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Wahrscheinlichkeit – die Gesetze des Zufalls

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Mathematik

Zusammenfassung

Der Begriff Wahrscheinlichkeit steht für ein Denkmodell, mit dem sich zufällige Ereignisse erfolgreich beschreiben lassen. Das Faszinierende an diesem Modell ist die offensichtliche Paradoxie, dass mathematische Gesetze für regellose Erscheinungen aufgestellt werden. Über die Frage, was Wahrscheinlichkeit eigentlich inhaltlich ist und ob Wahrscheinlichkeit an sich überhaupt existiert, sind die Meinungen gespalten.

Die objektivistische Schule betrachtet Wahrscheinlichkeit als eine quasi-physikalische Größe, die unabhängig vom Betrachter existiert, und die sich bei wiederholbaren Experimenten durch die relative Häufigkeit beliebig genau approximieren lässt.

Der subjektivistischen Schule erscheint diese Betrachtung suspekt, wenn sie nicht gar als Aberglaube verurteilt wird. Für die Subjektivisten oder Bayesianer, wie sie aus historischen Gründen auch heißen, ist Wahrscheinlichkeit nichts anderes als eine Gradzahl, die angibt, wie stark das jeweilige Individuum an das Eintreten eines bestimmten Ereignisses glaubt.

Fassen wir einmal die uns umgebenden mehr oder weniger zufälligen Phänomene der Realität mit dem Begriff „die Welt“ zusammen, so können wir überspitzt sagen: Der Objektivist modelliert die Welt, der Subjektivist modelliert sein Wissen über die Welt.

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Correspondence to Tilo Arens .

Appendices

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird der Begriff der Wahrscheinlichkeit eingeführt.

1.1 Ereignisse lassen sich als Teilmengen einer Obermenge beschreiben

In Analogie zu Flächenberechnungen werden Ereignisse als Elemente einer \(\sigma\)-Ereignisalgebra eingeführt. Damit können alle elementaren Operationen der Mengenlehre abzählbar unendlich oft auf Ereignisse angewandt werden und liefern im Endergebnis wieder Ereignisse. So wie man Flächen einen Inhalt zuordnet, werden Ereignissen Wahrscheinlichkeiten zugeordnet.

1.2 Die drei Axiome von Kolmogorov bilden das Fundament der Wahrscheinlichkeitstheorie

Die Axiome von Kolmogorov legen die Regeln fest, denen eine „Wahrscheinlichkeit“ zu gehorchen hat. Dabei bleibt der Begriff „Wahrscheinlichkeit“ selbst inhaltlich offen.

Die drei Axiome von Kolmogorov

Ist \(\Omega\) eine Obermenge und \(\mathcal{S}\) eine \(\sigma\)-Algebra von Teilmengen von \(\Omega.\) Eine Abbildung \(P\) von \(\mathcal{S}\) nach \(\mathbb{R}\) heißt Wahrscheinlichkeit oder Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn \(P\) die folgenden drei Eigenschaften besitzt:

1. Axiom: Für alle \(A\in\mathcal{S}\) ist \(0\leq\mathrm{P}(A)\leq 1\).

2. Axiom: \(\mathrm{P}(\Omega)=1\).

3. Axiom: Für jede abzählbare Folge von disjunkten Mengen \(A_{i}\in\mathcal{S}\) gilt

$$\displaystyle\mathrm{P}\left(\bigcup\limits_{i=1}^{\infty}A_{i}\right)=\sum_{i=1}^{\infty}\mathrm{P}(A_{i}).$$

1.3 Ein vollständiges Ereignisfeld ist eine abzählbare Familie von disjunkten Ereignissen, von denen eines mit Sicherheit eintreten muss

Einen intuitiven Zugang zum Verständnis von Wahrscheinlichkeit bieten Laplace-Experimente, bei denen nur endlich viele gleichwahrscheinliche, sich paarweise ausschließende Ereignisse betrachtet werden, von denen aber genau eines eintreten muss. Umgangssprachliche Begriffe wie der „faire Würfel“, das „gut gemischte“ Kartenspiel, das „ideale“ Roulette lassen sich so im Rahmen der Kolmogorov-Axiomatik einbetten und neu definieren.

