1 Infektionskrankheiten

Der didaktische Zugang zur Infektionsmedizin bietet verschiedene Ansatzpunkte. Für einige Erkrankungen wählen wir die Kategorisierung in Abhängigkeit vom betroffenen Organsystem, für andere wiederum den erregerspezifischen Ansatz. Zum Teil werden organspezifische Infektionskrankheiten in den jeweiligen Kapiteln abgehandelt. In einem kürzeren Kapitel widmen wir uns Pilzen und Parasiten. Hiernach folgt ein differenzialdiagnostischer Zugang zum Patienten nach Tropenreise. Abschließend folgt ein kurzer Überblick zum Thema Impfungen.

1.1 Tonsillopharyngitis

  • Meist akute, virale Infektion des Rachens, des Gaumenbogens und/oder der Tonsillen (u. a. EBV, Adeno-, Influenza-, Parainfluenza-, Herpes-, Corona-, Enteroviren)

  • Seltener bakteriell, v. a. durch Streptococcus pyogenes (15–30 %); seltener andere Erreger (Gruppe-C-Streptokokken, Gruppe-G-Streptokokken, Fusobacterium necrophorum, andere Anaerobier, CMV, HIV, Gonokokken, …)

  • Vorhandensein von „nasalen“ Symptomen („Nasopharyngitis“): Fast immer virale Ätiologie

  • Bei Fehlen von nasalen Symptomen, d. h. (Tonsillo)Pharyngitis: Virale oder bakterielle Ätiologie

Klinik

  • Halsschmerzen, Odynophagie, Dysphagie, Fieber, meist kein Husten, zervikale Lymphadenopathie

  • Inspektorisch: Rötung, Stippchen, Beläge, Enanthem

Diagnostik

  • McIsaac-Score (= modifizierter Centor-Score)

    Erhöhung der Vortestwahrscheinlichkeit (Score von 3 → 35 %ige, Score von 4 → 50 %ige Wahrscheinlichkeit einer S.-pyogenes-Tonsillopharyngitis)

    • Tonsillenschwellung/-rötung: 1 Punkt

    • Zervikale Lymphadenopathie: 1 Punkt

    • Temperatur >38 C: 1 Punkt

    • Fehlender Husten: 1 Punkt

    • Alter 3–14 Jahre: 1 Punkt

  • Streptokokkenschnelltest (ST; Cave: Sensitivität 66–96 %, Spezifität 69–99 %) ab einem McIsaac-Score von 3 erwägen

  • Bei anhaltendem Verdacht und negativem ST → ggf. Rachenabstrich (Rachenhinterwand und beide Tonsillen) und Versuch des kulturellen Nachweises (Cave: Keine Therapie asymptomatischer Träger)

  • Meist keine Indikation für weitergehende Labordiagnostik, insbesondere Blutentnahmen

Therapie

  • Bei viraler Infektion: Symptomatisch, d. h. Antipyrese/Analgesie

    Keine Evidenz für lokale Antiseptika oder lokalanästhesierende Substanzen

  • Bei bakterielle Infektion: Penicillin V p.o. für 7 Tage (bei Penicillinallergie: Clarithromycin) → verkürzt Krankheitsdauer und Infektiösität, reduziert in Hochinzidenzgebieten zudem das Risiko eines akuten rheumatischen Fiebers

Das Mittel der Wahl bei Tonsillopharyngitis durch Gruppe-A-Streptokokken ist Penicillin. Ein positiver Schnelltest ohne Symptome (=Träger) bedarf keiner Therapie.

1.2 Otitis media

  • Akute, ein- oder beidseitige Entzündung des Mittelohrs, meist viraler Genese (initial oft einseitig). Oft konsekutiv bakterielle Superinfektion

  • Ätiologisch relevante Erreger: Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae (v. a. unbekapselte Stämme), Moraxella catarrhalis, Streptococcus pyogenes; seltener Staphylococcus aureus

  • Akute Otitis media (AOM) mit Entzündungszeichen (akutem Beginn und Symptomen wie Schmerzen, Fieber) und Flüssigkeitsansammlung und Entzündung im Mittelohr

  • Otitis media mit Erguss: Symptomarme Ergussbildung hinter dem Trommelfell ohne klinische Zeichen einer akuten Entzündung

  • Höchste Inzidenz: 9–15 Lebensmonate

Klinik

  • Otalgie (bei Säuglingen oft als Irritabilität), Tragusdruckschmerz, Fieber, Hörminderung bei Erguss, Otorrhö bei Trommelfellperforation

  • Bei begleitender Infektion der oberen Luftwege auch Schnupfen, Husten möglich

  • Mögliche Komplikationen: u. a. Hörverlust, vestibuläre Dysfunktion, Mastoiditis, chronische Infektion mit Erguss

Diagnostik

  • Anamnestisch und inspektorisch

  • Kriterien:

    • Akute, klinische Zeichen: Fieber, Krankheitsgefühl

    • Rötung des Trommelfells, Otalgie

    • Otoskopisch: Mittelohrerguss mit Vorwölbung, sichtbarem Flüssigkeitsspiegel, Otorrhö

  • 3 von 3 Kriterien erfüllt → sichere Diagnose; 2 von 3 erfüllt → fragliche Diagnose

Therapie

  • Analgesie/Antiinflammatorische Therapie (z. B. Ibuprofen); abschwellende Nasentropfen (z. B. Oxymetazolin)

  • Antibiose (AB)

    • Kindern <6 Monate: AB

    • Kindern 6–24 Monate: AB bei sicherer Diagnose oder bei fraglicher Diagnose, aber schweren Symptomen, andernfalls zunächst symptomatisch

    • Kindern >24 Monate: AB bei sicherer Diagnose und schweren Symptomen, andernfalls zunächst symptomatisch

    • AB der Wahl: Amoxicillin (bei Nichtansprechen innerhalb von 2–3 Tagen oder stattgehabter Therapie mit Amoxicillin in den letzten 30 Tagen bzw. als Dauerprophylaxe: Aminopenicillin + β-Laktamase-Inhibitor oder Oralcephalosporin der 2. oder 3. Generation)

    • Therapiedauer:

      • Kinder <2 Jahre oder bei Vorliegen von Risikofaktoren oder schwerem Verlauf: 10 Tage

      • Kinder >2 Jahre: 7 Tage

      • Kinder >6 Jahre: 5–7 Tage

Bei zunächst symptomatischer Therapie sollte eine Wiedervorstellung des Patienten innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Bei Persistenz der Beschwerden sollte eine antibakterielle Therapie erfolgen. Komplikationen wie (persistierende) Hörminderung oder Schwindel können auftreten.

1.3 Mastoiditis

  • Potenziell lebensgefährliche, bakterielle Infektion der Zellen des Warzenfortsatzes, die eine Komplikation der akuten oder chronischen Otitis media darstellen kann, aber auch unabhängig davon auftritt

  • Fehlende Ausheilung des mit dem Mittelohr in Verbindung stehenden Mastoidepithels und gestörter Eiterabfluss

  • Gefahr u. a. der subperiostalen Abszedierung, des Durchbruchs nach intrakraniell sowie einer Sinusvenenthrombose

  • Insgesamt selten, mutmaßlich durch Einführung der Pneumokokkenimpfung weiter rückläufig (widersprüchliche Datenlage)

Klinik

  • Fieber, abstehende Ohrmuschel, Otalgie, retroaurikuläre Schmerzen, Schwellung, Rötung, reduzierter Allgemeinzustand

Diagnostik

  • Diagnosestellung i. d. R. klinisch; bei Hinweisen auf intrakranielle Beteiligung oder zweifelhafter Diagnose ggf. CT oder MRT

  • Wenn möglich: Erregernachweis nach Abszesspunktion bzw. Tympanozentese

Therapie

  • Bei unkomplizierten Verläufen initial i.v.-Antibiotikatherapie und Analgesie

    AB: Ampicillin-Sulbactam (alternativ: Ceftriaxon + Clindamycin) für 10–14 Tage

  • Bei komplizierten Verläufen bzw. bei fehlendem Ansprechen auf die Initialtherapie zusätzlich Myringotomie mit Einlage eines Paukenröhrchens, Mastoidektomie, ggf. Abszessdrainage

  • Bei Sinusvenenthrombose ggf. Antikoagulation zu erwägen (unklare Datenlage)

Aufgrund der möglichen intrakraniellen Komplikationen ist die frühe Erkennung und Behandlung der Mastoiditis elementar.

1.4 Pneumonie (pCAP: pediatric community-acquired pneumonia)

  • Entzündung des Lungenparenchyms, zumeist hervorgerufen durch Viren, durch Bakterien, seltener durch Pilze, chemisch (Pneumonitis) oder durch Mageninhalt und Darmflora (Aspirationspneumonie)

  • Prinzipielle Einteilung

    • Anatomisch: Lobärpneumonie, Bronchopneumonie oder interstitielle Pneumonie

    • Nach Ort der Akquise: ambulant erworben oder nosokomial

    • Primär und sekundär (ohne oder mit Grunderkrankung der Atemwege bzw. des Immunsystems)

  • Bei Säuglingen und Kleinkindern überwiegend virale Ätiologie und Bronchopneumonien

  • Typische virale Erreger von Pneumonien: RSV, Rhinovirus, Influenzavirus, Parainfluenzavirus, humanes Metapneumovirus, Adenovirus u. v. m.

