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Praxis: Kritisches, ästhetisches Arbeiten im Kontext von Wirtschaft und Wissenschaft

Kunst als Intervention und Reflexion, Kritik und Politik in Unternehmen und Institutionen. Kriterien für erfolgreiche Partnerschaften – Chancen, Möglichkeiten und Potenziale

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CSR und Kultur

Part of the book series: Management-Reihe Corporate Social Responsibility ((MRCOSORE))

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Zusammenfassung

Vereinfacht kann man sich ein Unternehmen als Mikrogesellschaft vorstellen – eine Organisation (ein System), die in wesentlichen Elementen selbstreferenziell Kontingenz erzeugt, das heißt, sich als strukturiert (effizient), kompatibel (interaktionsfähig) und notwendig (effektiv), und damit gesellschaftlich kongruent erachtet. Wie in der Gesellschaft als Ganzes, sind wesentliche Handlungen ritualisiert und Kriterien der Wahrnehmung und Wertung kollektiviert.

Da die meisten Unternehmen existenziell Obsoletes leisten (Bedürfnisorientierung), benötigen sie eine hohe Erkenntnis- und Kommunikationsfähigkeit. Diese entsteht in der Bezugnahme der unternehmerischen Tätigkeit zu kulturellen Wertebildungsprozessen, gesellschaftlicher Kommunikation und Interaktion – bedarf also einer (bewussten) Kontextualisierung des Unternehmens mit Gesellschaft. Entscheidend dabei ist, dass Reflexionsarbeit nur in der Unterscheidung von Kontexten stattfinden kann, also in der differenzierenden Bewertung von Beschreibungen (Konstruktionen) von Wirklichkeit.

Trotz dieser Erkenntnis setzen Innovationsprozesse und wertebasierte Fragestellungen in Unternehmen häufig erst innerhalb der Hierarchien und Organisationsstrukturen des Unternehmens an – tatsächlich sind Werte soziale Konstruktionen, gleich ob in einer Gesellschaft als Ganzes oder im Subsystem Unternehmen; können also nicht unter Ausschluss von kulturellen Kategorien schlüssig thematisiert werden.

Systemisches künstlerisches Arbeiten bzw. kritische Ästhetik können in Unternehmen und Organisationen zur ästhetisch-reflexiven Erzeugung und Vermittlung von Erkenntnissen und Bedeutungen beitragen. Kunst wirkt dabei, anders als Erklärungsmodelle und Formalisierungen aus Wirtschaft und Wissenschaft, nicht vereinfachend (definitorisch) und damit einschränkend in Wahrnehmung und Reflexion, sondern ermöglicht einen indirekten Eindruck von Komplexität.

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Notes

  1. 1.

    Interessant ist, dass diese so unterschiedlichen Verwendungen mindestens eine Gemeinsamkeit haben: den Ausdruck der Wertschätzung und eine Enthebung aus dem Profanen. Er dient also der qualitativen Bewertung in Diskursen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche.

  2. 2.

    Dies könnte man als interessanten Ausgangspunkt für einen Diskurs der klandestinen oder gar subversiven Wirkung von Kunst nehmen.

  3. 3.

    Der Mensch sieht und bewertet im Allgemeinen die Dinge um ihn herum auf der Basis dessen, was er bereits kennt, seine Annahmen bestätigt und die Zugehörigkeit zu seiner Peer Group (seinesgleichen in der Gesellschaft) stärkt.

  4. 4.

    Dies sollte man nicht als Entstehung der Kunst „im Auge des Betrachters“ missverstehen, sondern als die normative Kraft der Masse. Dabei formt Sprache die Wahrnehmung und vice versa.

  5. 5.

    Wie es beispielsweise die Empirischen Kulturwissenschaften vertreten und hierzu, der Unterscheidung halber, dann von „Kultur mit kleinem K“ sprechen.

  6. 6.

    Das heißt: Gemeinschaft entsteht erst durch Kultur.

  7. 7.

    Denn das sind Kunstwerke, als beispielhafte Repräsentationen von Kunst (vgl. Eco 1972).

  8. 8.