Die Laplace-Regel

Im Laplace-Experiment über einem vollständigen Ereignisfeld aus \(n\) Ereignissen ist die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses \(B\)

$$\displaystyle\mathrm{P}(B)=\frac{\text{Anzahl der f{\"u}r }\,B\leavevmode\nobreak\ \text{g{\"u}nstigen\leavevmode\nobreak\ Ereignisse}}{n}.$$

1.4 Bedingtheit und Unabhängigkeit

Die Wahrscheinlichkeitstheorie unterscheidet sich von der mathematischen Maßtheorie durch zwei zentrale Begriffe, nämlich Bedingtheit und Unabhängigkeit.

Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit

Sind \(A\) und \(B\) zwei zufällige Ereignisse und ist \(\mathrm{P}(B)\neq 0\), so wird die bedingte Wahrscheinlichkeit von \(A\) unter der Bedingung \(B\) definiert als

$$\displaystyle\mathrm{P}(A\,|\,B)=\frac{\mathrm{P}(A\cap B)}{\mathrm{P}(B)}.$$

Dabei lässt sich die bedingte Wahrscheinlichkeit \(\mathrm{P}(A\,|\,B)\) objektivistisch interpretieren als relative Häufigkeit der Ereignisse \(A\) in der Gesamtheit der Ereignisse, in denen \(B\) eingetreten ist. Subjektiv kann ich \(\mathrm{P}(A\,|\,B)\) interpretieren als meine Einschätzung, dass \(A\) eintritt, wenn ich weiß, dass \(B\) eingetreten ist.

Der Satz der totalen Wahrscheinlichkeit erlaubt es, aus der Gesamtheit der bedingten Wahrscheinlichkeiten die unbedingte Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.

Der Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit

Es sei \(\{A_{i}\,|\,i\in I\subseteq\mathbb{N}\}\) ein vollständiges Ereignisfeld, das heißt, die \(A_{i}\ \)sind disjunkt mit \(\bigcup\limits_{i\in I}A_{i}=\Omega.\)

\(B\) sei ein beliebiges Ereignis mit den bedingten Wahrscheinlichkeiten \(\mathrm{P}(B\,|\,A_{i})\). Dann ist die Wahrscheinlichkeit von \(B\) gegeben durch

$$\displaystyle\mathrm{P}(B)=\sum_{i\in I}\mathrm{P}(A_{i})\mathrm{P}(B\,|\,A_{i}).$$

Aus diesem Satz und der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit wird der Satz von Bayes abgeleitet. Er beschreibt, wie wir aus Beobachtungen lernen können.

Der Satz von Bayes

Ist \(\{A_{i}\,|\,i\in I\subseteq\mathbb{N}\}\) ein vollständiges Ereignisfeld, \(B\) ein weiteres zufälliges Ereignis mit \(\mathrm{P}(B)\neq 0\), so ist

$$\displaystyle\mathrm{P}(A_{j}\,|\,B)=\frac{\mathrm{P}(B\,|\,A_{j})}{\sum_{i\in I}\mathrm{P}(B\,|\,A_{i})\mathrm{P}(A_{i})}\mathrm{P}(A_{j}).$$

Er ist das wichtigste Werkzeug der Schule der subjektiven Wahrscheinlichkeitslehre. Beide Sätze sind grundlegend für die Schule der subjektiven, bzw. Bayesianischen Wahrscheinlichkeitstheorie und wesentliche Werkzeuge zur Beschreibung, Analyse und Inferenz in komplexen Strukturen, mit denen sich die Künstliche Intelligenz beschäftigt.

Definition der Unabhängigkeit

Zwei Ereignisse \(A\) und \(B\) heißen stochastisch unabhängig, wenn gilt

$$\displaystyle\mathrm{P}(A\cap B)=\mathrm{P}(A)\mathrm{P}(B).$$

Unabhängigkeit ist eine Aussage über die Irrelevanz einer Information. \(\ A\) und \(B\) sind – bezogen auf das Wahrscheinlichkeitsmaß \(P\) – unabhängig, wenn die Information über das Eintreten des einen Ereignisses die Wahrscheinlichkeit des Eintreten des anderen Ereignisses nicht ändert.

