Zusammenfassung
Digitalisierung und vernetzte Arbeit bedeuten in mittelständischen Unternehmen weit mehr als die bloße Einführung einer neuen Technik. Die Arbeit mit vernetzten Systemen stellt neue Anforderungen an die Beschäftigten: Ihre eigene Arbeit steht immer mehr im Kontext von Informationen, Handlungen und Entscheidungen aus anderen Arbeitsbereichen. Gleichzeitig werden sie in ihrem alltäglichen Arbeitshandeln immer wieder mit neuen Grenzen der Digitalisierung konfrontiert, für die sie auch entsprechende Formen des Umgangs finden müssen. Um unter den Bedingungen der Digitalisierung weiterhin aufgaben- und situationsbezogen handlungs- und entscheidungsfähig bleiben zu können, benötigen die Beschäftigten mehr denn je ein Kontext- und Überblickswissen über betriebliche Abläufe und Zuständigkeiten, aber auch über Konsequenzen ihres Handelns für andere Personen und Bereiche.
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Notes
- 1.
Vgl. dazu die Beschreibung der Tätigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vertriebsinnendienst in einem mittelständischen Unternehmen (Bolte et al. 2023).
- 2.
In Großunternehmen sind ERP-Systeme seit vielen Jahren der Standard. Zwar nutzen inzwischen auch sehr viele mittelständische Unternehmen ERP-Systeme, aber bei weitem noch nicht alle. Der Einsatz dieser Technik erfordert nicht nur eine äußerst zeitintensive Einführung, sondern auch hohe Geldinvestitionen. Eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz zeichnet sich hier für viele mittelständische und Kleinunternehmen nach wie vor nicht ab.
- 3.
Ein Beispiel dafür sind extrem kurzfristige Änderungen im Kundenauftrag, die ein mittelständisches Unternehmen seinen Kunden ermöglicht (vgl. dazu Bolte 2023). Derlei kurzfristige Anforderungsänderungen können in der Serienproduktion von Großkonzernen kaum berücksichtigt werden.
- 4.
Die Produktionsplanung eines Unternehmens ist immer darauf ausgerichtet – unter Berücksichtigung zahlreicher Randbedingungen wie Lieferverpflichtungen, vorhandenen Materialien, zur Verfügung stehenden Mitarbeiter*innen usw. – die Produktionskapazitäten bestmöglich auszulasten. Im Plantag wird festlegt, welche Teile an einem bestimmten Tag an welchen Maschinen bearbeitet werden.
- 5.
Dieser Grund ist offensichtlich im Unternehmen nicht so kommuniziert worden, dass er bei allen Beschäftigten ‚angekommen‘ ist.
- 6.
Dies ist nichts grundlegend Neues beim Einsatz von Technik: Solche Notwendigkeiten bei der Bedienung von technischen Anlagen finden sich in allen vom ISF München durchgeführten Untersuchungen der letzten Jahrzehnte zum Technikeinsatz. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Konzepts des subjektivierend-erfahrungsgeleiteten Arbeitens. Eine Zusammenstellung dieser Untersuchungen findet sich in dem von Fritz Böhle herausgegebenen Band „Arbeit als Subjektivierendes Handeln – Handlungsfähigkeit bei Unwägbarkeiten und Ungewissheit“ (2017).
- 7.
Eine aktive Widerständigkeit der Beschäftigten im Umgang mit dem System, beispielsweise im Sinne einer Veränderungsaversion, wurde in unseren Untersuchungen dagegen empirisch kaum festgestellt.
- 8.
Diese Feststellung hat wichtige Konsequenzen für die Debatte um den Fachkräftemangel und aktuell zu beobachtende Strategien zum Umgang damit (Stichworte sind beispielsweise die „menschenleere Fabrik“, der „digitale Taylorismus“ oder auch die Idee der Produktion ohne Facharbeit), die an dieser Stelle jedoch nicht diskutiert werden können.
- 9.
Wie dieses erfahrungsbasierte Kontextwissen im Prozess der Arbeit erworben werden kann, haben wir an anderer Stelle breit erforscht und dargestellt (vgl. Bolte und Neumer 2021).
Literatur
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Böhle, F. (Hrsg.) (2017): Arbeit als Subjektivierendes Handeln. Handlungsfähigkeit bei Unwägbarkeiten und Ungewissheit. Wiesbaden: Springer VS.
Bolte, A. (2006): Produktmanagement als Brückenfunktion zwischen Kundenanforderungen und Entwicklungsinteressen – Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen für Interaktionsarbeit in der Softwareentwicklung. In: F. Böhle; J. Glaser (Hrsg.): Arbeit in der Interaktion – Interaktion als Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 153–175.
Bolte, A.; Neumer, J. (Hrsg.) (2021): Lernen in der Arbeit. Erfahrungswissen und lernförderliche Arbeitsgestaltung bei wissensintensiven Berufen. Augsburg, Mering: Hampp.
Bolte, A.; Gross, M.; Schüle, I. (2023): Digital vernetzte Arbeit gestalten: Das Beispiel Reflexa-Werke Albrecht GmbH. In: M. Heinlein; J. Neumer; T. Ritter (2023): Digital vernetzte Arbeit: Merkmale und Anforderungen eines neuen Typus von Arbeit. Wiesbaden: Springer VS.
Heinlein, M.; Neumer, J.; Ritter, T. (2023): Digital vernetzte Arbeit: Dimensionen und Anforderungen einer neuen Arbeitsform. In: Dies. (Hrsg.): Digital vernetzte Arbeit – Merkmale und Anforderungen eines neuen Typus von Arbeit. Wiesbaden: Springer VS.
Heinlein, M.; Huchler, N. (2021): Digitalisierung und die Bearbeitung von Ungewissheit: Gestaltungsmöglichkeiten im Konzept der prospektiven Organisation. In: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), Jg. 52, S. 525‒637.
Sauer, S.; Bolte, A. (2021): Erfahrungsbasiertes Kontextwissen: Der Blick auf’s Ganze in der technischen Planung. In: A. Bolte; J. Neumer. (Hrsg.) Lernen in der Arbeit. Erfahrungswissen und lernförderliche Arbeitsgestaltung bei wissensintensiven Berufen. Augsburg/München: Hampp, S. 65‒83.
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Bolte, A., Neumer, J. (2023). Digital vernetzte Arbeit in mittelständischen Unternehmen: Anforderungen im Umgang mit ERP-Systemen und Grenzen der Digitalisierung. In: Heinlein, M., Neumer, J., Ritter, T. (eds) Digital vernetzte Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40615-8_6
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