  • Typische bakterielle Erreger von Pneumonien: Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus, Mycoplasma pneumoniae, Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae

  • Bei Schulkindern häufiger (aber nicht am häufigsten) durch „atypische“ Erreger (MCL: Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen)

  • Parapneumonischer Erguss bzw. Pleuraempyem: Insgesamt selten, ca. 1 % aller pCAP; meist mit bakterieller Infektion assoziiert

Klinik

  • Fieber (häufig), Tachypnoe, Dyspnoe (Nasenflügeln, Einziehungen interkostal, subkostal, jugulär, sternal), Stöhnen, anstoßende Atmung, Husten, Schnupfen, thorakale Schmerzen, u. U. Bauchschmerzen, Erbrechen

  • Tachypnoe:

    • 2–11 Monate: >50/min

    • 1–5 Jahre: >40/min

    • Ab 5 Jahren: >20/min

  • AZ-Reduktion, Trinkschwäche, Dehydratation, Abgeschlagenheit, ggf. Vigilanzminderung

  • Auskultatorisch/perkutorisch: Rasselgeräusche, bronchiales Atemgeräusch, ggf. abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschalldämmung

Diagnostik

  • Meist klinisch zu diagnostizieren

  • Ggf. Röntgen des Thorax bei fehlender Besserung nach 48 h adäquater Therapie oder stationärer Behandlung

  • Thorax-Sonographie bei Verdacht auf Erguss → abgeschwächtes Atemgeräusch, hyposonorer Klopfschall

  • Routinelabor inkl. Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, Elektrolyte, BGA bei stationärer Aufnahme

  • Mikrobiologie: Blutkultur; in der Saison Schnellteste auf RSV/Influenza; bei schweren Verläufen ggf. Erregernachweis aus bronchoalveolärer Lavageflüssigkeit; ggf. Legionellen-Antigen im Urin

Therapie

  • Flüssigkeitszufuhr (Cave: SIADH), Antipyrese, O2-Gabe bei SpO2 ≤ 92 %, Inhalationstherapie (ggf. NaCl, Betamimetika), bei verlegter Nasenatmung abschwellende Tropfen

  • Bei V. a. virale Infektion (z. B. bei Vorliegen von Obstruktion): Keine primäre AB-Therapie

  • Bei nichtschwerer pCAP mit Fieber oder bei schwerer pCAP: Amoxillin p.o., Ampicillin i.v.

  • Bei Therapieversagen, Komplikationen oder V. a. bakterielle Superinfektion von Influenza- bzw. Masern-Pneumonie: Miterfassung von S. aureus, z. B. Ampicillin-Sulbactam i.v. oder Cefuroxim i.v. – je nach Herkunft/Exposition/Kolonisation auch an MRSA oder MRGN denken

  • Bei Aspirationspneumonie: Miterfassung von Anaerobiern

  • Bei schwerer pCAP und V. a. atypische Erreger: Aminopenicillin (mit β-Laktamase-Inhibitor) + Clarithromycin

  • Bei relevantem Erguss ggf. Punktion (diagnostisch und therapeutisch)

Therapie der Wahl bei V. a. auf eine bakterielle Ätiologie ist ein Aminopenicillin.

1.5 Lymphadenitis colli

  • Entzündliche Veränderung der Lymphknoten im Halsbereich, meist infektiöser Genese

  • Abzugrenzen von der einfachen Proliferation von Immunzellen als Reaktion auf Erreger (Lymphadenopathie)

  • Akut bilateral: Meist im Rahmen einer Atemwegsinfektion, z. B. viraler Tonsillopharyngitis

  • Akut und unilateral: S. aureus, S. pyogenes; seltener Anaerobier (Zahnfokus!)

  • Subakut und unilateral: Bartonella henselae (Katzenkratzkrankheit ; nach Inokulationspapeln suchen), nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM), Tuberkulose, u. a.

  • Abzugrenzen von generalisierter Lymphadenopathie, z. B. bei EBV, CMV

  • Abzugrenzen von nichtinfektiösen Ursachen von Lymphknotenvergrößerung, z. B. PFAPA, Kawasaki-Syndrom, infizierte laterale Halszyste, Malignome

Klinik

  • Schwellung, Rötung, Schmerzen, Überwärmung unterschiedlichen Ausmaßes

  • Ggf. Fluktuation → dann V. a. Abszedierung

  • Ggf. Fieber, Halsschmerzen, Torticollis, Allgemeinsymptomatik, ggf. Hepatosplenomegalie

  • Abgrenzung zur malignitätsverdächtigen Lymphadenopathie: ◘ Tab. 9.1

Tab. 9.1 Kriterien zur klinischen und sonographischen Unterscheidung von Lymphknotenvergrößerungen (Nach: Elling et al.)

Diagnostik

  • Meist anamnestisch-klinisch

  • Ggf. Labor (Entzündungsparameter), ggf. Rachenabstrich auf S. pyogenes

  • Sonographie (◘ Tab. 9.1)

  • NTM/Tb Diagnostik: IGRA, THT

  • Serologie: Bartonellen, EBV, CMV, Toxoplasma

  • Lymphknotenexstirpation

Therapie

  • Empirisch mit Ampicillin-Sulbactam für 10–14 Tage

  • Bei Abzessen oder Nachweis von NTM/Tb chirurgische Therapie bei einseitigen Lymphknoten

Ausgeprägte zervikale Lymphknotenvergrößerungen, die länger ohne oder trotz antibiotischer Therapie persistieren, bedürfen einer weitergehenden Abklärung ggf. einer Lymphknotenexstirpartion.

1.6 Osteomyelitis (OM) bzw. septische Arthritis (SA)

  • Entzündung des Knochens mitsamt des Marks, meist als Ausdruck einer bakteriellen Infektion nach hämatogener Streuung

  • Am häufigsten betroffen sind lange Röhrenknochen (Femur, Tibia, Humerus)

  • Oft fließender Übergang zur SA, wenn Gelenkfläche mitbetroffen und umgekehrt

  • Am häufigsten durch S. aureus, ferner Kingella kingae, Streptokokken, bei Neugeborenen auch gramnegative Erreger wie E. coli (bei Sichelzellkrankheit oft Salmonellen)

Klinik

  • Oft oligosymptomatisch

  • Fieber, lokalisierte Schmerzen, Gehverweigerung/Schonhaltung, Abgeschlagenheit

  • Bei neonataler OM oft unspezifische Symptome wie Irritabilität, Trinkschwäche

  • Bei Neonaten oft multifokal

  • Bei SA: Gelenkschwellung (u. U. nur dezent verstrichene Fältelung!), Rötung, Überwärmung

Diagnostik

  • Labor inkl. Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, BKS

  • Mikrobiologie: Blutkulturen (wiederholt); ggf. Gelenkspunktat/Knochenbiopsat (falls Kulturanlage des Nativmaterials nicht ad hoc möglich, dann Beimpfung einer Blutkulturflasche sinnvoll, erhöht u. a. diagnostische Trefferrate für Kingella kingae)

  • Bildgebung: MRT, Röntgen (nicht zur Frühdiagnostik geeignet), Gelenkssonographie bei V. a. SA

Therapie

  • Je nach Altersgruppe und antizipiertem Keimspektrum

  • Bei allen: Staphylokokkenwirksame i.v.-Therapie, z. B. staphylokokkenwirksames Penicillin (Ampicillin-Sulbactam) oder Cephalosporin der 1. bzw. 2. Generation

  • Ab 5 Jahren (d. h. Kingella kingae weniger wahrscheinlich) auch Flucloxacillin oder Clindamycin möglich

  • Bei Neonaten zusätzlich Miterfassung von gramnegativen Erregern durch z. B. Cefuroxim + Aminoglykosid

  • Therapiedauer:

    • OM mindestens 3–4 Wochen (i.v. bis deutlich Rückgang oder Normalisierung des CRP, dann Umstellung auf p.o. möglich)

    • SA mindestens 2–3 Wochen

Wenn möglich, sollte vor Beginn der antibakteriellen Therapie eine Punktion/Biopsie der betroffenen Region zur Erregerdiagnostik erfolgen.

1.7 Meningitis und Enzephalitis

  • Entstehung

    • Meist hämatogen entstehende, akute Entzündung der Hirnhäute bzw. des Gehirns (Mischform: Meningoenzephalitis)

    • Seltener per continuitatem (z. B. bei Mastoiditis, Fremdmaterial in situ etc.)

  • Viral wesentlich häufiger als bakteriell

  • Häufigste virale Erreger der Meningitis: Enteroviren, VZV, HSV, FSME-Virus, humanes Parechovirus, ferner weitere Viren der Herpesgruppe, HIV, etc.

    Virale Infektion je nach Erreger oft mit Übergang in Enzephalitis (z. B. HSV, FSME)

  • Häufigste bakterielle Erreger der Meningitis: Neisseria meningitidis (Meningokokken; in Deutschland überwiegend Serotyp B und C), Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken; durch Impfung seltener geworden), Haemophilus influenzae Typ B (durch Impfung extrem selten geworden)

    Übergang in bzw. aus septischen Verläufen möglich, z. B. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bei Meningokokken

    Seltener, bei z. B. Neonaten: Gruppe-B-Streptokokken, Listeria monocytogenes, E. coli, Staphylococcus aureus, etc.

  • Bei Immundefizienz: Pilz-Meningitis

Klinik

  • Fieber (fehlt bei NG oft!), Meningismus (Nackensteife, Kopfschmerzen, Photophobie, Opisthotonus), Übelkeit/Erbrechen, Bewusstseins- oder Wesensveränderungen, Irritabilität, Krampfanfall

  • Bei NG/SGL: Gespannte Fontanelle, Berührungsempfindlichkeit, Trinkunlust, Hautveränderungen (Farbe ggf. fahlgrau; Petechien oder größere Einblutungen), Hörverlust

    Oft „Bild wie Sepsis“

  • Bei fokaler Symptomatik, z. B. Ausfallssymptomen, bis zum Beweis des Gegenteils auch an eine Herpes-Simplex-Enzephalitis denken

Diagnostik

  • Lumbalpunktion zum Erregernachweis aus Liquor (Gramfärbung, Mikroskopie, Kultur, PCR)

  • Blutkultur (selten positiv)

  • Liquorstatus: Bei bakterieller Ätiologie höhere Pleozytose (>1000/μl), erhöhter Granulozytenanteil (>70 %), höhere Eiweißwerte (>40 mg/dl, bei Neugeborenen >90 mg/dl), erhöhtes Laktat (>3,5 mmol/l), niedrige Glukose (<30 mg/dl) niedrigerer Liquor-Blutzucker-Quotient (<0,3), ◘ Tab. 9.2

  • Labor: Blutbild inkl. Differenzialblutbild (Neutrophilie), CRP, BK, ggf. Procalcitonin

Tab. 9.2 Differenzierung unterschiedlicher Meningitistypen anhand des Liquorstatus

Therapie

  • Je nach antizipiertem Erreger:

    • Bei Kindern ab 3 Monaten (d. h. Listerien unwahrscheinlich) Monotherapie mit Ceftriaxon als Mittel der Wahl (gut ZNS-gängig, wirksam gegen Meningokokken, Pneumokokken, gramnegative Erreger)

    • Falls Listerien möglich (Säuglinge <3 Monate, Immunsupprimierte): Zusätzlich Ampicillin i.v. hochdosiert

    • Bei V. a. HSV-Enzephalitis: Zusätzlich Aciclovir i.v. hochdosiert

  • Therapiedauer:

    • Neugeborene: 14 Tage (Ausnahme: E. coli und andere gramnegative Darmbakterien oder Non-Fermenter wie Pseudomonas aeruginosa → 21 Tage!)