Aufgaben

Die Aufgaben gliedern sich in drei Kategorien: Anhand der Verständnisfragen können Sie prüfen, ob Sie die Begriffe und zentralen Aussagen verstanden haben, mit den Rechenaufgaben üben Sie Ihre technischen Fertigkeiten und die Anwendungsprobleme geben Ihnen Gelegenheit, das Gelernte an praktischen Fragestellungen auszuprobieren.

Ein Punktesystem unterscheidet leichte Aufgaben •, mittelschwere •• und anspruchsvolle ••• Aufgaben. Lösungshinweise am Ende des Buches helfen Ihnen, falls Sie bei einer Aufgabe partout nicht weiterkommen. Dort finden Sie auch die Lösungen – betrügen Sie sich aber nicht selbst und schlagen Sie erst nach, wenn Sie selber zu einer Lösung gekommen sind. Ausführliche Lösungswege, Beweise und Abbildungen finden Sie auf der Website zum Buch.

Viel Spaß und Erfolg bei den Aufgaben!

2.1 Verständnisfragen

37.1

• Zeigen Sie:

$$\begin{aligned}\displaystyle\bigcup\limits_{i=1}^{\infty}A_{i}&\displaystyle=\{\text{alle\leavevmode\nobreak\ }x\text{,\ die in mindestens einem }A_{i}\leavevmode\nobreak\ \text{liegen}\}\\ \displaystyle\bigcap\limits_{i=1}^{\infty}A_{i}&\displaystyle=\{\text{alle\leavevmode\nobreak\ }x\text{,\ die in allen }A_{i}\leavevmode\nobreak\ \text{liegen}\}\\ \displaystyle\bigcap\limits_{i=1}^{\infty}\bigcup\limits_{k=i}^{\infty}A_{i}&\displaystyle=\{\text{alle\leavevmode\nobreak\ }x\text{,\ die in unendlich vielen }A_{i}\leavevmode\nobreak\ \text{liegen}\}\\ \displaystyle\bigcup\limits_{i=1}^{\infty}\bigcap\limits_{k=i}^{\infty}A_{i}&\displaystyle=\{\text{alle\leavevmode\nobreak\ }x\text{,\ die in fast allen }A_{i}\leavevmode\nobreak\ \text{liegen}\}\end{aligned}$$

37.2

• Eine Münze wird zweimal hintereinander geworfen. Dabei kann jeweils Kopf oder Zahl geworfen werden.

  1. (a)

    Aus wie viel Elementen besteht die von allen möglichen Elementarereignissen erzeugte \(\sigma\)-Ereignisalgebra \(\mathcal{S}_{0}?\)

  2. (b)

    Aus welchen Ereignissen besteht die von den Ereignissen \(A={}\)„Der erste Wurf ist Kopf“ und \(B={}\)„Es wurde mindestens einmal Kopf geworfen“ erzeugte \(\sigma\)-Ereignisalgebra \(\mathcal{S}_{1}\)? Enthält \(\mathcal{S}_{1}\) auch: \(C={}\) „Der zweite Wurf ist Kopf“?

37.3

• Sind bei einem idealen Kartenspiel mit jeweils 8 Karten in den vier Farben: „Herz“, „Karo“, „Pik“ und „Kreuz“ (insgesamt 32 Karten) die Ereignisse: „Herz“ und „10“ voneinander stochastisch unabhängig?

37.4

•• Zeige: Sind \(A\) und \(B\) unabhängig, dann sind auch \(A\) und \(B^{\mathrm{C}}\) unabhängig, ebenso \(B\) und \(A^{\mathrm{C}}\), \(A^{\mathrm{C}}\) und \(B^{\mathrm{C}}\)

37.5

••• Scheich Abdul hat einen zauberhaften Ring, der die Gabe besitzt, in der Schlacht unverwundbar zu machen. Er hat aber auch drei Söhne, Mechmed, Hassan und Suleiman, die er alle drei gleich liebt. Da er nicht einen vor dem anderen vorziehen will, überlässt er Allah die Entscheidung, wer von den dreien den Schutzring erben soll. Er lässt vom besten Goldschmied des Landes zwei Kopien des Rings herstellen, sodass am Ende alle drei Ringe äußerlich nicht zu unterscheiden sind. Nun verlost er die drei Ringe an seine drei Söhne, die auch sofort die Ringe aufsetzen und nie wieder abnehmen.