    Wenn beispielsweise ein am World Economic Forum teilnehmender Investmentbanker sagt: „Wenn du vier gute Freunde hast und magst was du tust, spielt es keine Rolle wo du lebst“, zeigt dies vor allem sein neoliberal verkürztes Verständnis von Gemeinschaft und Kultur, obgleich er selbst von intakten Gesellschaften mit sowohl kollektivem Gedächtnis und Traditionen als auch Rechts- und Bildungssystem in seiner Identitätsfindung geprägt wurde und davon profitiert hat. Wenn sich jeder nur auf seinen Freundeskreis beziehen und keine dauerhafte Verantwortung für sein Lebensumfeld eingehen würde und bereits mit dem persönlichen, momentanen geschäftlichen Erfolg zufrieden wäre, gäbe es keine moderne, arbeitsteilige, innovative, risikonivellierende Gesellschaft als kulturelle Gemeinschaft, sondern bestenfalls Stammesstrukturen mit wechselnden Loyalitäten.

  9. 9.

    Dies ist nicht als ein Vergleich oder eine Wertung von unterschiedlichen Kulturen misszuverstehen, sondern als ein Hinweis darauf, welche Auswirkungen der Verlust von normativen Sicherheiten haben kann.

  10. 10.

    Auch Kunstbetrachter sind Akteure.

  11. 11.

    Solche Aussagen hört man immer wieder, sowohl von Künstlern als auch von Kulturmanagern, Kunstkritikern und Konsumenten. Sie sind Ausdruck eines eskapistischen Wunsches und basieren auf einem simplifizierten Kunstverständnis, welches eigentlich erst mit der klassischen Kunstgeschichtsschreibung, die die Künstler unter anderem als weltabgewandte Genies darstellte und sozialwissenschaftliche und philosophische Erkenntnisse ignorierte, entstanden ist und heutzutage oftmals für die Belange des Kunstmarktes und dessen Hierarchien fortgeführt wird.

  12. 12.

    Beispielsweise Sport, Wissenschaft, Politik.

  13. 13.

    Zugunsten der Lesbarkeit verzichte ich hier auf eine umfangreiche Systematisierung von Einflussfaktoren.

  14. 14.

    Mit dem man sich oftmals lieber beschäftigt, weil er eher begreifbar ist, aber sich dadurch von Wesentlichem ablenken lässt.

  15. 15.

    Ich spreche hier bewusst auch von einem Nutzen der Kunst – im Sinne ihrer gesellschaftlichen Funktionen.

  16. 16.

    Gleichwohl können natürlich scheinbar nur ornamentierende künstlerische Arbeiten ebenfalls ein Wirkungspotenzial darüber hinaus mit sich führen. Eine wichtige Frage, die sich der Künstler und die Künstlerin stellen müssen, ist zu welchem Punkt im Rezeptions- und Wirkungsprozess sie (beziehungsweise ihr Werk) die Kontrolle an andere Subsysteme und deren Kriterien übergeben.

  17. 17.

    Die Etymologie dieser Begriffe gibt einen klaren Hinweis auf den Prozess der Erkenntnis.

  18. 18.

    Im Rahmen meiner Beschäftigung mit Instructional Design – als einer der jüngeren Disziplinen, welche sich (idealerweise) über Ideen der (technischen) Gestaltung von Vermittlungsstrategien hinaus mit Fragen der Lehre beschäftigt – an der Harvard University, konnte ich einige dieser Implikationen gut beobachten.

  19. 19.

    Um dies zu ermöglichen, ist die richtige Auswahl der Beteiligten wichtig, aber vor allem auch eine adäquate Qualifikation der Künstlerinnen und Künstler – welche das Kunststudium leider nicht immer fördert.

  20. 20.

    Vorgehensweisen und Module, die ich in Kooperationen mit Forschungsprojekten und der Lehrtätigkeit an Hochschulen verschiedener Fachbereiche entwickelt und praktiziert habe, zielen auf experimentelle Explorationen und die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Systeme und deren Kriterien – als kritischen Umgang mit Komplexität.

  21. 21.

    Auch wenn sie etwas stereotyp klingen mögen: Diese und andere Geschichten haben mir über die Jahre meiner Tätigkeit enttäuschte Unternehmen und Kulturschaffende in verschiedenen Variationen immer wieder erzählt.