    • Jenseits des Neugeborenenalters: 7–10 Tage bei Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder unbekanntem Erreger

    • Bei Nachweis von Meningokokken: 4–7 Tage

  • Supportiv Dexamethason bei V. a. bakterielle Meningitis durch Haemophilus influenzae (<3 Impfungen)

  • Bei Vorliegen einer Sepsis weitere kreislaufsupportive Maßnahmen, ggf. intensivmedizinische Behandlung

  • Cave: Ein begleitendes SIADH kann vorliegen, sodass auf die Diurese und das Serumnatrium geachtet werden sollte

  • Prävention: Immunisierung gegen Pneumokokken, HiB, MenC im Rahmen der von der STIKO empfohlenen Standardimpfungen (► Abschn. 9.3)

  • Umgebungsprophylaxe nach Kontakt mit Meningokokkenpatienten

Bei jedem fiebernden Kind in reduziertem Allgemeinzustand und ohne klaren Fokus ist an eine ZNS-Infektion zu denken. Die Symptomatik kann bei jüngeren Kindern unspezifisch sein. Im Zweifel ist eine Liquorpunktion (LP) zügig durchzuführen (idealerweise vor Beginn der Antibiotikatherapie). Falls eine LP nicht oder nicht sofort möglich ist, soll die erste Gabe des Antibiotikums nicht verzögert werden.

1.8 SSTI (skin and soft tissue infections)

  • Überbegriff für verschiedentlich ausgeprägte, meist bakterielle Infektionen der Haut/Unterhaut und ihrer Anhangsgebilde

  • Überwiegend durch S. aureus und Streptokokken

  • Je nach Suszeptibilität, Exposition und Tiefe der Infektion auch andere Erreger möglich, z. B. Anaerobier, Pseudomonas aeruginosa

  • Impetigo: ► Kap. 18

  • Erysipel, Phlegmone, nekrotisierende Fasziitis (NEF)

Klinik

  • Klassische Zeichen der Entzündung (rubor, calor, dolor, tumor, functio laesa)

  • Erysipel: Scharf begrenzt; bei leichten Verläufen auch ohne systemische Krankheitszeichen; oft mit Lymphangitis

  • Phlegmone: Unschärfer begrenztes Erythem; mit systemischen Krankheitszeichen

  • NEF: Die Muskelfaszie mit betreffend; ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit heftigsten Schmerzen bei initial dysproportional gering ausgeprägtem Lokalbefund (geringe Rötung, leichte Schwellung); im Verlauf Dunkelfärbung, Bläschenbildung

Diagnostik

  • Klinisch; bei V. a. NEF → MRT (sollte OP nicht unnötig verzögern)

  • Mikrobiologie: Kultur und ggf. PCR aus Punktion/intraoperativem Abstrich/Gewebe; Blutkulturen

Therapie

  • Antibiotische Therapie je nach zu erwartendem Erregerspektrum (i. A. Wirksamkeit gegen S. aureus und S. pyogenes!): Ampicillin-Sulbactam bzw. Amoxicillin-Clavulansäure, alternativ Cephalosporin der ersten Generation (Cefaclor, Cefalexin, Cefadroxil)

  • Punktion bei lokalisierten, pyogenen Infektionen

  • NEF: Chirurgisches Débridement; zusätzlich Clindamycin, i.v.-Immunglobuline (IVIG)

Die NEF stellt eine Notfalldiagnose dar und sollte innerhalb von 24 h einem Débridement zugeführt werden, da sonst die Mortalität entscheidend steigt. Hautverletzungen und Varizelleninfektion sind besondere Risikofaktoren für das Entstehen einer NEF.

1.9 Toxic-Shock-Syndrom (TSS)

  • Durch Toxin-bildende Bakterien verursachtes, lebensbedrohliches Krankheitsbild

  • Meist durch S. aureus oder S. pyogenes; seltener können auch Gruppe-C- und -G- Streptokokken Superantigene ausbilden, die zu einem TSS führen. Rarität: Yersinia pseudotuberculosis

  • Superantigentoxine verursachen einen Zytokinsturm, der die Symptomatik bedingt (◘ Tab. 9.3 und 9.4)

Tab. 9.3 Falldefinition des Staphylokokken-Toxic-Shock-Syndroms
Tab. 9.4 Falldefinition des Streptokokken-Toxic-Schock-Syndroms

Klinik

Falldefinitionskriterien (◘ Tab. 9.3 und 9.4) wurden primär spezifisch für wissenschaftliche Zwecke formuliert (und nicht, um mit höchstmöglicher Sensitivität alle Patienten früh zu diagnostizieren). Manche Kriterien sind nur retrospektiv beurteilbar. Auch können Kriterien nur teilweise bzw. auch im Verlauf nicht erfüllt sein.

Diagnostik

  • Labor (Entzündungsparameter, BB, Gerinnung, Elektrolyte, Leber- und Nierenfunktionswerte)

  • Mikrobiologie (◘ Tab. 9.3 und 9.4)

  • Blutkultur bei S.-aureus-TSS seltener positiv (<5 %) als bei S.-pyogenes-TSS (60–80 %)

  • Ggf. CT oder MRT zur Fokussuche

Therapie

  • Supportive, ggf. intensivmedizinische Therapie, inkl. Kreislaufstabilisierung, Optimierung der Beatmungssituation

  • Infektionskontrolle durch Elimination etwaiger Quellen, z. B. Débridement bei NF, Tamponentfernung

  • Empirische Therapie unter Berücksichtigung lokaler Resistenzlagen (MRSA?), i. d. R. Staphylokokken- und Streptokokken-wirksame Therapie (z. B. Ampicillin-Sulbactam)

  • Zusätzlich: Clindamycin (Eagle-Effekt, Toxininhibition, gute Gewebepenetration, langer postantibiotischer Effekt, Potenzierung der Phagozytose)

  • IVIG: Evidenz primär aus Beobachtungsstudien, insbesondere wenig Daten für Kinder vorhanden. Insgesamt aber erwägbare, zusätzliche Option

  • Umgebungsprophylaxe mit Penicillin V oder Cefalexin erwägen, insbesondere bei Menschen mit Risikofaktoren

In der internationalen Literatur werden die „7 R’s“ propagiert (◘ Tab. 9.5). Sie können dabei helfen, das TSS früh zu erkennen und damit die Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Tab. 9.5 Die „Sieben R“ (Nach Wilkins et al.)

1.10 Influenza

  • Meist sehr akut beginnende Erkrankung der Atemwege, ausgelöst durch das Influenzavirus (v. a. A und B; Virustyp C kaum relevant)

  • Streng saisonal, in unseren Breitengraden zwischen Dezember und April (Ausnahme: bei Reiserückkehrern aus den Tropen bzw. der Südhalbkugel → Erkrankung auch während unseres Sommers möglich, da Immunität schwindet bzw. andere Subtypen ursächlich sein können)

  • Inkubationszeit 1–2 Tage

Klinik

  • Plötzlicher Beginn mit Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen, Heiserkeit, konjunktivaler Reizung

  • Befall der oberen Atemwege bis hin zur Pneumonie

  • Seltener auch Myositis (v. a. Wadenmuskulatur) oder kardiale Beteiligung

  • Bei Kleinkindern u. U. auch gastrointestinale Symptomatik

  • Cave: Superinfektionen durch S. aureus oder seltener Pneumokokken, S. pyogenes u. a.

  • Besonders gefährdet für schwere Verläufe: Patienten mit Grunderkrankung, v. a. onkologisch und neurologisch, und Kinder <1 Jahr

  • In manchen Fällen können respiratorische Symptome sehr mild sein bzw. fehlen, sodass der Patient mit Fieber ohne klaren Fokus präsentiert

Diagnostik

  • Klinische Diagnose! Erregerdiagnostik bei ambulanten Patienten wenig sinnvoll

  • Bei stationärer Aufnahme → Schnelltest sinnvoll zur Kohortierung (Antigennachweis mittels Schnelltest)

  • Sensitiver als Antigennachweis und schneller als klassische PCR → isothermale Nukleinsäureamplifikationstests (NAT)

  • Am verlässlichsten → PCR aus Nasen-Rachen-Abstrich bzw. -Aspirat

Therapie

  • Meist supportiv

  • Bei schweren Verläufen mit/ohne Grunderkrankung früher Einsatz von Neuraminidasehemmern zu erwägen

  • Jährliche Schutzimpfung von Risikopatienten (ab 6 Monaten) mit Grunderkrankung (laut STIKO): Chronische Krankheiten der Atemwege (inkl. Asthma und COPD), Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus, Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Krankheiten (z. B. multiple Sklerose), primäre Immundefekte oder Immunsuppression, HIV; aber auch Kontaktpersonen von z. B. Immunkompromittierten

Zur Vermeidung von komplizierten Verläufen sollte die Impfung von Risikopatienten konsequent erfolgen.

1.11 Respiratory Syncyctial Virus (RSV)

  • Einer der häufigsten Erreger von Atemwegsinfektionen und eine der Hauptursachen für Hospitalisierung im frühen Kindesalter aufgrund von Pneumonie bzw. Bronchitis

  • Strenge Saisonalität, hohe Kontagiösität und Umweltresistenz (viable Viren überleben mehrere Stunden auf Oberflächen)

  • Besonders gefürchtete Verläufe bei FG mit BPD, Herzkranken, Immunsupprimierten

  • Rolle für Asthmaentstehung und -exazerbationen nicht gänzlich verstanden

  • Inkubationszeit 3–6 Tage

Klinik

  • Säuglinge <6 Monate meist mit Primärinfektion Bronchitis/Bronchiolitis bzw. Pneumonie (ggf. mit vorangehenden Symptomen der oberen Atemwegsinfektion)

  • Ältere Kinder oft „nur“ mit oberer Atemwegsinfektion

  • Leicht erhöhte Temperatur, Rhinorrhö, Husten, Tachypnoe, Dyspnoe, Einziehungen (s. o.), Nasenflügeln; insbesondere bei FG ggf. nur Trinkschwäche und AZ-Reduktion

  • Bei FG/NG bzw. FG im frühen Säuglingsalter → Cave: Apnoen!