Nach seinem Tod überfällt der böse Feind mit seinen Truppen das Land und alle Brüder wollen in den Krieg ziehen. Leider hat Hassan Schnupfen, liegt im Bett und kann nicht mitkommen. Die Schlacht wird auch ohne ihn gewonnen. Leider aber ist Suleiman in der Schlacht gefallen. Mechmed besucht Hassan im Krankenzimmer und erzählt. Da äußert Hassan eine Bitte: Er will seinen Ring mit dem von Mechmed tauschen. Nach langem Zögern und Verhandeln willigt Mechmed ein, aber nur unter einer Bedingung: Er möchte Hassans Lieblingssklavin Suleika dazu haben. Hassan willigt ein, die Ringe werden getauscht. Da fragt Hassan: Sag mal, warum wolltest Du ausgerechnet Suleika haben? Da gesteht Mechmed: Weißt Du, ich war gar nicht in der Schlacht, ich war die ganze Zeit bei Suleika.

Frage: Wie bewerten Sie den Tausch vor und nach dem Geständnis?

37.6

••• Vater Martin, Mutter Silke, die Kinder Anja und Dirk sowie Opa Arnold gehen gemeinsam zum Picknick im Wald spazieren. Auf dem Nachhauseweg bemerken die Kinder plötzlich, dass der Opa nicht mehr da ist. Es gibt drei Möglichkeiten

\((H)\)::

Opa ist schon zuhause und sitzt gemütlich in seinem Sessel.

\((M)\)::

Opa ist noch auf dem Picknick-Platz und flirtet mit jungen Mädchen.

\((W)\)::

Opa ist in den nahegelegenen Wald gegangen und sucht Pilze.

Aufgrund der Gewohnheiten des Opas kennt man die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der Ereignisse \(H\), \(M\) und \(W\):

$$\displaystyle\mathrm{P}(H)=15\,\%;\quad\mathrm{P}(M)=80\,\%;\quad\mathrm{P}(W)=5\,\%$$

Anja wird zurück zum Picknick-Platz und Dirk zum Waldrand geschickt, um den Opa zu suchen. Wenn Opa auf dem Picknick–Platz ist, findet ihn Anja mit \(90\) %-iger Wahrscheinlichkeit, läuft er aber im Wald herum, wird ihn Dirk mit einer Wahrscheinlichkeit von nur \(50\,\%\) finden.

  1. 1.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Anja den Opa findet?

  2. 2.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines der Kinder den Opa finden wird?

  3. 3.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, den Opa bei Rückkehr zuhause in seinem Sessel sitzend anzutreffen, falls die Kinder ihn nicht finden sollten?

37.7

•••  Es seien \(\alpha\), \(\beta\) und \(\gamma\) drei Krankheitssymptome, die gemeinsam auftreten können. Dabei bedeute \(\alpha^{\mathrm{C}}\), dass das Symptom \(\alpha\) nicht aufgetreten ist; Analoges gilt für \(\beta^{\mathrm{C}}\) und \(\gamma^{\mathrm{C}}\). Die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Kombinationen seien:

$$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle\mathrm{P}(\alpha\beta\gamma)&\displaystyle=\frac{1}{8}&\displaystyle\mathrm{P}(\alpha\beta\gamma^{\mathrm{C}})&\displaystyle=0\\ \displaystyle\mathrm{P}(\alpha\beta^{\mathrm{C}}\gamma)&\displaystyle=\frac{1}{8}&\displaystyle\mathrm{P}(\alpha\beta^{\mathrm{C}}\gamma^{\mathrm{C}})&\displaystyle=\frac{1}{4}\\ \displaystyle\mathrm{P}(\alpha^{\mathrm{C}}\beta\gamma)&\displaystyle=\frac{1}{8}&\displaystyle\mathrm{P}(\alpha^{\mathrm{C}}\beta\gamma^{\mathrm{C}})&\displaystyle=\frac{1}{4}\\ \displaystyle\mathrm{P}(\alpha^{\mathrm{C}}\beta^{\mathrm{C}}\gamma)&\displaystyle=\frac{1}{8}&\displaystyle\mathrm{P}(\alpha^{\mathrm{C}}\beta^{\mathrm{C}}\gamma^{\mathrm{C}})&\displaystyle=0\end{aligned}$$

Dabei haben wir abkürzend \(\alpha\beta\gamma\) für \(\alpha\cap\beta\cap\gamma\) geschrieben. Analog in den übrigen Formeln.

