Zusammenfassung
Die Bewältigung sozialer Konflikte hing in der Frühen Neuzeit keineswegs ausschließlich von der Einhaltung streng geregelter schriftlicher Verfahren ab, sondern basierte ganz wesentlich auf Vermittlungs- und Verhandlungsstrategien, die im unmittelbaren sozialen Umfeld der Betroffenen zum Einsatz kamen. Erfolgreiche Konfliktlösungen waren immer auch das Ergebnis einer im Kern mündlichen Streitkultur. Damit berührt das Thema drei Aspekte, die in der Forschung seit längerem intensiv diskutiert werden. Zunächst stellt sich die Frage, inwiefern für die Frühe Neuzeit überhaupt von „Öffentlichkeit“ gesprochen werden kann. Zudem ist fraglich, was – im Unterschied zu anderen Praktiken der Konfliktlösung – in einem engeren Sinne als „Verfahren“ zu gelten hat. Schließlich ist zu klären, wie sich die frühneuzeitliche Verfahrenspraxis auf das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit auswirkte.
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Bähr, M. (2021). Schriftlichkeit und Öffentlichkeit. In: Decock, W. (eds) Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit . Handbuch zur Geschichte der Konfliktlösung in Europa , vol 3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56102-7_6
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