Diagnostik

  • Virusnachweis aus Atemwegssekreten (Antigenschnelltests/NAT)

  • Im Röntgenbild des Thorax: Überblähung, ggf. Infiltrate, Atelektasen

Therapie

  • Isolation und Kohortierung

  • O2-Gabe, ggf. noninvasive Atemunterstützung (High-flow-Therapie)

  • Flüssigkeitssubstitution bei Trinkschwäche

  • Ggf. Inhalation mit NaCl 0,9 %, β2-Mimetika oder Adrenalin

  • Systemische Kortikosteroide in schweren Fällen

  • Keine Indikation für routinemäßigen Einsatz von Antibiotika (bakterielle Koinfektionen sind selten)

  • Ribavirin p.i.: Bei lebensbedrohlichen Verläufen zu erwägen

  • Palivizumabprophylaxe für FG mit BPD und Herzvitien (AWMF-Leitlinie)

RSV ist gerade im Kleinkindesalter in der Wintersaison für einen Großteil der Hospitalisierungen verantwortlich. Virale Pneumonien ohne klinische oder laborchemische Zeichen einer bakteriellen Superinfektion müssen nicht regelhaft antibiotisch behandelt werden.

1.12 Pertussis (Keuchhusten)

  • Erkrankung der oberen und unteren Atemwege durch das gramnegative Stäbchen Bordetella pertussis (B. parapertussis, B. bronchiseptica und andere Bordetellen erzeugen ein ähnliches, oft milderes Krankheitsbild)

  • Toxinbildner mit Tropismus für zilientragendes, respiratorisches Epithel

  • Klassisch betroffen: Säuglinge

  • Bei Adulten oft klinisch inapparente Verläufe

  • Aktuell empfohlener azellulärer Impfstoff verträglicher als die früher verwendete Ganzzellvakzine, aber nur mit inkompletter und rasch schwindender Immunität (innerhalb von 4–5 Jahren)

  • Inkubationszeit: 7–14 Tage

Klinik

  • Meist afebril

  • Klassische Einteilung in 3 Stadien, v. a. bei Säuglingen

    • Stadium catarrhale: 1–2 Wochen, Zeichen der oberen Atemwegsinfektion

    • Stadium convulsivum: 4–6 Wochen, zunehmende Salven an stereotypem, stakkatoartigem Husten, inspiratorisches „Keuchen“, zäher Schleim, z. T. Erbrechen

    • Stadium decrementi: Langsames Abklingen

  • Bei älteren Kindern: Atypisches Bild möglich, z. B. protrahierter/chronischer Husten

  • Komplikationen: Pneumonie, Otitis media, hypoxische Enzephalopathie, konjunktivale Einblutungen

Diagnostik

  • Klinisch-anamnestisch immer zu erwägen bei Husten >14 Tage

  • PCR aus Nasen-Rachen-Abstrich bzw. -sekret; bei älteren Kindern auch Serologie (IgA und IgG)

  • Typisch: Leukozytose mit Lymphozytose (CRP und BSG nicht oder nur leicht erhöht)

Therapie

  • Erythromycin für 2 Wochen, alternativ Clarithromycin für 1 Woche

  • 5 > Nur früher Beginn unterbindet langen Krankheitsverlauf. Bei Verdachtsfällen nach Einleitung der Diagnostik direkter Therapiebeginn, um Kontagiösität zu durchbrechen.

  • Prophylaxe für Neugeborene: Cocooning-Strategie → Alle engen Kontaktpersonen des Neugeborenen sollten möglichst bis 4 Wochen vor der Geburt eine Auffrischung ihres Impfschutzes bekommen, die Gebärende vor der Schwangerschaft bzw. unmittelbar nach der Geburt.

Pertussis betrifft alle Altersgruppen, doch besonders gefährdet von komplizierten Verläufen sind Kinder <6 Monaten. Bei Schwangeren und Kontaktpersonen sollte die Cocooning-Strategie angewendet werden.

1.13 Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion

  • EBV: Weit verbreitetes Virus der Herpes-Gruppe und Erreger der infektiösen Mononukleose

  • Selten unspezifische Krankheitsmanifestation wie Infektionen der oberen Atemwege; allerdings auch assoziiert mit lymphoproliferativen Erkrankungen (Posttransplant lymphoproliferative Erkrankung, PTLD) und spezifischen Malignomen (Burkitt-Lymphom)

  • Übertragung hauptsächlich über Speichel

  • Tropismus für B-Lymphozyten

  • Keine Vakzine verfügbar

  • Inkubationszeit: 2–6 Wochen

Klinik

  • Allgemeinsymptome: Fieber (oft 1–2 Wochen; selten auch länger), Abgeschlagenheit/Müdigkeit

  • Halsschmerzen bei exsudativer Tonsillopharyngitis

  • Lymphknotenvergrößerung v. a. zervikal beidseits

  • Hepato-/Splenomegalie (v. a. bei Kindern <4 Jahren)

  • Antibiotikaunabhängiger Ausschlag selten

  • Komplikationen: Myokardiale Beteiligung, Zytopenien, Milzruptur, Hepatitis, aseptische Meningitis, Enzephalitis, hämophagozytische Lymphohistozytose (HLH)

  • Fulminante Verläufe möglich, insbesondere bei genetischer Suszeptibilität, z. B. X-gebundener lymphoproliferativer Erkrankung (XLP)

Diagnostik

  • Lymphozytose, atpyische Lymphozyten (Reizformen), Nachweis heterophiler Antikörper („Mononukleose-Schnelltest“)

  • Serologie → akute Infektion: VCA-IgG, VCA-IgM; abgelaufene oder chronische Infektion: EBNA-IgG (◘ Abb. 9.1)

Abb. 9.1
figure 1

Schematischer Antikörperverlauf im Rahmen einer EBV-Infektion. VCA virales Kapselantigen („viral capsid antigen“); EBNA EBV-nukleäres Antigen („EBV nuclear antigen“); EA frühes Antigen („early antigen“) [Nach: Feigin and Cherry’s Textbook of Pediatric Infectious Diseases (2019) 8th ed, Elsevier und Jenson HB, Ench Y, Sumaya CV. Epstein-Barr virus. In: Rose NR, de Macario EC, Folds JD et al. (1997) Manual of Clinical Laboratory Immunology, 5th ed. Amer, Washington]

Therapie

  • Symptomatische Therapie: körperliche Schonung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Antipyrese

  • Bei schweren Verläufen, wie z. B. massiver Tonsillenhypertrophie mit Stridor/Dyspnoe, Zytopenien oder neurologischen Komplikationen: Kortikosteroide

  • Bei fulminanten Verläufen oder EBV-assoziierten PTLD: Rituximab (Elimination der EBV-infizierten B-Lymphozyten)

EBV löst in den allermeisten Fällen die oft protrahiert verlaufende, aber selbstlimiterte infektiöse Mononukleose aus. Bei vorliegender Hepatosplenomegalie sollten Kontaktsportarten vermieden werden. Eine EBV-Infektion kann auch der Trigger einer HLH oder anderer Sekundärerkrankungen sein.

1.14 CMV-Infektion

  • Zytomegalievirus (engl. Cytomegalovirus): Ubiquitärer Vertreter der Herpesgruppe

  • Hohe Durchseuchungsrate in der Bevölkerung

  • Übertragungswege: Speichel und andere Körperflüssigkeiten (Blut, Urin, Muttermilch), u. U. Transplantationsorgane

  • Besondere Bedeutung für Immunkompromittierte und Schwangere

  • Prävalenz der konnatalen CMV-Infektion: 0,2–2 %

  • Inkubationszeit: 4–8 Wochen (bei Infektion durch Bluttransfusion bis 3 Monate, durch Organtransplantation bis 4 Monate)

Klinik

  • Oligo- bis asymptomatisch bei älteren Kindern, Adoleszenten, Erwachsenen und mitunter Schwangeren

  • Selten CMV-assoziierte Mononukleose

  • Bei Immunkompromittierten: Schwere Infektion mit verschiedenen Organmanifestationen (Enzephalitis, Chorioretinitis, Pneumonitis, Hepatitis, Kolitis)

  • Konnatale Infektion (v. a. Primärinfektionen der Mutter): In ca. 90 % asymptomatisch, aber trotzdem bleibende Schäden bei einem Teil der Kinder, z. B. Hörstörungen

  • Breites Symptomspektrum: ◘ Tab. 9.6

Tab. 9.6 Einteilung der konnatalen CMV-Infektion

Diagnostik

  • Serologie

  • Virusisolation oder PCR aus u. a. Blut, Urin, Liquor, Speichel, Rachenabstrich oder Gewebe

Therapie

  • Therapie der moderaten bis schweren konnatalen Infektion mit Valganciclvoir (VGC) p.o.; in neueren Studien Überlegenheit der längeren Therapiedauer von 6 Monaten vs. 6 Wochen gezeigt

    Alternativ (bei besonders schweren Verläufen): Ganciclovir (GCV) i.v. 1–2 Wochen, anschließend VGC p.o.

  • Häufigste Nebenwirkung: Neutropenie, Leberwerterhöhung

  • Foscarnet bei GCV-Resistenz, alternativ Cidofovir

  • Einsatz von VGC laut neuerer Evidenz für moderate bis schwere Infektion bis zu 6 Monate sinnvoll (Beginn im 1. Lebensmonat!)

  • Unklare Datenlage für milde Infektionen

  • Weitere Therapieindikation: Symptomatische CMV-Infektion bei Immunkompromittierten

  • Ggf. Hyperimmunglobuline bei Erstinfektion in der Frühschwangerschaft (widersprüchliche Empfehlungen; aktuell überwiegend im Rahmen von Studien)

  • Prophylaxe mit VGC oder GCV im Rahmen von Organ-/Stammzelltransplantation

  • Schwangere: Einfache Präventivmaßnahmen, z. B. Vermeiden von gemeinsamem Besteck mit Kleinkindern.

Die CMV-Infektion ist die häufigste konnatale Infektion und geht potenziell mit schwerwiegenden Langzeitfolgen einher.