Zeigen Sie:

  1. (a)

    \(\mathrm{P}(\alpha\beta\gamma)=\mathrm{P}(\alpha)\mathrm{P}(\beta)\mathrm{P}(\gamma)\).

  2. (b)

    \(\mathrm{P}(\alpha\beta)\neq\mathrm{P}(\alpha)\mathrm{P}(\beta)\).

37.8

••• Es seien die \(n\) Ereignisse \(A_{i}\), \(i=1,\ldots,n\) disjunkt und \(V=\bigcup\limits_{i=1}^{n}A_{i}\). Weiter sei jedes \(A_{i}\) unabhängig vom Ereignis \(B\).

  1. (a)

    Zeigen Sie, dass dann auch \(V\) und \(B\) unabhängig sind.

  2. (b)

    Zeigen Sie an einem Beispiel, dass dies nicht mehr gilt, wenn die \(A_{i}\) nicht disjunkt sind.

2.2 Rechenaufgaben

37.9

  1. 1.

    An der Frankfurter Börse wurde eine Gruppe von 70 Wertpapierbesitzern befragt. Es stellte sich heraus, dass 50 von ihnen Aktien und 40 Pfandbriefe besitzen. Wie viele der Befragten besitzen sowohl Aktien als auch Pfandbriefe?

  2. 2.

    Aus einer zweiten Umfrage unter allen Rechtsanwälten in Frankfurt wurde bekannt, dass 60 % der Anwälte ein Haus und 80 % ein Auto besitzen. 20 % der Anwälte sind Mitglied einer Partei.

    Von allen Befragten sind 40 % Auto- und Hausbesitzer, 10 % Autobesitzer und Mitglied einer Partei und 15 % Hausbesitzer und Mitglied einer Partei. Wie viel Prozent besitzen sowohl eine Auto als auch ein Haus und sind Mitglied einer Partei?

37.10

• Wie viele \(k\)-stellige Zahlen lassen sich aus den Ziffern von 1 bis 9 bilden?

37.11

•• Wie viele verschiedene Arbeitsgruppen mit jeweils 4 Personen kann man aus einer Belegschaft von 9 Personen bilden?

37.12

•• An einem Wettkampf beteiligen sich 8 Sportler. Sie wollen die drei Medaillengewinner voraussagen.

  1. (a)

    Wie viele Tipps müssen Sie abgeben, damit Sie mit Sicherheit die drei Gewinner dabei haben?

  2. (b)

    Wie viele Tipps brauchen Sie, wenn auch noch die Rangfolge – Golf, Silber, Bronze – stimmen soll?

37.13

• Wie viele verschiedene – nicht notwendig sinnvolle – Worte kann man aus allen Buchstaben der folgenden Worte bilden?

  1. (a)

    dort,

  2. (b)

    gelesen,

  3. (c)

    Ruderregatta.

37.14

••• Wie viele Arten gibt es, 8 Türme auf ein sonst leeres Schachbrett zu stellen, sodass sie sich nicht schlagen können?

37.15

• Ein Autokennzeichen bestehe aus ein bis drei Buchstaben gefolgt von 4 Ziffern. Wie viel verschiedene Kennzeichen können so erzeugt werden?

37.16

•• In einem Büro mit 3 Angestellten sind 4 Telefonate zu erledigen. Wie viele Möglichkeiten gibt es, diese 4 Aufgaben auf die drei Personen zu verteilen?

37.17

•• Zu einer Feier wollen Ihre Gäste Weißwein trinken. Sie haben von drei Sorten jeweils 12 Flaschen im Keller und wollen einige Flaschen im Kühlschrank kalt stellen. Der Kühlschrank fasst aber nur 6 Flaschen. Wie groß ist die Anzahl der Möglichkeiten 6 Flaschen auszuwählen und im Kühlschrank zu verstauen?

