Zusammenfassung
Auf einen zunehmenden ‚Modernisierungsbedarf‘ verwaltungsmäßigen Handelns im Kontext sich veränderter Sozialstaats- und Governance-Strategien reagiert das kommunale politische System mit einem neuerlich vermehrten Versuch der Steuerung qua Sozialplanung, die sich hierzu allerdings selbst als *integrierte‘ oder ‚integrierte kooperative‘ Sozialplanung neu konzeptualisiert. Auch als eine primär kommunikativ orientierte Planung bleibt sie Teil des (lokalen) politischen Herrschaftssystems. Als Versuch politischer Fremdsteuerung sozialer Systeme sind jegliche Steuerungsversuche allerdings ‚lediglich‘ als „intentionale Kommunikationen“ und bestenfalls als „Auslösekausalitäten“ zu qualifizieren. Die in der Sozialplanung zum Ausdruck gelangenden Steuerungsabsichten dürfen insofern nicht mit Steuerungserfolgen gleichgesetzt werden.
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Notes
- 1.
Ein wesentliches Moment der Modernisierung und Reform des Regierungs- bzw. Verwaltungshandelns unter der Blair-Administration schon während der Jahre 1997 bis -2001 bestand in der Betonung der Notwendigkeit einer vermehrten Evaluation ihrer Effekte sowie der damit verbundenen Orientierung an einer ‚evidence-based-policy‘, die zeitweilig in der o. g. Prime Minister‘s Unit zusammengefasst war (vgl. Peters, 2008, S. 79 ff.)
- 2.
„Knowledge is always produced under an aspect of continuous negotiation, and it will not be produced unless and until the interests of various actors are included“ (Gibbons et al., 1994, S. 4).
- 3.
Der Rückgriff auf wissenschaftliches oder evaluatives Wissen erschwert Dissens und immunisiert gegen Kritik, denn wer sich auf das stützt, was allgemein als rational (wissenschaftlich belegbar oder als funktionierend sich erwiesen hat) gilt, kann eigentlich nichts falsch gemacht haben, auch wenn die Entscheidungen/Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen … Allerdings zeigen sich Grenzen: Die eine scheint darin zu bestehen, dass jeder ‚Expertise‘ gleich eine ‚Gegen-Expertise` zu Seite gestellt wird, was zu Entscheidungs- und Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung z. B. bei (Groß-)Projekten jeglicher Art (von der Durchführung einer Olympiade bis zum Bau eines Flughafens oder Bahnhofs) oder auch wie in der aktuellen Pandemie dazu, dass solche wissenschaftliche Erkenntnisse delegitimiert werden, wenn und insofern deutlich wird, dass Wissenschaft i. d. R. nicht eindeutige Erkenntnisse liefert und Politik nicht in der Lage ist, die abgerufene Komplexität mit ihren Entscheidungen zu vermitteln und angemessen zu kommunizieren. Hier wird noch einmal deutlich, dass keine Politik als Vollzug von Wissenschaft anzunehmen ist.
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Peters, F. (2022). Steuerung. In: Rund, M., Peters, F. (eds) Schlüsselbegriffe der Sozialplanung und ihre Kritik. Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit, vol 23. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38399-2_15
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