1.15 Herpes-simplex-Virus (HSV)

  • Ubiquitär verbreitetes, humanpathogenes Virus mit lebenslanger Latenz und Reaktivierung in Phasen geschwächter Immunität

  • Überwiegender Tropismus: HSV-1: orofazial; HSV-2: genital

  • Übertragung durch engen Körperkontakt (Cave: auch klinisch inapparente Menschen können das Virus ausscheiden)

  • Inkubationszeit 2 Tage bis 2 Wochen, bei Neugeborenen bis zu 6 Wochen

Klinik

  • Herpes labialis bzw. Herpes genitalis

  • Häufig Erstmanifestation als Gingivostomatitis aphthosa, typischerweise zwischen 10 Lebensmonaten und 3 Jahren; Fieber, Dysphagie/Trinkverweigerung bei enoralen Aphthen (im vorderen Teil des Gaumens; DD Herpangina: im hinteren Teil)

  • Eczema herpeticatum bei Patienten mit atopischer Dermatitis

  • Okuläre Beteiligung möglich (Keratokonjunktivitis)

  • Besonders schwere Manifestation: HSV-Enzephalitis (an spezifische primäre Immundefekte mit isolierter Suszeptibilität denken, z. B. Mutation in den Genen TLR3, TRAF3 oder UNC93B)

  • Bei Neonaten: Prä-/intra-/postpartale Infektion möglich mit potenziell schwerwiegendem Verlauf (Beteiligung von Haut, Schleimhaut, ZNS, Auge, Lunge, Leber; „sepsisähnlich“), ebenso bei immunkompromittierten Patienten

Diagnostik

  • Klinische Diagnose

  • PCR aus Bläscheninhalt, Blut bzw. Liquor oder anderen Körperflüssigkeiten (je nach Organmanifestation)

  • Cave: PCR aus Liquor bei Enzephalitis kann initial noch negativ sein

  • Serologie

Therapie

  • Aciclovir topisch bei milder kutaner Manifestation

  • Bei schweren Formen der Gingivostomatitis kann eine systemische Therapie erwogen werden

  • Immer i.v. bei neonataler Infektion, Enzephalitis (beide je 21 Tage)

  • Topisch sowie additiv systemisch bei Keratokonjunktivitis

Die HSV-Enzephalitis ist ein Notfall. Die PCR aus dem Liquor kann initial noch negativ sind, sodass bei klinisch begründetem Verdacht trotzdem mit Aciclvoir i.v. behandelt und die PCR im kurzfristigen Intervall kontrolliert werden sollte.

1.16 Humanes Immundefizienzvirus (HIV)

Ätiologie

  • Die HIV-Infektion wird vorrangig durch das humane Immundefizienzvirus Typ 1 (mit unterschiedlichen Subtypen und unterschiedlicher regionaler Verteilung) und wesentlich seltener durch HIV-2 (hauptsächlich in Westafrika vorkommend) verursacht

  • Chronische Infektion mit HIV führt zu einer Abnahme der CD4-positiven T-Zellen und einer Aktivierung des Immunsystems und somit zu einem progredienten Immundefekt. Dieser ist klinisch durch Infektionen und weitere HIV-assoziierte Symptome charakterisiert

Übertragung

  • Im Kindesalter erfolgt die Übertragung hauptsächlich vertikal (transplazentar oder perinatal)

  • Durch eine effektive Transmissionsprophylaxe, v. a. durch eine wirksame antiretrovirale Therapie der Mutter (Deutsch-Österreichische Leitlinien, ► www.daignet.de) ließ sich die vertikale Übertragungsrate auf <1 % senken

    Bei stabiler Senkung der mütterlichen Viruslast unter 50 Kopien/ml kann auf eine elektive Sectio verzichtet und die postnatale Expositionsprophylaxe (Zidovudin 2 × 4 mg/kg/d) von 4 auf 2 Wochen verkürzt werden

  • Die horizontale Übertragung über Blutprodukte, infizierte Nadeln bei Drogenkonsum oder über sexuelle Kontakte ist deutlich seltener

Klinik

◘ Tab. 9.7 und 9.8 sowie Übersicht.

Tab. 9.7 HIV-Infektion bei Kindern unter 13 Jahren: Klinische Klassifikationskategorien (CDC 1994)
Tab. 9.8 HIV-Infektion bei Kindern unter 13 Jahren: Immunologische Klassifikationskategorien (CDC 2014)

Die HIV-Infektion im Kindesalter unterscheidet sich von der HIV-Infektion bei Erwachsenen durch unterschiedliche Infektionswege, veränderte virale Dynamik bei unreifem Immunsystem und im klinischen Verlauf

  • Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen nach Primärinfektion die Viruskonzentration nach 2 Monaten deutlich abnimmt und nach 6–12 Monaten ein „set-point“ erreicht wird, steigt bei vertikal infizierten Kindern die Viruslast in den ersten Lebenswochen rapide an und der „set-point“ wird erst nach 2–3 Jahren erreicht

    20–30 % der vertikal infizierten Kinder erkranken bereits im 1. Lebensjahr an HIV-assoziierten Erkrankungen und AIDS

  • Die am meisten gefürchteten Komplikationen im Säuglingsalter sind die Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie und die HIV-bedingte Enzephalopathie mit oft progressivem Verlust schon erworbener Fähigkeiten und zum Teil schwerer Entwicklungsverzögerung

Symptome der HIV-Infektion im Kindesalter

  1. A.

    Milde Symptome

    • Lymphadenopathie (>0,5 cm an mehr als 2 Lymphknotenstationen; symmetrischer Befall = eine LK-Station)

    • Hepatosplenomegalie

    • Dermatitis

    • Parotisschwellungen, Parotitis

    • Rezidivierende oder persistierende Infektionen der oberen Atemwege, Sinusitis, Otitis media

  2. B.

    Mäßig schwere Symptome

    • Persistierendes Fieber, Dauer >1 Monat

    • Anämie <8 g/l, Neutropenie <1000/μl, Thrombozytopenie <100.000/μl für >30 Tage

    • Kardiomyopathie/Karditis

    • Lymphoide interstitielle Pneumonie (wird aufgrund ihrer relativ guten Prognose zur klinischen Kategorie B gezählt, gilt aber weiterhin als AIDS-definierende Erkrankung)

    • Hepatitis

    • Nephropathie

    • Durchfälle (rezidivierend oder chronisch)

    • CMV-Infektion, Beginn <2. Lebensmonat

    • Herpes-simplex-Virus-Stomatitis (>2 Episoden/Jahr)

    • Herpes-simplex-Virus-Bronchitis, -Pneumonie, -Ösophagitis, Beginn <2. Lebensmonat

    • Zoster (>2 Episoden an >1 Dermatom)

    • Disseminierte Varizellen (komplizierte Windpocken)

    • Eine Episode einer bakteriellen Meningitis, Pneumonie oder Sepsis

    • Nokardiose

    • Oropharyngeale Kandidose >2 Monate Dauer bei Kindern >6 Monate

    • Toxoplasmose, Beginn <2. Lebensmonat

    • Leiomyosarkom

  3. C.

    AIDS-definierende Erkrankungen

    • Schwere bakterielle Infektionen, multipel oder rekurrierend (Sepsis, Pneumonie, Meningistis, Osteomyelitis, Abszesse innerer Organe)

    • Salmonellensepsis, rekurrierend

    • Tuberkulose, extrapulmonal oder disseminiert

    • Atypische Mykobakteriose, extrapulmonal oder disseminiert

    • Pneumocystis-jiruveci-Pneumonie

    • Kandidose von Ösophagus, Trachea, Bronchien, Lunge

    • Histoplasmose, extrapulmonal oder disseminiert

    • Kryptokokkose, extrapulmonal

    • Kokzidioidomykose, extrapulmonal

    • HSV-Infektionen mit mukokutanem Ulkus >1 Monat oder Bronchitis, Pneumonie, Ösophagitis bei Kindern >1 Monat

    • CMV-Erkrankung mit Beginn nach dem 1. Lebensmonat und anderer Manifestation als Leber, Milz und Lymphknoten, z. B. Retinitis, Kolitis. Ösophagitis

    • Progressive multifokale Leukenzephalopathie

    • HIV-Enzephalopathie

    • Wasting-Syndrom nach Ausschluss anderer Ätiologie

    • ZNS-Toxoplasmose bei Kindern >1. Lebensmonat

    • Kryptosporidiose, Diarrhö >1 Monat Dauer

    • Isosporidiose, Diarrhö >1 Monat Dauer

    • Maligne Lymphome inkl. primärer ZNS-Lymphome

    • Kaposi-Sarkom

Diagnostik

  • Bei Kindern >2 Jahre und bei Säuglingen mit V. a. horizontale Infektion: HIV-Antikörpertest

  • Vertikale Übertragung: Es werden diaplazentar HIV-AK übertragen, die bis zum 24. Lebensmonat persistieren können, deshalb ist mit dem HIV-AK-Test kein Infektionsnachweis möglich

    Nachweis mittels HIV-PCR (DNA qualitativ oder RNA quantitativ), Kontrollen 7.–14. Lebenstag, 4. Lebenswoche, 3.–4. Lebensmonat (zu diesem Zeitpunkt ist eine HIV-Infektion fast 100 %ig ausgeschlossen)

    Zum Ausschluss einer HIV-Infektion sollten negative Resultate von 2 Tests im Alter von 1 Monat und nach dem 3. Lebensmonat vorliegen. Als Abschlussuntersuchung erfolgt mit 24 Monaten der HIV-AK-Test (Elisa, Westernblot)

  • Bei positiver HIV-PCR: Kontrolle von HIV-DNA und-RNA (viral load), Resistenztestung, Lymphozytendifferenzierung

Monitoring bei HIV-infiziertem Kind

  • Kontrolle Viruslast, Lymphyozytendifferenzierung, Medikamentenspiegel, BB, klinische Chemie im Verlauf mindestens alle 3 Monate, zu Therapiebeginn und bei Säuglingen 2-mal nach 2 Wochen, dann alle 4 Wochen bis die Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze (<50 oder <20 Kopien/ml) liegt

Therapieindikation

  • Alle Säuglinge ≤12 Monate werden unabhängig von der CD4-Zellzahl und Viruslast behandelt und alle Kinder mit symptomatischer Infektion