37.18

••

  1. (a)

    Auf wie viel verschiedene Arten lassen sich \(m\) verschiedene Kugeln auf \(n\) verschiedene Schubladen aufteilen?

  2. (b)

    Auf wie viel verschiedene Arten lassen sich \(m\) gleiche Kugeln auf \(n\) verschiedene Schubladen aufteilen?

37.19

•••  Wir betrachten vier Spielkarten \(B\overset{\wedge}{=}{}\)Bube, \(D\overset{\wedge}{=}{}\)Dame, \(K\overset{\wedge}{=}{}\)König und den Joker\({}\overset{\wedge}{=}J\). Jede dieser vier Karten werde mit gleicher Wahrscheinlichkeit \(\frac{1}{4}\) gezogen. Der Joker kann als Bube, Dame oder König gewertet werden. Wir ziehen eine Karte und definieren die drei Ereignisse:

$$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle b&\displaystyle=\{B\cup J\}&\displaystyle&\displaystyle\Rightarrow&\displaystyle\mathrm{P}(b)&\displaystyle=\frac{1}{2}\\ \displaystyle d&\displaystyle=\{D\cup J\}&\displaystyle&\displaystyle\Rightarrow&\displaystyle\mathrm{P}(d)&\displaystyle=\frac{1}{2}\\ \displaystyle k&\displaystyle=\{K\cup J\}&\displaystyle&\displaystyle\Rightarrow&\displaystyle\mathrm{P}(k)&\displaystyle=\frac{1}{2}\end{aligned}$$

Zeigen Sie: Die Ereignisse \(b,d,k\) sind paarweise, aber nicht total unabhängig.

37.20

•••  Gegeben sei eine Münze, die mit Wahrscheinlichkeit \(\alpha\) Kopf und mit Wahrscheinlichkeit \(1-\alpha\) Zahl wirft: \(\mathrm{P}(K)=\alpha\leavevmode\nobreak\ \)und \(\mathrm{P}(Z)=1-\alpha\).  Die Münze wird dreimal total unabhängig voneinander geworfen. Wir betrachten die beiden Ereignisse \(A\) = „Es fällt höchstens einmal Zahl“ und \(B\) \(=\) „Es fällt jedesmal dasselbe Ereignis“. Für welche Werte von \(\alpha\) sind \(A\leavevmode\nobreak\ \)und \(B\leavevmode\nobreak\ \)unabhängig?

37.21

••• Bei einem Münz-Wurf-Spiel wird eine Münze hintereinander mehrmals geworfen, die mit Wahrscheinlichkeit \(\gamma\) „Kopf“ wirft. Dabei seien die Würfe total unabhängig voneinander. Wird „Kopf“ geworfen, erhalten Sie einen Euro, wird „Zahl“ geworfen, zahlen Sie einen Euro. Sie starten mit 0 €. Das Spiel bricht ab, wenn Ihr Spielkonto entweder ein Guthaben von 2 € oder Schulden von 2 € aufweist. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit \(\alpha\), dass Sie mit einem Guthaben von 2 € das Spiel beenden?

37.22

•• Bei einer Klausur sind bei jeder Frage \(m\) Antwortmöglichkeiten angegeben. Mit Wahrscheinlichkeit \(\alpha\) weiß jeder Prüfling die richtige Antwort. Nehmen Sie an, dass ein Prüfling, der die korrekte Antwort nicht weiß, würfelt und eine der \(m\) Antworten mit gleicher Wahrscheinlichkeit ankreuzt. Weiß er dagegen die Antwort, so kreuzt er mit Sicherheit die richtige Antwort an. Angenommen, eine Frage sei richtig beantwortet. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit \(\gamma\), dass der Prüfling die Antwort wusste?

37.23

••• \(n\) Ehepaare feiern gemeinsam Silvester. Um 24:00 Uhr wird getanzt. Dazu werden alle Tanzpaare ausgelost.

  1. (a)

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass niemand dabei mit seinem eigenen Ehepartner tanzt?

  2. (b)

    Gegen welche Zahl konvergiert diese Wahrscheinlichkeit, falls \(n\to\infty\) geht?

