Zusammenfassung
Eine wichtige Opposition, die Wolf Lepenies in seiner Studie Die drei Kulturen verfolgt, betrifft das Verhältnis von soziologischer Erkenntnis und literarischem Stil. Beide verbinden sich historisch, aber auch semiotisch und verfahrenstechnisch vor allem mit dem Realismus.
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Notes
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„Insofern die moderne ernste Realistik den Menschen nicht anders darstellen kann als eingebettet in eine konkrete, ständig sich entwickelnde politisch-gesellschaftlich-ökonomische Gesamtwirklichkeit – wie es jetzt in jedem beliebigen Roman oder Film geschieht − , ist Stendhal ihr Begründer.“ (Auerbach 2001, S. 431).
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In den letzten Jahren ist eine Renaissance der Soziologie in der Literatur Frankreichs festzustellen. Ein DFG-Projekt an der Universität Koblenz-Landau untersucht diese unter dem Titel „Bourdieus Erben. Zur Rückkehr der Klassenfrage in der französischen Gegenwartsliteratur“ (vgl. https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/449669912?context=projekt&task=showDetail&id=449669912&).
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„Lange ist es für mich nur ein Name gewesen. Meine Eltern waren zu einer Zeit in dieses Dorf gezogen, als ich sie nicht mehr besuchte. Hin und wieder schickte ich ihnen eine Postkarte von meinen Auslandsreisen, halbherzig bemüht, eine Verbindung aufrechtzuerhalten, die ich mir so lose wie möglich wünschte.“ (Eribon 2016, S. 9).
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Eribon 1989.
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Zit. n. Dictionnaire 2020, S. 302.
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Ein weiteres Beispiel für eine sozioautobiografische, insbesondere von Eribon inspirierte Literatur in Deutschland ist das Buch von Daniela Dröscher: Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft, 2021.
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Henk und Sauer 2022.
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„Ich habe die Tür geöffnet, das schmatzende Geräusch des Holzes, das rundgeriebene Schnappen des Schlosses, und während ich noch den Knauf in der Hand hatte, hörte ich ihn hinter mir sagen: ›Wenn’s nichts wird, kommst wieder heim.‹“ (Ohde 2020, S. 285).
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„Ob man sich in die Luft sprengt oder ob man geht, sehr leise geht, ohne das Licht hinter sich zu löschen – das schienen mir früher die beiden Möglichkeiten zu sein. (Ohde 2020, S. 235).
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„Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse unsichtbar ist. In dem die Chancen auf Bildung und Wohlstand für alle gleich sind. Klasse und Kampf räumt mit diesem Mythos auf. 14 Autor*innen schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu. Zusammen ergeben ihre Stimmen ein vielschichtiges Manifest von großer politischer Kraft. Mit Beiträgen von Christian Baron, Martin Becker, Bov Bjerg, Arno Frank, Lucy Fricke, Kübra Gümüsay, Schorsch Kamerun, Pinar Karabulut, Clemens Meyer, Katja Oskamp, Sharon Dodua Otoo, Francis Seeck, Anke Stelling, Olivia Wenzel.“ (Baron und Barankow 2021, Klappentext).
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Vgl. die Rezension von Paul Jandl in der „Neuen Zürcher Zeitung vom 12.2.2020.
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„Jahrelang hatte ich mich abgemüht, ein Mann wie er zu werden, und dann das.“ (Baron 2020, S. 110).
Literatur
Auerbach, Erich. 2001. Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur. 10. Aufl. Tübingen: Francke.
Baron, Christian. 2020. Ein Mann seiner Klasse. Berlin: Claassen.
Baron, Christian, und Maria Barankow, Hrsg. 2021. Klasse und Kampf. Berlin: Claassen.
Barthes, Roland. 2006. Der Wirklichkeitseffekt. In Das Rauschen der Sprache (Kritische Essays IV). Aus dem Französischen von Dieter Hornig, Hrsg. Roland Barthes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Baßler, Moritz. 2022. Populärer Realismus. Vom International Style gegenwärtigen Erzählens. München: Beck.
Bourdieu, Pierre. 2002. Ein soziologischer Selbstversuch. Aus dem Französischen von Stephan Egger. Mit einem Nachwort von Franz Schultheis. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Dictionnaire international Bourdieu. 2020. Dirigé par Gisèle Sapiro. Paris: CNRS Editions.
Eribon, Didier. 2016. Rückkehr nach Reims. Berlin: Suhrkamp.
Eribon, Didier. 1989. Michel Foucault. Eine Biographie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
Ernaux, Annie. 2020. Der Platz. Berlin: Suhrkamp.
Henk, Lars, und Lea Sauer. 2022. Die Klassenfrage und die Literatur. Interview mit der Soziologin Prof. Dr. Silke van Dyk. https://literaturportal-france2000-lit.webflow.io/essais-entretiens/bourdieus-erben-interview-silke-van-dyk
Henk, Lars und Schultheis, Franz. 2022. Wenn man Sartre etwas entthronen kann, ist das sicherlich kein Nachteil. Ein Gespräch mit Franz Schultheis über Bourdieu, seine Erben und das Wechselverhältnis von Soziologie und Literatur. https://literaturportal-france2000.uni-landau.de/espace-bourdieu/interview-franz-schultheis-bourdieu
Louis, Édouard. 2015. Das Ende von Eddy. Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Frankfurt a. M.: Fischer.
Jurt, Joseph. 2015. „Das Mittelmässige gut (be)schreiben“. Der Alltag als ästhetische Herausforderung (Vortrag Universität Regensburg, 28. April 2015). https://www.academia.edu/12165576/Das_Mittelm%C3%A4ssige_gut_be_schreiben_Der_Alltag_als_%C3%A4sthetische_Herausforderung_Vortrag_Universit%C3%A4t_Regensburg_28_April_2015_
Jurt, Joseph. 2017. La transmission d’une expérience de dominés: Pierre Bourdieu, Annie Ernaux. In Imaginaire et transmission. Mélanges offerts à Gérard Peylet. Textes réunis par Antony Soron et Agnès Lhermitte, 95–110. Bordeaux: Presses Universitaires.
Kiliş, Sinem. 2022. Der Geruch der Herkunft. Deniz Ohdes Roman Streulicht erzählt eindrucksvoll von den gar nicht so feinen Unterschieden der Klassengesellschaft. Die Zeit, 25. November.
Ohde, Deniz. 2020. Streulicht. Berlin: Suhrkamp.
Schuhen, Gregor et al. 2021. Mich interessiert die Brüchigkeit des kleinbürgerlichen Milieus. Interview mit der Schriftstellerin Daniela Dröscher über Klasse, Sprache und den Eribon-Moment. https://literaturportal-france2000.uni-landau.de/essais-entretiens/mich-interessiert-die-bruchigkeit-des-kleinburgerlichen-milieus-interview-daniela-droescher
Schultheis, Franz. 2002. Nachwort. Etappen einer Anti-Autobiographie. Bourdieu 2002:133–151.
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Tommek, H. (2024). Rückkehr zur Klasse: soziologisierte Gegenwartsliteratur in Frankreich und Deutschland (Eribon, Ernaux, Ohde, Baron). In: Magerski, C., Steuerwald, C. (eds) „Die drei Kulturen“ reloaded. Literatur und Gesellschaft. Literatursoziologische Studien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42824-2_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-42824-2_7
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