  • Bisher wurden asymptomatische Kinder >12 Monate je nach CD4-Zellzahl und Viruslast behandelt. Studienergebnisse bei Erwachsenen (START-Studie) haben gezeigt, dass je niedriger die CD4-Zellzahl bei Therapiebeginn ist, umso schlechter die immunologische Rekonstitution ist

    Deshalb werden nach den neuen Therapieleitlinien alle Erwachsenen behandelt und auch für Kinder wird derzeit diskutiert, ob alle Kinder in jedem Alter unabhängig von Viruslast und CD4-Zellzahl behandelt werden sollen

Therapie

  • Zur Vermeidung einer Resistenzentwicklung werden Kombinationstherapien eingesetzt:

    • Nukleosidanaloga (NRTI) hemmen die reverse Transkription oder führen zum Kettenabbruch

    • Non-Nukleosid-Inhibitoren (NNRTI) hemmen die reverse Transkription durch sterische Veränderung des aktiven Zentrums

    • Proteaseinhibitoren (PI) blockieren die für den Aufbau infektiöser Viren verantwortliche viruseigene Protease

    • Integraseinhibitoren (INSTI) blockieren die Integration der von der reversen Transkriptase synthetisierten HIV-DNA in das zelluläre Genom und

    • Medikamente wie Maraviroc blockieren die Aufnahme von HIV in die Zelle (Entry-Inhibitor)

  • Meistens besteht eine antiretrovirale Kombinationstherapie aus 2 NRTI + 1 PI oder 2 NRTI + 1 NNRTI oder 2 NRTI + 1 INSTI

  • Nicht alle Medikamente sind für Kinder zugelassen, so sind bei der Wahl der Medikamentenkombination die Zulassungskriterien (Alter, Gewicht), die Darreichungsform (Tabletten, Kapseln, Suspension, Granulat usw.) und Empfehlungen nationaler und internationaler Leitlinien zu beachten (Leitlinien der Pädiatrischen Arbeitsgemeinschaft AIDS; PAAD e.V. zur anitretroviralen Therapie bei HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen. Klin Pädiatr 2012/Aktualisierung in Vorbereitung; ► www.aidsinfo.nih.gov; ► Penta-id.org)

  • Zur Förderung der Adhärenz sollten möglichst einfach einzunehmende Regime mit möglichst geringen Nebenwirkungen gewählt werden

  • Durch die antiretrovirale Kombinationstherapie ist die HIV-Infektion zu einer gut behandelbaren Erkrankung mit wahrscheinlich auch für Kinder normaler Lebenserwartung bei guter Lebensqualität geworden

Pneumocystis-jiroveci-Prophylaxe ◘ Tab. 9.9

  • Mittel der 1. Wahl: Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP/SMX): 150 mg TMPm2 KOF/d + 750 mg SMX/m2 KOF/d bevorzugt aufgeteilt in 2 ED an 3 aufeinanderfolgenden Tagen der Woche

  • Alternative Regime sind möglich. Bei Unverträglichkeit kann Atovaquone, Dapson und bei älteren Kindern Inhalationen mit Pentamidin-Isethionat angewandt werden (DGPI-Handbuch 2018)

Tab. 9.9 Indikation zur PjP-Prophylaxe bei HIV-infizierten Kindern

Impfungen

Können gemäß den STIKO-Empfehlungen durchgeführt werden, mit Ausnahme von MMR/VZV, diese nur bei CD4-Zellzahl ≥25 %. Keine BCG-Impfung (► www.rki.de)

Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Bei Verletzung mit einer im Freien aufgefundenen Fixernadel ist wegen des geringen Risikos (in den letzten 20 Jahren keine Infektion, HIV-1 ist nach 4–6 Stunden im Freien nicht infektiös, nur 10 % der Drogenabhängigen in Deutschland sind HIV-infiziert) keine antiretrovirale PEP empfohlen. Es ist aber an Infektionen mit Hepatitis B, Hepatitis C und an Tetanus zu denken. Daher sollte eine ärztliche Untersuchung und ggf. eine Immunisierung gegen Hepatitis B und Tetanus erfolgen. Eine Hepatitis C sollte über Verlaufskontrollen ausgeschlossen bzw. frühzeitig erkannt werden.

(Ausführliche Informationen Deutsch-Österreichische Leitlinie zur Postexpositonellen Prophylaxe der HIV-Infektion, ► www.daignet.de)

1.17 Tuberkulose (Tb)

  • Potenziell lebensbedrohliche, weltweit verbreitete Infektionskrankheit, eine der Haupttodesursachen

  • Erreger: Mycobacterium-tuberculosis-Komplex → v. a. M. tuberculosis, seltener M. bovis, M. africanum, M. caprae, u. a.

  • Übertragung in den allermeisten Fällen durch Inhalation kleiner Aerosolpartikeln (<5 μm, „droplets“)

  • Seltene Ausnahmen: M. bovis oder caprae → Aufnahme über den Darm durch z. B. kontaminierte Milch (Asien!); Hauttuberkulose durch direkte Inokulation; diaplazentar

  • Zuletzt wieder Anstieg der gemeldeten Fälle in Deutschland, Inzidenz 2016 bei 7,2/100.000

Klinik

  • Ggf. unspezifisch; Abgeschlagenheit, nächtliches Schwitzen, Inappetenz, Gewichtsverlust, Gedeihstörung, Fieber; Hepatosplenomegalie, Erythema nodosum

  • Protrahierter Husten

  • Bei Neugeborenen: Disseminierter Verlauf, septisches Bild, Meningitis

  • Säuglinge/Kleinkinder: Häufig Fehlen typischer Symptome, Throaxröntgenbild nicht wegweisend; generalisierte Symptome möglich, foudroyanter Verlauf ebenfalls

  • Extrapulmonale Manifestationen: Lymphknoten, Pleura, abdominell, ZNS, Haut, okulär u. a.

Diagnostik

  • Tuberkulinhauttest (THT): streng intrakutane Applikation von RT-23 0,1 ml (2 Testeinheiten) volarseitig am Unterarm, Ablesen nach 48–72 h; positiv bei Induration >5 mm

    • Cave: Falsch positiv bei positiver BCG-Impfanamnese; Kreuzreaktion mit einzelnen nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM)

    • Falsch negativ bei jedweder Form der Suppression der zellulären Abwehr (medikamentös, HIV-Koinfektion, akute/disseminierte Tb, Maserninfektion oder -impfung)

  • Interferon-gamma-Release-Assay (IGRA): Messen der Interferon-Gamma-Ausschüttung als Zeichen der T-Zell-Antwort nach Inkubation mit mykobakteriellen Antigenen

    • Cave: Falsch negativ bei Immunsuppression

    • Weniger Kreuzreaktion als THT

    • Bei Kindern <5 Jahre häufiger falsch negative oder unschlüssige Ergebnisse

  • Röntgenbild des Thorax: Cave: bei jüngeren Kindern oft untypischer Befund

  • In seltenen Fällen CT oder MRT: Schwierige Differenzialdiagnose, V. a. extrapulmonale Manifestation

  • Erregernachweis (immer mit Resistenzprüfung) aus Magensaft (Säuglinge, Kleinkinder) oder induziertem Sputum (ab Schulalter)

    • Mikroskopie: Hohe Erregerzahl nötig (Nachweisgrenze 104–105/ml), niedrige Sensitivität, damit kein sicherer Ausschluss möglich; keine Differenzierung zwischen M. tb.-Komplex und NTM → Nukleinsäure-Amplifikationstest (NAT) notwendig

    • Kultur: Referenzstandard; Nachweisgrenze <100/ml; lange Inkubationszeit (6–8 Wochen)

    • NAT: Sehr schnell, Nachweisgrenze 100/ml; keine Unterscheidung zwischen vitalen und toten Erregern → positiv auch nach erfolgreicher Therapie

  • Zusätzlich Bronchoskopie mit Gewinnung von Sekret/Lavage oder Biopsie bei radiologischem Hinweis auf Belüftungsstörung

  • Umgebungsuntersuchungen zur Suche nach dem Indexpatienten

  • Vorgehen bei latenter Tb-Infektion (LTBI): siehe ► Literatur

Therapie

  • Erstrangmedikamente: Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA), Ethambutol (EMB)

  • Bei unkomplizierter, sensibler Tb: Beginn mit 3-fach Therapie (INH, RMP, PZA) für 2 Monate, anschließend 2-fach Therapie (INH, RMP) für 4 Monate, d. h. Gesamtdauer 6 Monate

  • Bei unbekannter Empfindlichkeit des Erregers oder komplizierter Tb: Initial 4-fach Therapie (INH, RMP, PZA, EMB)

  • Abweichende Schemata bzw. Therapie extrapulmonaler Formen nach Leitlinie bzw. Rücksprache mit Zentrum

Die Tuberkulose ist eine komplexe, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, deren Diagnose insbesondere bei jüngeren Patienten erschwert wird durch mitunter oligosymptomatische Verlaufsformen. Sowohl die diagnostischen als auch therapeutischen Schritte sollten eng mit einem in der Betreuung von Tuberkulosekranken erfahrenen Zentrum abgesprochen werden.