2.3 Anwendungsprobleme

37.24

•• Der zerstreute Professor verliert mitunter seine Schlüssel. Nun kommt er einmal abends nach Hause und sucht wieder einmal den Schlüssel. Er weiß, dass er mit gleicher Wahrscheinlichkeit in jeder seiner 10 Taschen stecken kann. Neun Taschen hat er bereits erfolglos durchsucht. Er fragt sich, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Schlüssel in der letzten Tasche steckt, wenn er weiß, dass er auf dem Heimweg mit 5 % Wahrscheinlichkeit seine Schlüssel verliert.

37.25

••• Die Fußballmannschaften der Länder A, B, C, D stehen im Halbfinale. Hier wird A gegen B und C gegen D kämpfen. Die Sieger der Spiele (A gegen B) und (C gegen D) kämpfen im Finale um den Sieg. Nehmen wir weiter an, dass im Spiel der Sieg unabhängig davon ist, wie die Mannschaften früher gespielt haben und wie die anderen spielen. Aus langjähriger Erfahrung kennt man die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Mannschaft gegen eine andere gewinnt. Diese Wahrscheinlichkeiten mit der Zeilenmannschaft gegen Spaltenmannschaft siegt, sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben:

 

A

B

C

D

A

0.7

0.2

0.4

B

 

0.8

0.6

C

  

0.1

Zum Beispiel gewinnt A gegen B, mit Wahrscheinlichkeit 0.7, im Symbol \(\mathrm{P}(A\succ B)=0.7\)

  1. (a)

    Mit welcher Wahrscheinlichkeit siegt D im Finale?

  2. (b)

    Mit welcher Wahrscheinlichkeit spielt D im Finale gegen A?

37.26

••• Ein Labor hat einen Alkoholtest entworfen. Aus den bisherigen Erfahrungen weiß man, dass 60 % der von der Polizei kontrollierten Personen tatsächlich betrunken sind. Bezüglich der Funktionsweise des Tests wurde ermittelt, dass in 95 % der Fälle der Test positiv reagiert, wenn die Person tatsächlich betrunken ist, in 97 % der Fälle der Test negativ reagiert, wenn die Person nicht betrunken ist.

  1. 1.

    Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Person ein negatives Testergebnis hat und trotzdem betrunken ist?

  2. 2.

    Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Test positiv ausfällt?

  3. 3.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person betrunken ist, wenn der Test positiv reagiert?

Verwenden Sie die Symbole \(A\) für „Person ist betrunken“ und \(T\) für „der Test ist positiv“.

37.27

••• Im Nachlass des in der Forschung tätigen Arztes S. Impson wurde ein Karteikasten mit den Daten über den Zusammenhang zwischen einem im Blut nachweisbaren Antikörper und dem Auftreten einer Krankheit gefunden. Auf den Karteikarten sind die folgenden Merkmale notiert:

$$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle&\displaystyle\text{Geschlecht:}&\displaystyle M&\displaystyle=\text{Mann}&\displaystyle F&\displaystyle=\text{Frau}\\ \displaystyle&\displaystyle\text{Antik{\"o}rper:}&\displaystyle A&\displaystyle=\text{vorhanden}&\displaystyle A^{\mathrm{C}}&\displaystyle=\text{nicht vorhanden}\\ \displaystyle&\displaystyle\text{Krankheit:}&\displaystyle K&\displaystyle=\text{krank}&\displaystyle G&\displaystyle=\text{gesund}\end{aligned}$$

Die Auswertung der Karten erbrachte die in der folgenden Tabelle notierte Häufigkeitsverteilung:

 

Antikörper

 

Männer

Frauen

 

\(A\)

\(A^{\mathrm{C}}\)

Summe

\(A\)

\(A^{\mathrm{C}}\)

Summe

krank \(K\)

1

20

21

36

9

45

gesund \(G\)

4

20

24

9

1

10

Summe

5

40

45

45

10

55

  1. 1.

    Interpretieren Sie relative Häufigkeiten als (bedingte) Wahrscheinlichkeiten. Wie groß sind dann \(\mathrm{P}(G\,|\,AM)\); \(\mathrm{P}(G\,|\,A^{\mathrm{C}}M)\); \(\mathrm{P}(G\,|\,AF)\); \(\mathrm{P}(G\,|\,A^{\mathrm{C}}F)\)? Spricht aufgrund dieser Tabelle das Vorliegen des Antikörpers eher für oder eher gegen die Krankheit.