  22. 22.

    Gleiches gilt für den Ansatz der Triple-Bottom-Line.

  23. 23.

    Leider übernehmen oft Künstler wissenschaftliche Zitate zur rationalen Unterfütterung ihrer Arbeiten oder missverstehen die dargestellte Form der Kooperation als künstlerische Forschung. Richtig wäre es, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche Know-how mit ästhetischen Fähigkeiten des Know-what und Know-why verbindet, zu initiieren.

  24. 24.

    Möglicherweise – und das wäre eine tatsächliche Erkenntnis – auch im Sinne der Aufhebung einer Selbsttäuschung.

  25. 25.

    Dies könnte man als eine der Freiheiten der Kunst verstehen.

  26. 26.

    Bspw. zu motivierteren oder sich stärker mit dem Unternehmen identifizierenden.

  27. 27.

    Gleiches gilt aber auch für Künstlerinnen und Künstler, denn diese übernehmen nicht qua ihres Berufes gesellschaftliche Verantwortung, sondern durch ihr Handeln.

  28. 28.

    Der Begriff der Ästhetik bezeichnet genau dies – Wahrnehmung als multisensuelles Erleben und Agieren.

  29. 29.

    Dies bedeutet einen bewussten Umgang mit Wirtschaft und Wissenschaft und alles andere als ein „Ausliefern“ der Kunst oder der Künstlerinnen und Künstler an diese. Man erlebt es jedoch immer wieder in den Künsten und in der Kunstkritik, im Sinne eines pseudoradikalen Verständnisses von Kunst, dass man Künstlerinnen und Künstler, die in prozessualer Form arbeiten, der Häresie beschuldigt, aber solchen, die beispielsweise im Empfangsraum eines Unternehmens ausstellen oder deren Arbeiten an dieses verkaufen, ohne Fragen zu stellen, Unabhängigkeit attestiert. Hinter diesen Beurteilungen verbergen sich unter Umständen handfeste politische Interessen, denn oftmals bilden Kuratoren und Kritiker eine mächtige Schnittstelle zwischen den künstlerisch Tätigen und relevanten Multiplikatoren (vgl. auch Sloterdijk 2000).

  30. 30.

    Das heißt: die Geschlossenheit bzw. Autonomie.

  31. 31.

    Seit geraumer Zeit benutze ich dieses Begriffspaar unter anderem zur Erläuterung und Klärung von Kriterien der Kooperation mit Unternehmen und Institutionen. So lässt sich, ausgehend von der Etymologie des Begriffes „Unternehmen“ kritische Ästhetik als gestaltendes Denken und dessen Kontextualisierung verständlich machen.

  32. 32.

    Ich erwähne hier kurz einige Beispiele ohne dabei auf Details einzugehen; eine umfassende Beschreibung der Prozesse, Überlegungen und Maßnahmen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

  33. 33.

    Dabei werden allerdings Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu Amateurkünstlern – wie dies leider oftmals bei „Kunst im Unternehmen“-Projekten der Fall ist – oder als Erfüllungsgehilfen missbraucht, sondern mit ihren Wünschen, Fähigkeiten und Potenzialen eingebunden.

  34. 34.

    Es ist jedoch zu einfach, wenn man Kunst nur als Mittel für symbolische Regelbrüche, als Protest oder zu simplen Provokationen gebraucht. Denn der Regelbruch ist erst einer der Auslöser der Reflexion und noch nicht die Reflexion selbst – und diese gilt es aus künstlerischer Sicht zu begleiten.

  35. 35.

    Beispielsweise indem man der Frage nach dem „Was tun“ ein „Wie man es tut“ zur Seite stellt.

  36. 36.

    Dies ist, ausgehend vom griechischen krínein, als „reflektierte Unterscheidung“ zu verstehen, nicht als eine, im Alltagsgebrauch häufig verstandenen, „Beanstandung“.

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John, R. (2015). Praxis: Kritisches, ästhetisches Arbeiten im Kontext von Wirtschaft und Wissenschaft. In: Steinkellner, V. (eds) CSR und Kultur. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47759-5_4

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