1.18 Häufige Pilze, Parasiten und andere Infektionserreger

1.18.1 Aspergillose

  • Ubiquitäre Sporen (v. a. Aspergillus fumigatus), die eingeatmet und bei Gesunden wieder eliminiert werden

  • Ausbildung von Aspergillomen bei vorgeschädigter Lunge, bei entsprechender Risikokonstellation (u. a. Immundefekt/Immunsuppression, anhaltende Granulozytopenie; laut neueren Studien auch schwere Influenza!) invasive Verläufe möglich → pulmonale Aspergillose, zerebrale Aspergillose

  • Sonderform: Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) bei CF-Patienten als Hypersensitvitätsreaktion

  • Klinik: Fieber, respiratorische Verschlechterung, neurologische Ausfälle

  • Diagnostik: Galactomannan-Assay (Serum, Urin, BAL), PCR, Kultur

  • Therapie: Voriconazol, liposomales Amphotericin B

1.18.2 Candidose

  • Candida albicans; seltener: C. glabrata, C. parapsilosis, C. tropicalis, C. krusei; zunehmend relevant: C. auris

  • Relevant überwiegend im als Erreger des Mundsoors und/oder Windelsoors bei Neugeborenen bzw. Säuglingen

  • Protrahierte oder invasive Verläufe bei Risikofaktoren, z. B. Frühgeburtlichkeit, Immundefekt (chronische mukokutane Candidiasis → CARD9-Defizienz), lange (und breite) antibakterielle Therapie, hämatologisch/onkologische Patienten, Immunsuppression

  • Klinik: Erytematöse Papeln mit Schuppung; invasiv: Temperaturinstabilität, blassgraues Kolorit, Kreislauf- und respiratorische Beeinträchtigung

  • Diagnostik: Hautinfektion: klinisch; invasive Infektionen: Nachweis aus betroffenen Körperflüssigkeiten, Urin, Blutkulturen

  • Therapie:

    • Topisch: Nystatin

    • Systemisch: Ja nach Alter und Organmanifestation Caspofungin, Fluconazol, Amphotericin B

1.18.3 Andere Dermatophytosen

  • Oberflächliche Haut, Haare oder Nägel befallende Pilze, z. B. Trichophyton tonsurans, Microsporum canis (Tinea capitis), Malassezia furfur (Pityriasis versicolor)

  • Diagnostik: Mikroskopie der Hautschuppen

  • Therapie: Topische Antimykotika

1.18.4 Enterobiasis

  • Befall durch Enterobius vermicularis („Oxyuren“)

  • Häufigste parasitäre Erkrankung in unseren Breitengraden

  • Klinik: Perianaler Juckreiz, Bauchschmerzen, Schlafstörungen; vaginaler Befall möglich

  • Diagnostik: Mikroskopie Klebestreifen

  • Therapie: Pyrantel, Pyrivinium oder Mebendazol

  • Hohes Rezidivrisiko → dann höherfrequente Therapie; Hygienemaßnahmen; Haushaltsmitglieder mitbehandeln

1.18.5 Toxoplasmose

  • Intrazelluläre Protozoe Toxoplasma gondii (Endwirt: Katzen) mit besonderer Relevanz für Immunkompromittierte (HIV!) und ungeborene Feten (konnatale Toxoplasmose); lebenslange Persistenz im Menschen

  • Klinik:

    • Bei Immunkompetenten oft asymptomatischer Verlauf, ggf. Lymphadenopathie und Abgeschlagenheit

    • Bei Immunkompromittierten: Enzephalitis, Pneumonitis, Myokarditis

    • Konnatal: Hypotrophie, Leberbeteiligung, Thrombozytopenie, Pneumonitis, Myokarditis, Enteritis, Enzephalitis, Retinochoroiditis

  • Diagnostik: Serologie, mikroskopischer Erregernachweis, PCR

  • Therapie der konnatalen Toxoplasmose: Pyrimethamin + Sulfadiazin + Folinsäure für 12 Monate (Cave: Blutbild- und Leberwertkontrollen!)

  • Prophylaxe in der Schwangerschaft: Vermeiden von ungenügend gegartem Fleisch, gründliches Waschen von Obst und Gemüse; Händehygiene nach Gartentätigkeit; möglichst kein Kontakt mit der Katzentoilette

2 Tropen- und Reisemedizin

Dieses Kapitel dient als kurze Übersicht und geht nicht detailliert auf Symptome/Diagnostik und Therapie der jeweiligen Erkrankungen ein (Fachliteratur und Experten).

Besonderheiten vor Reisen in tropische Länder

  • Reisemedizinische Beratung empfohlen

  • Nahrung: „Cook it, peel it or leave it“ sowie „visiting friends“, Flaschenwasser, keine Eiswürfel

  • Mückenschutz (lange Kleidung, imprägniertes Moskitonetz, Repellants)

  • ggf. Malariaprophylaxe oder Stand-by-Medikation, sowie rechtzeitige Impfberatung und Durchführung der Reiseimpfungen (► https://www.dtg.org/empfehlungen-und-leitlinien)

  • Reisen mit speziellen Risiken

2.1 Fieber nach Tropenaufenthalt

  • Nach Reisen in Malariaendemiegebiete → Malariainfektion zwingend ausschließen

  • Prinzipiell häufig bekannte virale und bakterielle pädiatrische Infektionen (IDOL, Otitis media, HWI, Pneumonie, EBV, CMV etc.); auch nichtinfektiöse Fieberursachen bedenken

  • Häufige Fieberursachen bei Vorstellungen in der tropenmedizinischen Ambulanz: Atemwegsinfektionen, Fieber bei Durchfallerkrankungen (► Abschn. 9.2.2), Malaria, Dengue, Salmonellose, Rickettsiose

Diagnostik

  • Anamnese:

    • Augenmerk auf Dauer und Art der Symptome, Fieberkurve, Hauterscheinungen, Reiseland (→ Vorkommen von Erkrankungen, aktuelle Ausbrüche etc.), Reiseroute, Reisedauer und Rückkehrdatum (→ Inkubationszeit), eingenommene Medikamente (z. B. Malariaprophylaxe), Impfstatus, Vorerkrankungen (Cave: Immundefekt), Ernährung/Hygiene (→ fäkal-oral übertragbare Krankheiten), Exposition zu Mücken/Zecken/Tieren, Umgebungsanamnese/Familienanamnese (Tbc, „visiting relatives and friends“), ggf. Flüchtlingsroute erfragen

  • Vollständige und genaue körperliche Untersuchung und Erhebung der Vitalparameter

  • Basisdiagnostik:

    • Dicker Tropfen und Blutausstrich, Malariaschnelltest (Cave: ggf. falsch negativ bei hoher Parasitämie), Differenzialblutbild, CRP, BSG, Retentionsparameter, Transaminasen, Cholestaseparameter, LDH, Glukose, Laktat, Gerinnung, Blutkultur, Urinstatus, Urinmikroskopie, ggf. Urinkultur

    • Stuhluntersuchungen, Sonographie des Abdomen, EKG, Throaxröntgenaufnahme, LP

Ziel

  1. 1.

    Schwer erkrankte Kinder identifizieren

  2. 2.

    Rasch Ausschluss lebensbedrohlicher Erkrankungen wie einer Malaria oder viralem hämorrhagischem Fieber (aus Ende-miegebieten mit Fieber und Hämorrhagien maximal bis 3 Wochen nach Rückkehr möglich)

  3. 3.

    Weitere Diagnostik bei Begleitsymptomen u/o laborchemischen Auffälligkeiten

Differenzialdiagnosen

Fieber und:

  • Unspezifisch → Malaria, Dengue-Fieber, Typhus abdominalis, Rickettsiose, Leptospirose, Schistosomiasis, Amöbiasis, Tbc

  • Respiratorische Symptome → virale und bakterielle Infekte, Influenza, Q-Fieber, Tbc

  • Leberbeteiligung → Malaria, Hepatitis A–C, Amöbenleberabszess

  • Leber- und Nierenbeteiligung → Leptospirose, Hantaan-Fieber

  • Ikterus und Hämorrhagien → Malaria, fulminante Virushepatitiden, hämorrhagische Fieber

  • Splenomegalie → viszerale Leishmaniose (Kala-Azar), Tb, Malaria (nach 1–3 Wochen), Typhus abdominalis (ab 2. Krankheitswoche)

  • Hepatomegalie → Malaria, Amöbiasis, Typhus abdominalis, Hepatitis, Leptospirose

  • Gelenkschmerzen → reaktive oder septische Arthritis, Chikungunya

  • Lymphadenopathie, generalisiert → Dengue-Fieber, Brucellose, viszerale Leishmaniose, Tbc (zusätzlich zu EBV, CMV, Toxoplasmose u. a.)

  • Lymphadenopathie, lokal → (pyogen, Bartonellen) Rickettsiosen, Yersinia pestis

  • Zerebrale Symptomatik → zerebrale Malaria, virale oder bakterielle Meningitis, Typhus abdominalis, afrikanische Trypanosomiasis, Tollwut, septische Infektionen, Infektionen durch Arboviren (z. B. japanische Enzephalitis)

  • Exanthem → Dengue-Fieber, Chikungunya, Rickettsiose, Rückfallfieber

  • Hämorrhagien → virale hämorrhagische Fieber, Meningokokkensepsis, Rickettsiose

  • Makulae und Petechien → Leptospirose

  • Eschar → afrikanisches Zeckenbissfieber, Krim-Kongo hämorrhagisches Fieber

  • Roseolen → Typhus abdominalis

  • Papulae → Brucellose

  • Urtikaria → Katayama-Fieber (akute Schistosomiasis)

  • Thrombozytopenie → Sepsis, virale Infektionen, auch bei Malaria möglich

  • Lymphozytose → EBV, CMV, Toxoplasmose, akute HIV-Erkrankung

  • Eosinophilie → akute Schistosomiasis (Katayama-Syndrom); invasive Wurminfektionen

Malaria tropica

  • Überträger: Anopheles-Mücke

  • Symptome

    • Unkomplizierte Malaria: Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, ggf. Erbrechen, Durchfall

    • Komplizierte Malaria (Cave: Kleinkindern!): Zerebrale Malaria mit Koma, schwere Anämie, Hypoglykämie, Ikterus, Nierenversagen, Multiorganversagen

  • Inkubationszeit: (6–)10–15 Tage bis mehrere Wochen

  • Aktuelle Malariaverbreitungskarte sowie Prophylaxe- und Therapieempfehlung unter: ► https://www.dtg.org/empfehlungen-und-leitlinien

  • Bei komplizierter Malaria immer umgehende Kontaktaufnahme zu einem Tropeninstitut

Dengue-Fieber

  • Hauptüberträger: Aedes aegypti

  • Verbreitung: ◘ Abb. 9.2

  • Symptome

    • Fieber, Kopf- und retrobulbäre Schmerzen, Muskel- und Knochenschmerzen (breakbone fever), makulopapulöses Exanthem, Dengue-Erythem u. a., teilweise Begleithepatitis

    • Bei Kindern auch uncharakteristischer fieberhafter Infekt

  • Inkubationszeit: 3–8 (max. 14) Tage

  • Labor: Häufig Thrombozytopenie

  • Komplikationen: Hämorrhagisches Dengue-Fieber und Dengue-Shock-like-Syndrom mit ausgeprägten spontanen Blutungen

  • Therapie: Bei klassischem Dengue-Fieber symptomatisch

Abb. 9.2
figure 2

Verbreitung Dengue-Fieber. [Aus: Guzman MG, Harris E (2015) Dengue. Lancet 385: 453–465]

Typhus abdominalis

  • Übertragung von Salmonella typhi und paratyphi: Fäkal-oral übertragen

  • Symptome:

    • Stadium prodromale → Kopf- und Gliederschmerzen, evtl. subfebrile Temperaturen

    • Stadium incrementi → Fieber bis 40 C, Somnolenz, Abdominalbeschwerden

    • Stadium acmes für 1–3 Wochen → Fieber 40 C, Apathie, Obstipation!, Splenomegalie, ev. Roseolen

    • Stadium decrementi → infektiöse Durchfälle, schlechter AZ

  • Inkubationszeit: 1–3 Wochen (3–60 d)

  • Labor (ab Stadium acmes): Leukopenie, Linksverschiebung, Aneosinophilie

  • Komplikationen: Darmblutung oder -perforation, nekrotisierende Cholecystitis, thrombembolische Ereignisse, hämatogene Aussaat

  • Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglinge mit septischem Krankheitsbild

  • Therapie: DGPI Handbuch

Amöbenleberabszess

  • Übertragung von Entamoeba histolytica: Fäkal-oral

  • Symptome: Fieber, rechtsseitige Oberbauchschmerzen, evtl. Übelkeit, Erbrechen

  • Inkubationszeit: Monate bis Jahre

  • Therapie: Punktion nur bei Perforationsgefahr indiziert; Metronidazol und Paromomycin

Chikungunya

  • Übertragung v. a. von tagaktiven Aedes-Mücken, auf Ausbrüche achten (Subsahara/Afrika, Indien, Südostasien; ◘ Abb. 9.3)

  • Symptome: Fieber und ausgeprägte Polyarthritis, bei Kindern auch atypische Verläufe mit Erbrechen, Photophobie, Durchfall

  • Inkubationszeit: 4–7 Tage

  • Therapie: Symptomatisch

Abb. 9.3
figure 3

Länder, in denen eine Chikungunya-Virus-Infektion beschrieben wurde. [Aus: Centers for Disease Control and Prevention (2018) ► https://www.cdc.gov/chikungunya/geo/index.html. Zugegriffen am 17.10.2018]

Viszerale Leishmaniose

  • Überträger: Sandmücke (Phlebotomen), Infektionsreservoir u. a. Hunde, Kaninchen

  • Leitsymptome: Fieber, Hepatosplenomegalie und Panzytopenie, v. a. Anämie

  • Inkubationszeit: 3–6 Monate, auch kürzer möglich

  • Komplikationen: Bakterielle Infektion bei Neutropenie, Auslöser einer sekundären HLH

Weitere Differenzialdiagnosen

  • Rickettsien: Auslöser von Fleckfieber, Zeckenbissfieber (Safaritouristen südliches Afrika), Tsutsugamushi-Fieber

  • Rückfallfieber : Borrelia duttoni, B. hermsii u. a. als Erreger des endemischen Zeckenrückfallfieber; Borrelia recurrentis als Erreger des epidemischen Läuserückfallfiebers (→ Blutausstrich im Fieberanstieg)

  • Q-Fieber : Durch Coxiella burnetii; u. a. Fieber, Pneumonie, Hepatitis, Hepatosplenomegalie, seltener Myo-/Perikarditis oder Meningoenzephalitis

  • Leptospirose : Spirochäten; asymptomatischer, anikterischer oder ikterischer Verlauf möglich; Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, konjunktivale Injektionen oder Blutungen, ggf. Ikterus und Nierenversagen; übertragen durch Nager

  • Brucellose : Gramnegative Kokken, durch unpasteurisierte Milchprodukte und Kontakt zu infizierten Tieren; weites klinisches Spektrum; u. a. Fieber, Hepatosplenomegalie, Arthralgien

  • Bei sexuell aktiven Jugendlichen auch an sexuell übertragbare Erkrankungen denken (z. B. Lues, akute HIV-Infektion ► Abschn. 9.1.16)

2.2 Durchfall nach Tropenaufenthalt

  • In Studien der Grund für bis zu 60 % aller Vorstellungen von Kindern nach Tropenaufenthalt

  • Bei fieberhafte Gastroenteritis : Immer Ausschluss einer Malaria (kann mit Durchfall/Erbrechen einhergehen); Durchfälle können Symptom einer systemischen Infektion sein (Dengue-Fieber, Influenza, etc.)

  • Bei pädiatrischen Reiserückkehrern aus den Tropen fanden sich als häufigste Durchfallerreger: Giardia lamblia, Campylobacter und Salmonella enteridis

  • Durchfall mit Beimengung von Blut/Schleim

    • Campylobacter (Fieber, Inkubationszeit 1–7 d)

    • Salmonellen (Fieber, Inkubationszeit 6–72 h)

    • Entamoeba histolytica (Inkubationszeit 5 d)

    • Shigellen (Fieber, Inkubationszeit 16–72 h)

    • EAEC, EHEC (Inkubationszeit 1–9 d), EIEC (Inkubationszeit 2–6 d)

    • Yersinien (Fieber, Inkubationszeit 1–11 d)

  • Wässrige Durchfälle

    • Gardia lamblia (Inkubationszeit 16–72 h, akut-chronische, nichtblutige Diarrhö, i. d. R. kein Fieber)

    • Lebensmittelvergiftung durch Toxine (Inkubationszeit kurz, S. aureus, B. cereus, C. perfringens)

    • Norovirus (Erbrechen, Inkubationszeit 12–48 h)

    • Rotavirus (Fieber, Erbrechen, Inkubationszeit 2–6 d)

    • ETEC (choleraartig, Inkubationszeit 1–9 d)

    • Vibrio cholerae (Inkubationszeit 18 d)

    • Cryptosporidien (Inkubationszeit 7–10 d)

    • Aeromonas ssp

    • Cyclospora

  • Diagnostik: Stuhl auf pathogene Keime, pathogene E. coli, Norovirus, Rotavirus, für Untersuchung auf Wurmeier 3-mal frischen Stuhl untersuchen, ggf. Serologie für Schistosomiasis

  • Therapie meist symptomatisch, orale Rehydratationslösung

2.3 Eosinophilie nach Tropenaufenthalt

Diagnostisches Vorgehen unter: ► https://www.aerzteblatt.de/archiv/62367/Eosinophilie-bei-Tropenrueckkehrern-und-Migranten

2.4 Infektiologische Versorung von Geflüchteten

Die Empfehlungen zur infektiologischen Versorgung von Geflüchteten im Kindes- und Jugendalter in Deutschland der GTP und DGPI finden sich unter: ► http://dgpi.de/go/wp-content/uploads/2015/10/Fluechtlinge_DGPI-GTP-BVKJ-Stellungnahme_V1.4_22Nov2015.pdf

3 Impfungen

  • Impfungen in Deutschland nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts, die jährlich im August einen aktualisierten Impfkalender veröffentlicht (◘ Tab. 9.10 und ◘ 9.12)

  • Unterscheidung von Standardimpfungen und Indikationsimpfungen (z. B. Risikogruppen, berufs- oder reisebedingt)

  • Standardimpfungen umfassen Schutz gegen: Tetanus (T), Diphtherie (D), Pertussis (aP), Haemophilus influenzae Typ B (HiB), Poliomyelitis (IPV), Hepatitis B (HB), Pneumokokken (P), Rotavirus (RV), Meningokokken C (MenC), Mumps, Masern, Röteln (MMR), Varizellen (V), humane Papillomviren (HPV) und Influenza (I)

  • Aufklärungspflicht des Arztes, betreffend folgende Punkte:

    • Zu verhütende Erkrankung inkl. Behandlungsmöglichkeiten

    • Nutzen der Impfung

    • Kontraindikationen (◘ Tab. 9.11)

    • Durchführung der Impfung und das Verhalten danach

    • Beginn und Dauer des Impfschutzes

    • Mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Impfkomplikationen

    • Notwendigkeit und Termine von Auffrisch-/Folgeimpfungen

  • Impfreaktionen (häufg):

    • Für 1–3 Tage Lokalreaktion (Rötung, Schwellung, Schmerzen), Fieber <39,5 C, Kopf-/Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, Übelkeit, regionale Lymphknotenvergrößerung

    • 1–3 Wochen nach Lebendimpfung auftretende, milde „Impfkrankheit“

  • Impfkomplikationen: Eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung, die durch gesetzlich geregelte Meldesysteme sorgfältig analysiert und bewertet wird (z. B. Fieberkrampf). Das Risiko einer Impfkomplikation ist viel geringer als das Erkrankungsrisiko

  • Impfschaden (Rarität), z. B. Narkolepsie. Ein Impfschaden ist „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hi nausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.“ (§2 Infektionsschutzgesetz). Anträge auf Impfschadensanerkennung werden von den Versorgungsämtern der Bundesländer bearbeitet. Bleibende Schäden nach Impfungen mit aktuell empfohlenen Impfstoffen sind sehr seltene Ausnahmefälle

  • Nur selten liegt eine echte Kontraindikation zum Impfen vor; Impflücken und verspätete Impfungen sind meist bedingt durch unechte Kontraindikationen

  • 5 > Impfserien zeitgerecht beginnen und durchziehen, Mindestabstände einhalten; Es gibt keine zu langen Abstände („Jede Impfung zählt!“); Ausstehende Impfungen komplettieren.

  • Totimpfstoffe: Simultane Impfung miteinander oder mit Lebendimpfstoffen möglich; kein Mindestabstand zu Tot- oder Lebendimpfstoffen einzuhalten

  • Lebendimpfstoffe: Simultane Impfung möglich; sonst 4 Wochen Abstand zur vorherigen Lebendimpfung

  • Vor elektiven Operationen: Mindestabstand 3 Tage für Totimpfstoffe und 14 Tage für Lebendimpfstoffe

  • Bei Asylsuchenden mit fehlendem Impfschutz oder unklarem Status: Beginn der Immunisierung mit priorisiertem Schema frühzeitig nach Ankunft (◘ Tab. 9.12), anschließend zügige Komplettierung

  • Impfungen bei Immundefizienz: Veröffentlichung von Ehl et al. im Bundesgesundheitsblatt (Abschn. 9.4)

Tab. 9.10 Impfkalender (Nach: STIKO-Kalender, Stand 2018)
Tab. 9.11 Kontraindikationen gegen Impfungen
Tab. 9.12 Von der STIKO empfohlene, prioritär zu verabreichende Impfungen an Asylsuchende mit unklarem oder fehlendem Impfschutz