  2. 2.

    Ignorieren Sie jeweils ein Merkmal und stellen Sie die zweidimensionale Häufigkeitstabelle für die beiden anderen Merkmale zusammen. Deuten Sie mithilfe der bedingten Wahrscheinlichkeiten deren Zusammenhang.

  3. 3.

    Die sichere Diagnose, ob die Krankheit wirklich bei einem Patienten vorliegt, sei sehr zeitaufwendig (14 Tage). Die Feststellung, ob der Antikörper im Blut vorhanden ist, gehe sehr schnell (10 Minuten). Sie sind Leiter einer Unfallklinik. Bei Unfallpatienten, die in die Erste-Hilfe-Station eingeliefert werden, hängt die richtige Behandlung davon ab, ob die Krankheit \(K\). vorliegt oder nicht. (Es können sonst gefährliche Allergie-Reaktionen auftreten.) Wie würden Sie als behandelnder Arzt entscheiden, wenn die Antikörperwerte des Patienten vorliegen?

  4. 4.

    In Ihrer Klinik wird eine Person Toni P. eingeliefert, die zu den Patienten von Dr. S. Impson gehörte. Bei P. liegen Antikörper vor. Aus dem Krankenblatt geht nicht hervor, ob Toni P. männlich oder weiblich ist. Wie würden Sie entscheiden (Krankheit \(K\) ja oder nein)?

  5. 5.

    Sie erfahren, dass Toni P. ein Mann ist. Ändert dies Ihre Entscheidung?

  6. 6.

    Aus einer anderen Untersuchung weiß man, dass in der Gesamtbevölkerung 15 % der Männer und 70 % der Frauen den Antikörper in sich tragen. Weiter seien 52 % der Bevölkerung männlich. Wie groß schätzen Sie den Anteil der Kranken in der Bevölkerung?

  7. 7.

    Welche Daten können Sie dazu aus den Unterlagen von Dr. Impson verwenden, wenn Sie wissen, dass er seine Auswertung auf eine Zufallsstichprobe stützte, bei der 50 Personen mit und 50 Personen ohne Antikörper ausgewählt wurden.

Antworten der Selbstfragen

Antwort 1

Aus (37.4) mit \(\mathrm{P}(A\cup B)\leq 1\) folgt \(\mathrm{P}(A\cap B)\geq\mathrm{P}(A)+\mathrm{P}(B)-1\). In unserem Fall also \(\mathrm{P}(A\cap B)\geq 0.3\).

Antwort 2

Es ist ebenfalls \(\mathrm{P}(\{[a,b]\})=b-a\). Denn

$$\displaystyle[a,b]=\bigcap_{i=1}^{\infty}\left(a-\frac{1}{n},b+\frac{1}{n}\right).$$

Daher ist

$$\begin{aligned}\displaystyle\mathrm{P}(\{[a,b]\})&\displaystyle=\lim_{n\to\infty}\left(b+\frac{1}{n}-\left(a-\frac{1}{n}\right)\right)\\ \displaystyle&\displaystyle=\lim_{n\to\infty}\left(b-a+\frac{2}{n}\right)=b-a.\end{aligned}$$

Antwort 3

Nein, haben wir nicht. Die Formel gilt nur unter der Prämisse, dass die Ziehung der 6 Zahlen ein Laplaceexperiment ist. Dies ist eine nicht beweisbare, wenn auch recht plausible Modellannahme. Wenn jemand dieses Modell verwirft, weil 13 seine Glückszahl ist, oder er an eine Glücksfee glaubt, ist die oben berechnete Wahrscheinlichkeit für ihn irrelevant.

Antwort 4

\(A\) hat unrecht. Für ihn zählt nur die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass ein zweiter Mensch mit einer Bombe an Bord sitzt. Diese ist aber bei \(1/1000\) geblieben. Für den Pilot, der von all dem nichts weiß, ist die Wahrscheinlichkeit für zwei Bomben an Bord gleich \(1/10^{6}\).

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Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., Stachel, H. (2018). Wahrscheinlichkeit – die Gesetze des Zufalls. In: Mathematik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56741-8_37

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