Zusammenfassung
In diesem Beitrag sollen nicht neue Nachhaltigkeitstheorien und -praktiken vom Menschen wissenschaftlich ablenken („abstrahieren“), sondern seine gegenwärtige Unzulänglichkeit, nachhaltig zu wirtschaften und zu leben, konkret als Aspekt seiner Persönlichkeit dargestellt werden. Gleichzeitig wird mit einer systemischen Persönlichkeitsentwicklung eine Nachhaltigkeitsperspektive aufgezeigt, die am Individuum und seiner Aufklärung ansetzt: „Handle stets nach demjenigen Eigeninteresse, durch das Du zugleich allgemeine Systemzusammenhänge integrierst“.
Sowohl neue und überarbeite Nachhaltigkeitstheorien als auch die vermeintlich zielführendere Praxisorientierung lassen einen blinden Fleck zurück, stets getrieben in der verführerischen Annahme, besser zu sein als das Andere und Bisherige. Mit dieser irrigen Annahme sind Krisenverschärfungen statt Lösungen vorprogrammiert. Was fehlt, ist eine realistische Selbsteinschätzung, ein nachhaltiges Bezugssystem für das eigene Ich, das auf Kooperation und Koexistenz statt auf Konkurrenz und Konflikt ausgelegt ist. Der Drang, sich über seine Mitmenschen zu stellen, kann ihnen weder logisch im Sinne einer demokratischen Gesellschaft noch psychologisch einen hilfreichen Dienst erweisen.
Das Verständnis von Nachhaltigkeit wird im Folgenden um bislang nicht erfasste, vom Subjekt und seinem Ich-Bewusstsein abhängige Systemkontexte erweitert, um der Nachhaltigkeit einen wirksamen und widerstandsfähigen Tiefenimpuls zu verleihen. Dabei wird der Nachhaltigkeitsfokus statt auf äußere Konzepte und Handlungsanweisungen auf innere Entwicklungs- und Veränderungspotenziale bis in die Bildung nachhaltiger Persönlichkeitsanteile hinein gelegt. Denn aus einem komplexen Systemverständnis heraus korreliert die Selbstorganisation unterschiedlicher und gegensätzlicher Persönlichkeitsanteile in Individuen mit den gesellschaftlichen Zuständen der Außenwelt. Zur Identifikation der Persönlichkeitsanteile wird auf das Konzept der Ich-Entwicklung von Jane Loevinger zurückgegriffen und die darin enthaltenen Persönlichkeitsentwicklungsstufen auf ihre Vereinbarkeit mit nachhaltigen Denk- und Verhaltensweisen untersucht.
Die innere Selbstorganisation der individuellen Persönlichkeitsanteile ist in dem von zähl- und messbaren Konzepten, Strategien und Reduktionszielen getriebenen Nachhaltigkeitsdiskurs bislang unberücksichtigt geblieben, sodass in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nach wie vor an einem objektiven Wirklichkeitsverständnis, linearen Denken und mechanistischen Weltbild festgehalten wird. Als Instrumente dieser „einfachen“ Entwicklungsstufe dienen Marktwirtschaft und Wirtschaftswachstum der Problemverdrängung und wirken dadurch auf die ökologischen und gesellschaftlichen Systeme problemverschärfend. Für eine „echte“ systemische Nachhaltigkeit ist ein Bewusstseinswandel erforderlich, indem die individuellen Selbstorganisations- und Selbstregulationskompetenzen aktiviert und Eigeninteressen in Systemzusammenhängen erfasst und an ihnen ausgerichtet werden.
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Sieben, D. (2017). Systemische Nachhaltigkeit. In: López, I. (eds) CSR und Wirtschaftspsychologie. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-52746-7_5
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