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„Ich konnte einen Job finden, als ich vergaß, wer ich war und was meine Erfahrung war.“ Statusverlust von hochqualifizierten geflüchteten Frauen* auf dem deutschen Arbeitsmarkt

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Gender, Flucht, Aufnahmepolitiken

Part of the book series: Migrationsgesellschaften ((MIGRAGS))

Zusammenfassung

Dieser Beitrag hat das Ziel, Statusverlust von hochqualifizierten geflüchteten Frauen* auf dem deutschen Arbeitsmarkt anhand subjektiver Erfahrungen und Umgangsstrategien zu untersuchen. Theoretischer Ausgangspunkt bildet ein multidimensionales, dialektisches und transformatives Verständnis von Verlust sowie eine intersektionale Perspektive auf Dequalifizierungsprozesse und die Verwertbarkeit von Qualifikationen an der Schnittstelle von Geflüchtet-Sein und Frau*-Sein. Anhand von elf qualitativen Interviews mit höherqualifizierten weiblichen* Geflüchteten aus unterschiedlichen Branchen, unterschiedlich langer Aufenthaltsdauer in Deutschland und unterschiedlichen Karriereverläufen werden drei verschiedene Formen der Erfahrung und des Umgangs mit Verlust herausgearbeitet: Erstens der von allen erlebte Verlust von beruflichem Selbstwert; zweitens die Abwertung von Qualifikationen und eine darauf folgende Requalifizierung; sowie drittens das ‚bei Null anfangen‘ und der Gewinn von etwas Neuem. Erst ein weiter Blick auf Verlust, der auch soziale und politische Dimensionen beinhaltet wird den Erfahrungen höherqualifizierter geflüchteter Frauen* gerecht.

Abstract

This article aims at examining the loss of status of highly qualified refugee women* in the German labor market based on insights into subjective experiences and coping strategies. Theoretically, this article is premised on a multidimensional, dialectical and transformative understanding of loss as well as an intersectional perspective on dequalification processes and the exploitation of qualifications at the intersection of being refugee and being female*. On the basis of eleven qualitative interviews with higher qualified female* refugees from various sectors, with different lengths of stay in Germany and different career paths, three differing forms of experience and coping with loss will be elaborated: First, the loss of professional self-worth experienced by the interviewees; second, the devaluation of qualifications and subsequent requalification; and third, experiences of ‘starting from scratch’ and gaining something new. I conclude that only a broad view of loss, which also includes social and political dimensions, does justice to the experiences of highly qualified refugee women*.

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Notes

  1. 1.

    Alle Namen interviewter Personen in diesem Beitrag wurden anonymisiert.

  2. 2.

    Der Beitrag ist Ergebnis des assoziierten Teilprojekts „Loss of Status for Highly Educated Female Refugees: A Comparative Study according to Occupations/Professions“ des an den Universitäten Göttingen, Oldenburg und Osnabrück angesiedelten Verbundprojekts „Gender, Flucht, Aufnahmepolitiken. Prozesse vergeschlechtlichter In- und Exklusionen in Niedersachsen“. Das Projekt wurde von April 2018 bis März 2020 von der VolkswagenStiftung mit der Zusatzförderung für geflüchtete Wissenschaftler*innen (Az. 93559) gefördert. Die Autorin dieses Beitrags dankt Sigrid Pusch für die administrative Unterstützung sowie der studentischen Mitarbeiterin Julia Müller für die kontinuierliche Mitarbeit am Projekt sowie der Sprachmittlung. Außerdem bedankt sie sich bei Helen Schwenken und Johanna Ullmann für die kollegiale Unterstützung bei der sprachlichen Bearbeitung des Beitrags.

  3. 3.

    Aufgrund der ggf. nicht mehr zu gewährleistenden Anonymität verzichte ich in Tab. 5.1 auf die Nennung der Herkunftsstaaten. Die Unterscheidung ‚Grund der Migration‘ wurde vereinfacht getroffen; oft sind beide Phänomene miteinander verknüpft. Die ‚berufliche Tätigkeit nach der Flucht‘ bezieht sich auf den Zeitpunkt des Interviews.

  4. 4.

    Ich meine damit die Erfahrungen von Geflüchteten, die durch eine Reihe von Möglichkeiten oder Hindernissen, die die Außenpolitiken der Herkunfts- und Aufnahmeländer formen sowie die Bürokratie und Unterstützung bei der Aufnahme und den Übergangsprozessen von Geflüchteten bestimmen. Eine angespannte Beziehung zwischen Aufnahme- und Herkunftsland kann zu mehr Sichtbarkeit von Geflüchteten im Aufnahme- und Übergangsprozess führen. Demgegenüber ist dieser Prozess in Zeiten verstärkter Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern schwieriger und Solidarität mit und Sichtbarkeit von Geflüchteten sind meist auf radikale politische Netzwerke begrenzt. Dies sind Beobachtungen von mir als Autorin als auch Beobachtungen, die ich aus den Interviews mit den befragten Frauen* entnehmen konnte.

  5. 5.

    In der Anfangsphase hat ein Geflüchteter eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung. Um eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten ist es erforderlich, in dem dreijährigen Zeitraum mit befristeter Aufenthaltserlaubnis mindestens ein Jahr lang vertraglich eine Arbeitsbeschäftigung auszuüben und die Sprache zu erlernen. Nach drei Jahren wird der Flüchtlingsstatus überprüft.

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Akdemir, N. (2023). „Ich konnte einen Job finden, als ich vergaß, wer ich war und was meine Erfahrung war.“ Statusverlust von hochqualifizierten geflüchteten Frauen* auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In: Gender, Flucht, Aufnahmepolitiken. Migrationsgesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40688-2_5

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