geschwindigkeit \(v_{1}\) bzw. \(v_{2}\) benötigen, um die Strecke \(x\) zurückzulegen. b) Die Geschwindigkeit eines Teilchens mit der Ruhemasse \(m\) und der Energie \(E\) kann aus der Gleichung

$$\begin{aligned}\displaystyle E=m\,c^{2}\,\gamma=\frac{m\,c^{2}}{(1-v^{2}/c^{2})^{1/2}}\end{aligned}$$

bestimmt werden. Zeigen Sie, dass für \(E\gg m\,c^{2}\) die Geschwindigkeit näherungsweise durch

$$\begin{aligned}\displaystyle\frac{v}{c}\approx 1-\frac{1}{2}\left(\frac{m\,c^{2}}{E}\right)^{\!\!2}\end{aligned}$$

gegeben ist. c) Mit den Ergebnissen aus den Teilaufgaben a und b können Sie nun \(\Updelta t\) für die Entfernung \(x=170\,000\) Lichtjahre berechnen. d) Wie ändern sich die Resultate, wenn die Ruhemasse des Neutrinos 20 eV\(/c^{2}\) beträgt?

39.14

••• Ein in Ruhe befindliches \(\Upsigma^{0}\)-Teilchen zerfällt in ein \(\Uplambda^{0}\)-Teilchen und ein Photon: \(\Upsigma^{0}\rightarrow\Uplambda^{0}+\upgamma\). a) Wie groß ist die gesamte Energie der Zerfallsprodukte? (Diese schließt auch die Ruheenergie ein.) b) Berechnen Sie näherungsweise den Impuls des Photons. Nehmen Sie dabei zunächst an, dass die kinetische Energie des \(\Uplambda^{0}\)-Teilchens gegenüber der Energie des Photons vernachlässigt werden kann. c) Berechnen Sie nun mit diesem Resultat die ungefähre kinetische Energie des \(\Uplambda^{0}\)-Teilchens und damit wiederum d) eine bessere Näherung für den Impuls und die Energie des Photons.

1.7 Das Higgs-Teilchen

39.15

• In Elektron-Positron-Kollidern wie dem LEP (der Vorgängermaschine des LHC im selben Tunnel) kann das Higgs-Boson besonders gut durch den sogenannten Higgs-Strahlungsprozess

$$\mskip 2.0mu\mathrm{e}^{-}+\mskip 2.0mu\mathrm{e}^{+}\longrightarrow\mathrm{H+Z}$$

erzeugt werden, bei dem es gemeinsam mit einem Z-Boson entsteht. Welche Schwerpunktsenergie muss ein Beschleuniger mindestens aufweisen, um diese beiden Teilchen gleichzeitig zu erzeugen? Recherchieren Sie die maximal erreichte Schwerpunktsenergie von LEP in der zweiten Betriebsphase (LEPII) und bewerten Sie, ob eine Entdeckung an dieser Maschine bereits möglich gewesen wäre.

39.16

•• Die Stärke, mit der das Higgs-Boson mit anderen Elementarteilchen wechselwirkt, ist ungefähr proportional zu deren Masse. Da in Protonen nur masselose und relativ leichte (\(m\leq 3\,\text{MeV}\)) Elementarteilchen vorkommen, kann das Higgs-Boson daher in Protonkollisionen nur extrem selten direkt entstehen. Insbesondere nimmt es nicht an der starken Wechselwirkung teil, die bei Protonkollisionen eine dominante Rolle spielt. Dennoch wurde das Higgs-Boson bei Protonenkollisionen am Large Hadron Collider entdeckt. Das war möglich, weil Elementarteilchen, die sowohl eine hohe Masse besitzen als auch an der starken Wechselwirkung teilnehmen, als „Vermittler“ für die Produktion von Higgs-Bosonen auftreten können. Welche Elementarteilchen des Standardmodells kommen hier infrage?

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Kersten, P., Wagner, J., Tipler, P.A., Mosca, G. (2019). *Teilchenphysik. In: Kersten, P., Wagner, J. (eds) Physik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58281-7_39

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