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Altern und Vollzug: korrespondierende Erfahrungen

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Alter, Delinquenz und Inhaftierung

Zusammenfassung

Dem Beitrag liegen Gefangenenbriefe an das Strafvollzugsarchiv zugrunde. Die Auswahl der diesen Briefen entnommenen Themen erfolgte anhand der langjährigen Praxiserfahrung des Autors und der Autorin mit der Beantwortung solcher Briefe sowie der Verteidigung im Straf- und Maßregelvollzugsrecht. Dabei gehen wir zunächst auf Beispiele ein, die noch eher auf die Zukunft gerichtet sind, wie Rente und Resozialisierung, um dann zu der weitaus existentielleren Thematik der Zukunftslosigkeit bei zeitlich unbestimmter und unbefristeter Freiheitsentziehung überzugehen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Alter im Vollzug nicht als eine bloße Eigenschaft von Gefangenen begriffen werden kann, die gewissermaßen der Person unabhängig vom örtlichen und gesellschaftlichen Kontext anhaftet. Vielmehr wird gezeigt, dass der Vollzug als Ort ein bestimmtes Verständnis von Alter(n) und auch spezifisches Leiden an diesem hervorbringt.

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Notes

  1. 1.

    Im Folgenden wird von „Gefangenen“ teilweise im Sinne eines Überbegriffs gesprochen. Zwar ist uns bewusst, dass dies nicht dem Rechtsbegriff bei Maßregelvollzugsunterbringung entspricht. Allerdings erscheint uns die dortige Unterbringung – in Anlehnung an die Wahrnehmung der Gefangenen, mit denen wir korrespondieren –, gefängnisartig genug, um hier nicht durchgängig einen anderen Begriff bemühen zu müssen. Auch ist es keine Nachlässigkeit, wenn wir von unseren Korrespondenten ohne gendergerechte Sprache sprechen. Zwar schreiben gelegentlich auch Frauen an das Strafvollzugsarchiv (Feest 2020a), unsere Auswertung bezieht sich aber ausschließlich auf den Männervollzug.

  2. 2.

    Eine systematische Auswertung von Briefen an das Strafvollzugsarchiv liegt aber dem Text von Graebsch und Storgaard (2023) zugrunde.

  3. 3.

    Die Beträge beziehen sich auf das Jahr 2023, Quelle: Haftkostenbeiträge-Bekanntmachung 2023, Bundesanzeiger AT vom 5.1.2023 B2.

  4. 4.

    Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde zum 1.1.2001 abgeschafft und durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt. Auch wer heute vollständig erwerbsunfähig ist, erhält eine Erwerbsminderungsrente aufgrund einer vollen Erwerbsminderung. Wurde in der Zeit davor eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt, so besteht diese weiter.

  5. 5.

    Das Beispiel geht von einer vollständigen Ansparung des Überbrückungsgeldes aus. Beim Überbrückungsgeld handelt es sich um einen Geldbetrag, der in den meisten Ländern verpflichtend für die Zeit nach einer Entlassung anzusparen ist. Das Überbrückungsgeld ist nicht pfändbar. In der Mehrzahl der Bundesländer besteht die Verpflichtung zum Ansparen von Überbrückungsgeld noch fort.

  6. 6.

    Vgl. zu solchen mit Blick auf Vollzugslockerungen Graebsch und Storgaard (2023). Dass es zu kafkaesken Situationen im Gefangenenrechtsschutz kommen kann, hat im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht bereits explizit festgestellt (Beschl. v. 19.12.2012 – 2 BvR 166/11). Eine typische Konstellation mit Potenzial zum Kafkaesken, die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, aber auch im vorliegend erwähnten Fall eine Rolle spielte, mündet in ein Ergebnis, wonach die Vollzugsanstalt letztlich selbst bestimmen und damit abwenden kann, dass und wann der:die Gefangene Rechtsschutz gegen die Anstaltsentscheidungen erlangen kann. Dies läuft über zum „richtigen“ Zeitpunkt ergangene Neuentscheidungen, die die alten überholen, zum Beispiel im Rahmen von Vollzugsplanfortschreibungen. Gegen die dann als erledigt angesehene frühere Entscheidung kann danach nur noch unter sehr eingeschränkten Bedingungen (vorheriger Feststellungsantrag, bestehendes und nachgewiesenes Feststellungsinteresse) Rechtsschutz erlangt werden, auch wenn die neue Entscheidung im Ergebnis nichts anderes erbracht hat als die vorangehende.

  7. 7.

    Auskunft von Johannes Feest, der zum Gefangenen und insbesondere zu dem mit dem Gefangenen vertrauten Gefängnisseelsorger über das Strafvollzugsarchiv Kontakt hatte; vgl. auch Fiedeler (2003, S. 143 ff.).

  8. 8.

    Zur Kritik dieses Maßstabs am Beispiel der Cannabis-Rechtsprechung, in der es diesen ebenfalls angelegt hat, Graebsch, 2019.

  9. 9.

    Vgl. zum Schwinden der Hoffnung entgegen dem verfassungsrechtlichen Hoffnungsprinzip bei Gefangenen mit lebenslangen Freiheitsstrafen und geringer Lebenserwartung auch Fiedeler (2003, S. 143 ff.).

  10. 10.

    Zu der historisch ebenso häufigen wie schiefen Gleichsetzung mit einer solchen bereits Graebsch, 2002.

  11. 11.

    USA 1973, Original: Soylent Green. Ältere Menschen werden zum Sterben animiert, und Ihnen wird hierzu ein multimediales Erlebnis beim Sterben angeboten (https://www.youtube.com/watch?v=EtSexMHKr_8, ab Minute 1:33).

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Burkhardt, SU., Graebsch, C. (2023). Altern und Vollzug: korrespondierende Erfahrungen. In: Ghanem, C., Hostettler, U., Wilde, F. (eds) Alter, Delinquenz und Inhaftierung. Edition Forschung und Entwicklung in der Strafrechtspflege. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41423-8_14

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